Soziologie in Österreich

 

 

 

 

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Helene Lieser

verheiratete Berger; auch: Helene Berger-Lieser, Helene Berger

geb. Wien, Kronland Österreich unter der Enns, Österreich-Ungarn (heute Bundesland Wien, Österreich), am 16. Dezember 1898

gest. Wien, Bundesland Wien, Österreich, am 20. September 1962

Nationalökonomin, erste Frau an der Universität Wien, die zum Dr. rer. pol. promovierte

Angehörige der sogenannten vierten Generation der Österreichischen Schule der Nationalökonomie

Helene Lieser war die Tochter des wohlhabenden Textilfabrikanten Justus Lieser (1864–1927), der sich 1905 von ihrer Mutter »Lilly« Henriette Amalie Lieser, geborene Landau (1875–1943), eine bekannte Kunstmäzenin, scheiden ließ. Helene Lieser erhielt zunächst Privatunterricht, besuchte dann die Vorbereitungsklasse der Schwarzwaldschen Schulanstalten, danach zunächst das Öffentliche Mädchen-Lyzeum in Wien 13., dann in den beiden letzten Schuljahren das private Mädchen-Obergymnasium des Vereins für erweiterte Frauenbildung in Wien 6., wo sie 1916 die Reifeprüfung mit Auszeichnung ablegte. 1916 bis 1919 studierte sie fünf Semester Philosophie an der Universität Wien, besuchte aber auch rechtswissenschaftliche Lehrveranstaltungen, und seit 1919 studierte sie Staatswissenschaften an der Universität Wien, wo sie am 26. Juni 1920 aufgrund der von Othmar Spann (1878–1950) und Ludwig von Mises (1881–1973) betreuten Arbeit »Die währungspolitische Literatur der österreichischen Bankozettelperiode«, die erste staatswissenschaftliche Dissertation einer Frau in Österreich, als erste Frau in Österreich zum Dr. rer. pol. promoviert wurde.

Helene Lieser besuchte das sogenannte Privatseminar von Ludwig von Mises, war ständiges Mitglied der »Nationalökonomischen Gesellschaft« (bis zu ihrem Ausschluss 1938) und arbeitete nach ihrem Studium beim »Verband österreichischer Banken und Bankiers« in Wien.

Helene Lieser musste 1938 wegen ihrer jüdischen Herkunft (sie war allerdings schon 1921 aus der Israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten) aus Österreich flüchten, ging im Juli 1938 eine Ehe (vermutlich eine Scheinehe) mit Karl Berger (München 1901 – ?) ein und wurde dadurch jugoslawische Staatsbürgerin. Enge Familienangehörige, darunter ihre Mutter, wurden von Nationalsozialisten ermordet und ihr inländisches Vermögen geraubt. Helene Lieser flüchtete zunächst nach Genf, wo sie bis zu dessen Weggang 1940 mit Ludwig von Mises zusammenarbeitete. Hier engagierte sie sich auch für von Nationalsozialisten Verfolgte und arbeitete im Umfeld der Spionagegruppe »Rote Kapelle« für den sowjetischen und später für den britischen Geheimdienst.

Helene Berger-Lieser, seit 1947 Kuratoriumsmitglied des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Wien, ging 1948 nach Paris, wo sie Mitarbeiterin von Sir George Donald Alastair MacDougall (1912–2004), dem Direktor des Wirtschaftssekretariats der »Organisation for Economic Co-operation and Development« (OEEC; Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit) wurde. Seit 1949 arbeitete sie als Generalsekretärin bei der offiziell 1950 gegründeten, von der »United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization« (UNESCO) initiierten »International Economic Association / Association Internationale des Sciences Économiques« in Paris; sie organisierte zahlreiche Kongresse und vertrat die Organisation auf internationalen Kongressen.

Helene Berger-Lieser, die 1962 in Pension ging, erlag kurz darauf in Wien einem Krebsleiden.

 

Selbstständige Publikationen

Die währungspolitische Literatur der österreichischen Bancozettelperiode. Wien 1920. Zugleich Staatswissenschaftliche Dissertation an der Universität Wien 1920.

 

Herausgeberin

Adam H[einrich] Müller: Versuche einer neuen Theorie des Geldes. Mit erklärenden Anmerkungen versehen von Dr. Helene Lieser. Jena: Verlag von Gustav Fischer 1922 (= Die Herdflamme. Sammlung der gesellschafts-wissenschaftlichen Grundwerke aller Zeiten und Völker. Herausgegeben von Prof. Dr. Othmar Spann. 2.), 330 S. Mehr…

 

Übersetzerin

● François Perroux: Zwang, Tausch, Geschenk. Zur Kritik der Händlergesellschaft. [Aus dem Französischen von Dr. Helene Berger-Lieser.] Stuttgart: Verlag Curt E. Schwab 1961, 175 S. Original: Économie et société. Contrainte, échange, don. Paris 1960.

 

Literaturtipps

● Jürgen Nautz: Helene Lieser (-Berger), in: Die Frauen der Wiener Moderne. Herausgegeben von Lisa Fischer und Emil Brix. Wien / München: Verlag für Geschichte und Politik / R. Oldenbourg Verlag 1997, S. 78–80.

● Jürgen Nautz: Helene Lieser, in Brigitta Keintzel / Ilse Korotin (Hg.): Wissenschaftlerinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken. Wien–Köln–Weimar: Böhlau Verlag 2002, S. 476–477.

● Tamara Ehs: Die Vertreibung der ersten Staatswissenschaftler: Helene Lieser und Johann Sauter, in: Vertriebenes Recht – Vertreibendes Recht. Zur Geschichte der Wiener Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zwischen 1938 und 1945. Franz-Stefan Meissel / Thomas Olechowski / Ilse Reiter-Zatloukal / Stefan Schima (Hrsg). Wien: Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung 2012 (= Juridicum Spotlight. Diskussionsforum der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. 2.), S. 233–260.

Copyright © 2013 Reinhard Müller, Graz
Stand: Juli 2012