Thomas Schwab
Marienthal heute: 75 Jahre nach Veröffentlichung der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«. Diplomarbeit. Zur Erlangung des akademischen Grades: Magister (FH) für wirtschaftswissenschaftliche Berufe. Fachbereich: Sozialwissenschaften. Eingereicht von: Thomas Schwab. Begutachter: Dr. Martin Schürz. Erhalter: Fachhochschule des BFI Wien GmbH. Wien, 1. Mai 2009.
Wien 2009, VI, 152 Bl.; Wirtschaftswissenschaftliche Diplomarbeit an der Fachhochschule des Berufsförderungsinstituts Wien; Maschinenschrift.
Die Veröffentlichung auf dieser Website erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Thomas Schwab, Gramatneusiedl. Beachten Sie das Copyright!
Fachhochschul-Studiengang
Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung
Kennzahl des Fachhochschul-Studienganges: 0046
Diplomarbeit
Zur Erlangung des akademischen Grades:
Magister (FH) für wirtschaftswissenschaftliche Berufe
Titel der Diplomarbeit:
MARIENTHAL HEUTE:
75 JAHRE NACH VERÖFFENTLICHUNG DER STUDIE
»DIE ARBEITSLOSEN VON MARIENTHAL«
Fachbereich: Sozialwissenschaften
Eingereicht von: Thomas Schwab
Personenkennzeichen: 0510046089
Anschrift: 2440 Gramatneusiedl, Am Feilbach 3/1/3
Begutachter: Dr. Martin Schürz
Erhalter: Fachhochschule des BFI Wien GmbH
Wohlmutstraße 22
1020 Wien
Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere,
dass ich die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten habe, insbesondere, dass ich die Diplomarbeit selbständig verfasst, keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe. Ich versichere weiters, dass ich diese Diplomarbeit bisher weder im Inland noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.
Mir ist bewusst, dass auch nach positiver Beurteilung der Diplomarbeit die Aufdeckung eines Verstoßes gegen die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens (insbesondere bei Vorliegen eines Plagiats) die Einleitung eines Verfahrens zur Nichtigerklärung der Beurteilung sowie des akademischen Grades zur Folge hat.
________________ ___________________
Datum Unterschrift
Die vorliegende Diplomarbeit wurde vom Begutachter mit der Note
_________________________
beurteilt.
1.1. Themenstellung und Relevanz der Themenstellung
1.2. Formulierung der Forschungsfragen
1.4. Methodische Vorgehensweise
2. Arbeitslosigkeit im Überblick
2.2.1 Neoklassische Arbeitsmarkttheorie
2.2.2 Keynesianische Arbeitsmarkttheorie
2.3. Messen von Arbeitslosigkeit
2.4. Arten von Arbeitslosigkeit
2.4.1 Friktionelle Arbeitslosigkeit
2.4.2 Saisonale Arbeitslosigkeit
2.4.3 Konjunkturelle Arbeitslosigkeit
2.4.4 Strukturelle Arbeitslosigkeit
2.5. Folgen von Arbeitslosigkeit
2.5.1 Wirtschaftliche Auswirkungen von Arbeitslosigkeit
2.5.2 Psychische Auswirkungen von Arbeitslosigkeit
3. Studie aus dem Jahr 1933: »Die Arbeitslosen von Marienthal«
3.2. Entstehung und Geschichte der Textilfabrik Marienthal bis zur Schließung im Jahr 1930
3.3. Arbeitslosigkeit in Österreich während der Zwischenkriegszeit
3.4.1 Idee und Durchführung der Studie
3.4.2 Inhalt der Studie im Überblick
3.4.3 Zeitgenössische Rezensionen zur Studie
3.4.4 Bemerkenswertes an der Studie
3.4.5 Einkommen und Vermögen in Marienthal im Jahr 1932 aus heutiger Sicht
4.1. Geschichte der ehemaligen Textilfabrik von der Schließung bis heute
4.2. Gespräche mit Zeitzeugen über die Arbeitslosenzeit
4.2.1 Zusammenfassung des Interviews mit Frau L.N.
4.2.2 Zusammenfassung des Interviews mit Herrn J.D.
4.2.3 Zusammenfassung des Interviews mit Herrn L.K.
4.3. Nachfolgeprojekte der historischen Marienthal-Studie
4.3.1 Erste Nachfolgestudie – »Marienthal vom Notstand zum Wohlstand (1934-1973)« von Johann Past
4.3.3 Dokumentar- und Spielfilm – »Einstweilen wird es Mittag« von Karin Brandauer
4.4. Arbeitslosigkeit in Österreich im Jahr 2008
4.5. Empirische Untersuchung im heutigen Marienthal
4.5.1 Statistische Angaben zu den erfassten Marienthalern
4.5.2 Erfahrungen der heutigen Marienthaler mit Arbeitslosigkeit
4.5.3 Kenntnis der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«
4.5.4 Einkommen und Vermögen im heutigen Marienthal
4.5.5 Zukunftseinschätzungen der befragten Marienthaler
4.5.6 Fragen zur aktuellen Weltwirtschaftskrise
4.5.7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
5.1. Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen
Anhangverzeichnis
Anlage 1: Transkription des Interviews mit Frau L.N........................................... 128
Anlage 2: Transkription des Interviews mit Herrn J.D.......................................... 131
Anlage 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.......................................... 135
Anlage 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit....................................................... 141
Darstellungsverzeichnis
Nr. Bezeichnung Seite
Darstellung 1: Zahl der Arbeitslosen in Österreich 1919 – 1937............................. 42
Darstellung 2: Arbeitslosigkeit in Marienthal zum Zeitpunkt der Studie................... 47
Darstellung 3: Marienthaler Familien nach Haltungstypen........................................ 50
Darstellung 4: Übersicht über in der Marienthal-Studie benutzte Forschungsmethoden.. 54
Darstellung 5: Haushaltsbudget einer 7-köpfigen Marienthaler Familie in der Zeit von 14. bis 27. Mai 1932. 61
Darstellung 6: Arbeitsmarktdaten im Jahresdurchschnitt 2008................................ 86
Darstellung 7: Verteilung der befragten Haushalte nach ihrer Größe...................... 91
Darstellung 8: Altersaufbau von Marienthal einst und jetzt........................................ 92
Darstellung 9: Abgeschlossene Ausbildungen in befragten Haushalten................. 93
Darstellung 10: Berufe / Tätigkeiten in befragten Haushalten..................................... 94
Darstellung 11: Betroffenheit von Arbeitslosigkeit in befragten Haushalten............. 95
Darstellung 12: Häufigkeit von Arbeitslosigkeit in betroffenen Haushalten............... 96
Darstellung 13: Gründe für Arbeitslosigkeit in befragten Haushalten........................ 97
Darstellung 14: Nettomonatseinkommen der befragten Haushalte......................... 100
Darstellung 15: Zusammensetzung der Einkommen in befragten Haushalten....... 101
Darstellung 16: Finanzielle Reserven der befragten Haushalte............................... 102
Darstellung 17: Zukunftsbetrachtung der befragten Haushalte................................. 104
Darstellung 18: Reaktion auf Wirtschaftsentwicklung in befragten Haushalten...... 105
Darstellung 19: Lageeinschätzung der beschäftigenden Unternehmen.................. 106
Darstellung 20: Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes der befragten Personen.. 107
Darstellung 21: Einschätzung der Jobchancen der Befragten................................. 108
»Ich denke heute noch ab und zu darüber nach, was in der Fabrik alles gemacht wurde. Man war hier [in Marienthal, d. Verf.] damals der Zeit um mindestens 100 Jahre voraus. So eine Organisation […]«[1]
»Marienthal war einmal der kulturelle Mittelpunkt Österreichs.«[2]
Abstract
The study »Die Arbeitslosen von Marienthal«, which was first published in 1933, is a classic of empirical social research. The team around Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld and Hans Zeisel tried to analyse scientifically the behaviour of the unemployed and the effects of long term unemployment in their world famous pioneer work by using different methods and approaches.
The aim of this diploma thesis is the comparison of the situation of Marienthal’s population at the time of the implementation of the historical study and today’s inhabitants.
Apart from the standard research in all available sources a survey was conducted among the present population of Marienthal between December 2008 and February 2009 for that purpose. The survey comprised of 40 different questions and was focused – not least – on the fears of Marienthal’s population of losing their jobs as a result of the current global economic crises. 74 of 538 potential households representing 181 of 1,299 habitants took part in the survey (approximately 14 %).
In 42 of 74 households (approximately 57 %) at least one person has been unemployed during their professional life, some of them even several times. At the time of this survey only 4 people were unemployed but it is possible that this figure has increased dramatically since then due to the current developments. In the historical Marienthal 367 of 478 households (approximately 77 %) representing 1,216 of 1,486 habitants (approximately 82 %) were directly affected by unemployment.
Without any doubt, today unemployment is once again a most dominant issue. In some media, comparisons are made with the global economic crisis of the 1930s – the time when the historical Marienthal study was prepared. We all can only hope that this time will not turn out as bad as it did in those years.
Die im Jahr 1933 erstmals veröffentlichte Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« ist ein Klassiker der empirischen Sozialforschung. Das Projektteam rund um Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel hat in seiner Pionierarbeit mit verschiedenen Methoden und Ansätzen versucht, dass Verhalten von Arbeitslosen und die Folgen von lang anhaltender Arbeitslosigkeit wissenschaftlich zu untersuchen.
Die Besonderheit der Marienthal-Studie besteht darin, dass die im Ort ansässige Textilfabrik – in der ein Großteil der Marienthaler Bevölkerung arbeitete – plötzlich geschlossen werden musste und dadurch innerhalb von wenigen Wochen (fast) alle Beschäftigten arbeitslos wurden. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise am Beginn der 1930er Jahre fanden die Marienthaler kaum neue Arbeitsstellen in anderen Betrieben und waren daher über einen längeren Zeitraum arbeitslos.
Die vorliegende Diplomarbeit versucht einen Vergleich der Lebenssituation jener Menschen, die während der Erstellung der berühmten Studie im Ort lebten, und den heutigen Bewohnern Marienthals anzustellen. Durch die vielfältigen Ansätze des damaligen Projektteams muss sich dieser Vergleich auf zwei Kernbereiche, auf die Themen »Arbeitslosigkeit« sowie »Einkommen und Vermögen«, beschränken. Einerseits konnte dies durch die Analyse der Studie und anderer ergänzender Quellen ermöglicht werden. Andererseits wurde eine eigene empirische Untersuchung, an der ein repräsentativer Teil der heutigen Marienthaler Bevölkerung teilnahm, mit den Schwerpunkten auf die zwei genannten Kernbereiche durchgeführt.
Sowohl das Thema »Arbeitslosigkeit« als auch das Thema »Einkommen und Vermögen« sind hochaktuelle, immer wieder diskutierte und äußerst spannende Forschungsgebiete. Nochmals verstärkt wurde das allgemeine Interesse an diesen Themenbereichen durch die aktuelle Weltwirtschaftskrise, die schon heute häufig mit jener der 1930er Jahre – als die Marienthal-Studie entstand – verglichen wird. Der Reiz dieser Diplomarbeit besteht somit in der Verknüpfung der historischen Studie mit der Gegenwart.
In dieser Diplomarbeit werden folgende Forschungsfragen bearbeitet:
1) In wie weit war bzw. ist die heutige Marienthaler Bevölkerung von Arbeitslosigkeit betroffen?
2) Wie stellt sich die Einkommens- und in weiterer Folge die Vermögenssituation der heutigen Marienthaler Bevölkerung im Vergleich zu den »Arbeitslosen von Marienthal« dar?
3) Fürchten die heutigen Marienthaler Erwerbstätigen als Folge der aktuellen Weltwirtschaftskrise in absehbarer Zukunft ihre Arbeitsplätze zu verlieren?
Grundsätzlich ist anzumerken, dass es zum Themenbereich »Arbeitslosigkeit« reichhaltige Literatur und zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten gibt.
Auch zur Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« finden sich neben der im Jahr 1933 veröffentlichten Untersuchung ausreichend wissenschaftliche Quellen. In diesem Zusammenhang sei auf die höchst interessante Internetseite http://agso.uni-graz.at/archive/marienthal/ hingewiesen, die zahlreiche Hintergrundinformationen und Originaldokumente enthält.
Historische Zahlen und Fakten zur volkswirtschaftlichen Lage in Österreich können aus entsprechenden Nachschlagewerken entnommen werden. Aktuelle Informationen werden regelmäßig veröffentlicht.
Rar sind hingegen Quellen zum Themenkomplex »Einkommen und Vermögen« in Österreich im Allgemeinen. Daraus folgt, dass es bisher noch keine verwertbaren Daten aus den zu untersuchenden Gemeinden (Gramatneusiedl und Reisenberg) bzw. des zu untersuchenden Ortsteils (Marienthal) gibt. In diesem Zusammenhang muss aber darauf hingewiesen werden, dass ein Großteil der für diese Diplomarbeit benötigten Informationen einerseits aus der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« und andererseits aus der durchgeführten empirischen Befragung der heutigen Marienthaler Bevölkerung stammt.
Aus den in der Einleitung formulierten Forschungsfragen ergibt sich folgender Aufbau für diese Diplomarbeit:
Im ersten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit Teilbereichen des Themenkomplexes »Arbeitslosigkeit«. Zum Einstieg in diese Problematik werden die Funktionsweise des Arbeitsmarktes und die beiden zentralen Arbeitsmarkttheorien in der gebotenen Kürze erläutert. Danach stellt sich die Frage, nach welchen Methoden Arbeitslosigkeit in Österreich gemessen wird. Nach einer kurzen Darstellung der unterschiedlichen Arten von Arbeitslosigkeit werden die möglichen Folgen von Arbeitslosigkeit im Überblick erläutert.
Das nachfolgende Kapitel befasst sich intensiv mit der historischen Marienthal-Studie. Zuerst wird das Industriedorf Marienthal vorgestellt. Um die weiteren Zusammenhänge besser verstehen zu können, wird die Entstehung und Geschichte der Textilfabrik Marienthal bis zum Jahr 1930 zusammengefasst. Nach der Darstellung der Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich in den Jahren zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wird im Detail auf die Marienthal-Studie eingegangen. Dabei wird neben der inhaltlichen Wiedergabe der Studie vor allem versucht, auf die Einkommens- und Vermögenssituation der Marienthaler des Jahres 1932 aus heutiger Sicht zu schließen.
Der Hauptteil dieser Arbeit basiert auf einer empirischen Befragung der heutigen Marienthaler Bevölkerung. Eingeleitet wird dieses Kapitel mit der Darstellung der Geschichte des Standortes von der Schließung der legendären Textilfabrik bis in die Jetztzeit. Um die historischen Fakten abzurunden, wurden Gespräche mit drei Zeitzeugen der Marienthaler Arbeitslosenzeit geführt, die in der Folge kurz zusammengefasst werden. Nach der Vorstellung von drei Nachfolgeprojekten der historischen Studie und der Analyse der Arbeitslosigkeit im Österreich des Jahres 2008 werden die Ergebnisse der Befragung der heutigen Marienthaler Bevölkerung präsentiert.
Abgeschlossen wird diese Arbeit mit einer Zusammenfassung der wesentlichen, im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse, einer umfangreichen Beantwortung der eingangs gestellten Forschungsfragen und einem Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich bzw. in Marienthal.
Die in dieser Arbeit enthaltenen theoretischen Grundlagen basieren auf intensiver Literaturrecherche. Gleiches gilt für sämtliche Informationen und Erkenntnisse zu Marienthal bzw. zur berühmten Marienthal-Studie.
Das Herzstück der vorliegenden Diplomarbeit ist die empirische Befragung der heutigen Marienthaler Bevölkerung. Die insgesamt 40 Fragen basieren im Wesentlichen auf der historischen Marienthal-Studie und auf aktuellen Befragungen der Österreichischen Nationalbank bzw. des IMAS-Instituts. Nachdem die Fragensammlung im November 2008 fertig gestellt war, erfolgte die Verteilung im Freundes- und Bekanntenkreis durch e-Mail und durch Weitergabe des ausgedruckten Fragebogens. Teilweise wurde der Fragebogen in einem persönlichen Gespräch online beantwortet. Im Zeitraum von Anfang Dezember 2008 bis Mitte Februar 2009 wurden beachtliche 74 verwertbare Fragebögen retourniert. Leider gelang es nicht in allen Fällen, die Marienthaler von einer Teilnahme an dieser Befragung zu überzeugen. Dennoch ermöglicht die Auswertung der Ergebnisse einen guten Einblick in die Erfahrungen der Marienthaler mit Arbeitslosigkeit, deren aktuelle Einkommens- und Vermögenssituation sowie deren aktuelle Einschätzung über die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes.
2 Arbeitslosigkeit im Überblick
Das erste Hauptkapitel beschäftigt sich mit ausgewählten Aspekten der Grundthematik der vorliegenden Diplomarbeit, nämlich der »Arbeitslosigkeit«.
Ausgehend von der grundsätzlichen Funktionsweise des Arbeitsmarktes wird anhand der beiden wesentlichen Arbeitsmarkttheorien – der neoklassischen und der keynesianischen – erläutert, wie Arbeitslosigkeit innerhalb des jeweiligen Gedankenmodells entstehen kann. Der Vollständigkeit halber wird anschließend dargestellt, welche Methoden zur Messung der Arbeitslosigkeit in Österreich verwendet werden. Nach der kurzen Vorstellung der verschiedenen Arten von Arbeitslosigkeit soll anhand der wirtschaftlichen und psychischen Auswirkungen skizziert werden, warum Arbeitslosigkeit so problematisch für die Betroffenen ist.
Das Ziel dieses Kapitels ist im Wesentlichen die Erarbeitung der theoretischen Grundlagen für die nachfolgenden Abschnitte dieser Diplomarbeit.
Zu Beginn ist es notwendig, die grundsätzliche Funktionsweise des Arbeitsmarktes zu erläutern. Vereinfacht dargestellt wird der Arbeitsmarkt – so wie jeder andere Bereich der Wirtschaft – vom Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfrage bestimmt.[3] Dabei treten private Haushalte als Anbieter und Unternehmen als Nachfrager von Arbeit auf.[4]
Es muss jedoch festgehalten werden, dass der Arbeitsmarkt kein völlig freier Markt ist. Eine Vielzahl von Rahmenbedingungen beeinflussen das Angebot an und die Nachfrage nach Arbeitskräften erheblich. So sind beispielsweise arbeitsrechtliche und kollektivvertragliche Bestimmungen für die Prüfung der Einsatzmöglichkeiten von Arbeitskräften zu berücksichtigen.[5]
Als Ausgangspunkt für das Arbeitsangebot muss das verfügbare Zeitbudget der einzelnen privaten Haushalte betrachtet werden. Dieses Budget teilt sich grundsätzlich in Freizeit und in Arbeitszeit, wobei der private Haushalt für die geleistete Arbeitszeit eine (reale) Entlohnung erhält.[6]
Jeder Haushalt hat – zumindest theoretisch[7] – die Entscheidung zu treffen, wie viel Zeit mit Freizeit bzw. mit Arbeitszeit verbracht wird. In Anbetracht des verfügbaren Zeitbudgets ergibt sich, je mehr Stunden für Freizeitaktivitäten konsumiert werden, umso weniger Stunden können für Arbeitzeit verwendet werden und umso geringer ist das (reale) Einkommen des Haushaltes. Umgekehrt kann festgestellt werden, dass sich das (reale) Einkommen eines privaten Haushaltes erhöht, wenn mehr Zeit für Arbeit und weniger Zeit für Freizeit aufgebracht wird.[8]
Welches Verhältnis zwischen Freizeit und Arbeitszeit optimal ist, hängt von den Präferenzen des einzelnen Haushaltes ab. Sollte beispielsweise das (reale) Haushaltseinkommen steigen, ergeben sich zwei Denkmöglichkeiten:
1) Durch das höhere (reale) Einkommen steigt der »Preis« für Freizeit. Das bedeutet, dass jede Stunde Freizeit einen höheren (realen) Einkommensverzicht zur Folge hat. Der private Haushalt könnte bestrebt sein, zusätzlich Zeit für Arbeit aufzuwenden und weniger Freizeit zu konsumieren. Daraus resultiert ein wachsendes Arbeitsangebot.[9]
2) Trotz des höheren (realen) Einkommens nimmt der Wunsch des privaten Haushaltes nach Freizeit zu. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Haushalt über ein – aus seiner individuellen Sicht – ausreichendes (reales) Einkommen verfügt. Die Folge aus dieser Präferenz wäre ein abnehmendes Arbeitsangebot.[10]
Aus volkswirtschaftlicher Sicht gibt es zahlreiche Faktoren, die die Angebotsseite und damit das verfügbare Potential an Arbeitskräften bestimmen. Hervorzuheben sind jedoch im Wesentlichen drei Größen:
- die demografische Entwicklung der Bevölkerung,
- die Erwerbsquote der Frauen im Staat und
- die Zahl der Ausländer auf dem Arbeitsmarkt.[11]
Die Höhe der Arbeitsnachfrage von Unternehmen ist grundsätzlich abhängig vom Preis für Arbeit. Die Unternehmen entscheiden über diesen Bedarf, indem sie die durch den zusätzlichen Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit erzielbaren (Mehr)Einnahmen in ein Verhältnis zu den entstehenden (Mehr)Kosten setzen.[12] Daraus folgt, dass die Arbeitsnachfrage eines Unternehmens steigen wird, solange dieser Marktteilnehmer durch den Mehreinsatz des Produktionsfaktors Arbeit seinen Gewinn steigern kann. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die zusätzlich produzierten Güter auch abgesetzt werden müssen.[13]
Sollte andererseits der Preis für Arbeit steigen, führt dies im Regelfall zu einem Sinken der Arbeitsnachfrage der Unternehmen, wenn die zusätzlich entstehenden Kosten nicht an den Kunden weitergegeben werden können.[14]
Für das Zustandekommen der dargestellten Szenarien müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:
1) Das Unternehmen agiert in einem Markt mit vollständiger Konkurrenz und hat die Fähigkeit in diesem zu bestehen. Aufgrund der großen Anzahl von Marktteilnehmern hat ein einzelnes Unternehmen kaum Einfluss auf die Preise am Markt, sowohl als Anbieter als auch als Nachfrager.[15]
2) Das Unternehmen hat das primäre Ziel, einen maximalen Gewinn zu erzielen.[16]
An dieser Stelle muss auf den für moderne Industriegesellschaften typischen, zunehmenden Kapitaleinsatz und den rasant voranschreitenden technischen Fortschritt hingewiesen werden. Durch deren Einsatz werden die Kosten der Unternehmen pro hergestelltem Stück verringert – je größer der Kapitaleinsatz bzw. je höher das Niveau des technischen Fortschritts.[17]
Neben dem Preis der Arbeit und der erzielbaren Produktivität wird der Bedarf der Unternehmen nach Arbeitskräften auch von der Arbeitszeit und der Entwicklung des Wirtschaftswachstums mitbestimmt.[18]
Zum besseren Verständnis der volkswirtschaftlichen Zusammenhänge werden im nachfolgenden Teil dieser Arbeit die beiden wesentlichen theoretischen Haupterklärungsansätze zur Arbeitsmarktpolitik vorgestellt, nämlich einerseits die neoklassische und andererseits die keynesianische Theorie. Beide Theorien mit gewissen Variationen und Ergänzungen werden in der Wissenschaft und in der Politik seit Jahrzehnten heftig diskutiert.
Die neoklassische Theorie hat sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der klassischen Nationalökonomie, deren bedeutendster Vertreter der Urvater aller Wirtschaftsliberalen Adam Smith[19] war, entwickelt. Die Neoklassik beherrschte bis zur Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das ökonomische Denken.[20]
Aus makroökonomischer Sicht ist die neoklassische Denkschule grundsätzlich durch die Selbstregulierung von Löhnen, Preisen und Zinsen bei einer sehr raschen Anpassung der Marktteilnehmer an sich verändernde Bedingungen gekennzeichnet. Im Falle eines Ungleichgewichts stabilisieren sich die Preise durch geeignete Anpassungen von Angebot und Nachfrage sehr rasch und führen somit wieder direkt zum volkswirtschaftlichen Gleichgewicht zurück.[21]
In der neoklassischen Theorie ist der Arbeitsmarkt von zentraler Bedeutung. Einerseits bieten private Haushalte nur dann vermehrt ihre Arbeitsleistung an, wenn die für sie erzielbaren (realen) Einkommen steigen. Andererseits steigt die Nachfrage der Unternehmer nach zusätzlicher Arbeit nur im Falle sinkender Reallöhne.[22] Innerhalb der neoklassischen Ökonomie wird diese Problematik dadurch gelöst, dass die Löhne grundsätzlich frei vereinbart werden können. Somit bildet sich der Preis für Arbeit bis zu dem Punkt, wo die Wünsche der Anbieter und der Nachfrager kompatibel sind.[23]
Wenn dieser Punkt erreicht ist – mit anderen Worten eine für beide Seiten akzeptable Lohnhöhe fixiert wurde –, gibt es somit nach neoklassischer Auffassung Vollbeschäftigung. Jeder, der bereit ist zum nunmehr vereinbarten Lohn zu arbeiten, findet auch einen Arbeitsplatz. Wem dieser Lohn nicht genug Kompensation für seine Tätigkeit bietet und er folglich keiner Arbeit nachgeht, ist freiwillig arbeitslos.[24]
Freiwillig Arbeitslose können z.B. Frauen sein, die den Wert ihrer Arbeit im Haushalt höher einschätzen als ein eventuelles Arbeitseinkommen, oder Jugendliche, die ähnliche Überlegungen im Bezug auf ihre Ausbildung anstellen.[25]
Durch das innerhalb des Modells darstellbare Gleichgewicht am Arbeitsmarkt ist Arbeitslosigkeit – abgesehenen von der freiwilligen – nur kurzfristig möglich. Nachdem die Löhne frei vereinbart werden können, unterbietet der Arbeitslose den aktuell bezahlten Lohn, um wieder Beschäftigung zu finden. Als Folge der nun entstandenen neuen Konkurrenzsituation und des Zusammenspiels zwischen Angebot und Nachfrage bildet sich rasch ein neuer (niedrigerer) Lohn und beendet die Arbeitslosigkeit.[26]
Interessant im Zusammenhang mit dem Gütermarkt ist, dass die neoklassischen Ökonomen von der Gültigkeit des (auch in der Klassik verwendeten) Sayschen Theorems[27] ausgehen. Das Saysche Theorem besagt, dass sich das gesamtwirtschaftliche Angebot immer eine ausreichende Nachfrage sucht.[28]
Zur Erfüllung dieses Modells müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein:
1) Den jeweils hergestellten Gütern steht ein entsprechendes Einkommen gegenüber. Da trotzdem nicht vorausgesetzt werden kann, dass das gesamte Einkommen für den Kauf von Gütern verwendet wird, ist ein zweites Kalkül von Relevanz.[29]
2) Die Zinsen sind so anzupassen, dass mit dem gesamten Einkommen am Gütermarkt nachgefragt wird. Sollte dies nicht der Fall sein, würde das nicht verwendete Einkommen gespart werden. Diese Ersparnis könnte als Kredit für Unternehmen angeboten werden und damit wieder die Güternachfrage erhöhen.[30]
Im Bezug auf den Kapitalmarkt geht die neoklassische Theorie davon aus, dass es keine Geldnachfrage für Spekulationszwecke gibt. Das gesamte gesparte Einkommen wird am Kapitalmarkt in Form von Krediten zur Verfügung gestellt. Private Haushalte sparen umso mehr, je höher der Zinssatz ist. Unternehmer nehmen eher Kredite für Investitionen auf, wenn der Zinssatz niedrig ist. Auch in diesem Fall reguliert sich die Höhe der Zinsen am Kapitalmarkt nach Angebot und Nachfrage, sodass keine Situation des gesamtwirtschaftlichen Nachfragemangels entstehen kann.[31]
Aufgrund der Erkenntnisse empirischer Untersuchungen ist kritisch anzumerken, dass viele Güter- und Dienstleistungspreise über längere Zeiträume eher konstant bleiben und wenn, dann nur sehr träge und mit zeitlicher Verzögerung auf geänderte Marktsituationen reagieren.[32]
Auch der Grundgedanke der neoklassischen Theorie, wonach es zu keinem Nachfragemangel kommen kann, muss kritisch hinterfragt werden, da dieser im Wesentlichen auf zumindest zwei Annahmen basiert:
1) Wie bereits erwähnt, gibt es in diesem Modell kein Sparen zu spekulativen Zwecken. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass es sehr wohl eine zinsabhängige Geldnachfrage gibt, und somit das Saysche Theorem nicht gilt.[33]
2) Ebenfalls bereits kurz dargestellt wurde, dass das gesparte Einkommen der privaten Haushalte in Form von Krediten durch Banken rasch an Kreditnachfrager weitergereicht werden soll. Die Banken beurteilen jedoch – je nach Konjunkturlage –, die mit der Kreditvergabe verbundenen Risken unterschiedlich. Daraus folgt, dass im Falle von schwacher Konjunktur (bzw. von dementsprechenden Prognosen) Banken Kredite nicht so rasch und nicht in der gewünschten Höhe an – die nunmehr als riskant angesehenen – Kreditnachfrager zur Verfügung stellen.[34]
Dass die mikroökonomisch ausgerichtete neoklassische Theorie nicht immer richtig sein kann, zeigte sich »eindrucksvoll« in den 1930er Jahren. Die neoklassische Position, nach der Arbeitslosigkeit nur ein kurzfristiges Ungleichgewicht darstellt und durch Lohnsenkungen behoben werden kann, war aufgrund der durch die Große Depression weltweit ausgelöste Massenarbeitslosigkeit nicht länger haltbar.[35]
Als Reaktion auf die Große Depression und die damit verbundene Massenarbeitslosigkeit[36] begründete John Maynard Keynes[37] die makroökonomische Theorie. Er verweist in seinen Werken auf die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge von Einkommen, Produktion, Investitionen und Konsum und deren wirtschaftspolitische Auswirkungen. Die so genannte »keynesianische Revolution« löste den größten Paradigmenwechsel in der Geschichte der Volkswirtschaftslehre aus.[38]
Für Keynes war das Ungleichgewicht auf den Geld-, Güter- und Arbeitsmärkten der Normalfall – im Gegensatz zu den Klassikern, die das Marktgleichgewicht als Konstante voraussetzten. Gleichgewicht sei laut Keynes auf lange Sicht durchaus denkbar,[39] aber – so sein Wohl berühmtestes Zitat – »In the long run we are all dead«.[40]
Die zentrale Aussage der keynesianischen Theorie lautet, dass der Staat im Fall von konjunkturellen Schwankungen ausgleichend wirken soll. Dies bezieht sich somit folgerichtig auf Interventionen sowohl in Krisen- als auch in Boomzeiten. In Krisenzeiten übersteigt das gesamtwirtschaftliche Angebot die Nachfrage. Im Gegensatz dazu übersteigt in Boomzeiten die gesamtwirtschaftliche Nachfrage das verfügbare Angebot. Beide Situationen sind unerwünscht. Nachdem sich der Markt nicht selbst regulieren kann und somit das Saysche Gesetz nicht wirkt, muss der Staat diese Funktion übernehmen. Der Staat soll mit Hilfe der gezielten Steuerung seiner Einnahmen und Ausgaben in den Markt bzw. durch seinen Einfluss auf die Zentralbank in die Zinspolitik eingreifen.[41]
Keynes lehnte das neoklassische Arbeitsmarktmodell nicht pauschal ab. Er akzeptierte sogar ausdrücklich die zentrale Aussage, wonach die Höhe der Beschäftigung von der Höhe des Reallohnes abhängig sei. Jedoch widersprach er der daraus abgeleiteten Schlussfolgerung entschieden, wonach eine Lohnsenkung ausreiche, um die Beschäftigung zu erhöhen.[42]
Weiters vertrat Keynes die Auffassung, dass das neoklassische Modell einen wichtigen Teil der wirtschaftlichen Realität nicht abbilden würde und ergänzte dieses um den Zusammenhang zwischen Arbeits- und Gütermarkt.[43]
Dadurch hat die Analyse des Gütermarktes große Bedeutung in den keynesianischen Überlegungen. Grundsätzlich wird von unterausgelasteten Kapazitäten der Unternehmen ausgegangen. Ferner wird unterstellt, dass sich das Güterangebot immer an der Güternachfrage orientiert. Das bedeutet konkret, dass die Unternehmen bei steigender Güternachfrage ihre Produktion erhöhen und bei sinkender Nachfrage ihre Produktion drosseln. Parallel dazu entwickelt sich der Bedarf an Arbeitskräften. Folglich kann festgestellt werden, dass die Höhe der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage für die Höhe der gesamtwirtschaftlichen Produktion und der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung entscheidend sind.[44]
Im keynesianischen Modell haben die Unternehmen nicht die Möglichkeit, auf die gestiegene Nachfrage mit Preiserhöhungen zu reagieren. Aufgrund der unterausgelasteten Kapazitäten der Unternehmen wird dies durch den Wettbewerb verhindert. Daher entsteht keine Inflation[45], das gesamtwirtschaftliche Preisniveau bleibt somit konstant.[46]
Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage[47] setzt sich aus der privaten Konsumnachfrage, der privaten Investitionsnachfrage und der staatlichen Nachfrage nach Güter und Dienstleistungen zusammen.[48]
Keynes ging davon aus, dass die private Konsumnachfrage vom verfügbaren Einkommen der Haushalte abhängig sei. Dies ist jedoch eine starke Vereinfachung, da noch weitere Faktoren den privaten Konsum beeinflussen, wie z.B. Einkommensverteilung, Konsumgewohnheiten, Vermögen oder Haushaltsgröße. Jedenfalls gilt, dass der nicht konsumierte Teil des Einkommens gespart wird. Somit bedeutet Sparen Konsumverzicht.[49]
In diesem Zusammenhang ist die Analyse der Einkommensverteilung und der Sparneigung der privaten Haushalte interessant. Haushalte mit niedrigen Einkommen verbrauchen nahezu 100 Prozent (oder mehr)[50] ihrer Mittel für die täglich benötigten Konsumgüter (Lebensmittel, Wohnung, Kleidung, etc.). In solchen Fällen spricht man von hoher Konsumneigung. Hingegen haben Haushalte mit hohen Einkommen eine niedrigere Konsumneigung und sparen daher mehr. Aus diesem Grund befürwortete Keynes Umverteilungsmaßnahmen von oberen auf untere Einkommensschichten, da diese die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit auch die gesamtwirtschaftliche Produktion und die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung stimuliere.[51]
Wer Investitionen tätigt, erwartet sich zukünftig Erträge. Die Keynesianer messen diesen Erwartungen und der allgemeinen Stimmungslage im Zusammenhang mit Investitionsverhalten große Bedeutung bei. Es ist klar, dass die Durchführung einer Investition in erheblichem Ausmaß vom zugrunde liegenden Zinssatz abhängig ist. Im Wesentlichen wird der Zinssatz von den staatlich kontrollierten Zentralbanken fixiert. Es gilt, je niedriger der Zinssatz, umso höher die gesamtwirtschaftliche Investitionsnachfrage und umso höher der Beschäftigungseffekt.[52]
Dass laut Keynes der Staat in den Markt eingreifen soll, wurde bereits kurz angedeutet und wird nunmehr präzisiert. In Krisenzeiten soll der Staat seine Ausgaben dauerhaft erhöhen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu steigern. Im keynesianischen Modell wird unterstellt, dass die Steuereinnahmen konstant bleiben und durch die Mehrausgaben Budgetdefizite entstehen. Der daraus resultierende temporäre Anstieg der Staatsverschuldung und die ständig steigende Zinsbelastung in Krisenzeiten soll im nächsten Wirtschaftsboom wieder abgebaut werden. Der Staat hätte dann seine Ausgaben zurückzufahren, um die Inflationsgefahr aufgrund der Übernachfrage zu vermeiden.[53]
Die zusätzliche Nachfrage des Staates führt laut Keynes zu einer Anpassung des Güterangebotes. Produktionsvolumina und Einkommen der Unternehmen steigen. Um die zusätzliche Nachfrage befriedigen zu können, müssen Arbeitskräfte eingestellt werden, wodurch die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung zunimmt. Als Folge daraus verfügen die privaten Haushalte über höhere Einkommen, die diese wieder für den Konsum von Gütern ausgeben. Annahmegemäß werden die Unternehmen auch diese zusätzliche Nachfrage befriedigen, wodurch wieder gesamtwirtschaftlich Produktion, Einkommen und Beschäftigung steigen. Dieser in der keynesianischen Theorie wichtige Zusammenhang wird als Multiplikatoreffekt bezeichnet.[54]
Kritiker entgegnen in diesem Zusammenhang, dass die größtenteils kreditfinanzierte Nachfrage langfristig zu einem bedrohlichen Ansteigen der Staatsverschuldung führen muss. Um dies zu vermeiden, können die Staatsausgaben nicht dauerhaft angehoben werden, weshalb der Keynesianismus nur ein kurzfristiges Strohfeuer entfachen würde.[55]
Ein weiterer Kritikpunkt am keynesianischen Modell ergibt sich aus den Reaktionszeiten in der Politik und den daraus resultierenden Zeitverzögerungen (time lags). Kommt es beispielsweise zu einer Wirtschaftskrise, müssten die Staatsausgaben rasch erhöht werden, um die Auswirkungen zu dämpfen. Durch die in der Politik üblichen Verhandlungsprozesse und parlamentarische Beratungen können sich Entscheidungen zur Erhöhung der Staatsausgaben mitunter über Jahre erstrecken.[56]
Die Höhe der Arbeitslosigkeit wird durch die Arbeitslosenquote ausgedrückt. Diese errechnet sich als Quotient aus der Zahl der Arbeitslosen und einer sinnvollen Bezugsgröße (z.B. der unselbständig Beschäftigten).[57]
Da in Österreich zwei unterschiedliche Messmethoden und daraus resultierend zwei unterschiedliche Prozentsätze in Verwendung sind, werden beide in der Folge kurz erläutert.
