Carl Jahoda

Lieber Vater!1



Zur Zeit als ich noch in die Schule ging
Da war mein Fleiß nur sehr gering
Und Fünfer hab ich nach Haus gebracht
Wenn ich die Aufgaben schlecht gemacht.

Dieser Unannehmlichkeiten wähnt' ich mich enthoben
Doch soll man den Tag vor dem Abend nicht loben
Denn Du gibst mir einen Fünfer2
im Vorhinein Wie schlecht wird erst da meine Arbeit sein.

In der Schule war ich dagegen wehrlos
Doch heute wäre es von mir ehrlos
Den Fünfer ruhig anzunehmen
Und mich schon jetzt meiner Arbeit zu schämen.

Heute wo ich nur Vorzügliches leiste
Wär ein Fünfer eine Kritik eine dreiste
Einen Einser zu geben wär Deine Pflicht
Doch für einen Einser mach ich kein Gedicht.

Drum suche Dir mit Deinen Moneten
Gleich heute einen andern Poeten
Damit in Prosa oder gebundener Sprache
Er Dir den gewünschten Vortrag mache.

Denn hätt' ich eine schlechte Idee
So täte Dir der Fünfer weh'
Doch sind meine Gedanken - ich will nicht prahlen
Vor allem gut - und nicht zu bezahlen.


Quelle: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Nachlass Marie Jahoda, Signatur 41/7.2, pag. 1.
© Copyright Anfragen an das Archiv

1 Gedicht über seinen Vater, den Buchdruckereibesitzer Salomon Jahoda (Böhmen [Tschechische Republik] 1831 - Wien 1905), den Großvater von Marie Jahoda. Anmerkung Reinhard Müller.
2 Fünfer: in Österreich schlechteste Schulnote. Anmerkung Reinhard Müller.

© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

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