[Anonym]

Ergebnisse der Untersuchung über die in Fabriken und Gewerben Nieder-Oesterreichs bestehenden Einrichtungen zum Wohle der Arbeiter. Als Grundlage für weitere Erhebungen veröffentlicht von der nied[er] österr[eichischen] Handels- und Gewerbekammer.

Wien: Selbstverlag der n.ö. Handels- und Gewerbekammer 1869, 97 S., hier S. 6, 20, 31, 37, 62–63, 84–85 & 95.

[Titelblatt]

Ergebnisse der Untersuchung

über die

in Fabriken und Gewerben Nieder-Oesterreichs

bestehenden

Einrichtungen

zum Wohle der Arbeiter.

Als Grundlage für weitere Erhebungen

veröffentlicht von der

nied[er] österr[eichischen] Handels- und Gewerbekammer.

Wien, 1869.

Druck und Papier von Leopold Sommer.

Selbstverlag der n[ieder] ö[sterreichischen] Handels- und Gewerbekammer.

6

[I.

Arbeiterwohnungen.]

[…]

Baumwollspinn- und Webefabriken zu Trumau und Marienthal. Die Fabriks-Actiengesellschaft hat in beiden Fabriken über 300 schöne, lichte Arbeiterwohnungen errichtet, in welchen sie ihre Arbeiter familienweise unentgeltlich beherbergt.

[…]

20

[II.

Billige Beschaffung der Lebensmittel.]

[…]

Baumwollspinn- und Webefabriken zu Trumau und Marienthal. In beiden Fabriken bestehen Consumvereine, deren Verwaltung und Leitung den Arbeitern – mit der Fabriksdirection als Präsidium – übertragen ist. Jeder Theilnehmer erlegt in Raten den Betrag von 5 fl[orin]; die Summe der Beiträge wird nebst einem nicht begränzten Capital (gegenwärtig nahe an 10.000 fl.), welches die Fabriksgesellschaft zinsenfrei darleiht, zum Ankaufe von Lebensmitteln im Grossen verwendet. Diese werden dann mit nur 2 bis 3 Percent Aufschlag auf den Ankaufspreis (für Verlust bei dem Auswägen und Erhaltung des in jeder Fabrik bestellten Consumverwalters) an die Arbeiter abgegeben, welche sie auf solche Weise noch immer um 15 bis 25 Percent unter den Localpreisen beziehen.

[…]

31

[III.

Ueberwachung der Kinder der Arbeiter.]

[…]

Baumwollspinn- und Webefabriken zu Trumau und Marienthal. Die Fabrik Marienthal besitzt eine Kinderbewahranstalt in Grammat-Neusiedl, circa 8 Minuten von der Fabrik entfernt. Die Auslagen für die Erhaltung des Gebäudes und für das Wartpersonale bestreitet die Fabrik.

[…]

37

[IV.

Unterricht für Arbeiterkinder und für erwachsene Angehörige des Arbeiterstandes.]

[…]

Baumwollspinn- und Webefabriken zu Trumau und Marienthal (Actien-Gesellschaft). Im Etablissement zu Marienthal besteht eine eigene Schule. Alle schulfähigen Kinder werden daselbst durch einen von der Fabrik besoldeten Lehrer unterrichtet, und denselben auch die nöthigen Lehrbücher, Schreibrequisiten u[nd] d[er]gl[eichen] auf Kosten der Fabrik verabfolgt. In der Trumauer Fabrik besteht keine eigene Schule, sondern die Arbeiterkinder besuchen die Dorfschule und die Fabrik zahlt für dieselben das Schulgeld.

[…]

62

[V.

Vorsorge für erkrankte und hilfsbedürftige Arbeiter.]

[…]

Spinn- und Webereifabriken zu Trumau und Marienthal. In jeder der beiden Fabriken besteht ein Krankenverein, dem jeder Arbeiter beitreten muss. Die Arbeiter sind nach der Kategorie der Arbeit in vier Classen getheilt, und zahlen je nach der Classe 3, 5, 7 oder 9 kr[euzer] per Woche zur Krankencasse. Jede Fabrik hat ein eigenes vollkommen eingerichtetes Spital mit Dampf- und Wannenbadanstalt, woselbst die erkrankten Arbeiter auf Kosten der Krankencasse gepflegt und durch je einen eigenen Fabriksarzt, der zugleich Doctor der Medicin und Chirurgie ist, behandelt werden. Derselbe hat 1200 fl. Gehalt. Die von ihm vorgeschriebene Kost wird von dem Fabrikstraiteur[1] unter Aufsicht von Vereinsausschüssen geliefert. Jene Arbeiter, welche eine häusliche

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Pflege vorziehen, erhalten wieder je nach der Classe, der sie angehören, ein Krankengeld von 9 bis 13 kr. täglich. Bei besonders langwieriger und unheilbarer Krankheit werden die Arbeiter dem Unterstützungsfond zugewiesen. Dieser wurde im Jahre 1851 mit 500 fl. seitens der Fabriks-Actiengesellschaft gegründet, die dazu alljährlich noch 200 fl. beigetragen hat. In Sterbefällen werden die Leichenkosten aus der Vereinscasse gezahlt.

[…]

84

VI.

Versorgung alter und erwerbsunfähiger Arbeiter.

[…]

Bezirk Ebreichsdorf. Baumwollspinn- und Webefabriken zu Trumau und Marienthal. Bei besonders langwieriger und unheilbarer Krankheit wird der betreffende Arbeiter von dem

85

Ausschusse nach Zuratheziehung des Arztes der Fabriksdirection zur Betheilung aus dem Arbeiter-Unterstützungsfonde vorgeschlagen. Dieser Fond wurde im Jahre 1851 mit dem Betrage von 500 fl. seitens der Fabriksdirection gegründet, welche demselben seither auch alljährlich 200 fl. zuwendete. Ende 1867 belief sich dieser Fond auf 2102 fl. 95 kr.

[…]

95

[VIII.

Förderung der Geselligkeit und Bildung.]

[…]

Baumwollspinn- und Webefabriken zu Trumau und Marienthal. In Trumau besteht ein Männergesang- und ein Turnverein, in Marienthal ein Turn- und ein Theaterverein. Diese Vereine bestreiten ihre Bedürfnisse durch Auflagen ihrer Theilnehmer. Der Theaterverein, dessen Auflagen zur Bedeckung seiner diversen Bedürfnisse nicht zureichen, wird ausserdem durch den Fabriks-Chef unterstützt.

[…]

[1] Fabrikstraiteur: Inhaber des Fabrikgasthauses, genannt Traiteurie (nach dem französischen Wort für Werksküche). Anm. R.M.