Eine Möglichkeit die Zahl der Arbeitslosen zu ermitteln, ist das Aufsummieren der Personen, die vom Staat Arbeitslosengeld beziehen. Dadurch ist es relativ einfach und kostengünstig das entsprechende Datenmaterial rasch zusammen zu tragen. Die wesentlichen Nachteile dieser Methode bestehen darin, dass nur registrierte Arbeitslose in diese Berechnung einbezogen werden und die Zahl der Anspruchsberechtigten durch Gesetzesänderungen variieren kann.[58]
Entsprechend diesem traditionellen Konzept wird in Österreich die Anzahl der zum jeweiligen Stichtag bei den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices (in der Folge kurz AMS genannt) als arbeitslos vorgemerkten Personen als Arbeitslosenbestand ausgewiesen. Der Jahreswert ergibt sich aus dem Mittelwert der zwölf Monatsendbestände. Im Jahr 2007 betrug der durchschnittliche Arbeitslosenbestand 222.248 Personen.[59]
Diese offizielle österreichische Statistik erfasst jedoch nur jene Personen, die arbeitsfähig und arbeitswillig sind. So sind beispielsweise Teilnehmer an Schulungen des AMS nicht als arbeitslos gemeldet, da sie nicht sofort vermittelbar sind. Auch Bezieher von Pensionsvorschusszahlungen sind nicht als Arbeitslose registriert, da sie normalerweise nicht aktiv Arbeit suchen. Ebenso wenig in dieser Statistik sind jene Arbeitslosen enthalten, die Krankengelder beziehen (d.h. länger als drei Tage krank gemeldet sind), vorgemerkte Lehrstellensuchende und Kindergeldbezieher. Insgesamt dürften somit aktuell etwa 100.000 Personen im österreichischen Arbeitslosenbestand fehlen.[60]
Ebenfalls von Interesse bei der Analyse des heimischen Arbeitsmarktes sind einerseits die Anzahl und die Struktur jener Personen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, und andererseits die durchschnittliche Dauer von Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2007 waren – im Vergleich zum oben angeführten durchschnittlichen Arbeitslosenbestand – beachtliche 775.341 Personen zumindest einen Tag beim AMS als arbeitslos vorgemerkt. Die durchschnittliche Gesamtdauer der Arbeitslosigkeit betrug in diesem Zeitraum bemerkenswerte 108 Tage. Wenig überraschend zeigt sich, dass die Betroffenheit und die Dauer von Arbeitslosigkeit von der Ausbildung der als arbeitslos Gemeldeten abhängig sind. Personen, die nur die Pflichtschule oder eine Lehre abgeschlossen haben, sind überproportional häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen und auch im Durchschnitt länger arbeitslos gemeldet.[61]
Die österreichische Arbeitslosenquote errechnet sich als Anteil der vorgemerkten Arbeitslosen am gesamten Arbeitskräftepotential[62] der unselbständig Beschäftigten. Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2007 nach dieser Berechnungsmethode bei 6,2 %.[63] Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass die Arbeitslosenquote in Wien am höchsten und in Oberösterreich am niedrigsten war.[64]
Ein anderer Weg die Arbeitslosenquote zu messen, basiert auf Umfragen. Die Höhe der Arbeitslosigkeit ist somit sehr stark dadurch beeinflusst, wer befragt wird und wie häufig diese Umfragen durchgeführt werden. Im Allgemeinen sind solche Umfragen sehr aufwändig und daher sehr kostspielig.[65]
Um einen internationalen Vergleich der Arbeitslosenquoten durchführen zu können, wird im Regelfall die standardisierte Methode der OECD[66] verwendet. Die Zahl der Arbeitslosen wird anhand einer Stichprobe ermittelt. Als Bezugsgröße wird die Gesamtheit aller Erwerbspersonen[67] herangezogen. Die nach der OECD-Methode ermittelte Prozentangabe ist immer niedriger als die nach der österreichischen Berechnung.[68]
In Österreich werden in jedem Quartal zirka 23.000 Haushalte von der Statistik Austria im Rahmen der Mikrozensuserhebung befragt. Die Auswahl der befragten Haushalte dieser Stichprobenerhebung erfolgt rein durch Zufall.[69]
Gemäß dem Labour-Force-Konzept der Europäischen Union gilt als arbeitslos, wer in der jeweiligen Erhebungswoche weniger als eine Stunde gearbeitet hat, aktiv einen Arbeitsplatz sucht und kurzfristig für eine Arbeitsaufnahme zur Verfügung steht. Erwerbstätig sind Personen daher per Definition, wenn sie mindestens eine Stunde pro Woche gearbeitet haben. Die Erwerbstätigen umfassen laut EU-Erhebung somit unselbständig, selbständig und geringfügig Beschäftigte.[70]
Aufgrund der bisherigen Darstellung der beiden Methoden zeigt sich, dass wesentliche Unterschiede zwischen der EU-weiten und der österreichischen Erhebungsmethode bestehen. Geringfügig Beschäftigte z.B. gelten nach der österreichischen Methode als nicht beschäftigt, da sie aufgrund der wenigen Stunden Arbeit pro Woche ein zu geringes Einkommen haben, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Auch Personen, die eine Wiedereinstellungszusage ihres Arbeitsgebers haben (z.B. Bauarbeiter im Winter oder Schiliftwarte im Sommer), werden in Österreich als arbeitslos erfasst, in der EU-Erhebung jedoch nicht, da sie nicht aktiv Arbeit suchen.[71]
Die Arbeitslosenquote der EU-Länder wird von EUROSTAT (dem Statistischen Amt der EU) ermittelt. Die EU-Quote errechnet sich als Anteil der mittels Umfrage erhobenen Arbeitslosen an der Gesamtheit der Erwerbspersonen. Österreich hatte nach dieser Methode im Jahr 2007 eine Arbeitslosenquote in Höhe von 4,4 %.[72] Damit lag Österreich im EU-Vergleich auf Platz 5 und sehr deutlich unter dem Durchschnitt der EU-27-Länder von 7,1 %.[73]
Im folgenden Abschnitt werden die unterschiedlichen Arten von Arbeitslosigkeit beschrieben. Wesentlich ist zunächst die Unterscheidung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Arbeitslosigkeit. Freiwillig Arbeitslose sind grundsätzlich arbeitsfähig, jedoch nicht willig Arbeit anzunehmen. Der weitaus größere Teil der Arbeitslosen dürfte unfreiwillig arbeitslos sein. In der Wissenschaft wird die unfreiwillige Arbeitslosigkeit in vier Kategorien unterteilt: in die friktionelle, die saisonale, die konjunkturelle und die strukturelle Arbeitslosigkeit.[74]
Diese Art von Arbeitslosigkeit entsteht, wenn der Arbeitnehmer seinen Dienstgeber bzw. seine Arbeitsstelle wechselt. In der Regel verstreicht gewisse Zeit zwischen der Beendigung eines Dienstverhältnisses und dem Beginn eines neuen. Es kann festgehalten werden, dass friktionelle Arbeitslosigkeit daher typischerweise nur kurzfristig möglich ist.[75]
Zu saisonaler Arbeitslosigkeit kommt es, da in einzelnen Wirtschaftsbereichen die Nachfrage nach Arbeitskräften abhängig von der jeweiligen Jahreszeit unterschiedlich sein kann. Die am stärksten betroffenen Branchen sind die Landwirtschaft, die Bauwirtschaft und der Tourismus.[76]
Dass saisonale Schwankungen großen Einfluss auf die Arbeitslosenstatistiken haben, ist relativ einfach darstellbar. So wird beispielsweise in den Wintermonaten in der Landwirtschaft und in der Bauwirtschaft im Vergleich zur Periode von Frühjahr bis Herbst witterungsbedingt wenig produziert. Aus diesem Grund ist nachvollziehbar, warum die Arbeitslosenquoten im Regelfall in den Wintermonaten am höchsten sind.[77]
Im Zuge der Aufarbeitung des Themenkomplexes »Arbeitslosigkeit« wurde bereits kurz darauf eingegangen, dass die Höhe der Arbeitslosigkeit von konjunkturellen Schwankungen beeinflusst wird. Aufgrund der fehlenden Nachfrage nach Gütern übersteigt in Krisenzeiten das gesamtwirtschaftliche Arbeitsangebot die gesamtwirtschaftliche Arbeitsnachfrage. Die sich daraus ergebende Unterauslastung des volkswirtschaftlichen Produktionspotenzials führt zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit.[78]
Ursache für diese Kategorie der Arbeitslosigkeit ist der Strukturwandel der Wirtschaft im Allgemeinen. Es ist von eminenter Wichtigkeit, dass in einer Volkswirtschaft rechtzeitig und in ausreichendem Ausmaß in so genannte Zukunftsbranchen investiert wird, um neue Arbeitsplätze zu schaffen (z.B. in die Biotechnologie). Denn aufgrund der Dynamik der Wirtschaft gehen Arbeitsplätze in traditionellen Branchen verloren (z.B. der Textilindustrie). Es ist in diesem Zusammenhang auch möglich, dass die Arbeitsplätze zwar vorhanden sind, aber die Profile der Arbeitslosen nicht mit den Anforderungen der offenen Stellen zusammenpassen. Diese Unterschiede können sowohl die Qualifikation betreffen, aber auch regional oder beruflich bedingt sein.[79]
Arbeitslosigkeit hat enorme, negative Auswirkungen auf die Gesellschaft. Einerseits entstehen durch den Einkommensverlust materielle Probleme für den Einzelnen, aber auch Finanzierungsprobleme für den Staat. Andererseits führt Arbeitslosigkeit zu psychischen Problemen für die Betroffenen. Im nächsten Teilkapitel dieser Arbeit werden die Folgen kurz skizziert.[80]
In unserer Gesellschaft ist Erwerbsarbeit die bedeutendste Möglichkeit für den Einzelnen, Einkommen zu erzielen und somit am gesellschaftlichen Wohlstand zu partizipieren. Kommt es zum Verlust des Arbeitsplatzes und in weiterer Folge zur Arbeitslosigkeit, reduziert sich das verfügbare Einkommen erheblich.[81]
In Österreich kommt es unter bestimmten Voraussetzungen – die in dieser Arbeit nicht detailliert dargestellt werden – zur Auszahlung eines Arbeitslosengeldes. Dieses Arbeitslosengeld soll die Existenz des Anspruchberechtigten für die Zeit der Arbeitssuche sichern. Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes orientiert sich im Wesentlichen am letzten vorliegenden Bezug aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt. Es gebührt ein Tagsatz in Höhe von 55 % der so ermittelten Berechnungsbasis über zumindest 20 Wochen, wobei zusätzlich noch Anspruch auf einen Familienzuschlag und einen so genannten Ergänzungsbetrag bestehen kann.[82]
Speziell Niedriglohnbezieher sind mit einer Lohnersatzrate von 55 % nur wenig abgesichert. Österreich liegt mit diesem Wert erheblich unter dem Durchschnitt der EU-15-Länder von mehr als 68 %. Nicht nur in den skandinavischen Ländern, wie beispielsweise in Dänemark, wo Arbeitslose fast 90 % ihres letzten Lohns bekommen, auch in Polen und Tschechien gibt es eine bessere soziale Absicherung. Auch bei der Dauer des Arbeitslosengeldbezugs ist Österreich im europäischen Vergleich beinahe Schlusslicht. Einzig Spanien hat mit nur 17 Wochen eine noch kürzere Bezugsdauer.[83]
Sollte der Bezug von Arbeitslosengeld enden, bevor eine neue Arbeitsstelle gefunden wurde, kann in Österreich Notstandshilfe beantragt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass bei der Ermittlung der Höhe der Notstandhilfe eventuelle Einkommen des Lebenspartners und sonstige eigene Einkommen berücksichtigt werden. Die Notstandshilfe ist grundsätzlich zeitlich unbegrenzt und beträgt üblicherweise 92 %[84] des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes, wobei die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse einen wesentlich geringeren Prozentsatz ergeben kann.[85]
Um diese gesetzlichen Bestimmungen in konkrete Zahlen zu kleiden, kann wieder das Jahr 2007 herangezogen werden. Durchschnittlich haben 199.649 Personen[86] in dieser Periode entweder Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen. Die Höhe des Tagsatzes betrug im Durchschnitt für Arbeitslosengeldbezieher 24,91 EUR und für Notstandshilfebezieher 19,26 EUR.[87]
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das Arbeitslosengeld seit dem Jahr 2000 inflationsbereinigt um 4,0 % und die Notstandshilfe im selben Zeitraum sogar um 7,6 % gesunken sind.[88]
Aus diesen Werten ergibt sich folgerichtig, dass eine lang anhaltende Arbeitslosigkeit mit zunehmender Dauer zu einer wesentlichen Erhöhung des Armutsrisikos eines Haushaltes[89] beiträgt. Gemäß einer Erhebung aus dem Jahr 2003 besteht ein Armutsgefährdungsrisiko von 16 % für Haushalte, in welchen die Arbeitslosigkeit eines Mitgliedes weniger als 6 Monate dauert. In Haushalten mit Langzeitarbeitslosen (mehr als 12 Monate arbeitslos)[90] erhöht sich dieses Risiko explosionsartig auf 36 %.[91]
Gäbe es die staatlichen Transferleistungen, wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe, in Österreich nicht, würde armutsgefährdeten Personen ihre wichtigste Existenzgrundlage abhanden kommen. Langzeitarbeitslose und ihre Familienangehörigen z.B. beziehen 57 % ihres Einkommens aus Sozialleistungen und sind trotzdem besonders stark armutsgefährdet. Bekämen sie diese Zahlungen nicht, würde ihr Armutsrisiko sogar auf 78 % steigen.[92]
Interessant in diesem Zusammenhang ist festzuhalten, was sich alle Menschen in Österreich gemäß einer aktuellen Umfrage leisten können sollten:[93]
- Die Wohnung ausreichend warm halten zu können.
- Regelmäßige Zahlungen, wie Miete und Betriebskosten, rechtzeitig begleichen zu können.
- Notwendige Arzt- und Zahnarztleistungen bezahlen zu können.
- Unerwartete Zahlungen, wie z.B. Reparaturen, finanzieren zu können.
- Falls notwendig, neue Kleidung kaufen zu können.
- Jeden zweiten Tag sollte Fleisch, Fisch, Geflügel oder vegetarisches Essen auf dem Speiseplan stehen können.
- Die Möglichkeit haben, Freunde und Verwandte zum Essen einladen zu können.[94]
Durch Arbeitslosigkeit wird nicht nur die Einkommenssituation der betroffenen Haushalte wesentlich beeinflusst, sondern auch die Höhe des Einkommens der unselbständig Beschäftigten indirekt bestimmt. Hohe Arbeitslosigkeit führt zu erhöhtem Wettbewerb am Arbeitsmarkt. Dies schwächt die Position der Gewerkschaften bei Lohnverhandlungen. Die Folge daraus ist, dass der Anteil der Einkommen aus unselbständiger Beschäftigung am gesamten Volkseinkommen dramatisch zurückgeht. Betrug dieser Anteil noch Ende der 1970er Jahre etwa 72 %, so waren es im Jahr 2006 nur mehr 57 %.[95]
Die Diskussionen über Zuschüsse für die staatlichen Pensions-, Kranken- und Arbeitslosenversicherungssysteme bestimmen seit Jahren die politische Debatte in Österreich. Arbeitslosigkeit führt generell zu geringeren Einnahmen und höheren Ausgaben des Staates, wodurch die Finanzierung des Sozialstaates zunehmend schwieriger wird. Wie in anderen europäischen Ländern basiert die Finanzierung des Sozialsystems auch in Österreich auf den Beitragszahlungen der Versicherten. Durch Arbeitslosigkeit werden einerseits geringere Beiträge in das System der sozialen Sicherheit einbezahlt und andererseits höhere Leistungen ausbezahlt. So fielen z.B. im Jahr 2006 rund ein Zehntel der potentiellen Beitragszahler durch Arbeitslosigkeit aus.[96]
Um die Größenordnungen nochmals zu verdeutlichen, soll abschließend noch eine Zahl genannt werden. Es kann in Österreich als Faustregel gelten, dass tausend Arbeitslose dem Staatshaushalt Kosten in Höhe von 25 Millionen Euro jährlich verursachen (d.s. 25.000 EUR pro Arbeitslosem).[97] Diese Kosten inkludieren neben den Arbeitslosengeldern vor allem die entgangenen Steuer- und Beitragsleistungen.[98]
Neben den finanziellen Folgen für den Einzelnen, die aufgrund der sozialen Sicherungsmaßnahmen zumindest teilweise gelindert werden und die materielle Existenz zumindest für eine gewisse Zeit nicht völlig zerstört, hat sich das Problem der Arbeitslosigkeit heutzutage zunehmend »psychologisiert«.[99]
Grundsätzlich erfüllt die Arbeit wichtige Funktionen in der psychologischen Entwicklung des einzelnen Arbeitenden, die sich durch den Verlust des Arbeitsplatzes und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit zumindest teilweise auflösen. Im Wesentlichen lassen sich in diesem Sinne sechs Funktionen von Arbeit festmachen:[100]
1) Am Arbeitsplatz ergibt sich die Möglichkeit zu sozialen Kontakten. Man führt Gespräche, trifft andere Menschen und es bilden sich Freundschaften.[101]
2) Als Folge der Erkenntnis seine Arbeitsaufgaben aufgrund der eigenen Effizienz und Kompetenz bewältigen zu können, gewinnt der Einzelne das Gefühl, sich und seine Umwelt zu meistern.[102]
3) Durch die Produktion von Gütern und Dienstleistungen wird dem Arbeitenden Tag für Tag bewiesen, dass er von Anderen gebraucht wird und dadurch für die Gesellschaft wertvoll ist.[103]
4) Arbeit spielt auch im Zusammenhang mit der Selbsteinschätzung des Individuums eine wesentliche Rolle. Der Einzelne kann laufend evaluieren, ob er die Herausforderungen der Arbeit und seine selbst auferlegten Erwartungen erfüllt oder nicht.[104]
5) Das Messen der individuellen Arbeitsleistung ermöglicht den Vergleich mit Anderen und in weiterer Folge die Bewertung durch die Gesellschaft.[105]
6) Unbestritten ist die zentrale Bedeutung von Arbeit für die Ausbildung des eigenen Selbstwertgefühles, der persönlichen Identität und des individuellen Ordnungssinnes.[106]
Vordergründig kann Arbeitslosigkeit durchaus auch positive Aspekte haben. So fällt beispielsweise die physische und psychische Belastung durch Arbeit weg. Auch die zur Verfügung stehende Freizeit nimmt zu, wodurch mehr Möglichkeiten bestehen, mit dem Partner, der Familie oder dem Freundeskreis Zeit zu verbringen. Möglicherweise ergeben sich Chancen zur beruflichen Neuorientierung und somit zukünftig bessere Berufsaussichten.[107]
Jedoch muss bei genauerer Betrachtung ohne Zweifel festgestellt werden, dass die negativen Auswirkungen bei Weitem überwiegen.
»Arbeitslosigkeit bedeutet den Verlust
- der Struktur des Tages durch die Arbeit,
- von ökonomischer Sicherheit,
- der Karriereperspektive,
- von sozialer Anerkennung,
- von Sozialkontakten mit Arbeitskollegen,
- des Gefühls der eigenen Wichtigkeit in der Gesellschaft,
- von Anregungen durch die soziale Umwelt,
- der Ernährerrolle in der Familie,
- der Arbeit als Lebensäußerung und der Befriedigungsmöglichkeit des produktiven Bedürfnisses.«[108]
Dass die Familie am meisten unter den Folgen von Arbeitslosigkeit zu leiden hat, ist unschwer vorstellbar. Es verändern sich nachhaltig Hierarchien und Autoritäten. Sollte z.B. der Mann arbeitslos werden, kann er seine Rolle als »Ernährer« der Familie nicht mehr im selben Ausmaß erfüllen wie vor dem Arbeitsplatzverlust. Folglich ist es für ihn in dieser Situation nicht möglich (oder zumindest erheblich schwieriger), die materielle Existenz der Familie zu sichern. Häufig verliert er dadurch die Grundlagen seiner Autorität.[109]
Bei zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit verschärft sich dieser Effekt, da es für den Mann immer schwieriger wird, materielle und immaterielle Ressourcen aufzubringen. Nicht nur Geldmittel versiegen, sondern auch der gesellschaftliche Status des Betroffenen verschlechtert sich. Eine Folge können zunehmende Konflikte und daraus resultierende Beziehungsprobleme sein.[110]
Die negativen psychologischen Folgen von Arbeitslosigkeit für die Betroffenen und deren Angehörige wurden in zahlreichen Forschungsberichten aus verschiedenen Epochen und Ländern wissenschaftlich belegt. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, können hier bei Weitem nicht alle Aspekte der psychologischen Auswirkungen beleuchtet werden und viele spannende Fragen müssen unbeantwortet bleiben. So wäre es z.B. äußerst interessant zu untersuchen, warum manche Arbeitslose schnell wieder ins Berufsleben zurückfinden, während andere mitunter lange arbeitslos bleiben?[111]
Das nun abzuschließende Kapitel der vorliegenden Arbeit hat sich mit ausgewählten Aspekten zum Thema »Arbeitslosigkeit« beschäftigt. Das Ziel dieser Ausführungen war einerseits die theoretische Grundlage für die folgenden Abschnitte zu liefern und andererseits die Dimension des Problems »Arbeitslosigkeit« im heutigen Österreich aufzuzeigen.
Einleitend konnte festgestellt werden, dass der Arbeitsmarkt – wie jeder andere Markt – durch das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage funktioniert. Private Haushalte bieten Arbeit an, um Einkommen zu erzielen. Daraus folgt, dass mehr Arbeit zu höherem Einkommen führt, jedoch auch zu längeren Arbeitszeiten und zu geringerer Freizeit. Jeder Haushalt hat somit die Entscheidung zu treffen, wie viel Zeit er für das Verdienen von Einkommen und für den Konsum von Freizeit verwendet.[112]
Unternehmen hingegen fragen Arbeit nach. Die nachgefragte Menge an Arbeit orientiert sich am Preis, d.h. in diesem Fall am Lohn. Es ist durchaus einleuchtend, dass die Nachfrage der Unternehmen grundsätzlich umso größer wird, je niedriger der zu zahlende Lohn ist.[113]
In weiterer Folge wurden die neoklassische und die keynesianische Arbeitsmarkttheorie erläutert. Die Neoklassiker beschränken sich im Wesentlichen auf die Betrachtung des Arbeitsmarktes. Für Keynes hingegen war die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen von zentraler Bedeutung für das Funktionieren des Arbeitsmarktes. Die Frage, welche der beiden unterschiedlichen Theorien die »Richtige« ist, beschäftigt Wissenschaft und Politik seit vielen Jahren.[114]
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Keynes seine Theorie vor dem Erfahrungshintergrund der Großen Depression entwickelte. Mit den damals vorherrschenden neoklassischen Ansichten konnte die Dauer und Hartnäckigkeit der wirtschaftlichen Krise der 1930er Jahre (und die daraus resultierende Massenarbeitslosigkeit) nicht erklärt werden.[115]
Dass Arbeitslosigkeit noch heute ein großes Problem für eine Volkswirtschaft darstellt, kann durch aktuelle Zahlen untermauert werden. Im Jahr 2007 waren im Durchschnitt 222.248 Österreicher arbeitslos, wobei nach Schätzungen zirka 100.000 Menschen aus unterschiedlichen Gründen von dieser Statistik nicht erfasst wurden. Auf Basis des offiziellen Arbeitslosenbestandes ergibt sich eine Arbeitslosenquote von 6,2 % nach nationaler Berechnung. Die OECD weist – aufgrund einer anderen Berechnungsmethode – im selben Jahr eine Arbeitslosenquote von 4,4 % für Österreich aus.
Um die Thematik abzurunden, wurde auch auf die wirtschaftlichen und psychologischen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit eingegangen. Aufgrund der vielfältigen, möglichen Folgen für arbeitslose Menschen und für die Gesellschaft konnten im Rahmen dieser Arbeit nur Denkanstösse gegeben werden.
Abschließend kann festgehalten werden, dass mit dem Ende des ersten Hauptkapitels die theoretischen Grundlagen für die nachfolgenden Abschnitte geschaffen wurden, wobei im Rahmen dieser Arbeit selbstverständlich nur Teilbereiche zum umfangreichen Thema »Arbeitslosigkeit« andiskutiert werden konnten. Dennoch wurde klar aufgezeigt, wie der Arbeitsmarkt funktioniert und welche beiden Arbeitsmarkttheorien den wissenschaftlichen Diskurs seit Jahrzehnten – und im Lichte der aktuellen Weltwirtschaftskrise heutzutage wieder wesentlich intensiver – bestimmen. Wichtig war auch die Klärung der Frage, wie Arbeitslosigkeit entstehen kann. Dass Arbeitslosigkeit (leider) immer ein aktuelles Forschungsgebiet ist, konnte einerseits durch die österreichischen Zahlen für das Jahr 2007 und andererseits durch die dramatischen Auswirkungen für den einzelnen Betroffenen – ob wirtschaftliche oder psychologische – eindrucksvoll belegt werden.
Um die Problematik von Arbeitslosigkeit noch konkreter aufzuzeigen, wird nach diesem theoretischen Teil im nächsten Kapitel der Arbeit eine Fallstudie ausführlich vorgestellt, nämlich »Die Arbeitslosen von Marienthal«. Diese erstmals vor 75 Jahren – im Jahr 1933 – veröffentlichte Untersuchung ist eine der bekanntesten zu diesem Thema. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Feststellung, dass es in der Literatur nur einige wenige »echte« Arbeitslosenstudien gibt.[116] Warum die Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« noch heute als Standardwerk der Sozialwissenschaft gilt, wird im nächsten Kapitel verdeutlicht.
3 Studie
aus dem Jahr 1933: »Die Arbeitslosen von Marienthal«
Die Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« ist ein Klassiker der empirischen Sozialforschung. Die Arbeit, die im Jahr 1933 erstmals veröffentlicht wurde, gilt bis heute als Standardwerk zum Thema »Arbeitslosigkeit«. Es gibt kaum Forschende im Bereich der Sozialwissenschaften, die noch nichts von der Arbeiterkolonie Marienthal gehört haben.[117]
Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich eingangs mit dem Industriedorf Marienthal und mit dessen Geschichte. Aufbauend auf den Erkenntnissen des ersten Hauptkapitels wird die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Österreich der Zwischenkriegszeit näher beleuchtet. Danach wird die Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«, die unter der Leitung von Paul Lazarsfeld Anfang der 1930er Jahre erstellt wurde, umfassend vorgestellt. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit dem Versuch, die Einkommen und Vermögen im Marienthal des Jahres 1932 aus heutiger Sicht darzustellen.
Die Ziele des zweiten Hauptabschnittes sind einerseits die Vorstellung von Marienthal und seiner weltberühmten Studie und andererseits das Greifbarmachen der schwierigen Situation der Marienthaler Bevölkerung der 1930er Jahre aus dem Blickwinkel des Jahres 2008.
»Marienthal ist ein kleines Fabrikdorf an der Fischa-Dagnitz im Steinfeld. Man erreicht die nächstgelegene Eisenbahnstation Grammat-Neusiedel (!) von Wien aus mit der Ostbahn in fünfunddreißig Minuten und wandert dann noch etwa eine halbe Stunde in das völlig flache Land hinein.«[118]
So leiteten die Autoren der historischen Studie die Beschreibung des Industriedorfes Marienthal ein. Diese Angabe ist jedoch nicht korrekt, denn man wird den Ort Marienthal auf keiner herkömmlichen Landkarte finden. »Marienthal« war nie eine eigene Verwaltungseinheit, sondern der Name einer Fabrik und der dazugehörenden Arbeiterkolonie.[119] Geografisch erstreckt sich Marienthal zum Großteil über das südliche Gebiet der Marktgemeinde Gramatneusiedl und zu einem wesentlich kleineren Teil über die anschließende Nachbargemeinde Reisenberg.[120]
Die Marktgemeinde Gramatneusiedl gehört zum politischen Bezirk Wien-Umgebung des Bundeslandes Niederösterreich. Die Gemeinde liegt südöstlich von Wien und ist weniger als 20 Kilometer von der Stadtgrenze der Bundeshauptstadt entfernt. Das Gemeindegebiet umfasst etwas mehr als 672 Hektar Fläche. Zum Zeitpunkt der letzten Volkszählung im Jahr 2001[121] lebten 2.243 Einwohner in exakt 652 Gebäuden. Seither hat sich die Wohnbevölkerung – vor allem durch ein neues Siedlungsgebiet im Norden der Gemeinde – auf 2.667 Personen (Stand per 1. Jänner 2008) erhöht.[122]
Durch das Zusammenwachsen der ursprünglich getrennten Ortsteile Gramatneusiedl und Marienthal ist heute keine eindeutige Grenze erkennbar. Da das frühere Arbeiterheim (heute an dieser Stelle das Gemeindezentrum) ohne Zweifel zur Arbeiterkolonie Marienthal[123] gehörte, verläuft die Trennlinie entlang der heutigen Kirschgasse und der Lindenallee. Somit befinden sich folgende Gassen und Strassen der Gemeinde Gramatneusiedl auf dem Gebiet Marienthals (in alphabetischer Reihenfolge):
- Am Feilbach
- Bilkowskygasse
- Dr. Löw-Gasse
- Edelschacherweg
- Feldgasse (ab Höhe Kirschgasse)
- Fischerweg
- Gartenweg
- Hauptstrasse (ab Höhe Kirschgasse/Lindenallee)
- Neubau 1 – 4
- Siedlergasse
- Todesco-Gasse
- Zur Piesting
Wie bereits erwähnt, liegen Teile Marienthals im Gemeindegebiet von Reisenberg. Die Gemeinde Reisenberg gehört zum politischen Bezirk Baden und liegt ebenfalls im Bundesland Niederösterreich. Das Gemeindegebiet erstreckt sich über eine Fläche von etwas mehr als 1.780 Hektar. Bei der letzten Volkszählung 2001 lebten 1.404 Menschen in 751 Gebäuden der Ortschaft. Die Einwohnerzahl stieg seither auf 1.513 Personen (Stand per 1 Jänner 2008) an.[124]
Folgende Gassen und Strassen (Neu)Reisenbergs liegen heute auf dem Gebiet Marienthals (in alphabetischer Reihenfolge):
- An der Fischa
- Mitterndorfer Strasse (bis zur Ortsgrenze Mitterndorf)
- Reisenberger Strasse
Nach dieser geographischen Einordnung Marienthals muss festgehalten werden, dass zwar Teile der ehemaligen Fabrik und der dazugehörenden Arbeiterkolonie noch heute erhalten sind, aber dass sich das Ortsbild im Laufe der Jahrzehnte wesentlich verändert hat. So existieren heute Gassen und Strassen, die es in den 1930er Jahren noch nicht gab, was dazu führt, dass sich Marienthal heute über eine größere Fläche erstreckt als zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie. Im nachfolgenden Abschnitt wird die Entstehungsgeschichte der Textilfabrik Marienthal dargestellt.
Woher der Name »Marienthal« stammt, ist bis heute nicht geklärt. Es gibt unterschiedliche mündliche Überlieferungen zur Namensgebung, so z.B. jene, dass der Name auf einen Akazienbaum mit einem Marienbild, der auf dem späteren Fabrikgelände gestanden haben soll, zurückgeht. Eine andere mögliche Erklärung geht von einem Zusammenhang mit der österreichischen Kaiserin Maria Theresia von Habsburg[125] aus, die auch für die so genannte Theresienmühle[126] im damaligen Gramatneusiedl Namensgeberin war. Eine dritte Version bezieht sich auf ein Kloster, das auf dem Gebiet der späteren Theresienmühle existiert haben soll (wofür es jedoch keinen Nachweis gibt).[127] Tatsächlich erstmals urkundlich erwähnt wurde Marienthal am 24. Jänner 1823.[128]
Der Beginn der industriellen Produktion geht auf das Jahr 1820 zurück. Im Herbst dieses Jahres wurde die Theresienmühle vom pensionierten Wiener Polizeikommissär und kaiserlich königlichen Rat Leopold Pausinger gekauft. Mit Hilfe seines Geschäftspartners und Fabrikdirektors Franz Xaver Wurm, der ein genialer Erfinder war, wurde die Mühle in den Jahren von 1820 bis 1823 mit selbst entwickelten und gebauten Maschinen zu einer Flachsspinnfabrik ausgebaut: die »k(aiserlich) k(önigliche) priv(ilegierte) Flachs- und Werg-Spinnfabrik zu Marienthal«.[129]
Die folgenden Jahre brachten einen rasanten Aufschwung. Bis zu 120 Menschen waren in dieser Fabrik beschäftigt, insgesamt 73 verschiedene Maschinen waren im Einsatz. Allerdings wurde diese Entwicklung jäh gestoppt. Im Jahr 1826 wurde Wurm wegen Geldfälschung[130] verhaftet. Als Folge daraus musste die Fabrik den Betrieb im Frühjahr 1827 vorläufig einstellen.[131]
Die richtige Industrialisierung Marienthals ist mit dem Namen des Wiener Bankiers Hermann Todesco[132] untrennbar verbunden, der die stillgelegte Fabrik kaufte.[133]
»Jedes Schulkind weiß die Geschichte dieser Gründung zu erzählen: im Jahre 1830 war er auf der Suche nach einem geeigneten Platz für eine Flachsspinnerei auch nach Marienthal gekommen, das dazu wie geschaffen war. Die flache Gegend bot dem Transport keine Schwierigkeiten, der kleine Fluss, an dem Marienthal liegt, die Fischa-Dagnitz, fror mit ihrem gleichmäßig warmem Wasser auch im strengen Winter nicht zu und konnte mit ihrer Kraft den Betrieb speisen […] Bald ging Todesko (!) zur Baumwollspinnerei über, die Fabrik wurde vergrößert.«[134]
Nach erfolgtem Um- und Ausbau des ursprünglichen Fabrikgebäudes und der Einführung zahlreicher technischer Neuerungen arbeiteten im Jahr 1835 insgesamt 359 Beschäftigte im Betrieb (286 in der Spinnerei und 73 in der Weberei). Durch Rationalisierungen im Produktionsprozess reduzierte sich der Mitarbeiterstand in der Spinnerei bis zum Jahr 1843 auf 140. Am Ende der Ära Hermann Todesco wurden auf 7.500 Spindeln zirka 112 Tonnen[135] Baumwollgarn und Zwirn jährlich erzeugt, womit die Textilfabrik Marienthal eher zu den kleineren zählte.[136]
Kurz nach dem Tod Hermann Todescos wurde die ursprüngliche Fabrik stillgelegt. Sein ältester Sohn Max kaufte im Jahr 1845 in unmittelbarer Nähe das Areal der so genannten Ladenmühle, riss diese ab und begann mit dem Bau einer neuen Fabrik. Zur selben Zeit fanden noch andere Bautätigkeiten statt. Das alte Werkgebäude wurde zu einem Wohnhaus[137] umgebaut und ein weiteres, neues Wohnhaus[138] auf einem ebenfalls neu erworbenen Grundstück errichtet.[139] Mit der Fertigstellung dieser beiden Wohnhäuser (in den Jahren 1845 bzw. 1850) war die zur Fabrik gehörige Arbeiterkolonie Marienthal gegründet. Interessant in diesem Zusammenhang ist die damit verbundene rasante Zunahme der Bevölkerung Marienthals in diesen Jahren. 1823 gab es nur 33 Bewohner, 1846 waren es 248 und 1850 bereits 517.[140]
Die Entwicklung der Marienthaler Bevölkerung ist ein Spiegelbild der Fortschritte beim Aufbau der neuen Fabrik. Der Spinnereikomplex wurde 1847 eröffnet und 1850 fertig gestellt. Der Webereikomplex ging 1855 in Betrieb. Bis zur Schließung der Textilfabrik Marienthal im Jahr 1930 waren die Spinnerei und die Weberei die beiden Hauptbetriebe der jeweiligen Unternehmen.[141]
Laut der ersten nach den Grundsätzen der modernen Statistik durchgeführten Volkszählung im Jahr 1857 waren in der Textilfabrik Marienthal zu jener Zeit zirka 800 Arbeiter beschäftigt.[142]
1858 übernahmen zwei andere Söhne des Gründers Hermann Todesco das Unternehmen, nämlich Eduard und Moritz von Todesco. Anfang 1864 fusionierten sie die Textilfabrik Marienthal mit der Baumwollspinnerei Trumau zur »Marienthaler und Trumauer Actien-Spinn-Fabriks-Gesellschaft«.[143]
In den folgenden Jahren entwickelte sich das Unternehmen kontinuierlich weiter. Einerseits wurden bestehende Kapazitäten erweitert, um den stetig steigenden Bedarf an in Marienthal hergestellten Erzeugnissen befriedigen zu können, andererseits war es erforderlich, das Produktionsprogramm zu erweitern, um am Markt bestehen zu können. Als Ergänzung zur Spinnerei und Weberei entstanden zahlreiche Neben- bzw. Hilfsbetriebe wie Wäscherei, Bleiche, Färberei, Appretur, Druckerei, Schmiede, Schlosserei, Eisendreherei, Tischlerei und Zimmerei.[144]
Gleichzeitig wurde es notwendig, neue Wohnhäuser für die in der Fabrik beschäftigten Arbeiter und Angestellten zu errichten, deren Anzahl bis Anfang der 1880er Jahre kontinuierlich auf etwa 1.000 stieg und danach relativ konstant blieb.[145]
Auch während des Ersten Weltkrieges lief die Fabrik vorerst gut, es waren keine wirtschaftlichen Einbußen feststellbar. Hatte man vor dem Krieg in erster Linie Blau- und Rosadrucke hergestellt, so erzeugte man während des Krieges Heeresbedarf, wodurch der Absatz bis 1918 gesichert war. Doch spätestens im Sommer 1918 hatte das Unternehmen enorme Schwierigkeiten. Einerseits mangelte es an verwertbaren Rohstoffen, andererseits fielen nach Kriegsende die Absatzmärkte in den ehemaligen Kronländern und in Ungarn weg. Dadurch kam es erstmals in der Geschichte der Textilfabrik Marienthal zu Massenentlassungen und als Folge daraus zu hoher Arbeitslosigkeit im Ort.[146]
Die Gemeinde Gramatneusiedl hatte im Jahr 1919 zirka 2.100 Einwohner, die in insgesamt 128 Häusern lebten. Nach offiziellen Angaben aus dieser Zeit waren 620 Personen arbeitslos, was einem Anteil von 23 %[147] der Gesamtbevölkerung entsprach.[148]
Ab 1920 investierten die Eigentümer wieder in die Textilfabrik Marienthal. Dabei handelte es sich aber im Wesentlichen um relativ kleine Investitionen, die weder innovative technische Neuerungen noch den Bau von neuen Erzeugungsstätten mit sich brachten.[149] Dennoch entspannte sich aufgrund dieser Investitionen die Situation der Arbeitslosen in Gramatneusiedl zumindest vorübergehend deutlich.[150]
Dann kam es allerdings zum zweiten Mal in der Nachkriegszeit zu Massenarbeitslosigkeit im Ort. Im Jahr 1923 hatten 860 von insgesamt 2.260 Einwohnern keine Arbeit[151] und im darauf folgenden Jahr waren immer noch 760 von 2.430 Personen arbeitslos.[152]
Hoffnung keimte erst wieder im Frühsommer 1925 auf. Die Textilfabrik Marienthal wurde von der damals mächtigen »Vereinigte Österreichische Textil-Industrie Mautner Aktiengesellschaft«[153], die im Besitz von Isidor Mautner und dessen Sohn Stephan stand, übernommen.[154]
Die Hoffnungen der Marienthaler Bevölkerung schienen sich zu bestätigen. Es wurde begonnen, Kunstseide herzustellen. Auch die Bautätigkeiten setzten wieder in beachtlichem Ausmaß ein, denn einerseits wurde die Fabrik erweitert und andererseits mussten zusätzliche Wohneinheiten für die ständig steigende Anzahl der Beschäftigten geschaffen werden. Im Jahr 1926 erreichte die Fabrik und die Arbeiterkolonie Marienthal ihre größte bauliche Ausdehnung bis zur Schließung im Jahr 1930.[155]
Nach einem kurzen aber dramatischen Rückschlag im zweiten Halbjahr 1926, wo etwa die Hälfte der Belegschaft entlassen werden musste, stieg die Beschäftigtenzahl ab Anfang 1927 wieder. Die ökonomische Situation verbesserte sich. Es wurden neue Maschinen angekauft, um breitere Stoffe erzeugen zu können. Durch die Einführung einer zweiten Schicht in der Spinnerei im Jahr 1928 und der guten wirtschaftlichen Lage, erreichte der Beschäftigtenstand in der Textilfabrik Marienthal seinen Höhepunkt. Im Jänner 1929 waren etwa 1.200 Arbeiter und 90 Angestellte im Unternehmen beschäftigt.[156]
»Aber das war eine rasch vorübergehende Besserung, eine letzte Anstrengung, der Mitte 1929 der Absturz folgte: im Juli wird die Spinnerei geschlossen, im August die Druckerei, im September die Bleiche. Zuletzt im Februar 1930 sperrt die Weberei, und nun werden auch die Turbinen stillgelegt. Wenige Tage nachher schon beginnen unter großer Erregung der Bevölkerung die Liquidationsarbeiten.«[157]
Diese Entwicklungen spiegeln sich auch in den Arbeitslosenzahlen für Gramatneusiedl wieder. Im Jahr 1929 weist die Gemeindestatistik bereits 614 Arbeitslose aus. Damit lag die Zahl um mehr als das fünffache höher als im Jahr davor.[158] Bei einer Einwohnerzahl von 2.920[159] entsprach dies einer offiziellen Arbeitslosenquote von 23 %.[160]
Am 12. Februar 1930 war die einst ruhmreiche Textilfabrik Marienthal endgültig geschlossen. Nur wenige Personen fanden noch vorübergehend Arbeit in der Fabrik. So etwa der Portier, der Nachtwächter, drei Turbinenwärter und rund 60 Arbeiter, welche in den Jahren 1930 und 1931 die umfangreichen Abrissarbeiten am Werkgelände durchführten. Der große Rest der Bevölkerung war aber mit einem Schlag arbeitslos geworden.[161] Nachdem auch der Maschinenpark großteils verkauft wurde, bestand keine Chance auf eine Wiederbelebung der Textilfabrik.[162]
Was die Schließung der Textilfabrik Marienthal ausgelöst hat, ist nicht eindeutig feststellbar. Belegt ist der Zusammenbruch der »Neuen Wiener Bankgesellschaft Aktiengesellschaft« – die Teil des Mautnerschen Imperiums war – im Jahr 1926. Dies führte bereits ab 1928 zu massive Liquiditätsproblemen der Familie Mautner, die letztendlich den Ruin der »Vereinigten Österreichischen Textil-Industrie Mautner Aktiengesellschaft« verursachten. Für die Textilfabrik Marienthal hatte dies zur Konsequenz, dass die für die Produktion benötigten Rohstoffe nicht mehr bezahlt werden konnten und der Betrieb eingestellt werden musste. Die Banken, die nunmehr die neuen Besitzer der Fabrik waren, hatten kein Interesse an der Weiterführung des Betriebes.[163]
Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit der Entwicklung der österreichischen Arbeitslosigkeit in den Jahren von 1918 bis 1938, also mit jenem Zeitraum, in dem sich das Schicksal der Textilfabrik Marienthal wendete und in weiterer Folge die Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« entstand.
