Marie Jahoda über das Pädagogische Institut der Stadt Wien

Wien, 1926 bis 1928

In 1926, I had simultaneously entered the 2–year Pädagogische Akademie1 in its first year of existence and the university. The former was meant as an elite institution for teacher training in the ideas and methods of the school reform movement.2 Only 20 people were accepted, chosen as much for their known political commitment as for their abilities. I enjoyed it very much. We had first-rate lecturers, did some practice teaching and sat at the end extensive exams. One of my colleagues was Karl Popper, Karli as we called him then. I remember him once criticising me for a speech at the anniversary of the Republic, for having been too intellectual, not enough enthusiastic. I was hurt for I had for the occasion read something by Ludo von Hartmann3 which struck me as a profound insight into the promise and dangers of a revolution. Revolutions, Hartmann said, anticipate as demands matters that need decades to be realised; the delay leads to disappointment, encourages counter revolution. Worth mentioning? Perhaps as an indication of a conflicted self image.

Marie Jahoda Albu: Reconstructions. [Keymer, Sussex: Published by the author] 1996, S. 38–39.


1 Recte Pädagogisches Institut der Stadt Wien: wurde bereits am 13. Januar 1923 eröffnet; das Institut diente der Fortbildung für Lehrer und der Vorbereitung auf die Lehrbefähigungsprüfung für Volksschulen sowie die Prüfung für die einzelnen Fachgruppen der Bürgerschulen. Mit Beginn des Studienjahrs 1925/26 – Marie Jahoda gehörte also dem zweiten Jahrgang an – kam es zu einer Ausweitung des Studienbetriebs, indem nunmehr in enger Zusammenarbeit mit der Universität Wien hochschulmäßige Lehrerbildungskurse abgehalten wurden. Zu den Dozenten gehörten unter anderem die Psychologen Karl Bühler und Charlotte Bühler, der Individualpsychologe Alfred Adler (1870–1937), der Philosoph, Pädagoge und Soziologe Wilhelm Jerusalem (Drenitz, Böhmen [Dřenice, Tschechische Republik] 1854 – Wien 1923), der Soziologe Max Adler (1873–1937) sowie der Staats- und Rechtswissenschaftler Hans Kelsen (Prag [Parah] 1881 – Berkeley, California 1973). Anmerkung Reinhard Müller.
2 Schulreformbewegung: gemeint ist jene Schulreform, die der sozialdemokratische Referent für Schulfragen Otto Glöckel (Pottendorf, Niederösterreich 1874 – Wien 1935) in Wien durchzuführen versuchte. Seit März 1922 Geschäftsführender Präsident des Wiener Stadtschulrates, reformierte Glöckel das gesamte Wiener Pflicht-, Mittel und Fortbildungsschulwesen mit dem Ziel einer einheitlichen Organisation des Bildungswesens der Grundschule (bis zum zehnten Lebensjahr), der Allgemeinen Mittelschule (bis zum vierzehnten Lebensjahr) und der allgemeinbildenden Oberschulen. Zur gehobenen Ausbildung der Volksschullehrer und Volksschullehrerinnen wurde im Januar 1923 das Pädagogische Institut der Stadt Wien eröffnet, dessen hochschulmäßigen Lehrerbildungskurs Marie Jahoda 1926 bis 1928 besuchte. Glöckel wurde nach dem Aufstand vom Februar 1934 zur Verteidigung der Demokratie verhaftet und erst im Oktober wieder freigelassen. Damit hatte die Schulreformbewegung des »Roten Wien« ihr Ende gefunden. Anmerkung Reinhard Müller.
3 Recte Ludo Hartmann (d.i. Ludwig Moritz Hartmann; Stuttgart, Baden-Württemberg 1865 – Wien 1924): Volksbildner, Historiker und sozialdemokratischer Politiker. Anmerkung Reinhard Müller.

© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

DAS STUDIUM
Pädagogisches Institut
Zeugnis der Reife für Volksschulen
Lehrveranstaltungen
Karl Bühler
Charlotte Bühler
Dissertation
Gutachten Karl Bühlers