Soziologie in Österreich

 

 

 

 

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Friedrich Gentz

fälschlich: Friedrich von Gentz; nannte sich seit 1804: Chevalier de Gentz

geb. Breslau (heute Wrocław), Schlesien, Königreich Preußen (heute Woiwodschaft Dolnośląskie, Polen), am 2. Mai 1764

gest. Weinhaus (heute zu Wien), Erzherzogtum Österreich unter der Enns, Kaisertum Österreich (heute Bundesland Wien, Österreich), am 9. Juni 1832

Politiker, Historiker, Finanzfachmann, Schriftsteller und Übersetzer

gilt als einer der führenden Repräsentanten der Reaktion im Österreich des Vormärz

Vater: Johann Friedrich Gentze, umbenannt in: Gentz (1726–1810), Beamter, Münzmeister, zuletzt Generaldirektor der königlichen Münze in Berlin

Mutter: Elisabeth Gentz, geborene Ancillon (1730–1804), Pfarrerstochter

Geschwister: 1) (Johann) Heinrich Gentz (Breslau [heute Wrocław] 5. Februar 1766 – Berlin 3. Oktober 1811), Architekt und preußischer Baubeamter, Professor für Stadtbaukunst an der von ihm mitbegründeten Berliner Bauakademie

Ehe: 1793 mit »Min(n)a« Maria Wilhelmina Gilly (um 1773 – Berlin 15. Dezember 1802), Baumeisterstochter; 1802 getrennt, vor der von ihr eingereichten Scheidung verstorben

Kinder: 1) Josef Gentz, d. i. Josef Kotzian (Wien 4. Oktober 1805 – Wien 10. September 1875), Beamter, zuletzt Hofrat, literarisch-politischer, liberaler Publizist

Religion: evangelisch (Augsburger Bekenntnis)

Aufgewachsen in Breslau (heute Wrocław), übersiedelte Friedrich Gentz mit seiner Familie 1779 nach Berlin, wo er auch das Gymnasium besuchte. 1783 bis 1785 studierte er zwei Jahre Philosophie an der Universität Königsberg (heute Kaliningrad Калининград), wo er bei Immanuel Kant (1724–1804) hörte. Die hier 1785 geschlossene Verlobung mit Celeste Schwinck war nur von kurzer Dauer.

1785 kehrte Friedrich Gentz nach Berlin zurück und schlug die Beamtenlaufbahn ein. Zunächst Sekretär im General-Direktorium (Innenministerium), stieg er allerdings nur bis zum Kriegsrat 1793 auf. In diesen Jahren wurde er vor allem von den Ereignissen der Französischen Revolution und den Begegnungen mit Wilhelm von Humboldt (1767–1835) 1790/91 geprägt, verkehrte aber auch mit Adam Heinrich Müller (1779–1829). 1790 bis 1799 gab Gentz gemeinsam mit Gottlob Nathanael Fischer (1748–1800) die Zeitschrift »Deutsche Monatsschrift« (Berlin) heraus, 1795 die von ihm gründete Zeitschrift »Neue Deutsche Monatsschrift« (Berlin) und 1799 bis 1800 mit Unterstützung der preußischen Regierung die Zeitschrift »Historisches Journal« (Berlin).

Über Vermittlung des österreichischen Gesandten in Berlin Philipp Grafen von Stadion (1763–1824) wurde Friedrich Gentz im September 1802 in den österreichischen Staatsdienst aufgenommen: Er erhielt den Titel eines kaiserlich königlichen Rats und eine bezahlte Stellung ohne offizielle Regierungsgeschäfte, mit der einzigen Aufgabe, für publizistische Ausarbeitungen zur Verfügung zu stehen. Zu seinen ersten Tätigkeiten gehörte eine Reise nach London im November und Dezember 1802. Gentz wurde mit seinem Kampf gegen Napoleon I. (1769–1821) rasch zum Mittelpunkt der antifranzösischen Publizistik Österreichs. Im Dezember 1804 verlieh ihm der schwedische König die Ritterklasse des Nordsternordens, doch verweigerte ihm der Kaiser die Anerkennung des damit verbundenen Adelsprädikats; dennoch nannte er sich seither »Chevalier de Gentz«.