Das Ende des Ersten Weltkrieges und die damit verbundenen wirtschaftlichen Veränderungen aufgrund des Zerfalls der Donaumonarchie mit seinen mehr als 50 Millionen Einwohnern[164] führten zu einem bis dahin unbekannten Ausmaß von Arbeitslosigkeit in Österreich. So mussten z.B. zahlreiche Beamte in der staatlichen Verwaltung abgebaut werden. Erheblich verstärkt wurde diese Entwicklung durch ständige Anpassungsbemühungen der einzelnen Betriebe. Diese führten vor allem Rationalisierungen durch und neue, arbeitssparende Produktionsmethoden ein.[165]
Die Arbeitslosigkeit in dieser Zeit basierte also vor allem auf strukturellen Problemen und den daraus resultierenden Schwierigkeiten der österreichischen Wirtschaft bei der Umstellung auf die neuen Gegebenheiten, denn man war auf die Versorgung eines Großstaates ausgelegt. Dies bedeutet einerseits, dass einzelne Wirtschaftsbereiche im »kleineren« Österreich stark überdimensioniert vertreten waren und daher ihre Aktivitäten wesentlich einschränken mussten, und andererseits, dass manche Wirtschaftsbereiche nicht ausreichend entwickelt waren bzw. eventuell sogar ganz fehlten.[166]
Die am stärksten betroffenen Branchen waren das Baugewerbe, die Eisen- und Metallindustrie, die Holzindustrie, die Textilindustrie[167] und am Beginn der 1920er Jahre auch das kaufmännische Personal im Allgemeinen. Die meisten Arbeitslosen hatten jedoch keine spezifische Ausbildung, waren also Hilfsarbeiter.[168]
Als Beispiel für die besonders schwierige Lage und die massiven strukturellen Probleme kann die Textilindustrie angeführt werden. Während die Spinnereien auf österreichischem Staatsgebiet lagen, standen die dazugehörigen Webereien mit ihren Webstühlen mehrheitlich in der Tschechoslowakei. Um wieder am Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein, mussten kostspielige Umstrukturierungen und beträchtliche Investitionen vorgenommen werden.[169]
Generell anzumerken ist, dass die österreichische Industrieproduktion in der Zwischenkriegszeit nie das Volumen vor 1914 erreichte. Der Höchststand wurde im Jahr 1929 gemessen, wobei dieser Wert etwa jenem des Jahres 1913 entsprach. Die vorhandenen Produktionskapazitäten konnten nie ausreichend ausgelastet werden und die Arbeitslosigkeit stieg kontinuierlich an.[170]
Als Maßnahme im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit nach dem Auseinanderbrechen der Monarchie wurde bereits im November 1918 eine Arbeitslosenunterstützung[171] eingeführt.[172]
»Die Unterstützung steht in enger Verbindung mit dem Arbeitsnachweis, ihre Höhe wird nach der letzten Lohnhöhe und der Familiengröße der Unterstützten bestimmt. Die Voraussetzung für die Unterstützungsberechtigung ist der Nachweis einer zwanzigwöchigen Arbeit im abgelaufenen Jahr und der Gefährdung des Lebensunterhaltes durch den Verdienstausfall.«[173]
Betrug die Unterstützungsdauer anfangs nur 12 Wochen, wurde diese bereits im Jahr 1920 auf 30 Wochen verlängert. Für jene Arbeitslosen, die auch nach dieser Frist keine Arbeit fanden, wurde im Jahr 1922 eine Notstandsunterstützung eingeführt.[174]
Die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung ist umso bemerkenswerter, da es weder vergleichbare Vorbilder für diese Maßnahme gab, noch eine funktionierende Organisation (z.B. Arbeitsämter) zur Verfügung stand. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden die Arbeitslosen entweder von ihren Heimatgemeinden im Rahmen der Armenfürsorge oder bei gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten von den Gewerkschaften versorgt. Eine flächendeckende, einheitliche Lösung war nicht vorhanden.[175]
Statistische Angaben zur Arbeitslosigkeit aus diesen turbulenten Jahren haben keinesfalls die Qualität der heutigen Daten. Aufgrund der äußerst unterschiedlichen Erhebungsmethoden in den einzelnen Ländern ist ein internationaler Vergleich nur sehr bedingt sinnvoll. Die realistischsten Angaben zur Höhe der Arbeitslosigkeit in Österreich basieren auf zwei Quellen: einerseits auf den relativ genauen und detaillierten Zahlen der Arbeitslosenversicherung über die unterstützten Arbeitslosen und andererseits auf Schätzungen über die Gesamtzahl der Arbeitslosen.[176]
Auf dieser Grundlage lässt sich die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den Jahren 1919 bis 1937 nachstellen. Die entsprechenden Zahlenangaben sind aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich (siehe Darstellung 1):
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Gesamtzahl |
Zahl der |
Arbeitslosenrate |
Anteil der |
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der |
unterstützten |
Arbeitslosen in % |
Unterstützten |
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Arbeitslosen |
Arbeitslosen |
der Arbeitnehmer |
an der Gesamtzahl |
|
|
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|
der Arbeitslosen |
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1919 |
355.000 |
147.196 |
18,4% |
44% |
|
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1920 |
79.000 |
32.217 |
4,2% |
41% |
|
|
1921 |
28.000 |
11.671 |
1,4% |
42% |
|
|
1922 |
103.000 |
49.434 |
4,8% |
48% |
|
|
1923 |
212.000 |
109.786 |
9,1% |
53% |
|
|
1924 |
188.000 |
95.225 |
8,4% |
48% |
|
|
1925 |
220.000 |
149.980 |
9,9% |
68% |
|
|
1926 |
244.000 |
176.536 |
11,0% |
72% |
|
|
1927 |
217.000 |
172.478 |
9,8% |
80% |
|
|
1928 |
183.000 |
156.185 |
8,3% |
85% |
|
|
1929 |
192.000 |
164.477 |
8,8% |
86% |
|
|
1930 |
243.000 |
208.389 |
11,2% |
86% |
|
|
1931 |
334.000 |
253.367 |
15,4% |
76% |
|
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1932 |
468.000 |
309.968 |
21,7% |
66% |
|
|
1933 |
557.000 |
328.844 |
26,0% |
60% |
|
|
1934 |
545.000 |
278.527 |
25,5% |
53% |
|
|
1935 |
515.000 |
261.768 |
24,1% |
51% |
|
|
1936 |
515.000 |
259.187 |
24,1% |
50% |
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1937 |
464.000 |
231.320 |
21,7% |
50% |
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Darstellung 1: Zahl der Arbeitslosen in Österreich 1919 - 1937[177]
Neben dem starken Anstieg der Gesamtzahl der Arbeitslosen ab 1930 als Folge der auf Europa übergreifenden Wirtschaftskrise ist der parallel dazu geringer werdende Anteil der staatlich unterstützten Arbeitslosen besonders problematisch. Während 1930 noch 86 % der Betroffenen Arbeitslosenunterstützung bezogen, war deren Anteil 1934 aufgrund von budgetären Einsparungsmaßnahmen und damit verbundenen Einschnitten in das Leistungssystem auf nur mehr 53 % gesunken.[178] Was diese Entwicklung für die soziale Lage von vielen Arbeitslosen und von deren Angehörigen bedeutete, ist heute kaum vorstellbar.[179]
Dieses Teilkapitel befasst sich mit der historischen Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«. Ausgehend von der ursprünglichen Idee werden der Inhalt, die damaligen Reaktionen und die Eigentümlichkeiten der Studie beleuchtet. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit dem Versuch, die Einkommens- und Vermögenssituation der Marienthaler Bevölkerung im Jahr 1932 aus heutiger Sicht darzustellen.
Nach der Fabrikschließung 1930 verschlechterte sich die Lage der Marienthaler Bevölkerung dramatisch und es kam zu außergewöhnlich hoher Arbeitslosigkeit im Ort,[180] wovon auch überregional berichtet wurde.[181]
Es verwundert daher kaum, dass auch Politiker auf Marienthal aufmerksam wurden. Der Sozialdemokrat Otto Bauer,[182] der sehr an den damals erst entstehenden empirischen Sozialwissenschaften interessiert war, gab den Anstoß zur Erstellung der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«. Otto Bauer kannte Paul Lazarsfeld,[183] den Leiter der »Österreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle«, die die Marienthal-Studie durchführte.[184]
Paul Lazarsfeld beschäftigte sich bereits ab 1930 mit der Konzeption der Marienthal-Studie. Die Untersuchungen und Tätigkeiten des Projektteams, das insgesamt 17 Personen[185] umfasste, begannen Anfang November 1931 und endeten Mitte Mai 1932. Vor Ort war man 120 Arbeitstage im Einsatz, wobei rund 30 Kilogramm Dokumentations- und Erhebungsmaterial gesammelt wurden.[186]
Nachdem die Kapitelfolge festgelegt wurde, zog sich Marie Jahoda im Sommer 1932 mit dem gesamten Datenmaterial aufs Land zurück. Dort schrieb sie den Hauptteil des Textes der Studie und machte einige Analysen, wie z.B. über den Zusammenhang zwischen der Höhe der Arbeitslosenunterstützung und der Stimmung der Arbeitslosen. Hans Zeisel, der selbst nur wenig in Marienthal anwesend war, verfasste den Anhang.[187]
Die Studie wurde erstmals Anfang Juni 1933 veröffentlicht. Interessanterweise finden sich auf dem Titelblatt der Erstausgabe keine Autorennamen, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass alle drei (ab der Zweitauflage im Jahr 1960 genannten) Autoren – Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld und Hans Zeisel – jüdischen Glaubens waren und man offensichtlich ein Zugeständnis an die gerade erst an die Macht gekommenen Nationalsozialisten[188] machte bzw. machen musste. Das Buch verschwand bald wieder vom Markt. Mit der Zweitauflage 1960 wurde die Studie bekannter, der internationale Durchbruch gelang erst mit der Veröffentlichung der englischsprachigen Übersetzung im Jahr 1971. Weitere Auflagen und auch Übersetzungen in andere Sprachen folgten. Die Studie wurde zu einem weltweiten Klassiker der empirischen Sozialforschung.[189]
Dieser Abschnitt der Arbeit beschäftigt sich mit der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«, wobei auf die einzelnen Kapitel und deren wesentliche Inhalte im Überblick eingegangen wird.
Das von Marie Jahoda und Hans Zeisel gezeichnete Vorwort der Studie weist auf das Ziel und die Methodik der Untersuchung folgendermaßen hin:
»Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war, mit den Mitteln moderner Erhebungsmethoden ein Bild von der psychologischen Situation eines arbeitslosen Ortes zu geben. Es waren uns von Anfang an zwei Aufgaben wichtig: Die inhaltliche: zum Problem der Arbeitslosigkeit Material beizutragen – und die methodische: zu versuchen, einen sozialpsychologischen Tatbestand umfassend, objektiv darzustellen.«[190]
In der von Paul Lazarsfeld geschriebenen Einleitung wird klargestellt, dass in dieser Studie das Thema »Arbeitslosigkeit« durch die Verknüpfung von statistischem Zahlenmaterial mit Beobachtungen der Betroffenen und den Schilderungen ihrer Situation aufgearbeitet wurde. Nicht das Einzelschicksal wurde analysiert, sondern das arbeitslose Dorf als Gemeinschaft. Um dies zu ermöglichen, wurden unterschiedlichste Daten und Dokumente zusammengetragen, z.B.
- Katasterblätter (für alle 478 Marienthaler Familien),
- Lebensgeschichten (von 32 Männern und 30 Frauen),
- Zeitverwendungsbögen (von 80 Personen ausgefüllt),
- Schulaufsätze (mit Themen wie z.B. »Mein Lieblingswunsch«),
- Inventare der Mahlzeiten (von 40 Familien geführt)[191],
- Protokolle (z.B. ärztlicher Untersuchungen oder Mitteilungen der Fabrik)
- Statistische Daten (z.B. Geschäftsbücher, Entlehnungen aus der Bibliothek, Haushalts- oder Bevölkerungsstatistiken).[192]
Besonders hervorgehoben wird die Rolle der Projektmitarbeiter in der Gemeinschaft. Jeder hatte sich an für die Bevölkerung nützlichen Aktionen zu beteiligen. So wurden z.B. eine Kleideraktion, ein Schnittzeichenkurs (an dem zirka 50 Frauen teilnahmen) oder ärztliche Untersuchungen organisiert. Anschließend stellte Lazarsfeld die Hauptfragen der Untersuchung vor, gab Auskunft über die Projektdauer und die Arbeitsweise der Forschungsgruppe.[193]
Das Kapitel »Das Industriedorf« informiert den Leser über die Fabrik und die dazugehörende Arbeiterkolonie. Eingeleitet durch eine bildhaft beschriebene Annäherung an die Fabrik wird deren Geschichte[194] von der Gründung bis zur Schließung dargestellt. Danach wurden erstmals statistische Daten eingeflochten – Marienthal hatte zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie 1.486 Einwohner. Weiters verglich man den Altersaufbau des Ortsteils mit dem des Bundeslandes Niederösterreich und analysierte die Größe der Haushalte detailliert (durchschnittlich 3,1 Personen pro Haushalt). Beendet wurde dieser Abschnitt mit Beschreibungen der Arbeiterwohnungen, der Einkaufsmöglichkeiten in Marienthal und der politischen Parteien im Ort inklusive der dazugehörenden Organisationen und Vereine.[195]
Am Beginn des nächsten – »Der Standard« genannten – Abschnitts der Studie wurde auf die Bedeutung der in 14-tägigem Rhythmus ausbezahlten Arbeitslosenunterstützung eingegangen. Untermauert wurde dies durch eine Statistik über das Gabelfrühstück der Marienthaler Schulkinder.[196] Am Tag vor Auszahlung der Unterstützung bekamen nur die Hälfte der Schulkinder (50 %) ausreichend Gabelfrühstück mit, hingegen am Tag nach der Auszahlung immerhin 36 von 38 Schülern (rund 95 %).[197]
Dieses Kapitel unterteilt sich danach in mehrere Unterkapitel: »Die Arbeitslosen-Unterstützung«, »Andere Hilfsquellen«, »Speisezettel und Budget«, »Geldeinteilung« und »Gesundheitszustand«.[198] Mit Hilfe dieser Unterkapitel skizzierten die Autoren der Studie die dramatische Lage der Marienthaler Bevölkerung.
Interessant ist der Zugang zum Unterkapitel »Die Arbeitslosen-Unterstützung«. Der Leser bekommt Auskunft über die rechtlichen Grundlagen, die Dauer und die Höhe der Arbeitslosen- und Notstandsunterstützung. So betrug beispielsweise die Höhe der Arbeitslosenunterstützung zu dieser Zeit zwischen 72 Groschen und 3,50 Schilling pro Tag, abhängig von der familiären Situation des Betroffenen. Die Notstandsunterstützung machte etwa 80 Prozent dieses Tagssatzes aus.[199]
Wie sehr die Marienthaler Bevölkerung von diesen Zahlungen abhängig war, zeigt die nachfolgende Aufstellung (siehe Darstellung 2):
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Arbeitslos (kein Familienmitglied in Arbeit) |
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|
Mindestens ein Familienmitglied im Bezug der |
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Arbeitslosenunterstützung oder Notstandshilfe |
358 |
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|
Kein Familienmitglied im Bezug der Unterstützung, |
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völlig ausgesteuert oder nicht unterstützungsberechtigt |
9 |
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Insgesamt |
367 |
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In Arbeit (mindestens ein Familienmitglied) |
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in Marienthal |
22 |
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in Wien |
15 |
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in Orten der Umgebung |
56 |
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Insgesamt |
93 |
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Im Bezug von Abfertigung oder Pension |
18 |
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478 |
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Darstellung 2: Arbeitslosigkeit in Marienthal zum Zeitpunkt der Studie[200]
Diese Aufstellung zeigt deutlich, wie sehr die Marienthaler Bevölkerung unter der Arbeitslosigkeit litt. Mehr als 75 % der Familien oder genau 1.216 Einwohner[201] waren davon betroffen. Ihre Lebensgrundlage hing von der Höhe der ausbezahlten Arbeitslosenunterstützung ab.[202]
Das Durchschnittseinkommen einer Familie wurde mit 1,40 Schilling pro Tag und Verbrauchseinheit[203] angegeben. In weiterer Folge wurden die Familien aufgrund ihres Einkommens kategorisiert, und zwar in Minimal-, Durchschnitts- und Maximalfamilien. Eine Minimalfamilie verfügte über ein tägliches Einkommen von 66 Groschen pro Verbrauchseinheit (oder 20 Schilling pro Monat) oder weniger, eine Maximalfamilie über mehr als 2 Schilling pro Tag und Verbrauchseinheit (oder 60 Schilling im Monat). Abgeschlossen wurde dieser Abschnitt durch protokollierte Schilderungen von Mitgliedern aus so genannten Minimalfamilien.[204]
Unter dem Titel »Andere Hilfsquellen« wurden zusätzliche Mittel – neben der bescheidenen Arbeitslosenunterstützung – aufgezeigt, die die Bevölkerung nutzte, um überleben zu können. Besonders beliebt waren Schrebergärten (392 von 478 Familien besaßen einen), um eigenes Gemüse anzubauen, und die Kaninchenzucht (zirka 180 Züchter), um zumindest gelegentlich etwas Fleisch auf den Speiseplan zu bringen.[205]
Im Kapitel »Speisezettel und Budget« analysierten die Autoren Essverzeichnisse, Angaben des Arztes, Haushaltsbücher, Verkaufszahlen des Konsumvereins und des Konditors. Aus dieser umfangreichen Datenmenge wurden z.B. Statistiken über die Anzahl der wöchentlichen Fleischmahlzeiten oder Vergleiche der Kaufgewohnheiten der Bevölkerung erstellt. Erschütternd ist die Erzählung eines Arbeitslosen, wonach auch Katzen- und Hundefleisch gegessen wurde.[206]
Im Abschnitt »Geldeinteilung« belegen zahlreiche Beispiele eindrucksvoll, wie schwierig die Verwaltung der Haushaltsbudgets, die durchschnittlich nur einem Viertel des normalen Arbeitseinkommens dieser Zeit entsprachen, für die einzelnen Familien war.[207]
Die Ergebnisse der vom Projektteam organisierten ärztlichen Untersuchungen wurden im Kapitel »Gesundheitszustand« zusammengefasst. Während sich der Gesundheitszustand der Erwachsenen, die schon länger in der Fabrik gearbeitet hatten, durch den Wegfall der gesundheitsschädigenden Arbeit eher zu verbessern schien, verschlechterte sich jener der Kinder und Jugendlichen durch die schlechte Ernährungslage.[208]
Der Abschnitt »Die müde Gemeinschaft« ermöglicht Einblicke in das einst blühende kulturelle und politische Leben Marienthals. Die Arbeitslosigkeit veränderte auch diese Bereiche nachhaltig, dokumentiert z.B. durch das stark abnehmende Engagement im Theaterverein oder in den politischen Parteien und den ihnen nahe stehenden Organisationen. Der starke Rückgang an Entlehnungen aus der Bibliothek oder an Zeitungsabonnements verwundert auf den ersten Blick doch etwas, da ja ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden wäre, beweist aber die geistige Ermüdung der Bevölkerung.[209]
Ausgehend von den im Zusammenhang mit der Kleideraktion geführten Gesprächen konnten die Lebensgeschichten von hundert Familien aufgezeichnet werden. Kombiniert mit Beobachtungen und der Auswertung anderer Materialien definierte das Projektteam im Kapitel »Die Haltung« vier unterschiedliche Haltungstypen:[210]
- Resignierte: keine Pläne und keine Hoffnung für die Zukunft, maximale Einschränkung der eigenen Bedürfnisse, dennoch gut geführter Haushalt und fürsorgliche Pflege der Kinder, Gefühl des relativen Wohlbefindens.[211]
- Ungebrochene: Pläne und Hoffnungen für die Zukunft, geordnete Führung des Haushalts und Pflege der Kinder, Gefühl des subjektiven Wohlbefindens, Aktivität und weiterer Horizont, wiederkehrende Suche nach Arbeit.[212]
- Verzweifelte: Verzweiflung, Depression, Hoffnungslosigkeit, aber geordnete Haushaltsführung und Pflege der Kinder, keine Versuche zur Verbesserung der eigenen Situation, häufig Aussagen zur besseren Vergangenheit.[213]
- Apathische: Hoffnungs- und Planlosigkeit, unsaubere Wohnung und ungepflegte Kinder, Tatenlosigkeit, Verfallserscheinungen, teilweise Betteln und Stehlen, Gleichgütigkeit.[214]
In Laufe ihrer Untersuchung lernte das Projektteam die gesamte Marienthaler Bevölkerung besser kennen und ordnete die einzelnen Familien einer der Haltungstypen zu. Basierend auf dieser Einschätzung ergab sich folgendes Bild (siehe Darstellung 3):[215]
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Anzahl der Familien |
In Prozenten |
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Resignierte |
331 |
69,3 |
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Ungebrochene |
111 |
23,1 |
|
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Verzweifelte |
11 |
2,3 |
|
|
Apathische |
25 |
5,3 |
|
|
|
|
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|
478 |
100,0 |
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Darstellung 3: Marienthaler Familien nach Haltungstypen[216]
Das Ende dieses Kapitels befasste sich mit den Haltungstypen der Kinder und Jugendlichen. Die Schlussfolgerungen dieser Teiluntersuchung überraschten und legten nahe, dass beide Gruppen am ehesten den Resignierten zuzuordnen waren.[217]
Im Kapitel »Die Zeit« stellte sich die Frage, wie die Arbeitslosen ihre »gewonnene« Freizeit nutzten. Anhand der Zeiterfassungsbögen ergab sich folgendes Bild: Viele arbeitslose Männer hatten nur drei Orientierungspunkte, nämlich Aufstehen – Essen – Schlafengehen. Dazwischen wurde die Zeit kaum sinnvoll genutzt, dieses Nichtstun war schwer beschreibbar. Bei Frauen zeigte sich, dass der Tagesablauf vor allem mit Hausarbeit ausgefüllt war. Dennoch sehnten sie sich wegen der sozialen Kontakte in der Fabrik wieder nach Arbeit.[218]
Im abschließenden Kapitel »Die Widerstandskraft« stellte sich für das Projektteam die Frage, wie lange die Menschen in Marienthal noch so weiterleben könnten? Die ökonomische Lage war schon zum Zeitpunkt des Endes der Feldforschung[219] dramatisch: »alle Vorräte aufgezehrt, alle Kleider abgenutzt, die Unterstützungen gekürzt, viele ausgesteuert.«[220] Auch der psychische Zustand vieler Marienthaler war wegen der Unabänderlichkeit und der Aussichtslosigkeit der Situation äußerst bedenklich.[221]
Dass der materielle Druck auf die Menschen weiter steigen würde, war absehbar. Dadurch käme es in weiterer Folge zur Verschiebung der in der Studie definierten Haltungstypen hin zum Negativen, bis schließlich das Stadium der Verzweiflung oder der Apathie erreicht sein würden. Schon 5 Schilling weniger Einkommen bedeuteten ein Abgleiten der Zugehörigkeit oder anders ausgedrückt, ob man Schuhe reparieren lassen konnte oder die Kinder von der Schule zuhause lassen musste, da sich nichts an den Füssen hatten.[222]
»Wir haben als Wissenschaftler den Boden Marienthals betreten: wir haben ihn verlassen mit dem einen Wunsch, dass die tragische Chance solchen Experiments bald von unserer Zeit genommen wird.«[223]
So endet der Hauptteil des Buches »Die Arbeitslosen von Marienthal«. Auf den von Hans Zeisel verfassten Anhang unter dem Titel »Zur Geschichte der Soziographie« wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen.
Zur Abrundung dieses Kapitels über die Marienthal-Studie wird im folgenden Abschnitt die Resonanz auf die Veröffentlichung im Jahr 1933 beleuchtet.
Einige Rezensionen belegen, dass die Wissenschaft dieser Zeit die Marienthal-Studie durchaus registrierte, obwohl die Autoren Lazarsfeld, Jahoda und Zeisel in der Fachwelt weitgehend unbekannt waren. Es kann festgehalten werden, dass die Rezensionen überwiegend positiv ausfielen. Anhand von drei ausgewählten Beispielen soll dies verdeutlicht werden:[224]
Die erste Rezension zur Marienthal-Studie erschien bereits im Juli 1933. Die Autorin Käthe Leichter fasste in ihrer Arbeit die erschütternden Lebensumstände der Marienthaler Bevölkerung anhand der geschilderten Beispiele und des ermittelten Zahlenmaterials detailliert zusammen, lobte die neuartig verwendeten Methoden und den fesselnden Stil der Darstellung. Kritisch bewertete sie die These der Verfasser von der »müden Gemeinschaft«, wonach das Engagement in Vereinen und politischen Parteien bzw. Organisationen mit steigender Not erheblich nachlasse. Sie sah diese Beobachtung nur als Momentaufnahme, die nach einiger Zeit wieder zu untersuchen sei, da andere Beispiele das genaue Gegenteil zeigten.[225]
Als zweites Beispiel ist die Besprechung von Ludwig Wagner als besonders lesenswert zu erwähnen, da sie als Mischform von Rezension und Sozialreportage abgefasst wurde.[226] Auch Wagner stellte vor allem das soziale Elend der Marienthal Bevölkerung in den Vordergrund. Aber er gab auch Kurioses wieder, wie z.B. dass Anbauflächen in Schrebergärten teilweise für Blumen anstatt für Kartoffel verwendet wurden, was angesichts der Nahrungsmittelknappheit möglicherweise sinnvoller gewesen wäre. Interessant ist auch das Ende der Arbeit, da Wagner die Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« einer Reportage über den Reichtum durch den technischen Fortschritt gegenüberstellte.[227]
Auch im Ausland fand die Studie Beachtung. In Deutschland beispielsweise schrieb Leopold von Wiese eine Abhandlung, in der er Parallelen zu seiner eigenen Arbeit als Wissenschafter zog und vor allem die angewandten Methoden (keine Verwendung von Fragebögen sondern Informationsbeschaffung durch Beobachtung) positiv herausstrich. Heftig kritisiert wurde hingegen der Anhang »Zur Geschichte der Soziographie«, der weder inhaltlich noch im Bezug auf die Sorgfalt (einige erwähnte Namen wurden falsch geschrieben) an das Niveau des Hauptteiles herankam und besser weggeblieben wäre.[228]
Auch wenn die zeitgenössischen Rezensionen der Marienthal-Studie durchaus respektabel waren, ist die weit verbreitete Behauptung falsch, dass die Autoren Lazarsfeld, Jahoda und Zeisel nach der Veröffentlichung schlagartig berühmt wurden.[229]
Dass die Marienthal-Studie ein Klassiker der empirischen Sozialforschung wurde, liegt sicherlich in erster Linie am Thema »Arbeitslosigkeit«, dass (leider) bis zum heutigen Tag nichts an Aktualität verloren hat. Analysiert man die Studie im Detail, lassen sich fünf Gründe herausfiltern, die äußerst bemerkenswert sind:[230]
1) Die politische Dimension der Studie wird dadurch unterstrichen, dass die Initiative zu deren Erstellung von Otto Bauer kam.[231] Innerhalb der Sozialdemokratischen Partei jener Zeit hatte es heftige Diskussionen gegeben, ob das mit der Arbeitslosigkeit verbundene Elend zu einer Revolution führen könnte oder ob die Arbeitslosen ihr Schicksal tatenlos hinnehmen würden.[232]
Marie Jahoda sagte später dazu:
»Das wichtigste Ergebnis der Marienthaler Untersuchung war: Arbeitslosigkeit bewirkt Resignation und Apathie und nicht den Willen, die Welt und die ökonomische und soziale Ordnung radikal umzugestalten. Diese konkrete Antwort auf die politische Frage, […], war eines der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung.«[233]
Dass dieses Ergebnis des Kapitels von der »müden Gemeinschaft« politisch besonders brisant war und in der Sozialdemokratie nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß, ist nachvollziehbar.[234]
2) Interessant ist auch die Betrachtung der in der Studie benutzten Forschungsmethoden, worüber nachfolgende Zusammenstellung detailliert Auskunft gibt (siehe Darstellung 4):
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NICHTREAKTIVE TECHNIKEN |
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1. |
Amtliche Statistiken und |
Wahlstatistiken |
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Dokumente |
Bevölkerungsstatistiken |
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Beschwerden bei der Industriellen |
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Bezirkskommission |
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2. |
Dokumentenanalysen |
Geschäftsbücher |
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Bibliotheksfrequenzen |
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Abonnentenzahlen |
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Mitgliederzahlen von Vereinen |
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Tagebuch |
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3. |
Beobachtungsverfahren |
Messung der Gehgeschwindigkeit (!) |
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REAKTIVE TECHNIKEN |
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1. |
Teilnehmende Beobachtung |
Familienbesuche |
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und Aktionsforschung |
Kleideraktion |
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Ärztesprechstunden |
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Schnittzeichenkurs |
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Mädchenturnkurs |
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politische Mitarbeit |
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Erziehungsberatung |
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2. |
Expertenbefragung |
Lehrer, Pfarrer, Bürgermeister, Ärzte, |
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Geschäftsleute, Vereinsfunktionäre |
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3. |
Projektives Material |
Schulaufsätze, Preisausschreiben |
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4. |
Tests |
Psychotechnische Prüfung |
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5. |
Schriftliche Befragung |
Inventare (z.B. der Mahlzeiten) |
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Zeitverwendungsbögen |
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6. |
Direkte Befragung |
Lebensgeschichten |
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Anmerkung: kursiv gesetzt sind jene Vorgangsweisen, für die es nachweislich »Vorbilder« gab |
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Darstellung 4: Übersicht über in der Marienthal-Studie benutzte Forschungsmethoden[235]
Auffällig bei der Analyse der obigen Aufstellung ist die Vielfalt der benutzten Methoden, die teilweise nebeneinander verwendet und teilweise miteinander kombiniert wurden. Es scheint so, als ob das Projektteam nicht nach einem vorher festgelegten Forschungsplan vorging, sondern viele Methoden erst im Zuge der Untersuchung durch Anpassung an den Untersuchungsgegenstand selbst entwickelte.[236]
Besonders kennzeichnend für die Marienthal-Studie ist die durchgängig angewandte Methode des Forscherteams, theoretische Überlegungen und systematische Beobachtungen miteinander zu verknüpfen.[237] Auch die sehr unterschiedlichen Ansätze sind äußerst bemerkenswert, z.B. die Messung der Gehgeschwindigkeit der Arbeitslosen im Vergleich zu Beobachtungen aus dem Schnittzeichenkurs.
Paul Lazarsfeld schrieb dazu später:
»Wir konnten uns nicht damit begnügen, Verhaltens-Einheiten einfach zu »zählen«; unser Ehrgeiz war es, komplexe Erlebnisweisen empirisch zu erfassen. Der oft behauptete Widerspruch zwischen »Statistik« und phänomenologischer Reichhaltigkeit war sozusagen vom Anbeginn unserer Arbeiten »aufgehoben«weil gerade die Synthese der beiden Ansatzpunkte uns als die eigentliche Aufgabe erschien.«[238]
3) Ein weiterer Grund für den Erfolg der Studie ist die gute Lesbarkeit des Hauptteiles, der größtenteils im Stil einer Sozialreportage abgefasst wurde. Es ist ein besonderes Merkmal dieser Studie, dass jede These und jede Statistik durch ein Zitat aus den unterschiedlichen Quellen ergänzt und somit untermauert wurde. Dies dürfte der Verdienst von Marie Jahoda gewesen sein, die zweifellos über beachtliches literarisches Talent verfügte.[239]
4) Bereits kurz erwähnt wurde die Rolle der Projektmitarbeiter in der Gemeinschaft.[240] Dazu heißt es in der Studie wörtlich:
»Es war unser durchgängig eingehaltener Standpunkt, dass kein einziger unserer Mitarbeiter in der Rolle des Reporters und Beobachters in Marienthal sein durfte, sondern dass sich jeder durch irgendeine, auch für die Bevölkerung nützliche Funktion in das Gesamtleben natürlich einzufügen hatte.«[241]
Dass die Projektmitarbeiter in diesem Sinn auftraten und agierten, bewiesen sie mehrfach. Man organisierte so unterschiedliche Hilfeleistungen wie z.B. eine Kleideraktion für bedürftige Marienthaler Familien, regelmäßige ärztliche Untersuchungen oder einen Schnittzeichenkurs. Auch wenn diese Aktionen vordergründig der Kontaktpflege zur ortsansässigen Bevölkerung dienten, so unterstrichen sie in jedem Fall auch das hohe soziale Engagement des gesamten Projektteams.[242]
5) Die fünfte Besonderheit betrifft die Geschlechterverteilung im Projektteam einerseits und bei den in der Studie dargestellten Personen andererseits. Innerhalb des Projektteams stellten die weiblichen Mitglieder die Mehrheit,[243] wobei Marie Jahoda und Lotte Danzinger[244] sogar ganz zentrale Rollen einnahmen. Bei den in der Studie angeführten Arbeitslosen fällt auf, dass etwa gleich viele männliche wie weibliche Marienthaler zitiert wurden. Ebenfalls bemerkenswert ist die unterschiedliche Darstellung von Arbeitslosigkeit auf Mann und Frau.[245]
Wenn man sich heute mit der historischen Marienthal-Studie beschäftigt, drängen sich im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Einkommen und Vermögen einige höchst interessante Fragen auf: Wie hoch wäre die damalige Arbeitslosenunterstützung umgerechnet auf die Jetztzeit? Welche Ausgaben hatten die Menschen in jener Zeit zu tätigen und welche Höhe hätten diese aus heutiger Sicht? Gab es in der Studie Hinweise auf in der Bevölkerung vorhandenes Vermögen? Was konnten sich die Marienthaler vor und während der Zeit der Massenarbeitslosigkeit leisten? Mit der Beantwortung dieser Fragen ist es möglich, Einblick in die damalige Einkommens- und Vermögenssituation zu bekommen.
Am Beginn dieser Überlegungen ist zu klären, welchen Gegenwert ein Schilling aus dem Jahr 1932 am Ende des Jahres 2008 hätte. Um diese Information zu erhalten, müssen die einzelnen jährlichen Inflationsraten über den gesamten Zeitraum hochgerechnet werden. Die einzige, von 1932 bis 2008 durchgängig verfügbare Zahlenreihe wurde vom »Börsen-Kurier«[247] errechnet, wobei in den ermittelten Werten sämtliche Anpassungen (wie z.B. in Folge von Währungsumstellungen) berücksichtigt wurden.[248] Aus der entsprechenden Aufstellung, die bis in das Jahr 1820 zurückreicht, geht hervor, dass ein österreichischer Schilling des Jahres 1932 heute einen Gegenwert von drei Euro hat.[249] Somit können im weiteren Verlauf dieses Teilkapitels beispielhaft ausgewählte Preise und sonstige Zahlenangaben aus der Marienthal-Studie problemlos in Euro umgerechnet werden.[250]
Bemerkenswert ist, dass in der gesamten Studie nicht erwähnt wird, wie viel man in der Textilfabrik Marienthal vor deren Schließung verdienen konnte. Es werden lediglich die Wochenlöhne aus Betrieben der näheren Umgebung angeführt. Unter Berücksichtigung der Inflation seit 1932 ergeben sich folgende Monatslöhne:[251]
- Strickerei in Velm zwischen 169 und 234 EUR,
- Baumwollspinnerei in Götzendorf zwischen 364 und 416 EUR,
- Spinnereien in Ober- und Unterwaltersdorf mit ähnlicher Lohnhöhe wie in dem Unternehmen in Götzendorf und
- Steinbruch in Mannersdorf bis zu 416 EUR.[252]
Im Vergleich dazu erhielt man bei Anspruch auf die volle Arbeitslosenunterstützung gemäß den damals gültigen gesetzlichen Bestimmungen zwischen 2,16 und 10,50 EUR pro Tag[253] oder – anders ausgedrückt – zwischen 64,80 und 315 EUR pro Monat.[254] Wie bereits erwähnt, war die Höhe der Arbeitslosenunterstützung von der familiären Situation des Betroffenen abhängig.[255] Bei der Analyse dieser Zahlen fällt auf, dass ein Arbeitsloser unter bestimmten Umständen wesentlich mehr Geld zur Verfügung hatte, als eine Arbeiterin in der Velmer Strickerei verdienen konnte.
Frau L.N., Jahrgang 1924, sagte in einem im Dezember 2008 geführten Interview:
»Ob jemand ein Paar Schilling in der Woche verdient hat oder ob jemand arbeitslos war, da war nicht viel Unterschied. Damals war der Verdienst sehr gering und der Lebensstandard sehr bescheiden.«[256]
In Marienthal lag das Durchschnittseinkommen aus der Arbeitslosenunterstützung laut Angaben in der Studie bei 4,20 EUR pro Tag[257] und Verbrauchseinheit. Anhand des Beispieles der »Familie 23« kann das System der Verbrauchseinheiten kurz erläutert werden: Diese Familie bestand aus einem Mann, einer Frau und 3 Kindern – dafür wurden 3,6 Verbrauchseinheiten ausgewiesen.[258] Die 14-tägig ausbezahlte Arbeitslosenunterstützung für diese Familie betrug 209,40 EUR. Das Einkommen pro Tag ergibt sich durch die Division der gesamten Arbeitslosenunterstützung durch 14 Tage und 3,6 Verbrauchseinheiten. In diesem Fall liegt der Wert annähernd im oben genannten Durchschnitt und zwar exakt bei 4,15 EUR pro Tag und Verbrauchseinheit.[259] Übrigens betrug die niedrigste Arbeitslosenunterstützung, die während der Studie in Marienthal erfasst wurde, nur 0,78 EUR pro Tag und Verbrauchseinheit bzw. 23,40 EUR pro Monat und Verbrauchseinheit.[260]
Die Einteilung der Forscher in Minimal-, Durchschnitts- und Maximalfamilien erscheint unter diesem Aspekt interessant und kann aus heutiger Sicht folgendermaßen dargestellt werden:
- Minimalfamilien hatten ein Monatseinkommen von 60 EUR oder weniger pro Verbrauchseinheit.
- Durchschnittsfamilien verfügten monatlich über einen Betrag zwischen 60 und 180 EUR pro Verbrauchseinheit.
