OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1973-75 / 1974-08-27

Di. 27. Aug. Monderey, Calif.

Die Begegnung mit Menger war sehr erfreulich. Er hatte mich im Palmer House untergebracht (er zahlte!), & z. Dinner im Orake H. ("Bookbinder"), sehr gut. Endlos viel zu reden: Wr Kreis, unsere Bücher, Familien, Philosophie, Gödel, Carl usw. Sein Buch über Ethik erscheint bald bei Reidel; das über den Wr Kreis ½ fertig. Er behauptet, ich habe den Vortrag über Vollk. Vor. in seinem Sem. & nicht bei Schlick vorgetragen. Viell. habe ich ein Tagebuch ich sollte sie sammeln & einmal darin lesen –. Vieles: Oh Graus! Und doch – damals viel gelernt, aber zu wenig Führung; gar keine in Harvard 1926, als ich die Wirtsch.prognose schrieb. Menger sagte er habe die "13 pts" nochmals gelesen: ein jammervoller Zustand der Ök. Aber er hat keine Fehler gefunden.

Dann bei Carl. Von ihm im (schmutzigen) Auto abgeholt. Verschlafen, gähnte oft, wortkarg. Aber das gab sich bald! Wir sprachen viel am Balkon: Er wurde ganz munter. Viel über d. deutsche Sprache, die er gut kennt. Er würde gerne Jahr in D. oder Öst. verbringen; z.B. mit Fahrrad d. Österr! Frage n. Hatzfeld, Vosslers usw. Er sei kein Math.! … Mit der Diss. gehe es nicht. Dann: er geht zu einer Psychoanalytikerin. Das war eine Überraschung. Sie tue ihm gut. Es sei viel wahr an Freud – usw. Er leide darunter einen "berühmten" Vater zu haben; viele Leute fragen ihn usw. Ich versuchte ihm zu helfen, so gut ich konnte: Er solle den Beruf & Lebensweg finden der ihm angemessen ist. Dass wir ihn in gar nichts drängen usw. Dann wieder kam seine Math. durch –. So wird er wohl Zeit brauchen, sich zu finden. – Dann kamen er & Linde z. Dinner in Greenbriar. Beide gut angezogen, sehr heiter, zufrieden. Genossen Essen & den Bordeau. Linde gefiel mir.

Dann zu J. van Sickle (82!). Hat Leukemie & gerade war sein Blut gewechselt worden!! Kuchen, Likör, Kinder & Frauen & alles sehr schön; Carl & L. sehr lebhaft. v. S. ist ein Manchester Liberaler reinsten Wassers. Natürlich viele Erinnerungen, & ich sagte ihm wie viel ich ihm, Kittredge & der Rock. Found. verdanke.

So. kam Carl z. Frühstück; ganz wie immer; sehr aufgeräumt. Dann zu ihnen & ihren 2 Katzen. Die Wohnung ganz Bohéme, aber nicht unmöglich, Linda will auch zu uns n. Princeton kommen, vor Weihnachten, sowie ihrer beider Vorlesungen vorbei sind. Carl ganz dafür. Alles das erfreulich – also wozu Psych … C. Frage sehr viel & sehr delikate Dinge über die deutsche Sprache; eben eine hohe Intelligenz.

Geliebter Sohn: – viel Glück.

Hier, Hyatt H.: Luxus, Golf, nette Nasa Leute, aber eine schlechte "Conf" – bisher. Ich war in einer grässlichen Gruppe. Heute Abend in einer anderen; hoffentlich besser. Es ist schade um die Zeit. Ich sprach heute kurz in einer allg. Sitzung über Daten, Messung, GNP –.

Übrigens: Brief von Kruskal über "Acc.". Es sei ein fundamentales & ganz vernachlässigtes Buch – etc.

Täglich abscheuliche Schmerzen; z.B. jetzt. Wo soll das hinführen?! Wenn es nicht besser wird, fliege ich nicht n. Deutschland.

Mit Dorothy & Karin öfters telefoniert. Die Lieben –.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1973-75, Eintrag 1974-08-27
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.45)