Nach der Schlacht bei Austerlitz (heute Slavkov u Brna, Tschechien), bei der am 2. Dezember 1805 die Truppen Napoleons I. die verbündeten österreichischen und russischen Armeen schlugen, flüchtete Friedrich Gentz nach Böhmen und weiter nach Dresden. Im Oktober 1806 wurde er ins preußische Hauptquartier berufen, hatte aber an dem hier entstandenen Kriegsmanifest nur passiven Anteil. Nach der Niederlage der preußischen Armee gegen die französischen Truppen Napoleons I. in der Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 zog sich Gentz wieder nach Böhmen zurück, wo er in Prag ‹Praha› und Teplitz (heute Teplice, Tschechien) wirkte.

Im Februar 1809 wurde Friedrich Gentz vom nunmehrigen Außenminister Philipp Grafen von Stadion wieder in die Staatskanzlei nach Wien berufen. Als Napoleon I. am 14. Oktober 1809 im von ihm besetzten Wien den sogenannten Frieden von Schönbrunn diktierte, ging Gentz im November 1809 gemeinsam mit Philipp Grafen von Stadion nach Böhmen ins Exil. Diverse Ansuchen um Übersiedlung zeigen, dass Gentz damals überlegte, nach England zu gehen. Gentz leitete nun 1809 bis 1813 gemeinsam mit Philipp Grafen von Stadion publizistisch den österreichischen Befreiungskampf gegen Napoleon I.

Im Oktober 1810 wurde Friedrich Gentz vom damaligen Außenminister Clemens Wenzel Lothar von Metternich (1773–1859) wieder nach Wien geholt. Zunächst im Bereich finanzpolitischer Aufklärung der Bevölkerung eingesetzt, arbeitete Gentz seit 1812 als erster Gehilfe Metternichs, allerdings ohne dass dieser ihn offiziell in die Staatskanzlei berief. Obwohl er an der Gründung der seit März 1810 erscheinenden Zeitung »Österreichischer Beobachter« (Wien) gewichtigen Anteil hatte, arbeitete Gentz erst seit 1813 mit. 1813 erhielt er auch den Titel eines Hofrats, ein Titel, den er ohnedies schon längst geführt hatte. Zur Jahreswende 1813/14 begleitete Gentz den nunmehrigen Staatskanzler Clemens Wenzel Lothar von Metternich ins Hauptquartier nach Freiburg im Breisgau, wurde aber nach vier Wochen im Januar 1814 nach Wien zurückgeschickt, wo er danach als Zensor arbeitete. Auf dem Wiener Kongress, der im September 1814 begann, war Gentz Protokollführer als Erster Sekretär, ebenso an den Folgekongressen bis 1822, was ihm die Spottbezeichnung »Sekretär Europas« einbrachte. 1816 arbeitete er gemeinsam mit Philipp Grafen von Stadion und Clemens Wenzel Lothar von Metternich an der Neufundierung des österreichischen Finanzwesens.

Die von Friedrich Gentz angestrebte Erhebung in den Adelsstand scheiterte wesentlich an seinem Lebenswandel, doch bekam er 1818 eine finanzielle Aufbesserung. Politisch wurde sein Einfluss auf Wenzel Lothar von Metternich zunehmend untergraben. Vereinsamt und körperlich verfallend lebte er sehr zurückgezogen in Wien. Eine Anerkennung durch das Kaiserhaus wurde Gentz nur dadurch zuteil, dass der Kaiser die enorme Schuldenlast von Gentz 1830 zum Teil begleichen und gleichzeitig seine Bezüge verdoppeln ließ. Öffentliches Aufsehen erregte Friedrich Gentz zuletzt vor allem durch die Tänzerin Fanny Elßler (1810–1884), die er 1829 kennengelernt hatte und mit der er seit 1830 bis zu seinem Tod zusammenlebte. Gentz starb als Bürgerlicher und hoch verschuldet.

Am 18. Juli 1894 wurde in Wien die ehemalige Herrengasse in Weinhaus nach ihm in »Gentzgasse« umbenannt.

Bibliografie

Copyright © 2013 Reinhard Müller, Graz
Stand: August 2012