- Maximalfamilien bekamen pro Verbrauchseinheit mehr als 180 EUR monatlich.[261]
Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Einkommen der vier in der Studie definierten Haltungstypen pro Verbrauchseinheit und Monat:
- Ungebrochene |
102 EUR |
- Resignierte |
90 EUR |
- Verzweifelte |
75 EUR |
- Apathische |
57 EUR [262] |
Nachdem die Einkommenssituation des Jahres 1932 in und rund um Marienthal ausführlich dargestellt wurde, werden nunmehr die Ausgaben der Menschen beleuchtet und damit die Kaufkraft ihrer verfügbaren Einkommen untersucht. Die Preise für wichtige Konsumgüter errechnen sich aus heutiger Sicht auf 1,95 EUR für 1 kg Kochmehl minderer Qualität oder 2,10 EUR für 1 kg Salz oder 1,14 EUR für 1 l Milch.[263] Neben den Lebensmitteln mussten noch weitere Ausgaben mit dem verfügbaren Einkommen bezahlt werden. So betrugen z.B. die monatlichen Mieten für Werkwohnungen zwischen 9 und 18 EUR, abhängig von der Größe der Wohneinheit.[264] Die zu entrichtende Abgabe für den in vielen Familien lebenswichtigen Schrebergarten war mit jährlich 3 EUR festgesetzt.[265] Aber auch die Hochrechnung anderer Details der Studie ist interessant. So beliefen sich z.B. die in Schulaufsätzen festgehaltenen Weihnachtswünsche der Marienthaler Kinder durchschnittlich auf 36 EUR, die der Kinder aus Orten der Umgebung immerhin auf 108 EUR.[266]
Zusammenfassend kann die Einkommens- und Ausgabensituation anhand des Beispieles einer 7-köpfigen Familie (insgesamt 4,8 VE) am eindrucksvollsten dargestellt werden. Diese Familie bezog in der Zeit von 14. bis 27. Mai 1932 eine Arbeitslosenunterstützung in Höhe von 147 EUR. Die nachfolgende Aufstellung zeigt detailliert die Ausgaben in diesem Zeitraum, ergänzt durch Kalorienangaben für die angeführten Lebensmittel (siehe Darstellung 5):[267]
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ARBEITSLOSENUNTERSTÜTZUNG: |
147,00 € |
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HAUSHALTSAUSGABEN FÜR 14 TAGE: |
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5 1/2 kg |
Mehl |
10,74 € |
18.370 kcal |
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1 1/4 kg |
Reis |
2,40 € |
1.388 kcal |
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12 |
Brot |
24,00 € |
25.560 kcal |
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20 |
Semmeln |
4,20 € |
2.520 kcal |
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28 l |
Milch |
31,92 € |
19.040 kcal |
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3 kg |
Schweinefleisch |
21,60 € |
5.310 kcal |
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5 dag |
Öl |
0,54 € |
449 kcal |
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30 dag |
Rindfleisch mit Knochenzuwaage |
2,85 € |
675 kcal |
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Rindsknochen |
0,90 € |
0 kcal |
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1 1/2 kg |
Kristallzucker |
5,34 € |
6.075 kcal |
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1 |
Schachtel Saccharin |
0,90 € |
500 kcal |
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6 |
Eier |
2,16 € |
558 kcal |
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2 kg |
Gemüse (Sauerkraut, Kochsalat, Spinat) |
4,68 € |
307 kcal |
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8 kg |
Kartoffeln |
4,32 € |
5.680 kcal |
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2 1/2 kg |
Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen) |
5,22 € |
7.050 kcal |
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1 kg |
Salz |
2,10 € |
0 kcal |
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1 l |
Essig |
0,90 € |
190 kcal |
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Pfeffer |
0,30 € |
285 kcal |
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1/2 kg |
Malzkaffee |
1,44 € |
10 kcal |
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1/4 kg |
Feigenkaffee |
1,44 € |
5 kcal |
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Kakao |
0,60 € |
365 kcal |
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45 |
Film-Zigaretten |
1,35 € |
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Soda und Seife |
5,10 € |
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50 kg |
Kohle |
12,00 € |
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SUMMEN |
147,00 € |
94.336 kcal |
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Pro Tag und Verbrauchseinheit |
2,19 € |
1.404 kcal |
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Darstellung 5: Haushaltsbudget einer 7-köpfigen Marienthaler Familie in der Zeit von 14. bis 27. Mai 1932.[268]
Kaum verwunderlich, dass die gesamte Arbeitslosenunterstützung für Einkäufe verwendet werden musste und kein Geld gespart werden konnte. Interessant aus heutiger Sicht sind neben den hochgerechneten Preisen (z.B. 2,16 EUR für 6 Eier) vor allem die eingekauften Mengen (z.B. 5 dag Öl). Die Kalorienangabe pro Tag und Verbrauchseinheit mit etwas mehr als 1.400 kcal pro Person dokumentiert die dramatische Ernährungslage als Folge der schwierigen finanziellen Situation dieser Familie. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2006 benötigt eine Frau 2.000 kcal und ein Mann 2.500 kcal täglich im Durchschnitt, um das Gewicht halten zu können.[269] Ob die Familie einen Schrebergarten oder eine Kaninchenzucht besessen hat, um den Speiseplan aufwerten zu können, wurde in diesem Fall in der Studie nicht angeführt. Ebenfalls unklar bleibt, wie die Miete bezahlt werden konnte.
Dass dieses Beispiel keinen Einzelfall darstellte, ist aufgrund der bisherigen Ausführungen klar. Wie wichtig die Überwachung der eigenen Ausgaben für die Marienthaler war, belegt die Tatsache, dass sich die Studie in einem eigenen Teilkapitel nur dem Thema »Geldeinteilung« widmete. Ergänzend dazu muss festgehalten werden, dass die Marienthaler Arbeitslosen im Durchschnitt nur mehr über ein Viertel des normalen Arbeitseinkommens verfügen konnten.[270]
Hinweise auf Vermögen finden sich in der Marienthal-Studie keine, was allerdings bei einer Untersuchung über Arbeitslose nicht verwundern darf. Das beschriebene »Vermögen« beschränkt sich auf Auflistungen von Kleidungsgegenständen oder Geschirr im Zusammenhang mit Bestandsaufnahmen der Forschergruppe. Nur in einem Beispiel wurde die finanzielle Situation so geschildert, dass Ersparnisse gemacht werden konnten. Dabei handelte es sich um eine allein stehende Frau, die von zwei ihrer drei erwachsenen Söhne nach Kräften unterstützt wurde.[271]
Durch die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierenden finanziellen Schwierigkeiten vieler Marienthaler hatte sich auch das Freizeitverhalten grundlegend verändert. Es war nunmehr nicht möglich, Tanzveranstaltungen zu besuchen oder nach Wien zum Einkaufen zu fahren, wie sich eine Frau mit Wehmut an frühere Zeiten erinnerte.[272] Durch die allgemeinen Beobachtungen und Eindrücke, die die Forschergruppe aufzeichnete und in Zahlen fasste, wurde eindrucksvoll überliefert, dass die Arbeitslosen mit ihrer nahezu unbegrenzten (Frei)Zeit kaum etwas anzufangen wussten. Frauen, die den Haushalt führen und – im Idealfall – drei Mahlzeiten täglich organisieren mussten, hatten zumindest diese wichtigen Aufgaben zu erfüllen. Arbeitslose Männer hingegen verbrachten die meiste Zeit mit sinnlosem Herumlungern und Die-Zeit-Totschlagen, da es so gut wie nichts für sie zu tun gab.[273]
Grundsätzlich kann nach eingehender Analyse der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« festgestellt werden, dass sich die Einkommen und Vermögen im Marienthal des Jahres 1932 aufgrund der damals schon lang andauernden Arbeitslosigkeit bereits auf sehr niedrigem Niveau befanden und kaum noch verwertbare Reserven vorhanden waren.
Im Bereich der Sozialwissenschaften gibt es nur einige wenige »echte« Arbeitslosenstudien.[274] Ohne Zweifel ist die im Jahr 1933 erschienene Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« eine der bedeutendsten und bekanntesten. Das gesamte dritte Kapitel behandelt das historische Marienthal und widmet sich der Frage, warum diese mehr als 75 Jahre alte Untersuchung bis heute ein Standardwerk zum Themenkomplex »Arbeitslosigkeit« ist.
Am Beginn dieses Kapitels wurde Marienthal vorgestellt. Marienthal war der Name einer Textilfabrik und der dazugehörigen, durch die Studie weltberühmt gewordenen Arbeiterkolonie, die sich geographisch über zwei zirka 20 Kilometer südöstlich von Wien liegende niederösterreichische Gemeinden, nämlich – zum größeren Teil – über Gramatneusiedl und – zum kleineren Teil – über Reisenberg, erstreckte. Noch heute existieren Teile der ehemaligen Fabrikgebäude und der Arbeiterwohnhäuser, wobei sich Marienthal im Laufe der Jahrzehnte wesentlich verändert und ausgeweitet hat.
Der folgende Abschnitt skizzierte die wechselvolle Geschichte der Textilfabrik Marienthal von den Anfängen bis zur endgültigen Schließung im Jahr 1930. Die industrielle Produktion in Marienthal startete mit einer Flachsspinnfabrik im Jahr 1820. Einem kurzen, rasanten Aufstieg folgte bereits im Jahr 1827 das abrupte Ende. Nach der Verhaftung des Fabrikdirektors wegen Geldfälschung musste der Betrieb eingestellt werden.
Im Jahr 1830 begann mit dem Kauf der stillgelegten Fabrik die Ära der Familie Todesco. Nach weit reichenden Um- und Ausbauarbeiten wurde aus dem Betrieb eine für jene Zeit moderne Baumwollspinnerei, die auf ihrem Höhepunkt im Jahr 1835 beachtliche 359 Menschen beschäftigte. Nach dem Tod des Gründers Hermann Todesco übernahm dessen Sohn Max im Jahr 1845 das Unternehmen. Er verlagerte die Produktion Zug um Zug auf ein neu erworbenes Grundstück in unmittelbarer Nähe der ursprünglichen Textilfabrik und gründete in dieser Phase auch die Arbeiterkolonie Marienthal. Das Unternehmen entwickelte sich sehr dynamisch und gab 1857 bereits 800 Menschen Arbeit. Ab 1858 führten zwei Brüder von Max, nämlich Eduard und Moritz von Todesco, den Betrieb erfolgreich weiter. Sowohl die Fabrik als auch die Arbeiterkolonie wurden ständig erweitert. Ab 1880 stabilisierte sich der Beschäftigtenstand bei etwa 1.000 und blieb in der Folge konstant. Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges waren kaum spürbar, da die Produktion rechtzeitig auf Heeresbedarf umgestellt worden war. Spätestens ab dem Sommer 1918 kam es durch den Mangel an Rohstoffen und den Wegfall der traditionellen Absatzmärkte zu massiven Schwierigkeiten im Unternehmen und erstmals zu Massenentlassungen. Im Jahr 1919 registrierte man in Gramatneusiedl 620 Arbeitslose bei 2.100 Einwohnern. Kurzfristig entspannte sich die Situation der Menschen im Ort zwar, jedoch bereits 1923 waren wieder 860 von 2.260 Einwohnern ohne Arbeit.
Im Jahr 1925 bekam die Textilfabrik einen neuen Besitzer, nämlich die Firmengruppe des Großindustriellen Isidor Mautner, die wieder kräftig in Marienthal investierte. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verbesserte sich bald deutlich. Der Beschäftigtenstand erreichte mit 1.200 Arbeitern und 90 Angestellten seinen Höhepunkt im Jänner 1929. Doch bereits ab Juni dieses Jahres begann der Niedergang des Unternehmens mit der Schließung der Spinnerei. In den folgenden Monaten wurde ein Teilbetrieb nach dem anderen stillgelegt, bis am 12. Februar 1930 die ruhmreiche Geschichte der Textilfabrik Marienthal endgültig endete. Mit einem Schlag verlor ein Großteil der Menschen im Ort ihren Arbeitsplatz. Die Schließung der Textilfabrik war wahrscheinlich eine Folge des Zusammenbruchs einer zum Firmenimperium gehörenden Bank und den daraus resultierenden Liquiditätsproblemen der Familie Mautner. Dadurch konnten die für die Produktion benötigten Rohstoffe nicht mehr angeschafft werden und der Betrieb musste seine Tätigkeit einstellen. Die neuen Besitzer – mehrere Banken – hatten kein Interesse, das Unternehmen weiterzuführen.
Das anschließende Teilkapitel beschäftigte sich mit der Arbeitslosigkeit in Österreich in der Zeit zwischen 1918 und 1938, also mit jenen Jahren, in denen sich das Schicksal der Textilfabrik Marienthal entschied und die berühmte Arbeitslosenstudie entstand. Generell kann festgehalten werden, dass der Zerfall des Habsburgerreiches große wirtschaftliche Probleme für die junge Republik mit sich brachte. Die Arbeitslosenraten konnten bis 1930 (mit einer Ausnahme im Jahr 1926) konstant unter 10 % gehalten werden. Ab 1932 lag dieser Wert ab immer über 20 %. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass zwischen 1933 und 1936 kontinuierlich mehr als 500.000 Menschen in Österreich arbeitslos waren. Dass parallel zum rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit in den 1930er Jahren die Anzahl der unterstützten Arbeitslosen dramatisch zurückging, verschärfte die soziale Lage der Betroffenen mehr und mehr. Während 1930 noch 86 % der Arbeitslosen staatlich unterstützt wurden, sank dieser Wert im Jahr 1936 auf nur mehr 50 % ab.
Im Bewusstsein der tragischen Lebenssituation vieler arbeitsloser Menschen in den 1930er Jahren regte Otto Bauer eine Untersuchung über die Auswirkungen von lang andauernder Arbeitslosigkeit an. Er machte eine Forschergruppe um Paul Lazarsfeld, Marie Jahoda und Hans Zeisel auf Marienthal aufmerksam. Die Wissenschafter erstellten in der Zeit von November 1931 bis Mai 1932 die Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«.
Neuartig an dieser Arbeit war vor allem die Methodik der Untersuchung. Man versuchte statistisches Zahlenmaterial mit Beobachtungen und Schilderungen der Betroffenen zu kombinieren. Es wurden unterschiedlichste Daten und Dokumente zusammengestellt, vom Schulaufsatz bis zu statistischen Erhebungen wie der Anzahl der Entlehnungen aus der Bibliothek.
Das Werk wurde in folgende sechs Kapitel unterteilt: »Das Industriedorf«, »Der Standard«, »Die müde Gemeinschaft«, »Die Haltung«, »Die Zeit« und »Die Widerstandskraft«.
Während im ersten Kapitel »Das Industriedorf« in erster Linie Marienthal vorgestellt wurde, beleuchtete der Abschnitt »Der Standard« die dramatischen Lebensbedingungen der Bevölkerung im Ort. Es wurde aufgezeigt, wie sehr die Menschen von der Arbeitslosenunterstützung abhängig waren. Nur in 93 von 478 Familien arbeitete zum Zeitpunkt der Studie mindestens ein Familienmitglied. Aufgrund des Durchschnittseinkommens unterteilten die Forscher die Familien in Minimal-, Durchschnitts- und Maximalfamilien. Um überleben zu können, hatten viele Familien einen Schrebergarten und/oder eine Kaninchenzucht.
In »Die müde Gesellschaft« konnte nachgewiesen werden, dass Arbeitslosigkeit zur geistigen Ermüdung der Bevölkerung führte. Dokumentiert wurden die Rückgänge im Engagement für Vereine oder politische Parteien und Organisationen.
Zusammengeführt wurden sämtliche Erkenntnisse und Beobachtungen im Kapitel »Die Haltung«. Das Forscherteam definierte vier unterschiedliche Haltungstypen: »Resignierte«, »Ungebrochene«, »Verzweifelte« und »Apathische«. Besonders interessant ist die Zuordnung jeder einzelnen Familie zu einem dieser Haltungstypen. Das Ergebnis zeigte, dass in Folge der lang andauernden Arbeitslosigkeit im Ort bereits knapp 70 % als »Resignierte« eingestuft wurden, etwa 23 % waren »Ungebrochene«, etwas mehr als 2 % galten als »Verzweifelte« und ungefähr 5 % als »Apathische«.
Der Abschnitt »Die Zeit« beleuchtete den Tagesablauf der Marienthaler Bevölkerung näher. Im letzten Kapitel der Studie »Die Widerstandskraft« wagte man einen Blick in die Zukunft. Wie lange könnten die Menschen noch so weiterleben? Es erschien der Forschergruppe absehbar, dass sich die materielle Situation der Bevölkerung weiter verschlechtern würde. Als Folge daraus würden immer mehr Familien in die Gruppe der »Verzweifelten« und »Apathischen« abrutschen. Abgeschlossen wurde die Studie mit einem Anhang unter dem Titel »Zur Geschichte der Soziographie«.
Nachdem der Vollständigkeit halber auf beispielhaft ausgewählte zeitgenössische Rezensionen eingegangen wurde, die mehrheitlich positiv ausfielen, beschäftigte sich der nächste Abschnitt mit den Besonderheiten der historischen Studie. Es konnten fünf Gründe herausgearbeitet werden, die diese Untersuchung so einzigartig machen:
1) Die politische Dimension der Arbeit aufgrund der Erkenntnisse des Kapitels »Die müde Gesellschaft«.
2) Die Vielzahl der in der Untersuchung verwendeten Forschungsmethoden.
3) Die gute Lesbarkeit des Werkes als Resultat der Kombination aus wissenschaftlichen Aussagen und Statistiken mit Zitaten aus unterschiedlichsten Quellen.
4) Das soziale Engagement der gesamten Forschergruppe.
5) Die Mehrzahl der Forschergruppe bestand aus weiblichen Mitgliedern, wobei vor allem Marie Jahoda und Lotte Danzinger zentrale Funktionen einnahmen.
Im letzten Teilabschnitt des dritten Kapitels wurde der Versuch unternommen, die Einkommens- und Vermögenssituation der damaligen Bevölkerung aus der Sicht des Jahres 2008 darzustellen. Um dies zu ermöglichen, müssen die Inflationsraten von 1932 bis 2008 hochgerechnet werden. Die einzig verfügbare, durchgängige Zahlenreihe stammt vom »Börsen-Kurier« und besagt, dass ein Schilling des Jahres 1932 heute den Gegenwert von 3 Euro hat. So konnte beispielsweise die Höhe der damaligen Arbeitslosenunterstützung umgerechnet oder auch die Ausgaben der Marienthaler Haushalte in Relation zum Jahr 2008 gesetzt werden. Zusammenfassend musste festgestellt werden, dass die Marienthaler Haushalte zum Zeitpunkt der Studie nur über sehr niedrige Einkommen verfügen konnten und kaum noch verwertbare Vermögensreserven vorhanden waren.
Nachdem im ersten, volkswirtschaftlichen Teil die für diese Diplomarbeit notwendigen theoretischen Grundlagen zum Thema Arbeitslosigkeit vermittelt wurden, beschäftigte sich der zweite große Abschnitt im Wesentlichen mit einer klassischen Arbeitslosenuntersuchung, der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« aus dem Jahr 1933. Um die Bedeutung der legendären Textilfabrik für Marienthal aufzuzeigen, wurde deren Geschichte bis zur Schließung im Jahr 1930 nachgezeichnet. Die Studie ist in vielerlei Hinsicht einzigartig, beispielsweise aufgrund der Vielzahl und der Unterschiedlichkeit der verwendeten Forschungsmethoden oder auch aufgrund der Kombination von theoretischen Überlegungen und praktischen Beobachtungen des Forscherteams. Um die Situation der damaligen Marienthaler Bevölkerung aus heutiger Sicht greifbarer zu machen, wurden Angaben aus der Studie auf (Geld)Werte des Jahres 2008 hochgerechnet.
Das zweite Kapitel hat die Situation im historischen Marienthal ausführlich beschrieben und dient somit als Referenzpunkt für den angestrebten Vergleich zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Obwohl selbstverständlich klar ist, dass es wesentliche Unterschiede zwischen den 1930er Jahren und dem Heute gibt – die im folgenden Abschnitt ausführlicher beschrieben werden –, erscheint dieser Vergleich äußerst reizvoll. Bereits im letzten Teilabschnitt dieses Kapitels wurde ein sehr interessanter Bezug zum Jahr 2008 hergestellt. Der folgende Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der weiteren Geschichte des Ortsteiles und seiner Bewohner. Im Mittelpunkt steht somit das heutige Marienthal, das Marienthal des Jahres 2008.
Was ist vom historischen Marienthal geblieben? Wie hat sich Marienthal nach der Schließung der legendären Textilfabrik weiterentwickelt? Welche Situation finden wir heute in Marienthal vor? Zu all diesen Fragen finden sich Antworten im folgenden Kapitel.
Im ersten Teil dieses Kapitels wird die weitere Geschichte des Industriestandortes nach der Schließung der legendären Textilfabrik bis zum heutigen Tag beleuchtet. Danach werden die Erinnerungen von drei Zeitzeugen an die Arbeitslosenzeit der 1930er Jahr wiedergegeben. Nachdem im Überblick drei Nachfolgeprojekte präsentiert wurden, wird die Arbeitslosigkeit im Österreich des Jahres 2008 dargestellt. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit dem Hauptteil dieser Diplomarbeit, der empirischen Untersuchung der heutigen Marienthaler Bevölkerung.
Dieses Kapitel hat zum Ziel einerseits den Vergleich des historischen mit dem heutigen Marienthal zu ermöglichen und andererseits die Grundlage für die umfassende Beantwortung der in der Einleitung gestellten Forschungsfragen zu liefern.
Schon vor der endgültigen Schließung der Textilfabrik im Februar 1930 versuchte die Gemeinde Gramatneusiedl durch unterschiedliche Maßnahmen die Not der Arbeitslosen zu lindern (z.B. durch direkte finanzielle Unterstützung bedürftiger Familien). Doch sie wurde von den dynamischen Entwicklungen überrollt. Im Juni 1929 arbeiteten 1.290 Beschäftigte im Unternehmen. Bereits im nächsten Monat waren davon insgesamt 614 Personen arbeitslos und deren Anzahl stieg bis März 1930 auf etwa 900. Da nur wenige eine neue Arbeitsstelle gefunden haben dürften, muss es seit dem Beginn der stufenweisen Schließung der Fabrik zu starker Abwanderung aus Marienthal gekommen sein.[275]
Frau L.N., Jahrgang 1924, erinnerte sich in einem im Dezember 2008 geführten Interview:
»Ab 1929 waren ja viele arbeitslos. Einige Leute aus Marienthal, die Weber und Spinner, gingen ins Ausland, um zu arbeiten – z.B. nach Rumänien. Als dort die Arbeit aus war, wurden sie wieder nach Hause geschickt. Dann ist das Jahr 1938 gekommen und viele haben wieder gearbeitet.«[276]
Das Ende des einzigen Großbetriebes und die damit verbundene Massenarbeitslosigkeit veränderten das Leben im Ort dramatisch. Die Umsätze der Geschäftsleute und der Gewerbetreibenden brachen ein. Soziale Einrichtungen, die in besseren Zeiten von der Textilfabrik finanziert wurden, mussten geschlossen werden. So z.B. das Montessorikinderheim, in dessen Räumlichkeiten ein so genanntes Ledigenheim untergebracht wurde. Junge, unverheiratete Arbeitslose, die tagsüber bei ihren Eltern wohnten, übernachteten dort. Dadurch galten sie als in einem eigenständigen Haushalt lebend und konnten – als Folge daraus – eigene Sozialleistungen beziehen.[277]
Herr L.K., Jahrgang 1923, erzählte in einem im Jänner 2009 geführten Interview:
»Die Fabrik finanzierte alles. Nach dem Zusperren war die Hauptschlagader tot. […] Mit den Jahren hat sich erst herausgestellt, was alles fort war.«[278]
Auch die finanzielle Situation der Gemeinde war prekär. Einerseits gingen die Einnahmen aufgrund der geschilderten Ereignisse drastisch zurück, andererseits stiegen die Ausgaben für immer zahlreicher werdende, in Not geratene Arbeitslose und deren Familien rapide an. Im Juni 1933 hatte Gramatneusiedl nur noch 2.360 Einwohner.[279] Davon mussten beinahe 1.600 Menschen (inklusive aller Familienangehörigen) von der Arbeitslosenunterstützung, der Notstandshilfe oder einer Altersrente leben.[280]
Wie bereits dargestellt,[281] wurden weite Teile der ehemaligen Textilfabrik nach deren Schließung abgerissen. Alle Grundstücke und die restlichen Gebäude der »Actien-Gesellschaft Baumwoll-Spinnereien, Webereien, Bleiche, Appretur, Färberei und Druckerei zu Trumau und Marienthal« wurden bis zu deren endgültiger Auflösung im Jahr 1942 verkauft.[282]
Die erhalten gebliebenen Fabrikgebäude wurden erst wieder ab dem Frühjahr 1933 genutzt. Die Wiener Firma Walter Prade betrieb eine kleine Spinnerei, die ein Mischgarn aus Wolle und Baumwolle erzeugte. Das Unternehmen stellte den Betrieb im April 1939 wieder ein. Noch ein zweiter Textilbetrieb siedelte sich an. Der ebenfalls aus Wien stammende Unternehmer Kurt Sonnenschein investierte in neue Maschinen und startete ab dem Jahr 1934 die Produktion von Buntwäsche für den österreichischen Markt in einer mechanischen Weberei und Appretur. Vermutlich im April 1939 wurde der Betrieb im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Raubpolitik an jüdischem Eigentum zwangsarisiert.[283]
Obwohl es wieder Arbeit in Marienthal gab, reduzierte sich die Zahl der Arbeitslosen nicht entscheidend. Beide Unternehmen waren eher klein und beschäftigten zusammen nur relativ wenige Menschen – Ende 1933 ungefähr 35, 1934 zirka 80, in den drei folgenden Jahren etwa 140 und 1938 immerhin 170.[284]
Nach der Enteignung im Jahr 1939 führte der deutsche »Arisierungskönig« Fritz Ries[285] den Betrieb von Kurt Sonnenschein ohne erwähnenswerte Änderungen weiter. Im September 1940 verkaufte er das Unternehmen an den deutschen Adolf Ahlers. Dieser erweiterte die bestehende Weberei im Jahr 1941 um eine Schneiderei mit etwa 75 Nähmaschinen. Wie viele andere Unternehmen zu jener Zeit musste auch dieser Betrieb seine Produktion auf Heeresbedarf umstellen. Im Jahr 1943 wurde ein Großteil der Fertigung kriegsbedingt stillgelegt. Nur eine kleine Näherei konnte noch bis November 1944 weiterbetrieben werden.[286]
Auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück der Textilfabrik Marienthal waren zu dieser Zeit noch zwei weitere Unternehmen angesiedelt. Die »Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl« verlegte – aufgrund der zu geringen Expansionsmöglichkeiten auf ihrem Gelände in Bahnhofsnähe – zwischen August 1939 und Juli 1940 große Teile des Unternehmens auf dieses Areal. Der Betrieb wurde zwar in den folgenden Jahren eingeschränkt, existiert aber noch heute als Teil des »Raiffeisen-Lagerhaus Wiener Becken, Filiale Gramatneusiedl«.[287] Als Reaktion auf zahlreiche Bombentreffer im Stammwerk wurde von Herbst 1943 bis April 1945 im Bereich der ehemaligen Spinnerei ein Depot der »Wiener Neustädter Flugzeugwerke Ges.m.b.H.« eingerichtet. Dieses Lager wurde in der Nacht von 2. auf den 3. April 1945 von Angehörigen der Deutschen Wehrmacht niedergebrannt.[288]
Während des Zweiten Weltkrieges verschwand die Arbeitslosigkeit aus Marienthal, da immer mehr Männer in den sinnlosen Krieg ziehen mussten. In Summe stellte Gramatneusiedl etwa 500 Soldaten, von welchen während der Kämpfe 64 umkamen[289] und viele verwundet wurden. Um die nunmehr fehlenden Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und in den Betrieben zu ersetzen, wurden Kriegsgefangene und osteuropäische Zwangsarbeiter in den Ort gebracht.[290]
Bald nach der deutschen Kapitulation und damit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde mit den Wiederaufbauarbeiten begonnen. Die »Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl« benötigte von Herbst 1945 bis ins Jahr 1949, um ihre Marienthaler Werkstätten wieder vollständig in Betrieb zu nehmen. In der Textilfabrik des Kurt Sonnenschein begannen die Instandsetzungsarbeiten bereits im Sommer 1945. Nachdem die vorhandenen Webstühle größtenteils repariert werden konnten, lief 1946 die Produktion von Buntweberei für den österreichischen Markt wieder an. Später stellte man auch Grundgewebe für die Reifenfertigung der Firma »Semperit« in Traiskirchen her. Im Jahr 1955 arbeiteten 100 Personen in dem Textilbetrieb, hauptsächlich Frauen. Die Rückerstattung des durch Arisierung geraubten Unternehmens an die rechtmäßigen Besitzer, die nach London geflüchtete und dort gebliebene Familie Sonnenschein, dauerte bedauerlicherweise bis 1953.[291]
Im März 1958 stellte die »Kurt Sonnenschein mechanische Weberei und Appretur Marienthal Ges.m.b.H.«, die zuletzt 80 Beschäftige hatte, die Produktion ein. Unmittelbar nach der Auflösung der Gesellschaft am 31. Mai dieses Jahres hatte die Fabrik einen neuen Besitzer, den Wiener Textilunternehmer Justinian Karolyi. Ab Mitte September 1958 fertigten 120 Personen auf 69 Webstühlen Seiden- und Baumwollwebereien für die eigene Konfektion. Doch das Unternehmen existierte nur kurz. Bereits am 31. August 1960 wurde die »Seidenweberei Justinian Karolyi, Fabrik Gramatneusiedl« aufgrund von massiven Absatzschwierigkeiten stillgelegt und am 31. März 1961 offiziell aufgelöst.[292]
Kurz vor der Stilllegung seiner Seidenweberei hatte Justinian Karolyi im August 1960 eine Näherei in Betrieb genommen. Diese befand sich anfangs im Herrenhaus der ehemaligen Textilfabrik und wurde später in den ehemaligen Tanz- und Theatersaal übersiedelt. Die folgenden Jahre waren geprägt von zahlreichen Eigentümerwechseln, wobei in keinem dieser Unternehmen mehr als 50 Personen beschäftigt werden konnten. Am 16. Februar 1975 endete die traditionsreiche Geschichte der Textilindustrie in Marienthal, da an diesem Tag das letzte Nachfolgeunternehmen der durch die Studie weltberühmt gewordenen Fabrik geschlossen wurde.[293]
Heute befinden sich zwei nennenswerte Betriebe auf dem Areal der ehemaligen Textilfabrik Marienthal. Der erste, das »Raiffeisen-Lagerhaus«, wurde bereits erwähnt. Der zweite nennt sich heute »Evonik Para-Chemie GmbH«. Das Unternehmen wurde am 15. Februar 1958 als »Organglasindustrie Dr. Ludwig Polsterer« mit dem Zweck der Herstellung von gegossenem Acrylglas in Wien[294] gegründet. Aufgrund der strengen Auflagen im dicht bebauten Stadtgebiet und aufgrund der vorhandenen Expansionspläne verlegte man den Betrieb im Jahr 1961 nach Marienthal, und zwar auf das Gelände der ehemaligen Weberei-, Färberei-, Wäscherei- und Druckereigebäude. Nach umfangreichen Abbruch- und Adaptionsarbeiten startete die Produktion, wobei die Ausbringungsmenge gegenüber dem alten Standort wesentlich erhöht werden konnte. Mit 1. Juli 1961 verkaufte der Gründer Dr. Polsterer das Unternehmen an die deutsche »Chemische Fabrik Kalk«.[295]
Im nächsten Jahr wurde der Standort in Wien aufgegeben und alle Geschäftsaktivitäten in Marienthal konzentriert. Am 1. Mai 1965 übernahm die »Österreichische Chemische Werke Gesellschaft m.b.H.«, die zum Konzernverbund der Degussa AG gehörte, das Unternehmen. In den folgenden Jahren wurde kontinuierlich in den Standort investiert, die Produktionsleistung konnte stetig erhöht werden und die Exportquote stieg rasant an. Am 5. März 1986 hätte ein Großbrand, der einen Schaden von 80 Millionen Schilling[296] verursachte, die Erfolgsgeschichte beinahe beendet. Doch die Entscheidungsträger des Mutterkonzerns beschlossen, den Standort wieder aufzubauen. Bereits ein Jahr später wurde wieder produziert.[297]
Nach zahlreichen Firmenzusammenschlüssen, in die die jeweiligen Muttergesellschaften involviert waren, ist der Betrieb seit 2007 Teil des weltweit operierenden Mischkonzerns »Evonik Industries AG«. Das Unternehmen bietet heute ein großes Spektrum an Acrylglasprodukten an, wie z.B. Lärmschutzverglasungen, unterschiedliche Arten von Plexiglas[298] oder Hochglanz-Möbelfronten.[299] Im Jahr 2007 erwirtschafteten durchschnittlich 183 Mitarbeiter einen Umsatz von 49 Millionen Euro, wobei zirka 18.000 Tonnen Plexiglas und 4.500 Tonnen Recyclingmaterial verarbeitet wurden.[300]
So präsentiert sich Marienthal heute. Zur Abrundung der bisher dargestellten geschichtlichen Fakten wurden drei ausführliche Interviews mit Zeitzeugen geführt, die nochmals einen Blick zurück in die Zeit der legendären Textilfabrik und der jahrelangen Arbeitslosigkeit nach deren Schließung ermöglichen.
Die Interviewpartner, eine Frau und zwei Männer, wurden zwischen 1923 und 1927 geboren. Alle drei waren somit noch jung, als die Textilfabrik im Jahr 1930 endgültig zusperren musste. Dennoch führen die Kindheitserinnerungen jedes Einzelnen zurück in jene dramatischen Jahre, die sich offensichtlich tief ins jeweilige Bewusstsein eingeprägt haben. In der Folge werden die einzelnen Gespräche kurz zusammengefasst. [301]
Frau L.N. wurde im Jahr 1924 geboren und lebte zusammen mit drei Geschwistern sowie einer allein erziehenden Mutter in Marienthal. Nach Aussage eines anderen Interviewpartners, Herrn L.K., war diese Familie selbst für damalige Marienthaler Verhältnisse arm.[302]
Frau L.N. verwies bei der Frage nach ihren Kindheitserinnerungen auf den geringen Verdienst und auf den niedrigen Lebensstandard in den 1930er Jahren. Obwohl ihre Mutter auch in dieser schwierigen Zeit immer Arbeit hatte, musste man sehr mit den verfügbaren Mitteln haushalten. So konnte man sich beispielsweise nur 5 dag Öl zum Verfeinern von Salat leisten oder nur 5 dag Butter einmal in drei Monaten kaufen. Gleichzeitig versuchte sie anhand der Darstellung der Zuckervorräte die Unterschiede zwischen damals und heute aufzuzeigen – damals hatte man in einem Monat vielleicht ¼ kg zur Verfügung, heute stehe immer 1 kg im Küchenschrank.[303]
Neben ihrer Mutter, die in den Webereien in Oberwaltersdorf und danach in Marienthal tätig war, arbeitete noch der älteste Bruder als Schusterlehrling im Ort. Frau L.N. und ihre beiden anderen Geschwister waren in der Arbeitslosenzeit noch Schüler. Häufig gab es für die drei Kinder nur trockenes Brot zur Schuljause, wobei die Bauernkinder wesentlich besser versorgt waren. Trotz der offensichtlichen Unterschiede zwischen Gramatneusiedler Bauern- und Marienthaler Arbeiterkindern strich sie anhand von zwei Beispielen die Hilfsbereitschaft der ortsansässigen Konservativen in jener Zeit hervor.[304]
Besonders diese gegenseitige Hilfsbereitschaft in diesen kargen Jahren blieben Frau L.N. besonders gut in Erinnerung, »weil jeder für jeden da war, weil wir alle miteinander vom Elend betroffen waren.«[305]
Herr J.D. wurde im Jahr 1927 geboren. Seine Großeltern stammten ursprünglich aus der Tschechoslowakei und kamen wegen der Arbeit nach Marienthal.[306]
Dieses Gespräch war unter anderem deswegen interessant, weil es konkret auf politische Ereignisse im Marienthal der 1930er Jahre Bezug nahm. Die ersten Kindheitserinnerungen hatte Herr J.D. an den Februaraufstand der Sozialdemokraten im Jahr 1934. Zwar wurde in Marienthal nicht mit Waffeneinsatz gekämpft, aber es gab einige Protest- und Solidaritätsaktionen, die bis heute im Gedächtnis geblieben sind. Beispielsweise wurde auf einem Boot im Herrengartenteich[307] ein Galgen montiert, an dem eine Dollfuß-Puppe aufgehängt war. In den Jahren des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus lebte die Familie D. in ständiger Angst, weil der Vater – zur damaligen Zeit verbotenerweise – Kommunist war.[308]
Während der Massenarbeitslosigkeit in Marienthal arbeitete der Vater als Maschinenschlosser bei der Weberei in Götzendorf. Auch die Mutter war – zumindest zeitweise – berufstätig. Aus diesem Grund ging es der Familie D. für damalige Verhältnisse relativ gut, man hatte keine materiellen Schwierigkeiten. Selbstverständlich sah man die große Not vieler Marienthaler, wobei er dies als Kind nicht so empfunden hatte. Er konnte sich gut daran erinnern, dass viele im alten Konsum auf Schulden eingekauft haben und erst später, wenn sie wieder etwas Geld zusammen hatten, bezahlten.[309]
Herr J.D. hatte noch das Bild vor Augen, wie die vielen Arbeitslosen in Marienthal den ganzen Tag herumlungerten. Sie sprachen meistens nur über Belangloses. Da sie nicht genug Geld für eigene Zigaretten hatten, wurde immer nur eine im Kreis herumgereicht und von mehreren Personen gleichzeitig geraucht. Auch von den Schrebergärten und von der Zucht verschiedener Tiere wusste er zu berichten. Interessant war auch seine Aussage, wonach die Bauern des Ortes von den Familien der Arbeitslosen bestohlen wurden, um überleben zu können.[310]
Bemerkenswert, dass auch Herr J.D. die gegenseitigen Hilfsbereitschaft in den schwierigen Jahren der Zwischenkriegszeit ausdrücklich hervorhob. Für ihn ist der Zusammenhalt der Menschen das Wichtigste. Im Gegensatz zu früher gäbe es heute keine »richtige« Armut – jedenfalls keine Armut, die mit der Situation der 1930er Jahre vergleichbar wäre.[311]
Das ausführlichste Gespräch wurde mit Herrn L.K. geführt. Herr K. wurde im Jahr 1923 geboren. Auch seine Vorfahren kamen – wie jene von Herrn J.D. – aus der Tschechoslowakei nach Marienthal.[312]
Als einziger Interviewpartner hatte Herr L.K. noch Erinnerungen an die aktive Zeit der Textilfabrik Marienthal. Bis heute ist er von der weit reichenden Organisation des Unternehmens fasziniert. Diese umfasste einerseits die Herstellung von fertigem Stoff[313] aus roher Baumwolle in nur 4 bis 5 Arbeitsgängen und andererseits das – auch aus heutiger Sicht – bemerkenswerte Umfeld in der Marienthaler Arbeitersiedlung. Damals gab es neben den zahlreichen Wohnhäusern unter anderem einen Montessori-Kindergarten, ein Fabrikspital (und außerhalb des Ortes ein Choleraspital), eine Badeanstalt, ein Wasserleitungssystem, eine eigene Stromversorgung und vieles mehr. Man sei damals der Zeit um mindestens 100 Jahre voraus gewesen. Als die Fabrik zusperrte, brach die Marienthaler Welt zusammen, da das Unternehmen alles finanzierte.[314]
Herr L.K. erinnerte sich auch an die glanzvolle kulturelle und sportliche Zeit in Marienthal vor der Schließung der Textilfabrik. Das kulturelle Angebot reichte von einer Musikkapelle über Schrammelmusik bis zu einer Theatergruppe. Vor allem aus sportlicher Sicht hatte Marienthal viel zu bieten. Neben dem Fußballverein (der als einzige Institution in Gramatneusiedl bis heute den Namen Marienthal in sich trägt)[315] wurde unter anderem Handball, Faustball, Ringen, Turnen, Stemmen und Radfahren betrieben.[316]
Da man am Land lebte, wusste man sich in der Arbeitslosenzeit zu helfen. Nach Aussage von Herrn L.K. wurde gefischt und gewildert, um überleben zu können. Auch er erwähnte, dass Feldprodukte von den Äckern gestohlen wurden. Da jede Wohnung einen Schuppen dabei hatte, konnten Hasen und andere Tiere gezüchtet werden. Futter war in der umliegenden Natur reichlich vorhanden.[317]
Der Vater von Herrn L.K. war Heizer von Beruf. Mit der Schließung der Textilfabrik verlor er zwar seine Stelle, wobei er Glück hatte und gleich wieder Arbeit im benachbarten Ebergassing fand. Später, im Mannersdorfer Zementwerk, verdiente er durch den kontinuierlichen Schichtbetrieb (sehr) gut. Man konnte sich mehr leisten als andere und war nicht unmittelbar von der allgemeinen Not betroffen.[318]
Herr L.K. ging nach der Volksschule in Gramatneusiedl in eine – für die damalige Zeit – sehr moderne, tschechische Schule in Wien, die unter anderem über einen unterirdischen Filmsaal, einen großzügigen Theatersaal, Schulfunk und fließendes Kalt- bzw. Warmwasser in den Klassenräumen verfügte. Danach absolvierte er eine Handelsakademie.[319]
Obwohl er in Wien zur Schule ging, empfand er die Situation in Marienthal nicht als Elend. Seiner Ansicht nach konnte man die Menschen damals in drei Kategorien teilen: Solche, die ausreichend, etwas weniger oder ganz wenig zu essen hatten. Durchwegs interessant und lebendig sind seine Erzählungen über das tägliche Leben in Marienthal. So schilderte er beispielsweise das erschütternde Schicksal einer delogierten Familie oder von den Wanderhändlern, die im Ort unterwegs waren und den Menschen den Einkauf auf Kredit ermöglichten.[320]
Dass die Arbeitslosen den ganzen Tag nur herumgestanden sind, weiß Herr L.K. bis heute. Um wieder Arbeit zu finden, versuchten die Menschen alles. Je länger die Arbeitslosigkeit dauerte, umso größer wurde die Not. Manche fanden eine Stelle in der näheren Umgebung von Marienthal, manche zog es weiter fort.[321]
»Einige Weber sind in der Arbeitslosenzeit nach Rumänien gegangen und haben dort etwas Neues aufgebaut. Bei uns hatten das seinerzeit die Engländer gemacht.«[322]
Nachdem nun die Geschichte des Industriestandortes Marienthal – bereichert durch die persönlichen Erinnerungen von Zeitzeugen – bis zum heutigen Tag nachgezeichnet wurde, widmet sich der nächste Abschnitt dieser Arbeit den bisher veröffentlichten Nachfolgeprojekten der historischen Studie.
Basierend auf eigenen Quellen begannen nach dem Zweiten Weltkrieg Vertreter der örtlichen Kirche mit der Sammlung von Dokumenten und mit ersten Forschungen zu Marienthal. Dabei stand allerdings Gramatneusiedl im Mittelpunkt, Marienthal wurde nur peripher behandelt.[323]
Wie bereits dargestellt[324], wurde die historische Studie erst nach der Veröffentlichung der Zweitauflage im Jahr 1960 und der erstmaligen Herausgabe der englischsprachigen Übersetzung im Jahr 1971 bekannter. Seither beschäftigte sich die wissenschaftliche Fachwelt in zahlreichen Artikeln und Büchern mit Marienthal. Direkt vor Ort entstanden zwei Nachfolgestudien und (zum Teil an Originalschauplätzen gedreht) ein Filmprojekt, die nun im Rahmen dieser Arbeit in der gebotenen Kürze vorgestellt werden.
Die erste kleine Nachfolgestudie entstand im Jahr 1973. Der heute noch als Hauptschullehrer in Gramatneusiedl tätige Johann Past verfasste diese Arbeit im Rahmen des Fachgegenstandes Soziologie für die Lehramtsprüfung für Hauptschulen an der Pädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien.[325]
Nach der Einleitung, in der Gramatneusiedl (inklusive Marienthal) als Industrieort vorgestellt wurde, ging der Autor auf die Geschichte des Ortes ein. Bemerkenswert und aus heutiger Sicht interessant sind die historischen und (damals) aktuellen Fotos, mit welchen der Autor seine Arbeit durchgängig untermalte, um den Kontrast zwischen dem alten und neuen Marienthal aufzuzeigen.[326]
Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigte sich im Überblick mit der historischen Studie, wobei nur auf einzelne Kapitel des Buches eingegangen wurde. Ausgewählte Beispiele sollten die wirtschaftliche, soziale und psychische Not der Marienthaler Bevölkerung des Jahres 1932 veranschaulichen.[327]
Im nachfolgenden Kapitel befasste sich der Autor mit dem Lebensstandard im Ort des Jahres 1973. Wesentlich dabei war der Versuch einzelne Ermittlungsergebnisse mit der historischen Marienthal-Studie zu vergleichen. So führte er etwa eine Umfrage unter Hauptschülern zu ihrem Gabelfrühstück durch.[328] Ebenfalls wiederholt wurde das Schreiben von Schüleraufsätzen zum Thema »Was ich mir zu Weihnachten wünsche«.[329]
Aber auch eigene Ermittlungen zum Wohlstand im Ort wurden angestellt. Die Anzahl der Radio- und Fernsehgeräte war ebenso von Interesse wie die Anzahl der Pkws, wo ein Anstieg um beinahe 100 % von 1955 bis 1973 festgestellt wurde. Am eindrucksvollsten wurde der gestiegene Wohlstand seit der Zeit der Marienthal-Studie durch die Zunahme der Häuser im Ort dokumentiert. Gab es 1929 bei 2.926 (!) Einwohnern nur 178 Häuser, waren es 1973 bei 2.048 Einwohnern bereits 352 Häuser. Das bedeutet konkret, dass trotz der Verringerung der Einwohnerzahl um 30 % beinahe doppelt so viele Häuser errichtet werden konnten.[330]
Nachdem noch über die Para-Chemie (heute Evonik Para-Chemie GmbH) als größten Arbeitgeber im Ort und über die Dorfgemeinschaft berichtet wurde, schließt Past seine Arbeit mit der Schlussfolgerung, dass trotz des offensichtlichen Wohlstandes im Ort immer noch Spuren der Arbeitslosigkeit sichtbar sind.[331]
Wesentlich umfassender war die zweite Nachfolgestudie. Michael Freund, János Marton und Birgit Flos begannen das Projekt bereits im Jänner 1978 mit einer ersten Erkundungsfahrt und arbeiteten danach in der Zeit von August 1979 bis Dezember 1981 regelmäßig in Marienthal. Sie versuchten einerseits Teile der historischen Marienthal-Studie zu wiederholen und andererseits neue Methoden und Medien einzusetzen.[332]
Nach einer kurzen Einleitung befassten sich die Autoren mit der Geschichte des Ortes und der Fabrik. In diesem Abschnitt wurde auch die Marienthal-Studie zusammengefasst und abschließend festgestellt: »Dass eine Episode aus der Geschichte einer kleinen niederösterreichischen Arbeitersiedlung so viel Beachtung fand, hat sicher mit der innovativen Methodik der Arbeit zu tun, aber auch mit dem weiteren beruflichen Werdegang der Autoren.«[333] Bemerkenswert ist, dass Marie Jahoda im Rahmen dieses Projektes im Sommer 1980 zum ersten und einzigen Mal nach ihrer Vertreibung aus Österreich Marienthal besuchte.[334]
Im nächsten Kapitel wurden die Methoden der ursprünglichen und der aktuellen Untersuchung verglichen. Interessant, dass es für die Forschergruppe schwierig war, mit der Marienthaler Bevölkerung in Kontakt zu treten. Dies gelang erst über eine Ausstellung von Kinderfotos. Später wurde eine Fragebogenerhebung durchgeführt, an der 157 Personen teilnahmen. Bei dieser Gelegenheit konnten wichtige, weiterführende Gespräche geführt werden, die den Autoren Einblicke in das Marienthal der 1930er Jahre und des Jahres 1980 ermöglichten.[335]
Im folgenden Abschnitt wurden die Resultate der Nachfolgestudie präsentiert. Gemäß der Zielsetzung der sozialpsychologischen Untersuchung fassten die Autoren ihre Beobachtungen und die daraus resultierenden Ergebnisse des sozialen Lebens und der sozialen Beziehungen in Marienthal zusammen. Besonders interessierte die Autoren die Einstellung der Bevölkerung zu Gastarbeitern, früher zu solchen aus Böhmen und Mähren und im Jahr 1980 zu solchen aus dem damaligen Jugoslawien. Auch der allgemeine Gesundheitszustand wurde ausgewertet, wobei die Informationen auf Selbstangaben der Bevölkerung basierten. Arbeitslos waren zum Zeitpunkt der Untersuchung nur wenige Marienthaler. Die Autoren stellten in ihrem Erhebungsbogen Fragen zur Einstellung der Bevölkerung zum Thema »Arbeitslosigkeit« und interviewten ältere Menschen zu ihren Erinnerungen an die Massenarbeitslosigkeit im Ort. Im Zusammenhang mit der »müden Gemeinschaft« aus der historischen Studie wurde die Haltung der Marienthaler zu Parteien, Gewerkschaft und Kirche beleuchtet.[336]
Zur Untermauerung ihrer Erkenntnisse führte die Forschergruppe zwei Fallstudien an, eine aus dem »alten« und eine aus dem »neuen« Marienthal. Besonders lesenswert ist das Porträt der Familie K., die bereits in der ursprünglichen Studie erwähnt wurde.[337] Nunmehr schilderten die drei Brüder ihre Erinnerungen an die Textilfabrik Marienthal und den weiteren Lauf der Geschichte. Die zweite Fallstudie beschäftigte sich mit der Familie L., die aufgrund ihrer Zusammensetzung ausgewählt wurde. Da der Mann Österreicher und die Frau gebürtige Jugoslawin war, konnte so das Ausländerthema im Marienthal des Jahres 1980 abgehandelt werden. Anzumerken ist, dass die Autoren – ähnlich wie in der historischen Marienthal-Studie – in ihre Berichte zahlreiche Zitate der betreffenden Personen einarbeiteten.[338]
Der letzte Teil der Arbeit behandelte eingangs das Verhältnis der Marienthaler zu Juden. Immer wieder begegnete den Autoren in ihren Gesprächen »der Jud«, wobei darunter verschiedene Personen gemeint waren, nämlich ehemalige Eigentümer und Direktoren der Fabrik. Durch die unterschiedliche Klassenzugehörigkeit dürfte sich dieser Terminus eingeprägt haben – hier der katholische Arbeiter, dort die jüdische Firmenleitung. Dass Juden nur einmal in der historischen Studie erwähnt wurden (»Ratenjud«),[339] überraschte das Forscherteam aufgrund dieser Erkenntnisse. In weiterer Folge wurde beispielhaft ein interner Text der Forschergruppe wiedergegeben, der einen Rundgang durch und um Marienthal beschreibt. Abgeschlossen wurde dieser Abschnitt mit Erläuterungen zur Medienarbeit im Ort, wobei die Forscher versuchten, die Bevölkerung in ihr Projekt aktiv einzubinden und regelmäßig über ihre Fortschritte zu informieren (z.B. durch Vorführung einer Videodokumentation).[340]
Am Ende ihrer Arbeit stellten die Autoren fest, dass es zwar keine eindeutig zuordenbaren »Haltungstypen« wie in der historischen Studie gab, aber doch ein gewisses Schema erkennbar wurde, dass die Zugehörigkeiten zum Ort charakterisierten. Demnach gab es
- Personen, die Marienthal grundlegend verbunden waren und mehrheitlich aus so genannten »alteingesessenen« Familien stammten,
- Personen, die zu Marienthal eine zweckrationale Einstellung hatten und den Ort als Schlafstelle sahen, häufig aus Pendlern oder Zugewanderten bestanden,
- Personen, die Marienthal als Not- und Übergangslösung im Berufsleben sahen und irgendwann wegziehen wollten (z.B. Gastarbeiter).[341]
Durch den Einsatz neuer Medien konnte diese Nachfolgestudie einer breiteren Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. Es entstanden Videodokumente, zahlreiche Fotografien, eine Radiosendung und eine Ton-Dia-Schau.[342]
Auch die Filmindustrie beschäftigte sich mit der historischen Untersuchung. Unter der Regie von Karin Brandauer[343] entstand im Mai und Juni 1987 eine Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm nach der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«. Der Film wurde teilweise in Marienthal und teilweise in der ehemaligen Papierfabrik in Schlöglmühl (Gemeinde Payerbach in Niederösterreich) gedreht. Zahlreiche Marienthaler wirkten als Statisten mit. Der Titel des Films »Einstweilen wird es Mittag« stammt aus einem Zeitverwendungsbogen eines 33–jährigen Arbeitslosen, der so seine »Tätigkeit« von 10 bis 11 Uhr am Tag der Aufzeichnung beschrieb.[344] Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die Marienthal-Studie wahrscheinlich die einzige sozialwissenschaftliche Untersuchung ist, die je verfilmt wurde.[345]
Der Ort der Handlung nennt sich im Film nicht Marienthal sondern Weissenberg und liegt eine Eisenbahnstunde oder 50 Kilometer von Wien entfernt im Bezirk Mödling. Der Spielfilmcharakter wird dadurch unterstrichen, dass – im Gegensatz zu den nüchternden und sachlichen Darstellungen in der Studie – im Film auch menschliche Beziehungen in den Vordergrund gerückt werden (so z.B. zwischen dem Forschungsleiter Professor Bergheim und der Feldforscherin Weiss[346] oder dem Arbeitslosen Walter und seiner Freundin Lisi). In einigen Szenen kommen die Forscher mit dem aufkeimenden Nationalsozialismus in Berührung, wozu es keine Hinweise in der Studie gibt. Auch die Handlung des Filmes entspricht nicht exakt den historischen Tatsachen. Z.B. schöpfen die Arbeitslosen kurz Hoffnung, als ein tschechischer Fabrikant über die Weiterführung der Fabrik mit der Werksleitung verhandelt und nach dem Scheitern der Gespräche der Abbruch der Fabrik beginnt.[347] Tatsächlich hatte man damit schon Monate vor dem Eintreffen der Forschergruppe in Marienthal angefangen.[348]
Trotzdem sind die Ähnlichkeiten mit der Studie unübersehbar. Der Film zeigt vor allem die unterschiedlichen Erhebungsmethoden sehr gut. Die Forschergruppe wird bei ihrer Feldarbeit gezeigt, sei es nun beispielsweise bei Gesprächen mit den Arbeitslosen über deren Essens- und Geldeinteilung oder mit Geschäftsleuten über deren Geschäftsgang oder beim Zählen von Wäschestücken in Arbeiterhaushalten. Auch die unterschiedlichen Hilfeleistungen werden dargestellt, wie z.B. die Kleideraktion, die ärztlichen Untersuchungen oder der Schnittzeichenkurs. In zahlreichen Szenen wird die Hoffnungslosigkeit der Arbeitslosen deutlich. Sie wurden unter anderem im Arbeiterheim herumsitzend, auf der Strasse stehend oder langsam gehend dargestellt. Interessant ist auch, dass in einer Szene das Kuriosum vom Anpflanzen von Blumen anstatt von Kartoffeln inszeniert wurde.[349]
Obwohl der Film nicht exakt die historische Studie wiedergibt bzw. wiedergeben kann, macht er das Elend vorstellbar. Die Realitätsnähe und die Qualität des Filmes werden nicht zuletzt durch einige Auszeichnungen, die »Einstweilen wird es Mittag« erhalten hat, bewiesen. Äußerst kritisch beurteilte jedoch die Mitautorin Marie Jahoda den Film:[350]
»Für bestimmte Fragen und Zwecke ist es wahrscheinlich ein guter Film. Nur wenn man persönlich beteiligt war, dann fallen einem die Ungenauigkeiten mehr als die Genauigkeiten auf. Er hat die persönlichen Beziehungen und die Einstellung der Arbeitslosen zu uns verfälscht. […] Der eine Kritikpunkt betraf meine Beziehung zum Paul. Sie ist implizit als romantische Liebesbeziehung beschrieben worden, was zu diesem Zeitpunkt nicht mehr den Tatsachen entsprach. Zum anderen kommt in dem Film eine Rebellion der Arbeitslosen gegen uns und gegen die Untersuchung vor, die es nie gegeben hat.«[351]
Der Österreichische Rundfunk strahlte den Film erstmals am 1. Mai 1988 aus.[352]
Nach der kurzen Darstellung der drei (zumindest zu einem großen Teil) in Marienthal entstandenem Nachfolgeprojekte gibt der nächste Abschnitt einen Überblick zur Situation der Arbeitslosigkeit in Österreich im Jahr 2008. Dadurch soll ein Vergleich zu den 1930er Jahren ermöglicht werden.[353]
Grundsätzlich kann bei Analysen der Kennzahlen zur österreichischen Volkswirtschaft festgestellt werden, dass sich die meisten ökonomischen Indikatoren seit dem Zweiten Weltkrieg überaus erfreulich entwickelt haben.[354] In den beiden letzten Jahrzehnten konnte Österreich von drei Ereignissen besonders profitieren:
1) Von der Ostöffnung seit dem Jahr 1989,
2) vom EU-Beitritt im Jahr 1995 und in Folge dessen von der Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion ab 1999 und
3) von der EU-Erweiterung im Jahr 2004.[355]
Österreich entwickelte sich – auch im internationalen Vergleich – zu einem attraktiven und wettbewerbsfähigen Produktionsstandort. Dies belegen unter anderem die starke Ausweitung der Industrieproduktion seit vielen Jahren, die zahlreichen ausländischen Investitionen und nicht zuletzt die großen Erfolge bei Exporten von Waren und Dienstleistungen.[356] So konnte beispielsweise die Exportquote von rund 37 % im Jahr 1996 auf 58,2 % im Jahr 2007 gesteigert werden.[357]
Diese beeindruckenden Zahlen wirken sich seit vielen Jahren sehr positiv auf die Anzahl der unselbständig Beschäftigten in Österreich aus. Im Durchschnitt des Jahres 2008 waren beispielsweise 3,420.494 Personen als unselbständig Beschäftigte tätig, was einen Zuwachs von 76.455 Personen gegenüber dem Vorjahr bedeutete.[358]
Dieser Anstieg bei der Anzahl der unselbständig Beschäftigten führte umgekehrt zu überaus positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Die Arbeitsmarktdaten für das Jahr 2008 zeigen eine Arbeitslosenquote von 5,8 % (nach österreichischer Berechnungsmethode), wie aus der nachfolgenden Aufstellung detailliert hervorgeht (siehe Darstellung 6):[359]
|
Vorgemerkte arbeitslose Personen |
Arbeitslosenquoten |
|||||||
Bundesland |
|
||||||||
Insgesamt |
|
Männer |
|
Frauen |
|
2008 |
2007 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Burgenland |
7.213 |
|
4.009 |
|
3.203 |
|
7,4 |
7,6 |
|
Kärnten |
16.254 |
|
8.868 |
|
7.386 |
|
7,2 |
7,3 |
|
NÖ |
35.174 |
|
19.400 |
|
15.773 |
|
5,9 |
6,3 |
|
OÖ |
21.654 |
|
11.502 |
|
10.151 |
|
3,5 |
3,6 |
|
Salzburg |
9.759 |
|
5.150 |
|
4.609 |
|
3,9 |
4,0 |
|
Steiermark |
30.896 |
|
17.518 |
|
13.378 |
|
6,1 |
6,4 |
|
Tirol |
16.397 |
|
8.534 |
|
7.862 |
|
5,2 |
5,3 |
|
Vorarlberg |
8.421 |
|
4.227 |
|
4.194 |
|
5,5 |
5,7 |
|
Wien |
66.487 |
|
39.601 |
|
26.886 |
|
7,8 |
8,5 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
ÖSTERREICH |
212.253 |
|
118.811 |
|
93.442 |
|
5,8 |
6,2 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Jahresdurch- |
222.248 |
|
124.346 |
|
97.902 |
|
6,2 |
- |
|
schnitt 2007 |
|
|
|
|
|||||
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Darstellung 6: Arbeitsmarktdaten im Jahresdurchschnitt 2008[360]
Die obige Statistik zeigt, dass die Arbeitslosenquote durchgängig in allen Bundesländern gegenüber dem Jahr 2007 zurückging. Im Durchschnitt waren im vergangenen Jahr 212.253 Personen zum jeweiligen Monatsstichtag arbeitslos gemeldet. Dies bedeutet einen Rückgang von rund 10.000 Arbeitslosen oder 4,5 % im Vergleich zum Vorjahr. Die Arbeitslosigkeit war im Jahr 2008 nach Bundesländern gereiht in Wien am höchsten und in Oberösterreich am niedrigsten.[361]
Die nach der OECD-Methode ermittelte Arbeitslosenquote betrug 2008 für Österreich 3,8 %. Im internationalen Vergleich lag Österreich damit sehr deutlich unter den Durchschnittswerten der OECD-Länder mit 6,1 % und der EU-15-Staaten mit 7,0 %. Innerhalb der EU-15 rangierte Österreich sogar auf dem ausgezeichneten dritten Platz, hinter den Niederlanden mit 2,8 % und Dänemark mit 3,5 %.[362]
Die bisher dargestellten, durchwegs erfreulichen Zahlen des Jahres 2008 zeichneten ein sehr positives Bild für die Zukunft der österreichischen Volkswirtschaft. Doch seit Herbst 2008 hat sich die Lage dramatisch verändert. Die gesamte Weltwirtschaft ist gehörig ins Wanken geraten. Mitte September musste die US-Investmentbank Lehman Brothers Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Konkursrechts beantragen. Als Folge daraus spitzte sich die Lage an den internationalen Finanzmärkten zu. Weltweit kamen zahlreiche Finanzkonzerne und Kreditinstitute massiv unter Druck, mussten teilweise mit Milliardenbeträgen staatlich unterstützt oder unter Hochdruck verkauft bzw. verstaatlicht werden. Mit Island musste sogar ein Staat der westlichen Hemisphäre Bankrott erklären – ein noch vor einigen Monaten undenkbares Szenario.[363]
Mittlerweile hat sich die Finanzkrise zu einer dramatischen Weltwirtschaftskrise ausgeweitet. Viele Volkswirtschaften sind bereits in eine Rezession geschlittert, die Arbeitsmarktlage in allen wirtschaftlich bedeutenden Staaten verschlechtert sich nahezu täglich. Die Auswirkungen sind bereits sehr deutlich auch in Österreich spürbar. Z.B. nahm die Arbeitslosenquote hierzulande schon gegen Jahresende 2008 deutlich zu. Sämtliche Wirtschaftsforschungsinstitute revidierten ihre Wirtschaftsprognosen für die nächsten Jahre ganz beträchtlich nach unten.[364]
Um die Auswirkungen dieser weltweiten wirtschaftlichen Krise möglichst zu begrenzen bzw. rasch einzudämmen, haben mittlerweile zahlreiche Nationen und Staatengemeinschaften enorme Mittel für Konjunkturpakete – frei nach der Forderung von Keynes nach staatlichen Eingriffen[365] – zur Verfügung gestellt. Allein das EU-weit koordinierte Maßnahmenpaket vom Dezember 2008 ist mit rund 200 Milliarden EUR oder etwa 1,5 % des EU-Bruttoinlandsproduktes[366] budgetiert. In erster Linie werden mit diesen Beträgen in den einzelnen Mitgliedsstaaten Investitionen in Bildung und Weiterbildung, in Infrastruktur und Energieeffizienz sowie in aktive Arbeitsmarktmaßnahmen finanziert.[367]
Ob die bisher eingeleiteten Maßnahmen den totalen wirtschaftlichen Absturz verhindern können, ist zurzeit noch ungewiss. Während der Großen Depression der 1930er Jahre kam es permanent zur Beschleunigung der Rezession. Damals begann – ähnlich wie heute – der Abschwung mit einer schweren Bankenkrise, in deren Folge kaum noch neue Kredite vergeben wurden. Danach wurde die so genannte Realwirtschaft – die Produktionsbetriebe – von der Krise erfasst und die Menschen verloren in Massen ihre Arbeitsplätze. Die Spirale drehte sich immer weiter und immer schneller nach unten.[368] Dieses Szenario scheint auch in der aktuellen Weltwirtschaftskrise möglich zu sein. Es droht wieder eine verheerende Beschleunigung des Abschwungs!
Mit diesen äußerst tristen Aussichten schließt das Teilkapitel über die aktuellen Entwicklungen am österreichischen Arbeitsmarkt. Wie viele Arbeitsplätze in Österreich aufgrund der aktuellen Weltwirtschaftskrise noch verloren gehen werden, wird in erster Linie vom Greifen der weltweit eingeleiteten, staatlichen Konjunkturpakete abhängig sein.
Marienthal heute, das waren per 31. Dezember 2008 insgesamt 1.299 Einwohner in 538 Haushalten (durchschnittlich 2,41 Personen pro Haushalt).[369] Das historische Marienthal hatte zum Zeitpunkt der Erhebungen im Rahmen der weltberühmten Studie 1.486 Einwohner, die in 478 Haushalten lebten (durchschnittlich 3,10 Personen pro Haushalt. [370]
Selbstverständlich unterscheidet sich das Marienthal der 1930er Jahre ganz wesentlich vom heutigen Marienthal. Dass sich das Ortsbild in 75 Jahren erheblich verändert hat, ist klar. Bereits erwähnt wurde z.B., dass sich Marienthal flächenmäßig erheblich vergrößert hat und im Zuge dessen einige neue Straßen und Gassen entstanden sind.[371] Die Gesellschaft – im Allgemeinen – entwickelte sich weiter. Es ist z.B. nahe liegend, dass sich heute aufgrund der unterschiedlichen Ausbildungsmöglichkeiten das Berufsbild des Einzelnen wesentlich vielfältiger darstellt als zum Zeitpunkt der Erarbeitung der berühmten Studie.[372] Der Wohlstand stieg enorm, wie beispielsweise an den zahlreichen Einfamilienhäusern im »gewachsenen« Marienthal deutlich erkennbar ist. Heutzutage gibt es kein ähnlich dominierendes Unternehmen im Ort,[373] wie dies einst die legendäre Textilfabrik war. Als Folge daraus arbeiten viele Bewohner außerhalb des Ortes,[374] wodurch Marienthal (bzw. Gramatneusiedl) heute als typische Pendlergemeinde im Umland von Wien zu bezeichnen ist.
Erwähnenswert ist sicherlich, dass es auch Ähnlichkeiten zwischen dem Marienthal einst und jetzt gibt, z.B. im Bezug auf Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund. Viele Menschen in den 1930er Jahren kamen ursprünglich aus Böhmen und Mähren, um in Marienthal zu arbeiten (und zu leben). Die heutigen Gastarbeiter, die teilweise seit vielen Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, stammen viele aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus der Türkei. Damals wie heute wanderten die Menschen nach Österreich aus, um zu arbeiten.
Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde eine aus 40 Fragen bestehende Fragensammlung für die heutige Marienthaler Bevölkerung entwickelt. Im Wesentlichen orientiert sich dieser Fragenkatalog an statistischen Angaben sowie an Hauptfragen[375] der historischen Marienthal-Untersuchung, an Erhebungen der Österreichischen Nationalbank und an Umfragen des IMAS-Instituts. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit können somit überaus interessante Vergleiche zu Resultaten anderer Untersuchungen – trotz unterschiedlicher Ansätze und zur Verfügung stehender Ressourcen – angestellt werden.
Der vorliegende Fragebogen beschäftigt sich im Wesentlichen mit dem Hauptthema dieser Diplomarbeit, der Arbeitslosigkeit. Im Besonderen sind die bisherigen Erfahrungen der Marienthaler Bevölkerung mit Arbeitslosigkeit und die Ängste bzw. Befürchtungen der Menschen im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise des Jahres 2009 von Interesse für die Beantwortung der in der Einleitung gestellten Forschungsfragen.[376] In Summe nahmen 74 Marienthaler Haushalte (rund 14 %)[377] im Zeitraum von Dezember 2008 bis Februar 2009 an dieser empirischen Untersuchung teil. Es gab drei Möglichkeiten, den Fragebogen beantworten zu können:
- Online über den Internetdienst www.2ask.de,
- schriftlich auf einem ausgedruckten Fragebogen oder
- im Zuge eines persönlichen Gespräches.
Im nachfolgenden Abschnitt werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Befragung im Detail vorgestellt, wobei sinnvoller weise die einzelnen Schwerpunkte in Unterkapitel zusammengefasst werden.
Wie bereits oben erwähnt, nahmen insgesamt 74 Marienthaler Haushalte an dieser Befragung teil, wobei diese ausschließlich im Ortsgebiet von Gramatneusiedl beheimatet waren. Bei 482 Haushalten im Gramatneusiedler Teil von Marienthal ergibt dies eine Befragungsquote von etwas mehr als 15 %.[378] Das nachfolgende Diagramm zeigt die Verteilung der befragten Haushalte nach ihrer Größe (siehe Darstellung 7):[379]
Darstellung 7: Verteilung der befragten Haushalte nach ihrer Größe[380]
Wie aus diesem Diagramm klar ersichtlich ist, bestanden die meisten Haushalte, die an der Befragung teilgenommen haben, aus zwei Personen (32 von 74 Haushalten). Interessant ist festzustellen, dass die durchschnittliche Größe der befragten Haushalte mit 2,45 Personen ziemlich genau dem Marienthaler Durchschnitt entsprach.[381] In Summe wurden 181 Personen von der Umfrage erfasst.[382]
Im statistischen Teil des Fragebogens wurde auch das Alter der im jeweiligen Haushalt lebenden Personen abgefragt. Angelehnt an die historische Marienthal-Studie wurden vier Kategorien gewählt, und zwar das Vorschulalter von 0 bis 5 Jahren, das Schulalter von 6 bis 15 Jahren, das Erwerbsalter von 16 bis 59 Jahren und das Greisenalter von über 60 Jahren.[383] Der Vergleich zwischen dem Altersaufbau der 1930er Jahre und dem heutigen (befragten) Marienthal bringt ein überraschendes Ergebnis (siehe Darstellung 8):[384]
Darstellung 8: Altersaufbau von Marienthal einst und jetzt[385]
Bei der Analyse der obigen Grafik verwundert doch sehr, dass sich der Altersaufbau der einzelnen Kategorien nur marginal unterscheidet. Es gibt nur eine Verschiebung von 3 % zwischen dem Erwerbsalter und dem Greisenalter, obwohl mehr als 75 Jahre zwischen den beiden Erhebungen liegen und man annehmen muss, dass die durchschnittliche Lebensdauer heute wesentlich höher ist als in den 1930er Jahren.
Maßgeblich für die früheren oder aktuellen beruflichen Aktivitäten der Marienthaler ist das Ausbildungsniveau. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit dem Hauptthema dieser Arbeit, der Arbeitslosigkeit, von zentraler Bedeutung. Grundsätzlich gilt, dass das Arbeitslosenrisiko umso geringer wird, je höher die Ausbildung des Einzelnen ist.[386] Aus diesem Grund widmete sich eine Frage speziell der höchsten, bisher abgeschlossenen Ausbildung der einzelnen Bewohner der befragten Haushalte (siehe Darstellung 9):[387]
Darstellung 9: Abgeschlossene Ausbildungen in befragten Haushalten[388]
Bemerkenswert an dieser Auswertung ist das niedrige Niveau der abgeschlossenen Ausbildungen. So gibt es beispielsweise keinen einzigen in dieser Umfrage erfassten Marienthaler, der eine Universität abgeschlossen hat. Auch wenn der Anteil der Universitätsabsolventen in Österreich im OECD-Vergleich sehr gering ist,[389] überrascht diese Feststellung.
In unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausbildung sind die Berufe bzw. Tätigkeiten der in der Umfrage erfassten Marienthaler zu sehen (siehe Darstellung 10):[390]
Darstellung 10: Berufe / Tätigkeiten in befragten Haushalten[391]
Auffällig an diesen Zahlen ist, dass von den 99 möglichen Berufstätigen[392] mehr als die Hälfte als Angestellte arbeiteten. Dass nur insgesamt 4 Personen in dieser Darstellung als Arbeitslose ausgewiesen sind, dürfte sich aufgrund der dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mittlerweile überholt haben. Dies kann nicht zuletzt aus dem vorher dargestellten, niedrigen Ausbildungsniveau und dem damit verbundenen höheren Arbeitslosenrisiko geschlossen werden.
Eine der spannendsten Fragen dieser Arbeit befasst sich mit den bisherigen Erfahrungen der heutigen Marienthaler Bevölkerung mit dem Problem der Arbeitslosigkeit. Wie bereits dargestellt,[393] litten zum Zeitpunkt der historischen Studie gleichzeitig mehr als 75 % der Familien, die rund 82 % der gesamten Einwohner Marienthals umfassten, unter der Arbeitslosigkeit. Die aktuelle Umfrage zeigt folgende Ergebnisse (siehe Darstellung 11):[394]
Darstellung 11: Betroffenheit von Arbeitslosigkeit in befragten Haushalten[395]
Auch wenn der daraus errechnete Prozentsatz von rund 57 % bisheriger Betroffenheit dramatisch erscheint, so muss doch betont werden, dass – im Gegensatz zu den 1930er Jahren – nicht alle Personen gleichzeitig arbeitslos waren. Ob eventuell mehr als eine Person im Haushalt in seinem bisherigen Berufsleben von Arbeitslosigkeit betroffen war, geht aus der Fragestellung nicht hervor. Weiters geht aus dieser Frage nicht hervor, wann die jeweilige Person arbeitslos war und wie alt sie heute ist. So zeigt beispielsweise die Verknüpfung dieser Frage mit den einzelnen Berufen bzw. Tätigkeiten, dass auch heutige Pensionisten im Laufe ihres Berufslebens von Arbeitslosigkeit betroffen waren, was mitunter schon viele Jahre zurückliegen kann.
Ebenfalls interessant ist die Frage, wie oft jemand, der heute in einem Marienthaler Haushalt lebt, schon von Arbeitslosigkeit betroffen war. Aus den 42 diesbezüglichen Antworten ergibt sich folgende Grafik (siehe Darstellung 12):[396]
Darstellung 12: Betroffenheit von Arbeitslosigkeit in befragten Haushalten[397]
Bedenklich erscheint, dass in immerhin 22 % der befragten Haushalte eine Person lebte, die bereits mehr als zweimal von Arbeitslosigkeit betroffen war. Interessant wäre in diesem Zusammenhang eine detailliertere Abstufung in Kombination mit der Information, in welchen Branchen die Personen vor der Arbeitslosigkeit tätig waren. Möglicherweise entstand die oftmalige Arbeitslosigkeit durch saisonale Schwankungen, wie z.B. in der Bauwirtschaft üblich.[398]
Eine weitere Frage befasste sich mit der maximalen Dauer der Arbeitslosigkeit, wobei dies im Zusammenhang mit der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« von Bedeutung ist, die primär die Folgen von lang andauernder Arbeitslosigkeit untersuchte. Unter Einbeziehung dieses Aspekts ist erwähnenswert, dass immerhin 13 von 42 der bisher Betroffenen (rund 31 %) mehr als 6 Monate arbeitslos waren.[399]
Eine Frage versuchte konkret zu klären, weshalb jemand arbeitslos wurde (siehe Darstellung 13 – Mehrfachantworten möglich):[400]
Darstellung 13: Gründe für Arbeitslosigkeit in befragten Haushalten[401]
Zurückkommend auf die unterschiedlichen Arten von Arbeitslosigkeit, die in einem früheren Kapitel erläutert wurden, finden sich in obiger Aufstellung alle vier bereits erläuterten Kategorien wieder, nämlich die friktionelle, die saisonale, die konjunkturelle und die strukturelle Arbeitslosigkeit. Der Wechsel des Arbeitgebers kann zur friktionellen Arbeitslosigkeit gezählt werden. Saisonale Schwankungen gehören eindeutig zur saisonalen Arbeitslosigkeit. Wirtschaftliche Probleme des Unternehmens könnten am ehesten der konjunkturellen Arbeitslosigkeit zugeordnet werden. Rationalisierungsmaßnahmen werden notwendig, wenn sich Strukturen im Unternehmen ändern (müssen), daher strukturelle Arbeitslosigkeit. [402] Mangelnde Qualifikation gab niemand als Grund für bisher erlittene Arbeitslosigkeit an, was allerdings aufgrund des niedrigen Ausbildungsniveaus angezweifelt werden muss.
Eine Frage sollte Klarheit schaffen, wie die Betroffenen im ersten Augenblick auf den Arbeitsplatzverlust reagierten. Hier zeigt sich, dass die Menschen offenbar mehrheitlich von ihrer Freisetzung überrascht wurden. In den einzelnen Kommentaren dazu spiegeln sich Enttäuschung, Niedergeschlagenheit und Ärger über den jeweiligen Arbeitsplatzverlust wieder. In seltenen Fällen war man sich offenbar sicher, schnell wieder neue Arbeit zu finden. Andere hingegen dürften gerade dies stark bezweifelt haben. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass keine einheitlichen Antworten zu dieser Frage gegeben wurden.[403]
Arbeit versuchte man im Bedarfsfall am ehesten über aktive Suche, d.h. über Bewerbungen für offene Stellen, über das Arbeitsmarktservice oder über Hilfestellung bei Verwandten und Bekannten wieder zu finden.[404]
In der Nachfolgestudie »Marienthal 1930 – 1980« wurde niedergeschrieben, dass viele Marienthaler die Studie von Lazarsfeld, Jahoda und Zeisel nur sehr oberflächlich oder gar nicht kannten.[405] Heute – mehr als 25 Jahre später – stellte sich abermals die Frage, ob die Marienthaler »ihre« Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« kennen. Das Ergebnis ist im Licht der Aussage aus dem Jahr 1982 überraschend, denn immerhin 2/3 der 74 Befragten bejahrten diese Frage.[406]
Dass dahinter auch teilweise sehr detailliertes Wissen zur Marienthal-Studie steckt, beweisen die insgesamt 38 anonymen Bemerkungen auf die Frage, was dem Befragten spontan zur historischen Untersuchung einfällt.[407] Hier sollen beispielhaft zwei wertvolle Kurzkommentare angeführt werden:
- »Die Erkenntnis, was Arbeit in der Gesellschaft für einen Stellenwert einnimmt, abgesehen vom Geldverdienen als Notwendigkeit zum (Über)Leben.«[408]
- »Erste große Querschnittsanalyse von Arbeitslosen, die in leicht verständlicher Sprache niedergeschrieben wurde.«[409]
Verantwortlich dafür, dass man die Studie heute – im Gegensatz zum Anfang der 1980er Jahre – in Marienthal wieder besser kennt, dürfte einerseits der Film »Einstweilen wird es Mittag« und andererseits die Forschungsarbeit von Reinhard Müller vom »Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich« sein. Müller besucht Marienthal im Rahmen seiner Tätigkeit regelmäßig und organisierte in den letzten Jahren mehrere Ausstellungen, die auch vor Ort gezeigt wurden.
Obwohl jedem Teilnehmer absolute Anonymität zugesichert werden konnte, waren speziell die Fragen zu Einkommen und Vermögen der wesentliche Grund, warum einige Marienthaler eine Teilnahme an der Umfrage ablehnten bzw. keinen ausgefüllten Fragebogen retournierten. Dennoch können aus den vorhandenen 74 aussagekräftigen Ergebnissen durchaus interessante Rückschlüsse auf die Einkommens- und Vermögenssituation der heutigen Marienthaler Bevölkerung gezogen werden.
Die erste Frage zu diesem Themenkomplex sollte klären, wie hoch das Nettomonatseinkommen des jeweiligen Haushaltes aktuell ist. Sinnvollerweise wurden hier keine exakten Werte abgefragt, da dies eine große Unschärfe in den Ergebnissen gebracht hätte. Stattdessen wurden in Anlehnung an eine Untersuchung der Österreichischen Nationalbank (in der Folge kurz ÖNB genannt) aus dem Jahr 2005 insgesamt fünf Einkommenskategorien definiert: Haushaltsnettoeinkommen pro Monat bis 749 EUR, von 750 bis 1.349 EUR, von 1.350 bis 2.249 EUR, von 2.250 bis 2.999 EUR und 3.000 EUR und mehr.[410] Die Antworten der Marienthaler Haushalte im Vergleich zur ÖNB-Studie sind in der folgenden Grafik übersichtlich zusammengefasst (siehe Darstellung 14):[411]
Darstellung 14: Nettomonatseinkommen der befragten Haushalte[412]
Auf den ersten Blick gibt es offensichtlich große Unterschiede. Grundsätzlich wurden in der ÖNB-Studie wesentlich mehr Daten verarbeitet als in der regional sehr eingeschränkten Befragung in Marienthal (1.430 zu 74 Datensätzen).[413] Höchstwahrscheinlich sind auch die Methoden zur Ermittlung des Nettohaushaltseinkommens pro Monat unterschiedlich. Dennoch ist es denkmöglich, dass die Werte stimmig sind. Einerseits könnte die Zusammensetzung der befragten Haushalte zu diesem unterschiedlichen Bild beitragen, wobei das niedrige Ausbildungsniveau in Marienthal eindeutig dagegen spricht. Andererseits könnte das Lohn- und Gehaltsniveau in Marienthal durch die Nähe zu Wien über jenem der österreichweit befragten Haushalte aus der ÖNB-Studie liegen. Die Stimmigkeit der aktuellen Marienthaler Daten kann somit erst im Kontext mit den weiteren Befragungsergebnissen beurteilt werden.
Bei der Betrachtung der Einkommen der einzelnen Marienthaler Haushalte ist eine wichtige Frage, wie sich diese zusammensetzen. Darüber gibt die nachfolgende Aufstellung Auskunft (siehe Darstellung 15):[414]
Darstellung 15: Zusammensetzung der Einkommen in befragten Haushalten[415]
Aufgrund der bereits dargestellten Berufe bzw. Tätigkeiten überrascht diese Auswertung kaum. Anzumerken ist, dass die Einkommen der einzelnen Bewohner des Haushaltes abgefragt wurden, woraus sich in Summe 100 Antworten für 74 Haushalte ergaben. Unter der Rubrik »Sonstiges« wurden Alimente, Notstandshilfe und Aufwandsentschädigungen genannt.[416]
Auf die Frage, wie sich die Einkommenssituation im Jahr 2009 entwickeln wird, gab man sich (noch) durchaus optimistisch. Zum Zeitpunkt der Befragung schätzten die teilnehmenden Marienthaler ihre Einkommensentwicklung für die nächsten 12 Monate folgendermaßen ein:[417]
- 1 Haushalt gab an, dass das Haushaltseinkommen stark steigen wird. Das würde einen Zuwachs von mehr als 10 % bedeuten.
- 27 Haushalte glauben, dass ihr Einkommen um bis zu 10 % steigen wird.
- 33 Haushalte gehen davon aus, dass ihr Einkommen gleich bleibt.
- 12 Haushalte befürchten, dass ihr Einkommen um bis zu 10 % sinken wird.
- 1 Haushalt sieht einen Rückgang des Einkommens um mehr als 10 %.[418]
Bei den Fragen zur Analyse der Vermögenssituation ist zunächst von Bedeutung, dass 17 von 74 befragten Haushalten mit insgesamt 49 Einwohnern Eigentümer eines Hauses sind.[419] Die große Mehrheit der Befragten lebt somit in einer Mietwohnung oder in einem gemieteten Haus.[420]
Beinahe 80 % der befragten Haushalte gaben an über finanzielle Reserven zu verfügen.[421] Die nächste Grafik zeigt einen Vergleich der Zusammensetzung der Reserven aller befragten Marienthaler Haushalte[422] mit den privaten Haushalten aus der ÖNB-Studie (siehe Darstellung 16):[423]
Darstellung 16: Finanzielle Reserven der befragten Haushalte[424]
Hier kann durchwegs festgehalten werden, dass die im Jahr 2005 erhobenen Werte – teilweise wesentlich – über den Angaben der aktuell befragten Haushalte liegen. Interessanterweise ist die Differenz beim Aktienbesitz am geringsten. Auffällig deutlich unterscheiden sich die Werte beim Anteil der Sparbuchbesitzer, der einfachsten Veranlagungsform. Daraus kann – ohne exakte Vermögenswerte ermittelt zu haben – geschlossen werden, dass die Marienthaler nicht über außergewöhnlich hohe Vermögen verfügen.
In weiterer Folge lassen sich nunmehr die Angaben der Marienthaler Haushalte im Bezug auf ihr aktuelles Einkommen relativieren. Wie aus der bereits mehrfach erwähnten ÖNB-Studie hervorgeht, besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Höhe des Nettoeinkommen und des Geldvermögens eines Haushaltes. Je höher das monatliche Nettoeinkommen umso höher das Geldvermögen.[425] Das bedeutet nun nach der detaillierten Analyse der Marienthaler Fragebogenergebnisse zum Themenkomplex Einkommen und Vermögen zusammenfassend, dass entweder grobe Unterschiede bei der Ermittlung der Haushaltsnettoeinkommen gegeben sind oder ein Teil der Befragten ihre Einkommen zu optimistisch darstellten.
In einem vorherigen Kapitel wurde bereits eingehend erläutert,[426] dass sich die Weltwirtschaft heute in der dramatischsten Abschwungphase befindet, die es (zumindest) seit den 1930er Jahren gegeben hat. Neben den bisherigen katastrophalen Folgen für Unternehmen, Volkswirtschaften und Menschen, die – wenn man den täglichen Negativmeldungen in den Medien glauben darf – immer zahlreicher und besorgniserregender werden, stellt sich die Frage, wie lange die Rezession dauern wird und wie die Menschen in Anbetracht dieser Ereignisse in ihre Zukunft blicken.
Ein wesentlicher Teil des dieser empirischen Untersuchung zugrunde liegenden Fragebogens möchte die persönlichen Einschätzungen der heutigen Marienthaler Bevölkerung zu ihrer Zukunft einfangen. Nachdem der Fragebogen erst im November 2008 endgültig fertig gestellt wurde, konnten zahlreiche Fragen schon unter dem Eindruck der beginnenden Weltwirtschaftskrise formuliert werden. Im Folgenden können die Ergebnisse der vorliegenden Befragung teilweise mit aktuellen, überregionalen Untersuchungen verglichen werden.
Die erste Frage versucht ganz allgemein, die persönlichen Perspektiven für die nächsten 12 Monate zu betrachten. Um einen Vergleich mit österreichweiten Daten herstellen zu können, werden die entsprechenden Ergebnisse aus den IMAS-Umfragen von September/Oktober 2008 bzw. Februar 2009[427] herangezogen (siehe Darstellung 17):[428]
Darstellung 17: Zukunftsbetrachtung der befragten Haushalte[429]
Grundsätzlich ist klar erkennbar, dass die befragten Marienthaler die Zukunft durchaus optimistischer sehen als die in den vergleichbaren IMAS-Umfragen Interviewten. Sicherlich spielt bei der Beurteilung dieser Ergebnisse die jeweilige Interviewsituation und die unterschiedlichen Umfragezeiträume eine bedeutende Rolle – abgesehen vom größeren Sample einer professionellen Befragung.
Bei der Frage, ob man persönlich fürchtet von der weltweiten Wirtschaftskrise betroffen zu sein, ergibt sich aufgrund der vorliegenden Ergebnisse ein ausgeglichenes Bild. 8 Haushalte beantworteten diese Frage mit »Ja«, 28 mit »Eher ja«, 30 mit »Eher nein« und wiederum 8 mit »Nein«.[430]
Interessant in diesem Kontext ist, wie die Marienthaler Haushalte bisher auf die aktuelle Wirtschaftslage reagierten. Auch hierzu gibt es Vergleichsdaten vom IMAS-Institut, die in die folgende Grafik eingearbeitet wurden (siehe Darstellung 18):[431]
Darstellung 18: Reaktion auf Wirtschaftsentwicklung in befragten Haushalten[432]
Auch zu dieser Frage scheint die Einstellung der befragten Marienthaler Haushalte tendenziell optimistischer zu sein als im österreichischen Durchschnitt.
Immerhin 58 % der Befragten gaben auf eine entsprechende Frage an, aufgrund der Weltwirtschaftskrise zukünftig sorgsamer mit ihren Haushaltsausgaben umgehen zu wollen. In erster Linie wolle man größere Anschaffungen verschieben, beim Urlaub sparen und sich bei Freizeitaktivitäten einschränken.[433]
Besonders interessant im Zusammenhang mit dem Thema Arbeitslosigkeit sind die Einschätzungen der befragten Marienthaler zu den Unternehmen, in denen sie beschäftigt sind, und in weiterer Folge zur Sicherheit ihres eigenen Arbeitsplatzes.
Als Einstieg in diesen Themenbereich sollte Auskunft darüber gegeben werden, wie die befragten Personen die Lage ihres Unternehmens zum Zeitpunkt der Erhebung beurteilten. Um die Daten vergleichbar zu machen, wurde das Schulnotensystem verwendet. Aus der nachfolgenden Grafik ist die Verteilung der insgesamt 54 abgegebenen Antworten ersichtlich (siehe Darstellung 19):[434]
Darstellung 19: Lageeinschätzung der beschäftigenden Unternehmen[435]
Auch hier fällt abermals die eher optimistische Beurteilung auf. Nur eine Person bewertete die Lage seines Unternehmens mit der schlechtesten Note. Der (Noten)Durchschnitt aller 54 Lageeinschätzungen liegt bei einem Wert von 2,28.[436]
Etwa 60 % der Befragten vermuteten, dass ihre Unternehmen von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffen sein werden.[437] Man rechnete mit Auftragsrückgängen, die teilweise schon empfindlich spürbar waren, und daraus resultierenden geringeren Umsätzen, mit Personalabbau und – ganz allgemein – mit Einsparungsmaßnahmen. Ein einziger von 32 Kommentaren gab an, dass die Wirtschaftskrise zu mehr Arbeit im Unternehmen führen werde, wobei es in diesem Fall sehr interessant wäre zu erfahren, um welches Unternehmen es sich handelt. Alle Befragten waren sich sicher, dass ihre Unternehmen die Wirtschaftskrise bewältigen werden.[438]
Auf die Frage, ob im eigenen Unternehmen wegen der aktuellen Wirtschaftskrise Arbeitsplätze verloren gehen werden, antworteten immerhin 68 % mit »Ja«.[439] Dass nur 5 von 38 befragten Marienthalern (rund 13 %) fürchteten, möglicherweise selbst ihren Arbeitsplatz verlieren zu können, ist höchst bemerkenswert.[440]
Die nächste Aufstellung unterstreicht nochmals diese Ambivalenz, denn sie zeigt im Detail, wie sicher der Einzelne seinen eigenen Arbeitsplatz einschätzte (siehe Darstellung 20):[441]
Darstellung 20: Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes der befragten Personen[442]
Aus dieser Darstellung ist ganz klar ein gewisses Maß an Zweckoptimismus erkennbar. Ohne die einzelnen Personen und Unternehmen im Detail zu kennen, scheint diese Selbsteinschätzung aufgrund des relativ niedrigen Ausbildungsniveaus der befragten Marienthaler Haushalte eher unrealistisch optimistisch zu sein. Im Durchschnitt ergeben alle 55 Bewertungen eine Note von 1,95. Die 5 Personen, die ihren eigenen Arbeitsplatz am unsichersten einschätzten, dürfen mit jenen 5 identisch sein, die am meisten um ihre Beschäftigung fürchteten.[443]
Ganz anders beurteilten die befragten Personen ihre Chancen am Arbeitsmarkt, für den hypothetischen Fall, dass sie ihren jetzigen Arbeitsplatz verlieren würden. Aus der nachfolgenden Grafik ist ersichtlich, wie die Erfolgsaussichten, umgehend einen neuen Arbeitsplatz zu finden, eingeschätzt wurden (siehe Darstellung 21):[444]
Darstellung 21: Einschätzung der Jobchancen der Befragten[445]
Diese Grafik unterscheidet sich eklatant von der vorigen Aufstellung. Dies bestätigt einerseits die Aussage vom Zweckoptimismus zur Frage der Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes und andererseits, dass man sich sehr wohl seiner Schwächen im Bezug auf die eigene Ausbildung bewusst ist. Selbstverständlich können auch persönliche Motive, wie beispielsweise Alter oder hohes Einkommen, diese Einschätzung wesentlich beeinflussen. Die durchschnittliche (Noten)Bewertung der eigenen Chancen am Arbeitsmarkt beträgt 3,02.[446]
Abgeschlossen wurde die empirische Untersuchung mit einer allgemeinen Frage zur Arbeitslosenunterstützung in Österreich und mit drei offenen Fragen zur aktuellen Weltwirtschaftskrise.
Um den 40-teiligen Fragebogen abzurunden, wurde hinterfragt, wie man in Österreich von der Arbeitslosenunterstützung nach Meinung der befragten Marienthaler leben könne.[447] Das Ergebnis ist im Zeitalter zahlreicher populistischer Politiker einigermaßen überraschend. Nur 2 von 74 Personen gingen davon aus, dass man »Sehr gut« von dieser Transferleistung leben könne. 8 Marienthaler antworteten auf diese Frage mit »Gut«, 25 mit »Befriedigend«, 27 mit »Genügend« und 12 mit »Nicht Genügend«. Dies ergibt im (Noten)Durchschnitt eine Bewertung von 3,51. In Anbetracht der Tatsache, dass die Arbeitslosenunterstützung – vereinfacht ausgedrückt – nur 55 % des letzten Entgeltes ausmacht, ist dies eine durchaus nachvollziehbare Meinung. Sicherlich bestand auch die Hoffnung der Umfrageteilnehmer, nicht in den »Genuss« dieser Leistung zu kommen.[448]
Die Frage nach den persönlichen Ängsten im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise brachte eine Vielzahl von Antworten. Ohne Zweifel am weitaus häufigsten wurde die Angst um den eigenen Arbeitsplatz genannt. Ebenfalls mit Sorge beobachtete man die Inflation und den damit verbundenen Anstieg der Lebenserhaltungskosten bzw. die daher notwendige Einschränkung des eigenen Lebensstandards. [449]
Interessant sind auch die Antworten auf die Frage, wie lange die aktuelle Wirtschaftskrise schätzungsweise dauern wird.[450] Die optimistischste der 55 Bemerkungen geht von einem Ende bis zur Mitte des Jahres 2009 aus, die pessimistischste Annahme fürchtet das Ende erst im Jahr 2015. Im Durchschnitt vermuten die Marienthaler Befragten, dass die Krise in etwa 2,1 Jahren beendet sein wird.[451] Eine aktuelle IMAS-Umfrage, die Ende Jänner/Anfang Februar 2009 mit 800 Personen durchgeführt wurde, kam auf eine durchschnittliche Dauer der Krise von 2,6 Jahren.[452]
Wenig konkret sind die Antworten auf die letzte Frage der empirischen Untersuchung im heutigen Marienthal. Es bestand die Möglichkeit seine Meinung zu äußern, wem man am ehesten zutraue, zur Beendigung der aktuellen Wirtschaftskrise beizutragen. Diejenigen, die antworteten, nannten zumeist nur die Politik im Allgemeinen. Dies war jedoch zugegebenermaßen eine schwierige, wenn nicht sogar unlösbare Aufgabe.[453]
Durch die Vielzahl der aus der Fragebogen-Untersuchung gewonnenen Informationen ist es notwendig, die wichtigsten Erkenntnisse nochmals komprimiert zusammenzufassen.
Marienthal besteht heute aus 538 Haushalten mit insgesamt 1.299 Einwohnern (Stand per 31. Dezember 2008). An der empirischen Untersuchung der Marienthaler Bevölkerung, die von Dezember 2008 bis Februar 2009 durchgeführt wurde, nahmen 74 Haushalte mit insgesamt 181 Einwohnern teil.
Der Ortsteil wurde durch die Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« weltberühmt. Laut den Angaben in der historischen Studie waren mehr als 75 % der Familien oder rund 82 % der gesamten Bevölkerung Marienthals von der Massenarbeitslosigkeit im Ort betroffen.
In Anknüpfung an diese dramatischen historischen Zahlen war es sehr interessant zu erfahren, dass in rund 57 % (oder in 42) der aktuell befragten 74 Marienthaler Haushalten mindestens eine Person lebte, die in ihrem Berufsleben bereits arbeitslos war. Diese Prozentangabe relativiert sich etwas, da – im Gegensatz zu den 1930er Jahren – nicht alle Personen gleichzeitig arbeitslos waren.
Die in den 42 Haushalten lebenden Personen waren zu 45 % erst einmal, zu 33 % bereits zweimal und zu 22 % schon mehrmals von Arbeitslosigkeit betroffen. Bemerkenswert, dass rund 31 % (oder 13 Personen) der bisher Betroffenen sogar schon länger als 6 Monate arbeitslos waren. Als Hauptgründe für den Arbeitsplatzverlust gaben die Umfrageteilnehmer den Wechsel des Arbeitgebers und wirtschaftliche Probleme des Unternehmens an.
Interessant sind auch die Angaben zur Einkommens- und in weiterer Folge zur Vermögenssituation der heutigen Marienthaler Bevölkerung. Dass es im historischen Marienthal nur sehr bescheidene Einkommen und kaum Vermögenswerte gab, wurde bereits in einem vorigen Kapitel dargelegt.[454] Aufgrund der Antworten der Umfrageteilnehmer ergibt sich ein durchaus erfreuliches Bild zur heutigen Einkommenssituation in Marienthal. Keiner der Befragten gab an, weniger als 750 EUR im Monat zu verdienen. Im Gegensatz dazu konnten laut eigenen Angaben 26 % der Befragten über ein Monatseinkommen von mehr als 3.000 EUR verfügen. Beim Vergleich dieser Ergebnisse mit jenen einer ÖNB-Studie aus dem Jahr 2005 zeigt sich, dass es entweder unterschiedliche Ansätze bei der Ermittlung der Haushaltsnettoeinkommen gab oder ein Teil der Befragten ihre Einkommen einfach zu optimistisch darstellten. Keinesfalls jedoch ist die Einkommenssituation so trist wie zur Zeit der Erstellung der historischen Marienthal-Studie.
Im Zusammenhang mit der Vermögenssituation der heutigen Marienthaler Bevölkerung ist festzuhalten, dass immerhin 80 % der Befragten angaben, über finanzielle Reserven zu verfügen. Wie hoch diese Reserven sind, wurde nicht hinterfragt, da die Gefahr bestanden hätte, keine zufrieden stellenden Antworten zu erhalten. Es wurde lediglich der Anteil der Besitzer einzelner Vermögenswerte (wie z.B. Sparbuch oder Bausparen) an der Gesamtheit der befragten Marienthaler Haushalte erhoben. Hier zeigt der Vergleich mit der ÖNB-Studie aus dem Jahr 2005, dass die nun ermittelten Werte – teilweise wesentlich – unter den österreichweit erhobenen Prozentanteilen liegen. Da ein direkter Zusammenhang zwischen der Höhe des Nettoeinkommens und des Geldvermögens eines Haushaltes besteht, dürften die Vermögen der Marienthaler keinesfalls überdurchschnittlich hoch sein. Auch hier ist beim Blick zurück festzuhalten, dass es im Marienthal der 1930er Jahre kaum nennenswerte Vermögenswerte gab.
Die Lage des eigenen Unternehmens schätzten die Befragten mit einer Durchschnittsnote von 2,28 eher optimistisch ein, obwohl 60 % glaubten, dass ihr Betrieb von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffen sein wird. Immerhin 68 % waren davon überzeugt, dass als Folge der Krise Arbeitsplätze in ihren Unternehmen verloren gehen würden. Nur 5 Personen fühlten sich zum Zeitpunkt der Befragung akut bedroht. Bei der Frage nach der Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes errechnet sich eine Durchschnittsnote von sehr optimistischen 1,95. Die eigenen Chancen am Arbeitsmarkt – im in der Fragestellung angenommenen hypothetischen Fall des Arbeitsplatzverlustes – wurden mit einer Durchschnittsnote von 3,02 ungleich pessimistischer eingeschätzt.
Durch die täglichen Negativmeldungen im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Angaben zum eigenen Arbeitsplatz mittlerweile schon überholt haben.
Am Beginn dieses Kapitels wurde die Geschichte Marienthals seit der Schließung der legendären Textilfabrik bis zum heutigen Tag nachgezeichnet.
Mit dem Ende des einzigen Großbetriebes veränderte sich das Leben im Ort ab Februar 1930 dramatisch. Die Menschen im erwerbsfähigen Alter waren fast ausnahmslos ohne Arbeit. Soziale Einrichtungen, die von der Fabrik finanziert wurden, mussten geschlossen werden. Die finanzielle Lage der Gemeinde Gramatneusiedl verschlechterte sich – vor allem aufgrund der großen Zahl an Arbeitslosen – dramatisch. Die Umsätze der Geschäftsleute und der Gewerbetreibenden brachen ein. Weite Teile der ehemaligen Textilfabrik wurden abgerissen.
Im Frühjahr 1933 siedelte sich eine kleine Spinnerei der Wiener Firma Walter Prade in der ehemaligen Textilfabrik an. Im Jahr 1934 folgte ein zweiter Textilbetrieb, jener des Wiener Unternehmers Kurt Sonnenschein, bestehend aus einer mechanischen Weberei und Appretur. Beide Unternehmen beschäftigten nur wenige Mitarbeiter – Ende 1933 zirka 35, 1934 etwa 80, in den Jahren von 1935 bis 1937 ungefähr 140 und 1938 schließlich 170.
Im April 1939 stellte die Wiener Firma Walter Prade den Betrieb ein und das Unternehmen von Kurt Sonnenschein wurde zwangsarisiert. Während des Zweiten Weltkrieges stellte man die Produktion auf Heeresbedarf um, wobei das Unternehmen endgültig im November 1944 kriegsbedingt stillgelegt werden musste.
Bereits im Sommer 1945 begannen die Instandsetzungsarbeiten in der Textilfabrik Kurt Sonnenscheins, der sein Unternehmen aber erst im Jahr 1953 restituiert bekam. Bis zu 100 Beschäftigte hatte der Betrieb, der im März 1958 wieder eingestellt wurde. Schon im September 1958 startete die Seiden- und Baumwollweberei des Wiener Textilunternehmers Justinian Karolyi seine Fertigung in Marienthal. Doch das Unternehmen überlebte keine zwei Jahre und wurde Ende August 1960 wegen massiver Absatzschwierigkeiten stillgelegt. Karolyi betrieb in weiterer Folge eine Näherei im Ort, wobei deren Geschichte durch zahlreiche Eigentümerwechsel geprägt ist. Am 16. Februar 1975 wurde das letzte Nachfolgeunternehmen der legendären Textilfabrik Marienthal geschlossen und somit endete auch die traditionsreiche Geschichte der Textilindustrie in Marienthal.
Heute befinden sich zwei nennenswerte Unternehmen auf dem Gelände der ehemaligen Textilfabrik. Das »Raiffeisen-Lagerhaus Wiener Becken, Filiale Gramatneusiedl« betreibt bereits seit 1939 seine Werkstätten in einer Zweigstelle in Marienthal. Der zweite Betrieb besteht seit 1961 im Ort und nennt sich nach einer wechselvollen Geschichte heute »Evonik Para-Chemie GmbH«. Man erzeugt ein breites Spektrum von Acrylglasprodukten in einem modernen Industrieunternehmen.
Um die Darstellung der Geschichte Marienthals abzurunden, wurden drei ausführliche Interviews mit Zeitzeugen der Arbeitslosenzeit in den 1930er Jahren geführt. Die Interviewpartner, eine Frau und zwei Männer, wurden zwischen 1923 und 1927 geboren und waren daher noch jung als die Textilfabrik im Jahr 1930 geschlossen wurde. Dennoch ermöglichen diese Gespräche einen authentischen Einblick in das Leben der Marienthaler in jener Zeit.
Frau L.N. wurde 1924 geboren und lebte als eines von vier Kindern mit ihrer allein erziehenden Mutter in – selbst für die damalige Zeit – ärmlichen Verhältnissen. Möglicherweise aus diesem Grund erzählte sie ausführlich vom geringen Verdienst und vom sehr bescheidenen Lebensstandard in den 1930er Jahren. Arbeitslos war in ihrer Familie in dieser schwierigen Zeit niemand. Ihre Mutter und ihr ältester Bruden waren berufstätig, sie und ihre beiden anderen Geschwister gingen noch zur Schule. Dennoch musste mit dem verfügbaren Haushaltseinkommen sehr sorgsam umgegangen werden. Besonders die gegenseitige Hilfsbereitschaft der damaligen Marienthaler Bevölkerung hat sich bis heute eingeprägt.
Herr J.D. wurde im Jahr 1927 als Nachkomme tschechischer Vorfahren geboren. Seine Kindheitserinnerungen sind stark von den politischen Entwicklungen jener Zeit geprägt, wobei sein Vater – in der Zeit des Austrofaschismus und Nationalsozialismus – als Kommunist ständig der Gefahr ausgesetzt war, entdeckt zu werden. Da der Vater immer Arbeit und einen guten Verdienst hatte, kannte man keine materiellen Schwierigkeiten in dieser Familie. Herr J.D. schilderte anhand von einigen bedrückenden Beispielen die große Not vieler Marienthaler in den 1930er Jahren. Auch er hob ausdrücklich die gegenseitige Hilfsbereitschaft in diesen schwierigen Jahren hervor.
Herr L.K. wurde im Jahr 1923 geboren und hatte – wie Herr J.D. – tschechische Vorfahren. Er war der einzige Interviewpartner, die sich noch an die aktive Zeit der Textilfabrik Marienthal zurückerinnern konnte, wobei ihn bis heute die weit reichende Organisation des Unternehmens fasziniert. Sein Vater verdiente für die damalige Zeit sehr gut, wodurch sich diese Familie mehr leisten konnte, z.B. den Schulbesuch von Herrn L.K. in einer modernen, tschechischen Schule in Wien. Auch dieser Interviewpartner schilderte einige höchst interessante Episoden aus der Arbeitslosenzeit in Marienthal.
Im nächsten Abschnitt dieser Arbeit wurden zwei Nachfolgestudien und ein Filmprojekt vorgestellt, die alle sehr stark auf die historische Untersuchung »Die Arbeitslosen von Marienthal« Bezug nahmen.
Die erste kleine Nachfolgestudie wurde im Jahr 1973 von Johann Past, der noch heute als Hauptschullehrer in Gramatneusiedl tätig ist, verfasst. Interessant sind seine Ergebnisse zum Lebensstandard und Wohlstand im Ort des Jahres 1973. Er unternahm auch den Versuch, einzelne Untersuchungen des historischen Projektteams zu wiederholen.
Die zweite, wesentlich umfangreichere Nachfolgestudie stammt von Michael Freund, János Marton und Birgit Flos, die von August 1979 bis Dezember 1981 regelmäßig in Marienthal an diesem Projekt arbeiteten. Die Autoren dieser Nachfolgestudie führten eine sozialpsychologische Untersuchung durch, wobei deren Beobachtungen und die daraus resultierenden Ergebnisse zum sozialen Leben im Ort zusammengefasst wurden. Bemerkenswert aus heutiger Sicht ist der Versuch, einerseits Teile der historischen Marienthal-Studie zu wiederholen und andererseits neue Methoden und Medien einzusetzen.
Im Mai und Juni 1987 entstand unter der Regie von Karin Brandauer eine Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm mit dem Titel »Einstweilen wird es Mittag«, der teilweise an Originalschauplätzen in Marienthal gedreht wurde. Obwohl der Film nicht exakt die historische Studie wiedergeben kann, sind die Ähnlichkeiten unübersehbar. Der Film handelt von einer Wiener Forschergruppe, welche die Folgen von Arbeitslosigkeit, die durch die Schließung einer im Ort ansässigen Textilfabrik entstand, untersucht. Obwohl das Werk einige Auszeichnungen bekam, wurde es von der Mitautorin der historischen Studie, Marie Jahoda, heftig kritisiert.
Im nachfolgenden Kapitel wurde die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich im Jahr 2008 näher analysiert. Sämtliche Kennzahlen und Statistiken zeigen ein überaus erfreuliches Bild, dass auch durch den internationalen Vergleich bestätigt werden konnte. Im Jahresdurchschnitt 2008 waren mit 212.253 Personen rund 10.000 Menschen weniger arbeitslos als im Vorjahr. Dies bedeutete eine Arbeitslosenquote von 5,8 % nach nationaler Berechnung und von 3,8 % nach OECD-Methode – und somit den dritten Rang innerhalb der EU-15-Länder.
Doch seit Herbst 2008 hat sich die Lage der gesamten Weltwirtschaft dramatisch verändert. Ausgelöst durch den Zusammenbruch einiger nordamerikanischer Großbanken schlitterten mittlerweile viele Volkswirtschaften in eine tiefe Rezession. Die Arbeitsmarktlage in allen wirtschaftlich bedeutenden Staaten verschlechtert sich beinahe täglich. Die verheerenden Auswirkungen dieser Entwicklungen sind auch in Österreich sehr deutlich zu spüren, z.B. anhand der Arbeitslosenquote, die im Vergleich zum Vorjahr förmlich explodiert. Sämtliche Wirtschaftsforschungsinstitute und internationalen Organisationen revidierten ihre Prognosen für die nächsten Jahre deutlich nach unten.
Abgeschlossen wurde dieses Kapitel mit der Präsentation der Ergebnisse einer im Rahmen dieser Diplomarbeit durchgeführten Befragung der heutigen Marienthaler Bevölkerung. Insgesamt beteiligten sich 74 Haushalte mit 181 Einwohnern an dieser Untersuchung, die von Dezember 2008 bis Februar 2009 durchgeführt wurde. Die wichtigsten Resultate wurden bereits in einem eigenen, vorigen Teilabschnitt zusammengefasst.[455]
Nachdem nun die gewählte Themenstellung ausführlich behandelt wurde, werden im abschließenden Kapitel die Inhalte dieser Arbeit nochmals kurz zusammengefasst und in diesem Zusammenhang auch die gestellten Forschungsfragen umfassend beantwortet. Diese Diplomarbeit endet mit einem Ausblick auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich im Allgemeinen und in Marienthal im Speziellen.
Die vorliegende Diplomarbeit verglich die Situation der Menschen, die während der Erstellung der weltberühmten Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« in den 1930er Jahren im Ort lebten, mit jener der heutigen Bevölkerung Marienthals. Im ersten, volkswirtschaftlichen Teil der Arbeit wurde das Thema »Arbeitslosigkeit« im Überblick beleuchtet, wobei nur die für diese Arbeit relevanten Aspekte beschrieben wurden. Das nächste Kapitel beschäftigte sich im Wesentlichen mit der Geschichte der legendären Textilfabrik Marienthal bis zu deren Schließung, mit der historischen Marienthal-Studie und mit der Arbeitslosigkeit in Österreich in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Der Hauptteil dieser Arbeit behandelte die Geschichte des Industriestandorts Marienthal von der Schließung der Textilfabrik bis heute, Interviews mit drei Zeitzeugen aus der Arbeitslosenzeit, die wichtigsten Nachfolgeprojekte der historischen Studie, die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich im Jahr 2008 und – als zentralen Bestandteil – die Präsentation der Resultate der Fragebogenuntersuchung im heutigen Marienthal.
Das Ziel dieser Diplomarbeit ist die umfassende Beantwortung der drei in der Einleitung gestellten Forschungsfragen. Alle drei in der Folge ausformulierten Antworten basieren auf der bereits mehrfach erwähnten Fragebogenuntersuchung, an der 74 von 538 Haushalten (rund 14 %) teilnahmen.
Bezug nehmend auf die erste Forschungsfrage, in wie weit die heutige Marienthaler Bevölkerung bisher von Arbeitslosigkeit betroffen war, zeigte sich folgendes Bild. Beachtliche 57 % der befragten Haushalte (exakt 42 von 74) gaben an, dass zumindest eine Person des Haushaltes in ihrem bisherigen Berufsleben arbeitslos war. Zum Zeitpunkt der Befragung lebten (nur) 4 Arbeitslose in diesen 74 Haushalten. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Frage, wie oft jemand bisher von Arbeitslosigkeit betroffen war: 45 % waren nur einmal, 33 % schon zweimal und 22 % sogar mehrmals arbeitslos. Bemerkenswert auch, dass rund 31 % der bisher Betroffenen (13 von 42) länger als 6 Monate ohne Arbeit waren. Ohne Zweifel sind diese Zahlen nicht mit den Angaben in der historischen Marienthal-Studie vergleichbar, wo mehr als 75 % der Familien oder rund 82 % der Gesamtbevölkerung von der Arbeitslosigkeit im Ort betroffen waren.
Die zweite Forschungsfrage sollte klären, wie sich die Einkommens- und in weiterer Folge die Vermögenssituation der heutigen Marienthaler Bevölkerung im Vergleich zu den »Arbeitslosen von Marienthal« darstellt.
Die historische Studie hält fest, dass am Beginn der 1930er Jahre nur wenige Marienthaler Arbeit hatten und die meisten von der Arbeitslosenunterstützung oder von der Notstandshilfe lebten. Einige waren sogar »ausgesteuert«[456] und erhielten somit kein Geld mehr von staatlichen Stellen. Im Allgemeinen müssen die Einkommen im Ort als sehr bescheiden bezeichnet werden, man konnte sich kaum das eigene (Über)Leben leisten.
Im Vergleich dazu sind die Einkommen der heutigen Marienthaler Bevölkerung überaus erfreulich. Keiner der befragten Haushalte gab an, weniger als 750 EUR pro Monat zu verdienen. 8 % der Befragten bezogen Monatseinkommen von 750 bis 1.349 EUR, 35 % von 1.350 bis 2.249 EUR und 31 % von 2.250 und 2.999 EUR. Immerhin 26 % der Umfrageteilnehmer konnten über ein Monateinkommen von mehr als 3.000 EUR verfügen. Auch wenn diese Angaben beim Vergleich mit einer ÖNB-Studie aus dem Jahr 2005 als zu optimistisch erscheinen, ist die Einkommenssituation keinesfalls so trist wie zur Zeit der Erstellung der historischen Untersuchung.
In der Marienthal-Studie finden sich keine nennenswerten Angaben zu Vermögenswerten. Dies verwundert keineswegs, da es einen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und der Höhe des Vermögens gibt. Da die damalige Bevölkerung Marienthals aufgrund der lang andauernden Arbeitslosigkeit nur über sehr geringe Einkommen verfügte, konnte kein Vermögen angehäuft werden bzw. eventuelle Reserven waren schon längst verbraucht.
Die Auswertung der Fragebogenuntersuchung zeigt, dass immerhin 80 % der Befragten über finanzielle Reserven verfügen. Demnach hatten rund zwei Drittel der Marienthaler Haushalte ein Sparbuch, etwa die Hälfte eine Lebensversicherung und genau jeder zweite einen Bausparvertrag.[457] Die Höhe der jeweiligen Vermögen wurde nicht ermittelt. Aber auch hier ist klar, dass – im Gegensatz zu den 1930er Jahren – zumindest große Teile der heutigen Marienthaler über Vermögensreserven verfügen können.
Die dritte Forschungsfrage stand bereits im Zeichen der aktuellen Weltwirtschaftskrise. Gefragt wurde, ob die heutigen Marienthaler Erwerbstätigen fürchteten, als Folge dieser Krise in absehbarer Zukunft ihre Arbeitsplätze zu verlieren.
Obwohl rund 68 % der Befragten angaben, dass in ihrem Unternehmen Arbeitsplätze als Folge der Krise verloren gehen werden, fürchteten nur 13 % tatsächlich um ihren eigenen Arbeitsplatz. Man fühlte sich relativ sicher, den Arbeitsplatz nicht zu verlieren, wie auch die Durchschnittsbewertung von 1,95 (nach Schulnotensystem) auf eine dementsprechende Frage belegte. Zum Zeitpunkt der Befragung waren – wie bereits erwähnt – (nur) 4 Personen arbeitslos. Weniger optimistisch schätzten die Befragten ihre Jobchancen am Arbeitsmarkt für den hypothetischen Fall des Arbeitsplatzverlustes ein. Die durchschnittliche (Noten)Bewertung der eigenen Chancen am Arbeitsmarkt wurde mit nur 3,02 eingeschätzt.
Anzumerken ist sicherlich, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit dem Start der Fragebogenuntersuchung wesentlich verschlechtert haben. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass eine gleich lautende Befragung am heutigen Tag erheblich pessimistischere Ergebnisse bringen würde.
Nach der umfassenden Beantwortung der drei Forschungsfragen folgt nun abschließend ein Ausblick auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich und in Marienthal.
Als Folge der internationalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise prognostizierten die Experten des Internationalen Währungsfonds für das Jahr 2009 ein globales Wachstum von nur 0,5 % – und damit den niedrigsten Wert seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Nach den im Jänner 2009 veröffentlichten Daten werden die Volkswirtschaften der hoch industrialisierten Länder deutlich schrumpfen und jene der Entwicklungsländer deutlich langsamer wachsen als in den vergangenen Jahren. Wie schwierig die Prognosen und wie turbulent die Zeiten sind, unterstreicht beispielsweise die Tatsache, dass die Vorschau von November 2008 für das heurige Jahr noch ein Wachstum um immerhin 1,75 % vorsah.[458]
Spätestens seit Jahresende 2008 wird auch Österreich immer stärker in den Sog der internationalen Krise hineingezogen. Bereits im 4. Quartal 2008 schrumpfte das BIP um 0,4 %.[459] Dies war somit das erste Quartal mit negativem Wachstum seit 2001 (damals als Folge des Platzens der Internet-Blase).[460]
Nachdem sich dieses Negativwachstum (zumindest) im Jahr 2009 fortsetzen wird, befindet sich Österreich – wie viele andere Länder auch – in einer Rezession. Die aktuellen Prognosen bestätigen diese Aussage. So rechnete die ÖNB mit einem BIP-Wachstum von -0,3 % (Stand Dezember 2008), das WIFO mit -0,5 % (ebenfalls Stand Dezember 2008) und die EU-Kommission mit -1,2 % (Stand Jänner 2009).[461] Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es bisher nur im Jahr 1975 eine ausgeprägte Rezession in Österreich, damals als Folge der Erdölkrise, mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um -0,4 %.[462]
Wie von Keynes seinerzeit gefordert, versuchen weltweit viele Staaten – auch Österreich – mit milliardenschweren Konjunkturpaketen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu steigern, um den Abschwung möglichst aufzuhalten oder zumindest einzubremsen. Doch die verschiedenen Maßnahmen scheinen noch nicht zu greifen, wie ein Blick auf die aktuellen Arbeitslosenzahlen in Österreich belegt. Im Jänner 2009 gab es insgesamt 301.529 gemeldete Arbeitslose, was einer Steigerung der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres von rund 33.000 Personen entsprach.[463] Noch dramatischer präsentierten sich die Arbeitslosenzahlen für Februar 2009. Mit Monatsende waren 301.695 Personen arbeitslos gemeldet, was 57.842 Betroffene oder 23,7 % mehr bedeutete als im Februar 2008.[464]
Aufgrund dieser Zahlen ist zu befürchten, dass die aktuellen Prognosen für Österreich im Bezug auf die Arbeitslosenquote nicht halten werden. Die ÖNB ging von einer Arbeitslosenquote (nach OECD-Methode) von 4,2 % für 2009 bzw. 4,8 % für 2010 aus (Stand Dezember 2008), das WIFO sah 3,9 % für 2009 bzw. 4,1 % für 2010 (ebenfalls Stand Dezember 2008) und die EU-Kommission rechnete mit 5,1 % bzw. 6,1 % (Stand Jänner 2009).[465]
Da es keine Daten speziell für Marienthal gibt, müssen die Zahlen von Gramatneusiedl herangezogen werden. Per 31. Jänner 2009 waren insgesamt 92 Gramatneusiedler arbeitslos gemeldet. Das bedeutete einen Anstieg der Arbeitslosenrate von 17,9 % oder von 14 Personen gegenüber dem Vergleichsmonat im Vorjahr.[466] Noch besorgniserregender endete der Februar 2009. Die absolute Zahl an Arbeitslosen im Ort ging zwar auf 87 Personen zurück, jedoch bedeutete dies einen dramatischen Anstieg von 35,9 % gegenüber dem Vorjahreswert. Oder anders ausgedrückt, waren heuer 23 Personen mehr arbeitslos gemeldet als per 28. Februar 2008.[467]
In Anbetracht dieser Tatsachen kann der Ausblick in die Zukunft aus meiner Sicht nicht positiv ausfallen. Es ist zu befürchten, dass noch viele Arbeitsplätze aufgrund der aktuellen Weltwirtschaftskrise verloren gehen werden – auch in Marienthal.
Wünschenswert wäre die Wiederholung der aktuell vorliegenden Befragung in zeitlich regelmäßigen Abständen, um die Ergebnisse vergleichen und die weitere Entwicklungen dokumentieren zu können. Wenn zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stehen würden, könnte die Anzahl der Teilnehmer signifikant gesteigert werden. Marienthal wird jedenfalls auch zukünftig für Forschende aus aller Welt von Interesse sein, denn diese niederösterreichische Arbeitersiedlung ist durch die berühmte Studie aus den 1930er Jahren untrennbar mit dem Thema »Arbeitslosigkeit« verbunden.
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Anlage 1: Transkription des Interviews mit Frau L.N.
Das nachfolgende Gespräch wurde am 14. Dezember 2008 in der Wohnung von Frau L.N. geführt. Frau L.N. wurde im Jahr 1924 geboren und lebte in den 1930er Jahren als eines von vier Kindern mit ihrer allein erziehenden Mutter in Marienthal. Laut Aussage eines anderen Interviewpartners, Herrn L.K., war diese Familie selbst für damalige Marienthaler Verhältnisse arm.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?
Meine Erinnerungen – wie soll ich sagen – sind fast die schlechtesten. Die Erinnerungen sind nur deswegen gut, weil jeder für jeden da war, weil wir alle miteinander vom Elend betroffen waren. Ob jemand ein paar Schilling in der Woche verdient hat oder ob jemand arbeitslos war, da war nicht viel Unterschied. Damals war der Verdienst sehr gering und der Lebensstandard sehr bescheiden. Heute hat man 1 kg Zucker im Küchenschrank stehen, damals hatte man ¼ kg und musste damit fast einen Monat lang auskommen. Man konnte sich 5 dag Öl kaufen, um ein bisschen davon in den Salat zu geben. Oder wenn unsere Mutter einmal in drei Monaten Butter kaufen konnte, dann hat es nicht so wie heute ein ¼ kg gegeben sondern nur 5 dag. Ich erinnere mich, wie sie dastand und an einer Ecke des Brotes mit dem Messer angesetzte und – wie wenn man sich rasieren würde – nur die Poren mit Butter verschmierte. Das Brot hat sie selbst zubereitet und wir Kinder haben es am Weg in die Schule zum Bäcker gebracht, der es dann gebacken hat. Wir haben einmal – das ist nur so eine Episode –, weil jeder ein Scherzerl[468] wollte, rundherum je ein Stück vom ganzen Leib abgeschnitten, sodass nur mehr ein Viereck übrig blieb und jeder von uns vier Kindern ein Scherzerl essen konnte. Ich habe geglaubt, die Mutter trifft der Schlag.
War damals jemand in Ihrer Familie von Arbeitslosigkeit betroffen?
Eigentlich nicht. Meine Mutter hat in Unterwaltersdorf in einer Weberei gearbeitet, die im Jahr 1934 abbrannte. Der Besitzer, der Sonnenschein, hat dann die Weberei in Marienthal gekauft und teilweise seine Leute aus Unterwaltersdorf mitgenommen, wie z.B. auch meine Mutter. Sie musste dann nicht mehr jeden Tag um 5 Uhr früh mit dem Zug nach Unterwaltersdorf fahren und ein gutes Stück vom Bahnhof zur Weberei beim Reisenbach zu Fuß gehen. Mein ältester Bruder, der F., ist beim Schustermeister in Marienthal in die Lehre gegangen, wo er auch sein Mittagessen bekommen hat. Meine anderen Geschwister und ich sind noch zur Schule gegangen. Ich war z.B. meist nach der Schule im Lagerhaus draußen,[469] weil ich mit dem Sohn des Oberverwalters in einer Klasse war und wir gemeinsam unsere Hausaufgaben gemacht haben. Ich war eine sehr gute Schülerin, die Zeugnisse habe ich noch heute. Dort habe ich Mittagessen und eine Jause bekommen, und bin dann erst am Abend nach Hause gegangen. Meine Schwester und mein anderer Bruder haben das bisschen zu Mittag gehabt, was die Mutter am Vorabend gemacht hat.
In der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« wurde auch erfasst, was die Kinder in der Schule zum Essen mitgehabt haben. Können Sie sich noch an Ihre Schulzeit erinnern?
Wir haben oft nur trockenes Brot zur Jause mitgehabt. Die Bauernkinder hatten anderes Essen. Da war der Unterschied zwischen Gramatneusiedl und Marienthal wie zwischen Tag und Nacht. Ich kann das nur aus meiner Sicht erzählen. Ich war ja immer eine der Kleinsten, eine der Schwächsten. Ich habe immer mehr können müssen als andere, so war das ungefähr. Wer besonders lieb und gut war, das war die E.P.. Wir sind miteinander in die Schule gegangen und sie hat gesagt: »Geh’ L., du hast eh nur ein Stückerl Brot.« – und hat mir von ihrem Brot Wurst gegeben oder etwas anderes. Die Zusammengehörigkeit war eine ganz andere. In der schlechten Zeit vor 1938 haben auch die »Schwarzen«[470] etwas für arme Kinder übrig gehabt. Wie gesagt, ich war damals im Lagerhaus draußen. Die Frau vom Oberverwalter war meine Firmpatin - die Firmungsuhr habe ich übrigens noch heute. Ich konnte nach der Hauptschule in die Handelsschule nach Wien gehen, aber die musste ich mir selbst verdienen und bezahlen. Daher ging ich in der Früh zum Kassier und zum Buchhalter des Lagerhauses zum Zusammenräumen, um mir die Schulsachen kaufen zu können.
Was haben die ganzen Arbeitslosen gemacht?
Ab 1929 waren ja viele arbeitslos. Einige Leute aus Marienthal, die Weber und Spinner, gingen ins Ausland, um zu arbeiten – z.B. nach Rumänien. Als dort die Arbeit aus war, wurden sie wieder nach Hause geschickt. Dann ist das Jahr 1938 gekommen und viele haben wieder gearbeitet.
Noch eine abschließende Frage: Wie war das Leben in Marienthal damals?
Man muss sich vorstellen, dass einer dem anderen geholfen hat, einer mit dem anderen gesprochen hat – nicht so wie heute, da geht man bei der Tür hinein, sperrt zu und aus. Damals hat man nichts gehabt und so ist es nicht schwer gefallen noch weniger zu haben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Anlage 2: Transkription des Interviews mit Herrn J.D.
Das zweite Gespräch im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde am 5. Jänner 2009 in der Wohnung von Herrn J.D. aufgezeichnet. Herr J.D. wurde im Jahr 1927 geboren.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?
Richtig erinnern kann ich mich erst an den (Februar)Aufstand im 1934er Jahr, da war ich 7 Jahre alt. Der hat sich bei uns so gestaltet: Im Teich des Herrengarten wurde ein Boot mit einem Galgen vertäut, an dem der Dollfuß aufgehängt war, am Fabrikrauchfang wurde eine rote Fahne aufgezogen und auf die Kastanienbäume im Herrengarten wurden rote Fähnchen oder besser rote Fetzen mit Schnüren geworfen, die dann von den Bäumen heruntergehangen sind. Mein Vater war Kommunist. Damals wurde im Geheimen für die Männer, die flüchten mussten, gesammelt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie der S. zu uns nach Hause gekommen ist und zu meinen Vater gesagt hat, dass er das Geld bräuchte. Ich war im Schlafzimmer und die beiden haben mich nicht bemerkt, als mein Vater aus einer Lade im Kasten das Sackerl mit dem Geld herausgenommen hat. Mein Vater bewahrte die Liste mit den damaligen Kommunisten auf. Dass mit dem Kommunismus ist für ihn im 1938er Jahr weitergegangen. Mein Vater war immer gegen die Nazis, aber er konnte nicht in der Öffentlichkeit dagegen sein. Wenn er seine ehrliche Meinung gesagt hätte, hätte man gefragt warum und dann hätten wir’s alle miteinander gehabt. Ich hab’ die Nazis dann ausgenutzt und bin zur Fliegerei gegangen. Dass ich den Luftfahrtschein gemacht habe, hat mich vor der SS bewahrt. Man wollte mich in der Berufschule anwerben, aber nachdem ich mein Flugbuch herausgenommen hatte, ließ man mich in Ruhe.
War Ihre Familie damals von Arbeitslosigkeit betroffen?
Nein. Mein Vater hat immer gearbeitet. In der Zeit war er Maschinenschlosser in der Weberei in Götzendorf, wohin er 19 Jahre lang mit dem Fahrrad gefahren ist. Übrigens haben dort auch viele Marienthaler Frauen gearbeitet, einige waren auch am Reisenbach in Unterwaltersdorf. Vorher war er in Kledering in der Wagonfabrik und dann in Mitterndorf im Italienerlager. Später ist er dann zur Bahn gegangen. Da er immer arbeitete, hatten wir keine materiellen Schwierigkeiten und mussten als Kinder keine Not leiden. Wir haben natürlich die ganze Not mitbekommen. Ich kann mich noch gut erinnern, dass z.B. im alten Konsum ohne Geld eingekauft worden ist. Man konnte in einem großen Buch aufschreiben lassen. Die Leute haben kleine Bücherl gehabt, wo die Einkäufe ebenfalls notiert wurden. Wenn die Leute etwas Geld hatten, bezahlten sie – zumindest teilweise – ihre Schulden. […] Meine Mutter hat zeitweise gearbeitet. Als junges Mädchen in Bruck an der Leitha in der Konservenfabrik. Dort wurden Konserven für das Militär in der k.u.k. Zeit gemacht. Dann hat sie in der Weberei gearbeitet und danach noch in der Hühnerfarm in Mitterndorf. Von dort ist sie dann in Pension gegangen.
Wie war das Leben in Marienthal in Ihrer Kindheit?
In den 1930er Jahren gab es immer wieder Spannungen zwischen den Gramatneusiedlern und den Marienthalern. Die einen waren die Gscherten[471], die anderen waren die Behm.[472] Ich habe mich mit den Bauernbuben aber immer gut verstanden. Meine Großeltern mütterlicherseits kamen aus Böhmen und väterlicherseits aus Schlesien. […] Die jungen Burschen sind am Eck’ herumgelungert, haben keine Arbeit gehabt. Die haben nur über Belangloses geredet und als wir näher kamen, haben sie uns weggeschickt, das gehe uns nichts an. Oder sie haben einen von uns mit einem Groschen zur Trafik geschickt, um eine »Film«[473] zu holen. Die haben sie dann im Kreis gehen lassen und geraucht. Einmal hatte der Eine einen Groschen, einmal der Andere. Neid hat es zu der Zeit nicht gegeben. Natürlich gab es auch ein Paar richtige Typen, z.B. die alten Behm. Das waren richtige Trinker, weil sie sonst nichts anderes gehabt haben.
Wie ist es den Menschen in Marienthal damals gegangen? Wie war das in der Schule?
Über dieses Thema ist schon so viel geschrieben worden. Ich kann nur eines sagen: Wir haben das als Kinder nicht so empfunden, dass es den Menschen schlecht gegangen ist. Das war ganz egal. Wir waren immer so 5, 6 Buben beisammen und wenn einer gesagt hat, dass er sich ein Schmalzbrot holt, dann sind alle mitgegangen. Obwohl nichts da war, haben alle ein Schmalzbrot bekommen, natürlich mehr Brot wie Schmalz. Das war damals das Verhältnis zueinander, der Zusammenhalt in Marienthal, wo fast jeder arm war. Die Leute, die »ausgesteuert«[474] waren, haben wirklich nichts bekommen und hatten teilweise Familie. Jeder hat sich irgendwie über Wasser gehalten.
In der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« liest man von Schrebergärten und Kaninchenzüchtern?
Ja, das stimmt. Daneben sind noch Ziegen, Hühner und andere Tiere gehalten worden. In den Schrebergärten wurden Erdäpfel, Salat und ähnliches angebaut. […] Die Leute sind auch auf die Äcker zum Nachklauben gegangen oder haben Kukuruz[475] gestohlen, um überleben zu können.
Wie haben Sie das Jahr 1938 in Erinnerung?
Na ja, im 1938er Jahr kam der Bayrische Hilfszug. Da sind wir natürlich als Kinder herumgelaufen. Ich kann mich noch erinnern, dass die Nazis vorne beim Bürgermeister[476] eine Gulaschkanone aufgebaut hatten und die Leute um eine Suppe kamen. Das war klarerweise alles Propaganda, darauf ist alles hinausgelaufen. Kaum jemand hat sich gegen den Hitler aufgelehnt. Diejenigen, die sich aufgelehnt haben, wurden umgebracht – auch in Marienthal – und konnten nichts bewirken. Da kann man heute erzählen, was man will. Das Hineinfallen auf die Ideen vom Hitler, das war die Armut. Z.B. in Marienthal, wo 80 % arbeitslos waren. Der Hitler ist gekommen und hat jedem eine Schaufel in die Hand gedrückt. Man hat die Schaufel genommen, um Geld zu verdienen. Mein Vater war auf gar keinen Fall einverstanden, aber er hat das nicht zeigen dürfen. […]
Was sind aus Ihrer Sicht die Unterschiede zwischen Marienthal damals und heute?
Damals gab es richtige Armut in Marienthal. Wenn ein Vater und eine Mutter nicht wussten, wo sie das Brot für ihre Kinder hernehmen sollten. Wenn jemand vier Kinder hatte, musste das Jüngste die Sachen anziehen, die das Älteste abgelegt hatte. Arm und reich ist so eine Sache, aber der Zusammenhalt der Menschen ist das Wichtigste. Das wurde von Jahoda sehr gut beschrieben. Die Gruppe wunderte sich, als sie herkamen, vor allem über den Zusammenhalt der Familien. Das ist, was ich besonders betonen möchte. Damals hat man sich gegenseitig geholfen. Heute gibt es keinen Zusammenhalt zwischen den Menschen. Diesbezüglich ist die Welt anders geworden. Keiner interessiert sich für den Anderen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Anlage 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
Als dritter Interviewpartner konnte Herr L.K. gewonnen werden. Herr K. wurde im Jahr 1923 geboren.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?
Meine Erinnerungen reichen zurück bis zu meiner Schulzeit, bis zu den jeweiligen Maifeiern. Die Maifeiern waren der Tag, hauptsächlich für uns Kinder. Da hat es Spiele, Würstel etc. gegeben. Mich hat vor allem der Sport interessiert, weil meine Onkel und mein Vater Fußballer waren. Es hat in Marienthal alles gegeben, außer Boxen. Wir hatten Fußball mit mindestens sechs Mannschaften (Jugend-, Reserve- und Kampfmannschaften), Faustball, Handball, Raffball – da war der Ball klein, man hat auf Handballtore auf dem Fußballfeld gespielt –, Kunstradfahren, Straßenradfahren, Stemmen, Ringen, Turnen mit zwei Riegen, Musikkapelle, Schrammelmusik, Theatersektion, Bibliothek, ein Bad mit Dampfbad, Tröpferlbad und Wannenbad. Es gab den Doktor und ein Fabrikspital. Es ist ja nicht zu glauben, was die Leute damals schon vorausgesehen haben. Wir hatten nämlich auch noch ein Choleraspital außerhalb des Ortes, um für eine Epidemie gerüstet zu sein.
Sie waren sieben Jahre alt, als die Fabrik schließen musste. Gibt es noch Erinnerungen an die Textilfabrik als noch gearbeitet wurde?
Ja selbstverständlich, weil ich heute noch von der damaligen Organisation fasziniert bin, wie es gelang aus roher Baumwolle fertigen, gefärbten, gebleichten Stoff herzustellen. Unsere Ochsen waren berühmt, die wogen über 1.000 kg. Mit diesen Tieren wurden die Wagons mit Material von der Bahnstation in Neu-Reisenberg auf Gleisen in die Fabrik rein gezogen. Natürlich die Weberzunft, die in Marienthal zu Hause war. Dann alles, was rund um den Kern – die Weber – war, die Appretierer, die Färber, die Spuler – die ganzen Textilarbeiter. Das war das Fantastische, wie aus roher Baumwolle in vier bis fünf Arbeitsgängen ein fertiger Stoff wurde. In Marienthal wurden z.B. Leintücher, Hemdenstoff, Arbeitskleidung, Taschentücher und Bettzeug erzeugt. Ich denke heute noch ab und zu darüber nach, was in der Fabrik alles gemacht wurde. Man war hier damals der Zeit um mindestens 100 Jahre voraus. So eine Organisation mit Montessori-Kindergarten, Spital, Choleraspital, Bad, Wasserleitung, eigenem Strom (seit 1919 oder 1921), die vielen Arbeiterwohnungen (mit Zimmer und Küche) und ein Angestelltenhaus.
Was passierte, als die Fabrik zusperren musste?
Die Fabrik finanzierte alles. Nach dem Zusperren war die Hauptschlagader tot. Das war mörderisch. Mit den Jahren hat sich erst herausgestellt, was alles fort war. Derweil war es bei uns ja noch irgendwie günstig, weil wir am Land lebten. Es wurde gefischt, es wurde gewildert, jeder hat sich irgendwie geholfen. In unserer Gegend wurden Kraut und Kartoffeln angebaut. Man muss leider sagen, dass auch einiges in fremde Hände gekommen ist, weil die Not so groß war. Das war alles Mundraub.
War jemand in Ihrer Familie damals von Arbeitslosigkeit betroffen?
Nein, Gott sei Dank nicht. Ich hatte das Glück, dass mein Vater als Heizer gleich wieder Arbeit bekommen hat. Zuerst war er ein Jahr in Ebergassing bei Philipp Haas & Söhne und dann ging er nach Mannersdorf zur Perlmoser. Dort konnte er Schicht arbeiten – auch Samstag und Sonntag, da es im Zementwerk keinen Stillstand gab – und daher hat er gut verdient. Unsere Familie war z.B. die erste, die einen hölzernen Fußboden in der Küche hatte. Wir waren besser dran als Andere, weil wir ein bisschen mehr Geld hatten. Nur eine kleine Geschichte: Mein Vater war ein starker Raucher. Wenn er außer Haus gegangen ist, musste er immer einige Zigaretten für die Anderen im Hosensack haben. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass ein Raucher seine Tschick[477] weitergab. Alle rauchten »Film«[478], die waren sehr stark und billig. Die Arbeitslosigkeit war katastrophal.
Wie lebten die Menschen damals in Marienthal?
Nur ein Beispiel dazu. Die Gemeinde hatte in der Nähe des Arbeiterheimes einen Ziegelbau, in dem Werkzeug aufbewahrt wurde. Der P. ist aus der Hinterbrühl rausgeworfen worden, weil er die 5 Schilling Miete im Monat nicht mehr bezahlen konnte und der durfte dann dort einziehen. Freunde von mir sind dann dort aufgewachsen, es war furchtbar. Das kann man sich heute nicht vorstellen.
In der Studie wird unter anderem dargestellt, dass viele Marienthaler nur auf Kredit einkaufen konnten. Wie hat das funktioniert?
Dazu kann ich folgendes erzählen. Damals sind regelmäßig zwei Juden aus Wien nach Marienthal gekommen. Der eine war der Patschelmann[479], der hat Schlapfen[480] und ähnliches verkauft. Der zweite hieß G., das war einer der besten und feinsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe. Der hat z.B. einen Anzug um 15 Schilling geliefert. Dafür musste man einen Schilling anzahlen und den Rest in 14 Raten à einem Schilling abbezahlen. Wenn sich das nicht ausgegangen ist, hat er auch Rückzahlungen von nur 50 Groschen akzeptiert. Auch andere Wanderhändler waren in Marienthal unterwegs.
Was haben die Arbeitslosen den ganzen Tag gemacht?
Nichts. Die sind den ganzen Tag herumgestanden. Natürlich versuchten sehr viele, Arbeit zu finden. Man muss sagen, es gab zwei große Arbeitslosenplätze. Der eine war beim alten Konsum in der Nähe des Altgebäudes. Der zweite war bei uns in der Hinterbrühl, an der Ecke des Hauses, wo heute die Trafik H. drinnen ist.
Damals hat es ja die verschiedensten Hilfsquellen gegeben, wie z.B. Kaninchenzüchter?
Ja, keine Frage. Für jede Wohnung gab es einen Schuppen, wo Hasen und auch Hühner gezüchtet wurden. Alle haben irgendwelche Tiere gehabt. Das war sehr wichtig, vor allem für die Leute, die nur ganz wenig Geld hatten. Futter hat man bekommen, es gab ja genug Wiesen. Diese Tierzucht hatte allerdings auch einen wesentlichen Nachteil. Es hat sehr viele Ratten gegeben.
Damals müssen ja auch einige Menschen aus Marienthal abgewandert sein?
Ja natürlich. Einige haben woanders ihr Glück versucht. Die Menschen haben alles probiert. Wenn man einmal drei Jahre zu Hause war, wurde die Weltsicht kleiner. Jemand, der Kind und Frau hatte, der musste etwas tun. Da sind ja manche mit den Fahrrädern, weiß ich wohin, gefahren, nach Götzendorf, nach Mannersdorf, nach Moosbrunn in die Glasfabrik, nach Unterwaltersdorf in die Weberei. Einige Weber sind in der Arbeitslosenzeit nach Rumänien gegangen und haben dort etwas Neues aufgebaut. Bei uns hatten das seinerzeit die Engländer gemacht. […]
Wie war die Schulzeit für Sie?
In der Volksschule war ich in Gramatneusiedl. Dort gab es zwei Gruppen: Wir waren die Marienthaler und die Anderen die Gramatneusiedler Bauernkinder. Mit 10 Jahren bin ich dann in die Tschechische Schule nach Wien gefahren. Wie ich zum ersten Mal in diese Schule gekommen bin, hatte ich überhaupt keinen Begriff, dass es so etwas gibt. Die Schule hatte alles: einen Riesenturnsaal mit allen möglichen Geräten, einen Speisesaal und eine Küche, einen unterirdischen Filmsaal, einen Theatersaal mit 380 Sitzplätzen, in den Klassen Kalt- und Warmwasser, eine Physiksaal, einen Schularzt – es kam sogar regelmäßig ein Zahnarzt –, Schulfunk etc. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie der Direktor einmal über Schulfunk gesagt hat: »Wir beginnen in zwei Stunden mit der Übertragung von Smetana’s »Die verkaufte Braut« aus Prag.« Wer hatte im Jahr 1933 einen Schulfunk?
Warum sind Sie in diese Schule gegangen?
Meine Familie kam ursprünglich aus der Tschechei. Meine Großmutter hat mich mit Tschechisch aufgezogen. Daher kann ich die Sprache genauso gut wie Deutsch. Ich bin damals mit der Bahn nach Wien gefahren und alles wurde von der Schule bezahlt. Später ging ich in die Handelsakademie und dann ist der Hitler gekommen. Damals wurde ich Deutscher. Das Deutsche Gesetz hat mich vor die Entscheidung gestellt, entweder ein Deutscher oder der tschechischen Zunge angehörig – also staatenlos – zu sein. Weder ein Behm[481], noch ein Österreicher, noch ein Deutscher. Da war die Auswahl nicht schwer.
Sie gingen in diese tolle, moderne Schule in Wien und fuhren dann jeden Tag nach Hause, nach Marienthal zu all dem Elend?
So habe ich das nicht empfunden. […]
Sie hatten Ihre Freunde in Marienthal. Wie war das?
Sicher, wir waren ja alle in Marienthal. Es hat ja keine Reichen gegeben. Es gab solche, die ausreichend zu essen hatten, einige, die weniger zu essen hatten und auch solche, die ganz wenig zu essen hatten. Ich hatte den Vorteil, dass ich nie einen Gedanken verschwenden musste, was es morgen zum Essen gab. Bei uns hat es alles gegeben. Der Vater hat mit 65 Schilling in der Woche gut verdient, das war damals ein Wahnsinnsgeld. Im Vergleich dazu: Ein guter Weber hat 35, 36 Schilling in der Woche verdient, wenn er gearbeitet hat. In der Arbeitslosigkeit hat er dann nur 14 Schilling in 14 Tagen bekommen, mit einem Kind. Und 5 Schilling war damals Miete im Monat, das musste er jedenfalls bezahlen. […] Damals haben wir Buben immer Fußball gespielt, man hat ja sonst nichts gehabt. Es gab zwei Fußballmannschaften, die Schmoll und die Kavalier – das waren Markennamen von Schuhpasten –, die immer gegeneinander antraten. Wenn man 100 Schuhpastendosen gesammelt hatte, bekam man Stecken, Seile und Pflöcke für Tore. Damals wurde der ganze Müll durchsucht. Einmal habe ich einen neuen Fußball von einem Verwandten aus Felixdorf bekommen. Da war ich der Kaiser. Mein erster Lederball hat 18 Schilling gekostet, ein Arbeitsloser hat 14 Schilling bekommen. Wir sind auch in die Au gegangen und haben Hütten gebaut, Forellen aus dem Bach gefangen, Kukuruz[482] und Erdäpfel angesteckt und gebraten. Das war selbstverständlich, niemand hat etwas gesagt. Das war die schlechte Zeit. Die Not machte so erfinderisch, das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Manche haben sogar ihre Türen verheizt oder den Fußboden herausgerissen und verheizt, weil sie nichts mehr hatten.
Gab es eigentlich Probleme mit Alkohol in dieser Zeit?
Ja, leider ist auch getrunken worden. Nur ein Beispiel: Ein Nachbar, ein Hinterbrühlbewohner ist zum Eichler[483] und hat sich um 10 Groschen eine Flasche Brennspiritus gekauft. Reines Gift, der hat das getrunken. Der hat das gebraucht.
Wie haben Sie die Jahre nach 1938 erlebt?
Die Hitlerzeit waren furchtbare Jahre. Nicht im Bezug auf die Ernährung, das wurde natürlich im Krieg schlechter, sondern man hatte keine Chance, wenn man sich nur ein bisschen blöd aufgespielt hat. Ich war ein Revolutionärer Sozialist und da war ich unter anderem mit den Kníze-Brüdern zusammen, die später aufgehängt wurden, wie auch der Seifert Bertl. Mit dem Bertl seiner Frau arbeitete ich in Fischamend zusammen und die erzählte mir einmal, dass der Bertl gesagt hatte: »Wenn sie mir nicht bald ein Fliegengitter in die Zelle einbauen, dann flüchte ich.« Er war schon so abgemagert. Im Oktober 1943 wurde er zum Tode verurteilt und im Mai 1944 hingerichtet. Man hatte Spendenlisten bei ihm gefunden.
Wann mussten Sie in den Krieg?
Im Jahr 1942. Ich hätte schon ein Jahr früher einrücken müssen, aber da ich in einem Kriegsbetrieb arbeitete, wurde mir das Jahr im Arbeitsdienst erlassen. Ich war in einem Betrieb in Fischamend, der Flugzeuge baute. Ich wurde als Flugzeugbauer angelernt, war aber kein Fachmann, der fehlende Bestandteile nachmachen konnte. Mit etwas Glück und durch meine Ausbildung in der Handelsakademie bin ich dann in die Kanzlei gekommen. Nach dem Krieg war es dann mit Marienthal vorbei. […]
Vielen Dank für das Gespräch!
Anlage 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Marienthal
heute: 75 Jahre nach Veröffentlichung der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«
Einleitung für Befragung (sowohl für Online- als auch für persönliche Befragung):
Die Befragung findet im Rahmen einer Diplomarbeit mit dem Titel: Marienthal heute: 75 Jahre nach Veröffentlichung der Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal« statt. Anhand der mit Hilfe dieser Befragung erhobenen Daten sollen in erster Linie die Erfahrungen der heutigen Marienthaler Bevölkerung zum Themenkomplex »Arbeitslosigkeit« erhoben und in weiterer Folge ein Vergleich mit der Situation der Bevölkerung zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie hergestellt werden.
Im Zusammenhang mit dieser Diplomarbeit werden sowohl persönliche Interviews als auch Online-Befragungen durchgeführt, die zirka 15 Minuten dauern. Ihre Angaben werden selbstverständlich vertraulich behandelt. Die Auswertungen erfolgen ausschließlich in anonymisierter Form.
1. Wie viele Personen leben in Ihrem Haushalt?
1 2 3 4 5 6 mehr als 6
2. Wie alt sind die Personen in Ihrem Haushalt?
0 – 5 Jahre 6 – 15 Jahre 16 – 59 Jahre über 60 Jahre
Person 1
Person 2
Person 3
Person 4
Person 5
Person 6
Weitere
3. Sind Sie Eigentümer oder Mieter in Ihrer Wohnung / in Ihrem Haus?
Eigentümer
Mieter
4. Seit wann leben Sie in Marienthal?
Mein ganzes Leben
0 – 10 Jahre
10 – 20 Jahre
20 – 30 Jahre
30 – 40 Jahre
40 – 50 Jahre
länger als 50 Jahre
5. Welche Ausbildungen haben die Bewohner Ihres Haushaltes abgeschlossen? Anmerkung: Jugendliche, die noch zur Schule gehen, sind nicht zu erfassen.
Pflichtschule Lehre, BMS AHS, BHS FH, Universität
(ohne Matura) (mit Matura)
Person 1
Person 2
Person 3
Person 4
Person 5
Person 6
Weitere
6. Welche Berufe / Tätigkeiten üben die Bewohner Ihres Haushaltes aus?
Person 1 Person 2 Person 3 Person 4 Person 5 …
Arbeiter
Angestellter
Beamter
Unternehmer
Freie Berufe
Arbeitslos
Pension
Haushalt
in Ausbildung
Anmerkung: Im Online-Fragebogen sind Spalten und Zeilen umgedreht (Platzmangel).
7. Für jene Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung erwerbstätig sind – sonst weiter zu Frage 8:
Wo arbeiten die Bewohner Ihres Haushaltes?
in Marienthal in Orten der Umgebung in Wien in anderer Region
Person 1
Person 2
Person 3
Person 4
Person 5
Person 6
Weitere
8. War jemand in Ihrem Haushalt bisher von Arbeitslosigkeit betroffen?
Ja.
Nein. Bei Nein, bitte weiter zu Frage 14.
9. Wie häufig war diese Person bereits von Arbeitslosigkeit betroffen?
Einmal
Zweimal
Mehrmals
10. Wie lange war diese Person maximal arbeitslos?
Kürzer als ein Monat
1 – 6 Monate
Länger als 6 Monate
11. Welche Gründe gab es für die Arbeitslosigkeit (Mehrfachantworten möglich)?
Wechsel des Arbeitgebers
Saisonale Schwankungen
Wirtschaftliche Probleme des Unternehmens
Mangelnde Qualifikation
Rationalisierungsmaßnahmen
Höhe des Arbeitslosengeldes im Vergleich zum Entgelt
Persönliche Gründe
Sonstige Gründe (bitte um Anmerkung) ……………….
12. Was war die erste Reaktion auf die Arbeitslosigkeit?
Text:……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
13. Was hat die Person unternommen, um wieder Arbeit zu finden (Mehrfachantworten möglich)?
Aktive Suche (z.B. Bewerbungen für offene Stellen, …)
Hilfesuche beim Arbeitsmarktservice (Arbeitsamt)
Hilfesuche bei Verwandten / Bekannten
Weiterqualifikation (Kurse, Schule, …)
Veränderung des Wohnortes
Eigenes Unternehmen gegründet
Sonstiges (siehe Anmerkung) ……………….
14. Kennen Sie die Studie »Die Arbeitslosen von Marienthal«?
Ja.
Nein. Bei Nein, bitte weiter zu Frage 16.
15. Was fällt Ihnen spontan zu dieser Studie ein?
Text:……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
16. Sehen Sie persönlich den nächsten 12 Monaten / dem Jahr 2009 mit Zuversicht oder mit Sorge entgegen?
mit Zuversicht
mit Skepsis
mit Sorge
kein Urteil
17. Wie hoch ist das Nettoeinkommen Ihres Haushaltes aktuell?
bis 749 EUR
750 bis 1.349 EUR
1.350 bis 2.249 EUR
2.250 bis 2.999 EUR
3.000 EUR und mehr
18. Wie setzt sich dieses Einkommen zusammen (Mehrfachantworten möglich)?
Arbeitseinkommen
Kapitaleinkünfte
Pension
Arbeitslosenunterstützung
Sozialhilfe
Kinderbetreuungsgeld
Private Zuwendung
Sonstiges (siehe Anmerkung) …………………………….
19. Wie wird sich die Einkommenssituation in Ihrem Haushalt in den nächsten 12 Monaten / im Jahr 2009 entwickeln?
Stark steigen Zuwachs um mehr als 10 %
Steigen Zuwachs von 0 bis 10 %
Gleich bleiben
Sinken Rückgang von 0 bis 10 %
Stark sinken Rückgang um mehr als 10 %
20. Aufgrund der aktuellen Ereignisse: Befürchten Sie, dass Ihre Familie und Sie persönlich von der weltweiten Wirtschaftskrise betroffen sein werden?
Ja.
Eher ja.
Eher nein
Nein.
21. Wie haben Sie bisher auf die aktuelle Wirtschaftslage reagiert? Darunter verstehe ich: Haben Sie bestimmte Ausgaben eingeschränkt und Pläne zurückgeschraubt, oder haben Sie in den letzten Wochen/Monaten eher mehr ausgegeben und weniger mit dem Geld geknausert als früher?
Eingeschränkt und Pläne zurückgeschraubt
Eher mehr ausgegeben und weniger geknausert
Weder/noch (so verhalten wie früher)
Keine Angabe
22. Werden Sie wegen der aktuellen Wirtschaftskrise zukünftig sorgsamer mit Ihren Ausgaben umgehen und eher sparen?
Ja.
Nein. Bei Nein, bitte weiter zu Frage 24.
23. Wo werden Sie in erster Linie sparen (Mehrfachantworten möglich)?
Geplante, größere Anschaffungen verschieben (wie Auto, …)
Urlaub
Kleidung
Lebensmittel (vermehrt bei Diskontmärkten einkaufen)
Freizeitvergnügen (wie Essen gehen, Kino, Sport, …)
Sonstige Ausgaben: …………………………………..
24. Verfügt Ihr Haushalt über finanzielle Reserven? Haben Sie ein Polster für unvorhergesehene Ereignisse?
Ja.
Nein. Bei Nein, bitte zu Frage 26.
25. Welche finanziellen Reserven sind in Ihrem Haushalt vorhanden (Mehrfachantworten möglich)?
Sparbuch
Bausparen
Lebensversicherung
Anleihen
Aktien
Investmentzertifikate
Private Pensionsvorsorge
Unternehmensbeteiligung
Sonstiges ………………………………………..
26. Gibt es laufende Kredite in Ihrem Haushalt?
Ja.
Nein. Bei Nein, bitte weiter zu Frage 28.
27. Aus heutiger Sicht: Befürchten Sie aufgrund der aktuellen Finanzkrise, dass Sie Probleme mit der Rückzahlung Ihres Kredites/Ihrer Kredite haben werden?
Ja.
Eher ja.
Eher nein.
Nein.
28. Für jene Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung erwerbstätig sind – sonst weiter zu Frage 37:
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage des Unternehmens, in dem Sie tätig sind? (Schulnotensystem: 1 = sehr gut, … 5 = nicht genügend)
Sehr gut
Gut
Befriedigend
Genügend
Nicht Genügend
29. Wird dieses Unternehmen von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffen sein?
Ja.
Nein. Bei Nein, bitte weiter zu Frage 34.
30. Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise aus Ihrer Sicht auf dieses Unternehmen aus?
Text:………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
31. Wird das Unternehmen die Probleme im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise bewältigen?
Ja.
Nein.
32. Glauben Sie, dass in Ihrem Unternehmen aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise Arbeitsplätze verloren gehen werden?
Ja.
Nein.
33. Fürchten Sie, dass Sie Ihren Arbeitsplatz verlieren werden?
Ja.
Nein.
34. Wie sicher ist Ihr Arbeitsplatz aus heutiger Sicht? (Schulnotensystem: 1 = sehr gut, … 5 = nicht genügend)
Sehr gut
Gut
Befriedigend
Genügend
Nicht Genügend
35. Falls Sie Ihren Arbeitsplatz verlieren würden: Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, umgehend (innerhalb der Kündigungsfrist) einen neuen Arbeitsplatz zu finden? (Schulnotensystem: 1 = sehr gut, … 5 = nicht genügend)
Sehr gut
Gut
Befriedigend
Genügend
Nicht Genügend
36. Wie würde sich der Verlust des Arbeitsplatzes konkret auf Ihre Familie und Sie auswirken?
Text:…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
37. Aus heutiger Sicht: Wie kann man Ihrer Meinung nach von der Arbeitslosenunterstützung in Österreich leben? (Schulnotensystem: 1 = sehr gut, … 5 = nicht genügend)
Sehr gut
Gut
Befriedigend
Genügend
Nicht Genügend
38. In Anbetracht der aktuellen Wirtschaftskrise: Wovor haben Sie am meisten Angst?
Text:……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
39. Wie lange – schätzen Sie – wird die aktuelle Wirtschaftskrise andauern?
Text:………………………………………………………………………………………
40. Wer kann Ihrer Meinung nach am ehesten dazu beitragen, dass die aktuelle Wirtschaftskrise überwunden wird?
Text:………………………………………………………………………………………
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!
[1] Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[2] Müller (2008) S. 14. Zitat des Marienthaler Arbeiters und Chauffeurs Leopold Kopecky. Er lebte von 1910 bis 1993 und war 1974 Bürgermeister von Gramatneusiedl.
[3] Die Vereinfachung besteht darin, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften wesentlich davon abhängig ist, wie viele Güter die Unternehmen absetzen können. Kommt es nun in Folge von Lohnsenkungen zu geringeren Haushaltseinkommen, werden von privaten Haushalten weniger Güter nachgefragt. Als Konsequenz daraus sinken die Einkommen der Unternehmen, die wiederum Nachfrager von Arbeit sind. Vgl. Bofinger (2007) S. 190.
[4] Vgl. Mankiw/Taylor (2006) S. 366 ff.; übereinstimmend Bofinger (2007) S. 190 ff.
[5] Vgl. Dostal (1988) S. 17.
[6] Vgl. Bofinger (2007) S. 194 f.
[7] Die Möglichkeit von Arbeitslosigkeit wird in diesem Kontext vernachlässigt.
[8] Vgl. Westphal (1988) S. 57.; übereinstimmend Mankiw/Taylor (2006) S. 372.
[9] Vgl. Westphal (1988) S. 57.; übereinstimmend Baßeler u.a. (2006) S. 128.
[10] Vgl. Westphal (1988) S. 57.; übereinstimmend Baßeler u.a. (2006) S. 128 f.
[11] Vgl. Dostal (1988) S. 18.
[12] Man spricht von Grenzerlös bzw. Grenzkosten. Unter Grenzerlös versteht man den Umsatz, der durch den Verkauf einer zusätzlichen Einheit eines Gutes erzielt werden kann. Unter Grenzkosten werden jene Kosten verstanden, die mit der Ausbringung einer zusätzlichen Einheit eines Produktes verbunden sind. Vgl. Bofinger (2007) S. 596.
[13] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 155.
[14] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 156.
[15] Vgl. Mankiw/Taylor (2006) S. 367 f.; übereinstimmend Bofinger (2007) S. 191.
[16] Vgl. Mankiw/Taylor (2006) S. 368.; übereinstimmend Bofinger (2007) S. 191 f.
[17] Vgl. Jacob (1988) S. 71 ff.; übereinstimmend Baßeler u.a. (2006) S. 157.
[18] Vgl. Dostal (1988) S. 18.
[19] Adam Smith, schottischer Nationalökonom und Philosoph, lebte von 1723 bis 1790. Vgl. Bofinger (2007) S. 585.
[20] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 192.
[21] Vgl. Würzburg (1988) S. 37.; übereinstimmend Baßeler u.a. (2006) S. 298.
[22] Der Reallohn ist in der Volkswirtschaftslehre ein Maß für die Kaufkraft. Im Gegensatz dazu ist der Nominallohn der als Lohn erhaltene Geldbetrag ohne Berücksichtigung der Kaufkraft. Der Reallohn errechnet sich aus dem Nominallohn dividiert durch das Preisniveau. Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 192.
[23] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 192 f.
[24] Vgl. Westphal (1988) S. 59.; übereinstimmend Hubert (2006) S. 653.
[25] Vgl. Würzburg (1988) S 42 f.
[26] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 193.
[27] Das Saysche Theorem (»Jedes Angebot schafft sich selbst seine eigene Nachfrage.«) wurde nach dem französischen Ökonomen Jean-Baptiste Say benannt. Er lebte von 1767 bis 1832. Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 194.
[28] Vgl. Hudson (1988) S. 9 f.
[29] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 300.
[30] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 300.
[31] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 195 f.
[32] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 196.
[33] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 196.
[34] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 197.
[35] Vgl. Hudson (1988) S. 9 f.
[36] Bereits vor dem Börsencrash an der New Yorker Wallstreet am 24. Oktober 1929 kam es zu einem deutlichen Rückgang der Industrieproduktion. Im Kern war die Große Depression eine Bankenkrise, in deren Verlauf die Kreditmärkte zusammenbrachen. Als Folge daraus wurden Produktion und Beschäftigung von der Krise erfasst. Die Arbeitslosenquoten stiegen bis Anfang 1932 in den USA auf etwa 31 Prozent (über 15 Millionen), in Deutschland auf etwa 30 Prozent (über sechs Millionen) und in Großbritannien auf etwa 28 Prozent (über 5 Millionen). Vgl. Willke (2002) S. 32.
[37] John Maynard Keynes, britischer Nationalökonom, lebte von 1883 bis 1946. Vgl. Bofinger (2007) S. 53.
[38] Vgl. Bofinger (2007) S. 53.
[39] Vgl. Willke (2002) S. 20.
[40] Keynes (1971) S. 65. Gesamte Textstelle im Original: »But this long run is a misleading guide to current affairs. In the long run we are all dead. Economists set themselves too easy, to useless a task if in tempestuous seasons they can only tell us that when the storm is long past the ocean is flat again.«
[41] Vgl. Hudson (1988) S. 11 f.; übereinstimmend Arnold/Geiger (2007) S. 173 f.
[42] Vgl. Willke (2002) S. 104 ff.
[43] Vgl. Willke (2002) S. 105.
[44] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 305 f.
[45] Unter Inflation versteht man den über mehrere Perioden anhaltenden Anstieg des Preisniveaus. Diese Preissteigerungen umfassen fast alle Güterkategorien und bewirken einen allgemeinen Kaufkraftverlust des Geldes. Vgl. Bofinger (2007) S. 597.
[46] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 174.
[47] Dabei handelt es sich um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in einer Volkswirtschaft ohne außenwirtschaftliche Beziehungen (Modell der geschlossenen Volkswirtschaft). Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 296.
[48] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 306.
[49] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 175.
[50] Mehr als 100 Prozent bedeuten Verschuldung.
[51] Vgl. Willke (2002) S. 53 f.
[52] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 176 f.
[53] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 177 ff.
[54] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 309 ff.
[55] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 180.
[56] Vgl. Arnold/Geiger (2007) S. 180 f.
[57] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 787 f.
[58] Vgl. Mankiw/Taylor (2006) S. 563.
[59] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 17.
[60] Vgl. Marterbauer (2007) S. 23.
[61] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 21 ff.
[62] Das Arbeitskräftepotential ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig beschäftigten Personen. Im Jahr 2007 waren dies 3,566.287 Personen im Durchschnitt (222.248 + 3,344.039). Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) Tabellenanhang: Tabelle 7 Arbeitslosenbestand und Tabelle 2 Beschäftigtenstand.
[63] Berechnung: 222.248 / 3,566.287 x 100 = 6,2 %.
[64] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 30 ff. Aufgrund der Arbeitslosenquote ergibt sich folgende Reihung: Wien 8,5 %, Burgenland 7,6 %, Kärnten 7,3 %, Steiermark 6,4 %, Niederösterreich 6,3 %, Vorarlberg 5,7 %, Tirol 5,3 %, Salzburg 4,0 % und Oberösterreich 3,6 %.
[65] Vgl. Mankiw/Taylor (2006) S. 564.
[66] OECD ist die Abkürzung für Organisation for Economic Co-Operation and Development. Sie hat aktuell 30 Mitgliedsländer (Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakische Republik, Spanien, Südkorea, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, USA). Vgl. OECD (2009) o.S.
[67] Der Terminus »Erwerbsperson« umfasst in diesem Zusammenhang sowohl unselbständig als auch selbständig Erwerbstätige und Arbeitslose. Dadurch ergibt sich für die Berechnung der Arbeitslosenquote ein höherer Nenner. Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 33.
[68] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 788.
[69] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 32.
[70] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 33.
[71] Vgl. Marterbauer (2007) S. 24 f.
[72] Zur Erinnerung: Die durchschnittliche Arbeitslosenquote nach nationaler Berechnung lag im Jahr 2007 bei 6,2 %.
[73] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 33 ff. Die niedrigsten Arbeitslosenquoten im Jahr 2007 hatten die Niederlande mit 3,2 %, vor Dänemark mit 3,7 %, Zypern mit 3,9 % und Litauen mit 4,3 %. Die höchsten Arbeitslosenquoten in diesem Jahr hatten die Slowakei mit 11,1 %, Polen mit 9,6 %, Deutschland mit 8,4 % und Frankreich, Griechenland und Spanien mit je 8,3 %.
[74] Vgl. Hubert (2006) S. 652.
[75] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 793.
[76] Vgl. Hubert (2006) S. 652.
[77] Vgl. Bofinger (2007) S. 335 f.
[78] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 793.
[79] Vgl. Hubert (2006) S. 652.
[80] Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 786.
[81] Vgl. Marterbauer (2007) S. 28.
[82] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008b) o.S.
[83] Vgl. Arbeiterkammer Niederösterreich (2008) S. 9 f.
[84] Die Notstandshilfe kann auch 95 % des vorher bezogenen Grundbetrages des Arbeitslosengeldes betragen, wenn dieser den Ausgleichszulagenrichtsatz von monatlich 772,40 EUR nicht übersteigt. Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008c) o.S.
[85] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008c) o.S.
[86] Die so genannte Leistungsbezieherquote betrug somit 89,8 %. Diese errechnet sich als Prozentsatz des durchschnittlichen Bestandes der Arbeitslosengeld- und Notstandshilfebezieher am gesamten Arbeitslosenbestand. Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 34.
[87] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 34 f.
[88] Vgl. Arbeiterkammer Niederösterreich (2008) S. 6.
[89] Auf EU-Ebene wurde eine Armutsgefährdungsschwelle von 60 % des Medianeinkommens des jeweiligen Mitgliedsstaates festgelegt, wobei Vermögensbesitz oder Schulden unberücksichtigt bleiben. Dadurch wird das Wohlstandsniveau des einzelnen Landes in die Betrachtung einbezogen. Im Jahr 2005 lag der Wert für Armutsgefährdung für einen Einpersonenhaushalt in Österreich bei einem Jahreseinkommen von 10.711 EUR bzw. einem Monatseinkommen von 893 EUR (12-mal). Für jeden weiteren Erwachsenen erhöht sich dieser Wert um 447 EUR, für jedes Kind um 268 EUR pro Monat. Vgl. Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (2009) S. 239.
[90] Im Gegensatz zu dieser Definition gelten laut AMS Personen, die länger als 180 Tage arbeitslos gemeldet sind, als Langzeitarbeitslose. Dies waren im Jahr 2007 insgesamt 118.863 Personen. Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2008a) S. 27.
[91] Vgl. Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (2004) S. 217.
[92] Vgl. Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (2009) S. 244 ff.
[93] Diese Umfrage wurde im Jahr 2008 von der Statistik Austria in Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziologie der Universität Wien unter 500 telefonisch befragten Personen durchgeführt. Vgl Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (2009) S. 248.
[94] Vgl. Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (2009) S. 248.
[95] Vgl. Marterbauer (2007) S. 28 f.; übereinstimmend Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (2009) S. 23.
[96] Vgl. Marterbauer (2007) S. 65 f.
[97] Für Deutschland hat der Ökonom Wolfgang Franz die Kosten der Gesellschaft für einen Arbeitslosen auf 15.000 EUR geschätzt. Vgl. Baßeler u.a. (2006) S. 786.
[98] Vgl. Marterbauer (2007) S. 30.
[99] Vgl. Wacker (1983) S. 30.
[100] Vgl. Kirchler (1993) S. 39.
[101] Vgl. United States Department of Health, Education and Welfare (1974) S. 4.
[102] Vgl. United States Department of Health, Education and Welfare (1974) S. 4.
[103] Vgl. United States Department of Health, Education and Welfare (1974) S. 4 f.
[104] Vgl. United States Department of Health, Education and Welfare (1974) S. 5.
[105] Vgl. United States Department of Health, Education and Welfare (1974) S. 5.
[106] Vgl. United States Department of Health, Education and Welfare (1974) S. 4.
[107] Vgl. Kirchler (1993) S. 40.
[108] Kirchler (1993) S. 41.
[109] Vgl. Wacker (1983) S. 75 f.
[110] Vgl. Kirchler (1993) S. 60.
[111] Vgl. Wacker (1983) S. 18 ff.
[112] Vgl. Würzburg (1988) S. 37 f.
[113] Vgl. Bofinger (2007) S. 191.
[114] Vgl. Würzburg (1988) S. 161.
[115] Vgl. Chaloupek (2008) S. 36.
[116] Vgl. Wacker (1983) S. 32.
[117] Vgl. Müller (2008) S. 13.
[118] Jahoda u.a. (1975) S. 32.
[119] Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gab es zwar mehrmals die Bestrebung des christlichsozialen Lagers Marienthal von Gramatneusiedl abzutrennen und zur eigenständigen Gemeinde zu machen, aber die sozialdemokratische Mehrheit lehnte dies stets ab. Vgl. Müller (2008) S. 111 f.
[120] Vgl. Müller (2008) S. 19. Genau genommen handelt es sich um die Siedlung Neu-Reisenberg, die zirka drei Kilometer vom Hauptort Reisenberg entfernt liegt.
[121] Stand per 15. Mai 2001
[122] Vgl. Statistik Austria (2008) S. 53.
[123] Siehe dazu auch den Plan der Textilfabrik Marienthal 1930, bezogen unter: http://agso.uni-graz.at/archive/marienthal/plaene/04_02_01_01_Plan_Fabrik.html, Zugriff am 2008-11-29.
[124] Vgl. Statistik Austria (2008) S. 38.
[125] Maria Theresia von Habsburg lebte von 1717 bis 1780. Vgl. Kleindel (1987) S. 319.
[126] Die Theresienmühle wurde am heutigen Feilbach zwischen 1771 und 1774 erbaut und um 1833 wieder abgerissen. Vgl. Müller (2008) S. 44 ff.
[127] Vgl. Müller (2008) S. 47.
[128] Vgl. Grausam/Kirch (1977-1983) S. 90. Siehe dazu auch die Originalquelle aus den Taufmatriken der Pfarre Moosbrunn, bezogen unter: http://agso.uni-graz.at/archive/marienthal/chronik/ 01_05_01_02_ Marienthal_Faksimile.jpg, Zugriff am 2008-12-06.
[129] Vgl. Grausam/Kirch (1977-1983) S. 91.; übereinstimmend Müller (2008) S. 47 ff.
[130] Wurm hatte enorme finanzielle Probleme. Es stellte sich heraus, dass eine seiner Erfindungen unbrauchbar war. Zwar gewann er ein gegen ihn angestrebtes Gerichtsverfahren, aber die Kosten dieses Prozesses verschärfte seine finanzielle Situation nur. Aus diesem Grund fälschte er – übrigens erstmals in Österreich – Banknoten. Vgl. Müller (2008) S. 49 f.
[131] Vgl. Müller (2008) S. 51.
[132] Hermann Todesco, Industrieller und Humanist, lebte von 1791 bis 1844. Vgl. Müller (2008) S. 54 ff. Noch heute ist dieser Name in Gramatneusiedl bekannt: einerseits durch die nach ihm benannte Todesco-Gasse und andererseits durch ein Denkmal, das ihm zu Ehren angefertigt wurde und heute – nach einer umfassenden Renovierung – vor dem Gemeindezentrum steht.
[133] Vgl. Grausam/Kirch (1977-1983) S. 90 f.
[134] Jahoda u.a. (1975) S. 33.
[135] Nach damaligem Gewichtsmaß wurden 200.612 Wiener Pfund erzeugt. Vgl. Müller (2008) S. 57. Umrechnungsfaktor: 1 Wiener Pfund = 560 Gramm.
[136] Vgl. Müller (2008) S. 57.
[137] Dieses Gebäude, das so genannte Altgebäude, wurde 1845 fertig gestellt und hatte die Anschrift Hauptstrasse 64. Es wurde im Jahr 2008 abgerissen.
[138] Dieses Arbeiterwohnhaus, das so genannte Neugebäude, wurde 1850 fertig gestellt, liegt im Ortsgebiet Reisenberg und hat heute die Adresse An der Fischa 1.
[139] Vgl. Grausam/Kirch (1977-1983) S. 94.
[140] Vgl. Müller (2008) S. 68 f.
[141] Vgl. Müller (2008) S. 70.
[142] Vgl. Müller (2008) S. 75.
[143] Vgl. Müller (2008) S. 81 f.
[144] Vgl. Grausam/Kirch (1977-1983) S. 95.
[145] Vgl. Müller (2008) S. 83.
[146] Vgl. Müller (2008) S. 104 f.
[147] Die Arbeitslosigkeit könnte tatsächlich noch höher gewesen sein. Wenn man den Anteil der 620 Arbeitslosen durch die Gesamtbevölkerung von 2.100 Personen dividiert, ergibt sich eine Arbeitslosenrate von beinahe 30 %.
[148] Vgl. Theuer (1929) S. 14 ff. In diesen Angaben sind die Zahlen der auf dem Gemeindegebiet von Reisenberg gelegenen Teile Marienthals nicht berücksichtigt.
[149] Vgl. Müller (2008) S. 141.
[150] 1920 gab es bei 2.160 Einwohnern 360 Arbeitslose (nach offiziellen Angaben 15 %); 1921 waren von 2.050 Einwohner 280 arbeitslos (12 %); 1922 lebten 2.020 Einwohnern in der Gemeinde, von welchen 280 arbeitslos waren (14 %). Vgl. Theuer (1929) S. 14 ff.
[151] Nach offiziellen Angaben waren im Jahr 1923 42 % der Gesamtbevölkerung arbeitslos. Dividiert man die 860 Arbeitslosen durch die 2.260 Einwohner ergibt dies jedoch 38 %.
[152] Vgl. Theuer (1929) S. 14 ff. Gemäß den offiziellen Angaben zum Jahr 1924 waren 44 % der Einwohner von Gramatneusiedl arbeitslos. Aus der Division der angegebenen Arbeitslosen und der Einwohner errechnet sich ein Wert von zirka 31 %.
[153] Die »Vereinigte Österreichische Textil-Industrie Mautner Aktiengesellschaft« war eines der größten Industrieunterunternehmen Österreich-Ungarns und der größte Textilkonzern Europas. In diesem Imperium waren ungefähr 23.000 Personen in 42 Textilfabriken beschäftigt. Nach dem Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie gründete der Großindustrielle Mautner zahlreiche Unternehmen in den Nachfolgestaaten. Vgl. Müller (2008) S. 142 f.
[154] Vgl. Müller (2008) S. 141.
[155] Vgl. Müller (2008) S. 150.
[156] Vgl. Müller (2008) S. 150.
[157] Jahoda u.a. (1975) S. 34 f. Die Marienthal-Studie weicht hier von den tatsächlichen Schließungsdaten ab. Die Spinnerei wurde im Juni 1929 geschlossen, Ende Juli die Weberei, im August die Druckerei und im September die Bleiche und Appretur. Vgl. Müller (2008) S. 151.
[158] Im Jahr 1928 waren »nur« 112 Gramatneusiedler arbeitslos. Vgl. Theuer (1929) S. 14.
[159] Übrigens der offiziell bisher höchste Einwohnerstand in der Geschichte der Gemeinde Gramatneusiedl. Vgl. Müller (2008) S. 114 f.
[160] Vgl. Theuer (1929) S. 14 ff. Auch an dieser Stelle sei wieder auf die Differenz zwischen der offiziellen Prozentangabe und dem Ergebnis der einfachen Division hingewiesen: 614 Arbeitslose dividiert durch 2.920 Einwohner ergibt einen Prozentsatz von 21 % Arbeitslosen.
[161] Zum Zeitpunkt der Stilllegung der Fabrik sollen von 2.986 Einwohnern insgesamt 1.486 Personen (in 478 Familien) arbeitslos geworden sein. Vgl. Grausam/Kirch (1977-1983) S. 97. Ob diese Zahlen richtig sind, muss angezweifelt werden. Einerseits ist anhand der Angaben in dieser Quelle unklar, ob es sich um die Einwohnerzahl von Gramatneusiedl handelt oder ob hier auch der Reisenberger Anteil an Marienthal hinzugezählt wurde. Offiziell hatte Gramatneusiedl maximal 2.920 Einwohner. Andererseits war laut anderen Quellen der höchste Personalstand der Fabrik etwa 1.290, womit nicht 1.486 Personen plötzlich arbeitslos werden konnten.
[162] Vgl. Müller (2008) S. 151 f.
[163] Vgl. Müller (2008) S. 143 ff.
[164] Vgl. Sterk (1986) S. 10.
[165] Vgl. Stiefel (1979) S. 18 ff.
[166] Vgl. Stiefel (1979) S. 18 f.; übereinstimmend Sterk (1986) S 21. und Karner (2008) S. 206.
[167] Durchschnittlich unterstützte Arbeitslose in der Textilindustrie, zu der auch die Fabrik in Marienthal zählte, von 1923 bis 1933: Im Jahr 1923 wurden 2.462 Personen unterstützt. 1924 1.601, 1925 3.644, 1926 6.808, 1927 5.134, 1928 5.437, 1929 9.838, 1930 13.860, 1931 15.235, 1932 17.903, 1933 18.891. Vgl. Stiefel (1979) S. 30 f.
[168] Vgl. Stiefel (1979) S. 27.
[169] Vgl. Karner (2008) S. 213.
[170] Vgl. Sterk (1986) S. 21.; übereinstimmend Butschek (1999) S. 20.
[171] Ursprünglich nur als vorübergehende Notstandsmaßnahme gedacht, wurde im März 1920 das Gesetz zur Einführung einer Arbeitslosenversicherung im Nationalrat beschlossen. Vgl. Stiefel (1979) S. 54.
[172] Vgl. Tálos/Fink (2008) S. 229 f.
[173] Jahoda u.a. (1975) S. 38.
[174] Vgl. Stiefel (1979) S. 58.[174] Vgl. Stiefel (1979) S. 58.
[175] Vgl. Stiefel (1979) S. 50 f.
[176] Vgl. Stiefel (1979) S. 22.
[177] Stiefel (1979) S. 29. Teilweise errechnen sich andere Prozentsätze beim Anteil der Unterstützten an der Gesamtzahl der Arbeitslosen gegenüber der angeführten Tabelle (z.B. im Jahr 1919: 147.196 unterstützte Arbeitslose dividiert durch 355.000 Arbeitslose gesamt ergibt 41 %).
[178] So wurden z.B. im Jahr 1932 beachtliche 7 % des gesamten Budgetvolumens für Transferzahlungen aus dem Bereich der Arbeitslosenversicherung und der Notstandunterstützung aufgewendet. Vgl. Stiefel (1979) S. 60 ff.
[179] Vgl. Tálos/Fink (2008) S. 230 f.
[180] Siehe dazu Kapitel 3.2.
[181] Vgl. Müller (2008) S. 152. Konkret wurden zwei Artikel in der sozialdemokratischen Zeitung »Das Kleine Blatt« veröffentlicht. Nachzulesen unter: http://agso.uni-graz.at/archive/marienthal/ bibliothek/bibliografie/07_01_020_02_Sozialreportage_1.htm und http://agso.uni-graz.at/archive/marienthal/ bibliothek/bibliografie/07_01_020_04_Sozialreportage..\wagner_ludwig_1930_1\1b.htm_2.htm.
[182] Otto Bauer, sozialdemokratischer Politiker und Publizist, aus einer Textilfabrikantenfamilie stammend, lebte von 1881 bis 1938. Vgl. Kleindel (1987) S. 27. Bauer soll des Öfteren als Redner in Marienthal gewesen sein. Vgl. Freund u.a. (1982) S. 72.
[183] Paul Felix Lazarsfeld, österreichischer Soziologe, Initiator und Leiter der Marienthal-Studie, lebte von 1901 bis 1976. Vgl. Müller (2008) S. 321.
[184] Vgl. Kreuzer (1983) S. 10 f. Gertrud Wagner, Mitarbeiterin des Marienthal-Projektteams, erinnert sich in einem Interview, dass Hans Zeisel, Mitautor der Marienthal-Studie, von Otto Bauer mit dieser Idee konfrontiert wurde. Zeisel war ein guter Bekannter von Otto Bauer und ein guter Freund von Paul Lazarsfeld. Alle drei dürften sich über die intellektuellen Zirkel der sozialdemokratischen Partei gekannt haben. Vgl. Müller (2008) S 360 f.
[185] Namen des Projektteams in alphabetischer Reihenfolge: 1) im Vorwort genannte Mitarbeiter: Lotte Danzinger (später Schenk-Danzinger), Hedwig Deutsch (später Jahoda), Marie Deutsch, Erich Felix, Elfriede Guttenberg, Karl Hartl, Clara Jahoda (Ärztin), Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld, Paul Stein (Arzt), Josefine Stross (Ärztin), Franz Zdrahal, Hans Zeisel und Kurt Zinram (Arzt). Vgl. Jahoda u.a. (1975) S 9 f.; 2) nicht im Vorwort genannte Mitarbeiter: Gertrude Wagner, Walter Wodak und Ilse Zeisel. Vgl. Müller (2008) S. 340 ff.
[186] Vgl. Müller (2008) S. 262.
[187] Vgl. Jahoda (1997) S. 112 f.
[188] Am 30. Jänner 1933 wurde der Nationalsozialist Adolf Hitler Reichskanzler in Deutschland, weshalb dieser Tag als Tag der Machtergreifung Hitlers in die Geschichte einging. Vgl. Salis (1980) S. 439 f.
[189] Vgl. Müller (2008) S. 274 ff.
[190] Jahoda u.a. (1975) S. 9.
[191] Im Kapitel »Speisezettel und Budget« werden 41 Familien angegeben. Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 44 f.
[192] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 24 ff.
[193] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 28 ff.
[194] Siehe dazu Kapitel 3.2.
[195] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 32 ff.
[196] Erstellt wurde diese Statistik von einem Lehrer. Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 37.
[197] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 37.
[198] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 38 ff.
[199] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 38.
[200] Jahoda u.a. (1975) S. 39. Ergänzende Anmerkung zu Darstellung 2: Man wurde als »ausgesteuert« bezeichnet, wenn man den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung verloren hatte. »Völlig ausgesteuert« waren diejenigen, die auch keine Notstandsunterstützung mehr bekamen. Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 38.
[201] Das sind immerhin 81,8 % der damaligen Marienthaler Bevölkerung (bei einer Gesamteinwohnerzahl von 1.486 Personen).
[202] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 39.
[203] Eine Verbrauchseinheit (VE) wurde folgendermaßen definiert: 0,6 VE für Personen unter 14 Lebensjahren, 0,8 VE für Frauen und Personen zwischen 14 und 21 Lebensjahren, 1 VE für Männer über 21 Lebensjahren. Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 39.
[204] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 39 ff.
[205] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 41 ff.
[206] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 44 ff.
[207] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 50 ff.
[208] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 52 ff.
[209] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 55 ff.
[210] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 70.
[211] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 70.
[212] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 70 f.
[213] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 71.
[214] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 71 f.
[215] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 73 f.
[216] Eigene Darstellung, jedoch stark an die betreffenden Darstellungen der Projektgruppe und an die ergänzenden Bemerkungen angelehnt. Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 73 f.
[217] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 75 ff.
[218] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 83 ff.
[219] Zur Erinnerung: Die Forschergruppe beendete ihre Tätigkeit vor Ort Mitte Mai 1932.
[220] Jahoda u.a. (1975) S. 94.
[221] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 93 ff.
[222] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 96 ff.
[223] Jahoda u.a. (1975) S. 112.
[224] Vgl. Fleck (1990) S. 177.
[225] Vgl. Leichter (1933) o.S.
[226] Vgl. Müller (2008) S. 279 f.
[227] In dieser Reportage wurden Daten der amerikanischen Industrie verarbeitet. Diese dürfte etwa ein halbes Jahr vor Wagners Arbeit in mehreren Zeitungen behandelt worden sein. Vgl. Wagner (1933) S. 14 ff.
[228] Vgl. Wiese (1933) S. 96 ff.
[229] Vgl. Fleck (1990) S. 178.
[230] Vgl. Müller (2008) S. 291.
[231] Siehe dazu Kapitel 3.4.1.
[232] Vgl. Greffrath (1989) S. 113 f.
[233] Kreuzer (1983) S. 11.
[234] Vgl. Müller (2008) S. 292.
[235] Fleck (1989) S. lxxi.
[236] Vgl. Fleck (1989) S. xlv f.
[237] Vgl. Freund u.a. (1982) S. 22.
[238] Jahoda u.a. (1975) S. 14.
[239] Vgl. Müller (2008) S. 294.
[240] Siehe dazu Kapitel 3.4.2.
[241] Jahoda u.a. (1975) S. 28.
[242] Vgl. Müller (2008) S. 294 f.
[243] Siehe dazu Fußnote Nr. 185.
[244] Lotte Danzinger (später Schenk-Danzinger) leistete die Hauptarbeit der Feldforschung vor Ort. Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 9 f.
[245] Vgl. Müller (2008) S. 295.
[246] Das Jahr 1932 wurde deswegen gewählt, da die Studie in der Zeit von Anfang November 1931 bis Mitte Mai 1932 erstellt wurde. Vgl. Müller (2008) S. 262.
[247] Der »Börsen-Kurier« ist eine österreichische Wochenzeitung für Finanz und Wirtschaft, die 1932 gegründet wurde.
[248] Diese Aussage basiert auf Informationen aus einem Telefonat mit der Verbraucherpreisindex-Auskunft der Statistik Austria vom 28. Jänner 2009 (Telefonnummer 01/71128-8068 Frau Irmgard Schimper).
[249] Vgl. Börsen-Kurier (2009) o.S. Der Umrechnungsfaktor von Schilling zu Euro beträgt 13,7603. Das bedeutet, dass die Inflation von 1932 bis Ende 2008 eine Höhe von insgesamt 4.128,09 % erreichte.
[250] Einen Vergleich zum »Börsen-Kurier« kann annäherungsweise die Statistik Austria liefern. Deren weitest zurückführende Zahlenreihe reicht bis 1938 und zeigt mit Ende 2008 eine Gesamtinflation über den gewünschten Zeitraum von 4.228,2 %. Vgl. Statistik Austria (2009) o.S. Der Einfachheit halber wird in weiterer Folge der Ansatz des »Börsen-Kurier« für alle Umrechnungen verwendet.
[251] Da heutzutage Wochenlöhne unüblich sind, werden die in der Studie angegebenen Werte mit 4,33 multipliziert, um einen aussagekräftigeren Monatslohn darzustellen.
[252] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 32. Berechnung am Beispiel der Strickerei in Velm: Verdienst laut Studie von 13 bis 18 Schilling; 13 Schilling x 3 (heutiger Gegenwert 1 Schilling in Euro) x 4,33 (Umrechnung auf Monatslohn) = 168,87 EUR = 169 EUR gerundet.
[253] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 38.
[254] Bei der Berechnung der Monatswerte wird mit 30 Tagen pro Monat gerechnet.
[255] Siehe dazu Kapitel 3.4.2.
[256] Anhang 1: Transkription des Interviews mit Frau L.N.
[257] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 39. Berechnung: 1,40 Schilling x 3 (heutiger Gegenwert 1 Schilling in Euro) = 4,20 EUR.
[258] 0,6 VE x 3 für 3 Kinder unter 14 Lebensjahren, 0,8 VE für 1 Frau, 1 VE für 1 Mann, ergibt insgesamt 3,6 VE. Siehe dazu Fußnote 203.
[259] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 65.
[260] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 40.
[261] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 40.
[262] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 96.
[263] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 40.
[264] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 36.
[265] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 42.
[266] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 75.
[267] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 48 f.
[268] Eigene Darstellung, jedoch auf Basis der Aufzeichnungen der Forschergruppe. Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 48. Ergänzung der Kalorienwerte. Vgl. Kunze u.a. (2007) S. 19 ff. Die Kalorienangaben können nur Richtwerte sein. Einerseits kann die Kalorienangabe für ein Lebensmittel aus den 1930er Jahren mit einer Nährwerttabelle aus dem Jahr 2007 nicht übereinstimmen. Andererseits fehlen teilweise exakte Mengenangaben und Produktbezeichnungen.
[269] Vgl. Weltgesundheitsorganisation (2006) o.S.
[270] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 50.
[271] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 108 f.
[272] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 55.
[273] Vgl. Kreuzer (1983) S. 124 f.
[274] Vgl. Wacker (1983) S. 32.
[275] Vgl. Müller (2008) S. 163 ff.
[276] Anhang 1: Transkription des Interviews mit Frau L.N.
[277] Vgl. Müller (2008) S. 165.
[278] Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[279] Als Vergleich dazu: Im Juli 1929 wohnten 2.920 Personen im Ort. Vgl. Theuer (1929) S. 18.
[280] Vgl. Müller (2008) S. 165 ff.
[281] Siehe dazu Kapitel 3.2
[282] Vgl. Müller (2008) S. 170.
[283] Vgl. Müller (2008) S. 170 ff.
[284] Vgl. Müller (2008) S. 171.
[285] Fritz Ries lebte von 1907 bis 1977. Nachdem er durch zahlreiche Arisierungen in der Zeit des Nationalsozialismus reich wurde, gehörte Ries auch nach dem Zweiten Weltkrieg zu den führenden Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft – ein sicherlich wenig ruhmreiches Beispiel. Als Folge einer Existenz bedrohenden Krise seiner »Pegulan-Werke Aktiengesellschaft« nahm sich Ries 1977 das Leben. Vgl. Müller (2008) S. 195 ff.
[286] Vgl. Müller (2008) S. 198 f.
[287] Im Jahr 1949 entschloss man sich zur Rückverlegung des Lager- und Hauptbetriebes auf das Gelände beim Bahnhof in Gramatneusiedl. Am Gelände der ehemaligen Textilfabrik verblieb der Werkstättenbetrieb. Vgl. Müller (2008) S. 217.
[288] Vgl. Müller (2008) S. 199 f.
[289] Insgesamt kostete der Zweite Weltkrieg 177 Menschen aus Gramatneusiedl das Leben: 64 gefallene Soldaten, 39 Vermisste, 69 zivile Kriegsopfer und 5 vom Nationalsozialismus verfolgte Widerstandskämpfer. Vgl. Müller (2008) S. 203 f.
[290] Vgl. Müller (2008) S. 200 ff.
[291] Vgl. Müller (2008) S. 209.
[292] Vgl. Müller (2008) S. 215 f.
[293] Vgl. Müller (2008) S. 216.
[294] Genaue Anschrift: Oelweingasse 13, 1150 Wien. Vgl. Evonik Para-Chemie GmbH (2008a) S. 9.
[295] Vgl .Evonik Para-Chemie GmbH (2008a) S. 9 ff.
[296] 80 Millionen Schilling sind nach heutiger Währung ungefähr 5,8 Millionen Euro.
[297] Vgl. Evonik Para-Chemie GmbH (2008a) S. 12 ff.
[298] So wurde beispielsweise die Fassade des Kunsthauses Graz mit diesen Produkten verkleidet. Vgl. Evonik Para-Chemie GmbH (2008a) S. 33.
[299] Vgl. Evonik Para-Chemie GmbH (2008a) S. 15 ff.
[300] Vgl. Evonik Para-Chemie GmbH (2008b) S. 6.
[301] Die drei Gespräche wurden mit einem digitalen Diktiergerät aufgezeichnet und dauerten zwischen zirka 30 Minuten und 2 Stunden. Die Inhalte mussten daher verkürzt und strukturiert werden, um gute Leserlichkeit herzustellen. Die Transkriptionen dieser Interviews finden sich im Anhang dieser Arbeit.
[302] Vgl. Anhang 1: Transkription des Interviews mit Frau L.N.
[303] Vgl. Anhang 1: Transkription des Interviews mit Frau L.N.
[304] Vgl. Anhang 1: Transkription des Interviews mit Frau L.N.
[305] Anhang 1: Transkription des Interviews mit Frau L.N.
[306] Vgl. Anhang 2: Transkription des Interviews mit Herrn J.D.
[307] Der Herrengarten war eine Parkanlage in der Nähe des 2008 abgerissenen Arbeiterwohnhauses Altgebäude (Hauptstrasse 64).
[308] Vgl. Anhang 2: Transkription des Interviews mit Herrn J.D.
[309] Vgl. Anhang 2: Transkription des Interviews mit Herrn J.D.
[310] Vgl. Anhang 2: Transkription des Interviews mit Herrn J.D.
[311] Vgl. Anhang 2: Transkription des Interviews mit Herrn J.D.
[312] Vgl. Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[313] Laut Herrn L.K. wurden vor allem Stoffe für Leintücher, Hemden, Arbeitskleidung und Taschentücher erzeugt. Vgl. Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[314] Vgl. Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[315] Der Fußballverein ASK Marienthal wurde bereits 1908 gegründet. Das Kürzel ASK steht seit der Beseitigung der Demokratie in Österreich im Jahr 1933 für Athletik Sportklub Marienthal (vorher Arbeiter-Sportclub Marienthal). Vgl. Müller (2008) S. 127 f.
[316] Vgl. Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[317] Vgl. Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[318] Vgl. Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[319] Vgl. Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[320] Vgl. Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[321] Vgl. Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[322] Anhang 3: Transkription des Interviews mit Herrn L.K.
[323] Vgl. Müller (2008) S. 228.
[324] Siehe dazu Kapitel 3.4.1.
[325] Vgl. Past (1973) Titelblatt.
[326] Vgl. Past (1973) S. 5 ff.
[327] Vgl. Past (1973) S. 26 ff.
[328] Von 32 befragten Schülern hatten 16 ein Wurst- bzw. Fleischbrot, 10 ein Schmalzbrot und nur 6 nichts mit, wobei dies eher mit der fehlenden Zeit zum Zubereiten oder Essen zu tun hatte und nicht mit der wirtschaftlichen Situation der Eltern. Vgl. Past (1973) S. 45.
[329] Vgl. Past (1973) S. 45 ff.
[330] Vgl. Past (1973) S. 46 f.
[331] Vgl. Past (1973) S. 48 ff.
[332] Vgl. Müller (2008) S. 229.
[333] Freund u.a. (1982) S. 10.
[334] Vgl. Freund u.a. (1982) S. 2 ff.
[335] Vgl. Freund u.a. (1982) S. 22 ff.
[336] Vgl. Freund u.a. (1982) S.31 ff.
[337] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 108 f.
[338] Vgl. Freund u.a. (1982) S. 55 ff.
[339] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 37.
[340] Vgl. Freund u.a. (1982) S. 69 ff.
[341] Vgl. Freund u.a. (1982) S. 95 ff.
[342] Vgl. Müller (2008) S. 229. Auch eine DVD ist mittlerweile verfügbar: »Marienthal 1930–1980«. Gruppe SYNC, Österreich 1980, 98 Minuten.
[343] Die österreichische Regisseurin und Drehbuchautorin Karin Brandauer lebte von 1945 bis 1992 und war mit dem Schauspieler Klaus Maria Brandauer verheiratet. Vgl. Müller (2008) S. 231.
[344] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 84.
[345] Vgl. Müller (2008) S. 230 f.
[346] Dabei handelt es sich ohne Zweifel um Lazarsfeld und Jahoda. Die beiden waren von 1927 bis 1934 verheiratet, lebten aber seit 1932 getrennt. Vgl. Müller (2008) S. 314 f.
[347] Vgl. Brandauer (1987) o.S.
[348] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 34 f.
[349] Vgl. Brandauer(1987) o.S.
[350] Vgl. Müller (2008) S. 230.
[351] Jahoda (1997) S. 115.
[352] Vgl. Müller (2008) S. 231.
[353] Siehe dazu Kapitel 3.3.1.
[354] Vgl. Schöpfer (2008) S. 271 f.
[355] Vgl. Breuss (2006) S. 1.
[356] Vgl. Marterbauer (2007) S. 12.
[357] Vgl. Schöpfer (2009) S. 271 f.
[358] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2009a) o.S.
[359] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2009a) o.S.
[360] Arbeitsmarktservice Österreich (2009a) o.S.
[361] Keine Position der Bundesländerreihung veränderte sich gegenüber 2007. Siehe dazu Fußnote 64.
[362] Vgl. WIFO (2009) Übersicht 1.5 Arbeitslosenquote, standardisiert.
[363] Vgl. Österreichische Nationalbank (2008) S. 4 ff.
[364] Vgl. Österreichische Nationalbank (2009b) S. 4 ff.
[365] Siehe dazu Kapitel 2.2.2.
[366] Das Bruttoinlandsprodukt erfasst die Summe der erzeugten Güter und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft. Vgl. Marterbauer (2007) S. 289.
[367] Vgl. Österreichische Nationalbank (2009b) S. 33.
[368] Vgl: Willke (2002) S. 32.
[369] Diese Zahlen basieren auf Angaben der Gemeinden Gramatneusiedl und Reisenberg.
[370] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 35 f.
[371] Siehe dazu Kapitel 3.1.
[372] Teilweise liegen die heutigen Daten als Ergebnis der eigenen empirischen Untersuchung vor. Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 5 und Frage 6. Leider gibt es keine Vergleichswerte aus der historischen Marienthal-Studie, wobei durch die damalige Textilfabrik sowohl die Ausbildung als auch das Berufsbild der Menschen vorgegeben sein dürfte.
[373] Siehe dazu Kapitel 4.1.
[374] Von 96 Personen, die durch die empirische Untersuchung erfasst wurden und zum Zeitpunkt dieser Befragung erwerbstätig waren, gaben nur 19 an, in Marienthal zu arbeiten. Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 8.
[375] Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 30.
[376] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit.
[377] 74 von insgesamt 538 Haushalten entsprechen exakt 13,75 %.
[378] Der Prozentanteil errechnet sich exakt auf 15,35 %.
[379] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 1.
[380] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[381] An der Befragung nahmen 74 Haushalte mit 181 Personen teil. Das sind 2,45 Personen pro Haushalt im Vergleich zu 2,41 Personen in ganz Marienthal am Ende des Jahres 2008. Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[382] Dies entspricht gemäß den Angaben der beiden Gemeinden einem Anteil von 13,93 % in ganz Marienthal (mit 1.299 Einwohnern) und 15,85 % im Gramatneusiedler Teil (mit 1.142 Einwohnern). Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[383] Die hier verwendeten Bezeichnungen stammen aus der historischen Marienthal-Studie. Gegenüber der im Jahr 2008/2009 durchgeführten Umfrage gibt es geringe Unterschiede bei den Altersangaben für einzelne Kategorien (Schulalter von 6 bis 13 Jahren und Erwerbsalter von 14 bis 59 Jahren). Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 35. Diese Abweichung musste in Kauf genommen werden, damit die Vergleichbarkeit gegeben ist. Nach heutiger Gesetzeslage kann man mit 14 Jahren noch nicht erwerbstätig sein.
[384] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 2.
[385] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung; Zahlen aus Studie. Vgl. Jahoda u.a. (1975) S. 35.
[386] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2009b) o.S.
[387] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 5.
[388] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[389] Vgl. OECD (2008) S. 2.
[390] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 6.
[391] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[392] In der Gesamtzahl von 99 Personen sind die Angestellten, Arbeiter, Beamten, Arbeitslosen und Unternehmer enthalten. Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[393] Siehe dazu Kapitel 3.4.2.
[394] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 8.
[395] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[396] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 9.
[397] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[398] Siehe dazu Kapitel 2.4.
[399] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 10.
[400] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 11.
[401] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[402] Siehe dazu Kapitel 2.4.
[403] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 12.
[404] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 13.
[405] Vgl. Freund u.a. (1982) S. 13.
[406] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 14.
[407] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 15.
[408] Kommentar aus Fragebogen Nr. 2. Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[409] Kommentar aus Fragebogen Nr. 57. Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[410] Vgl. Beer u.a. (2006) S. 117.
[411] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 17.
[412] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung; Zahlen aus ÖNB-Studie. Vgl. Beer u.a. (2006) S. 117.
[413] Vgl. Beer u.a. (2006) S. 117.
[414] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 18.
[415] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[416] Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[417] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 19.
[418] Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[419] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 3. Anmerkung: In Marienthal gibt es keine Eigentumswohnungen.
[420] Der Haushalt eines befragten Marienthaler Hauseigentümers hat durchschnittlich 2,88 Einwohner und ist somit erheblich größer als der Durchschnitt der Grundgesamtheit mit 2,41 Menschen pro Haushalt. Zur Ergänzung: In den 57 gemieteten Wohnungen oder Häuser lebten 132 Personen (rund 73 % aller durch die Befragung Erfassten). Vgl. Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[421] Das waren 59 von 74 Haushalten. Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 24.
[422] Dies schließt auch jene 15 Haushalte ein, die angegeben hatten, über keine finanziellen Reserven zu verfügen. Das ergibt eine Berechnungsbasis von 74 Haushalten.
[423] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 25.
[424] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung; Zahlen aus ÖNB-Studie (0 % bedeuten keine Angabe in ÖNB-Studie). Vgl. Beer u.a. (2006) S. 118.
[425] Vgl. Beer u.a. (2006) S. 103.
[426] Siehe dazu Kapitel 4.3.
[427] Vgl. IMAS (2009) S. 1a.
[428] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 16.
[429] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung; Zahlen aus IMAS-Umfrage. Vgl. IMAS (2009) S. 1a.
[430] Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[431] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 21.
[432] Eigene Darstellung aufgrund Auswertung der Fragebogen-Untersuchung; Zahlen aus IMAS-Umfrage. Vgl. IMAS (2008) S. 1.
[433] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 22 und 23.
[434] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 28.
[435] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[436] Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[437] Diese Einschätzung teilten 32 von insgesamt 54 Personen (59,26 %). Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 29.
[438] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 30 und 31.
[439] 26 von insgesamt 38 Befragten gaben diese Antwort (68,42 %). Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[440] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 32 und 33.
[441] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 34.
[442] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[443] Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[444] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 35.
[445] Eigene Darstellung aufgrund der Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[446] Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[447] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 37.
[448] Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[449] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 38.
[450] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 39.
[451] Eigene Auswertung der Fragebogen-Untersuchung.
[452] Vgl. IMAS (2009) S. 2a.
[453] Vgl. Anhang 4: Fragensammlung zur Diplomarbeit: Frage 40.
[454] Siehe dazu Kapitel 3.4.5.
[455] Siehe dazu Kapitel 4.5.7.
[456] Siehe dazu Fußnote 200.
[457] Es ist selbstverständlich möglich, dass einzelne Haushalte mehrere Sparbücher oder Lebensversicherungen oder Bausparverträge besitzen.
[458] Vgl. Internationaler Währungsfonds (2009) o.S.
[459] Vgl. Österreichische Nationalbank (2009b) S. 15.
[460] Vgl. Österreichische Nationalbank (2009a) S. 20.
[461] Vgl. Österreichische Nationalbank (2009b) S. 16.
[462] Vgl. Österreichische Nationalbank (2009a) S. 20.
[463] Vgl .Arbeitsmarktservice Österreich (2009e) o.S.
[464] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2009f) o.S.
[465] Vgl. Österreichische Nationalbank (2009b).
[466] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2009c).
[467] Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (2009d).
[468] Österreichische Umgangssprache für ein Endstück eines Brotes.
[469] Dabei handelt es sich um das heutige Raiffeisen-Lagerhaus in Bahnhofsnähe.
[470] Hiermit sind die Christlich-Sozialen im Ort gemeint.
[471] Damit sind die Gramatneusiedler, in diesem Kontext die Gramatneusiedler Bauern, gemeint.
[472] Damit sind die Marienthaler, die Arbeiter, die teilweise aus Böhmen in den Ort kamen, gemeint.
[473] Damals der Name einer österreichischen Zigarettenmarke.
[474] Siehe dazu Fußnote 200.
[475] Österreichische Umgangssprache für Mais.
[476] Hier sprach Herr J.D. vom Gasthaus »Zum Bürgermeister« (ehemaliges Fabrikgasthaus).
[477] Österreichische Umgangssprache für Zigaretten.
[478] Siehe dazu Fußnote 473.
[479] Damit ist eine Verkäufer von Hausschuhen gemeint.
[480] Österreichische Umgangssprache für Schlappen.
[481] In diesem Zusammenhang aus Böhmen stammend.
[482] Siehe dazu Fußnote 475.
[483] Dabei handelt es sich um eine Gemischtwarenhandlung, die noch heute existiert.