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[Aleksandra Gan] Die
Stadtrandsiedlung Leopoldau [S. 1]
276 Oppolzer [Aleksandra] Gan
38
m2
Stimmung:
Gespräch
(mit Frau):
Mein
Mann ist Maurer, aber er ist schon zwei
Jahre arbeitslos, was soll er machen? Das Umanandlungern1
verdriesst ihn so sehr. Die Burschen (einer ist Maurerlehrling, und
der andere schon gelernter Mechaniker, arbeitet jetzt nur 3 Tage in
der Woche) und das grosse Mädel (Lehrmädchen in einer
Miederwerkstätte) werden auch arbeitslos und dann sind wir
alle zuhause, davor fürchten wir uns so, das ist ja heute gar
nicht anders zu erwarten. Und draussen2
kann man arbeiten, anbauen. Mein Mann ist sehr fleissig, er will
immer nur arbeiten und die Buben freuen sich auch schon darauf. In
der Zeitung haben wirs gelesen und so haben wir geredet, geredet und
sind dann zusammen mit zwei Nachbarn, die jetzt auch siedeln,
hingegangen. Wir sind beide vom Land, ich habe das gern, ich kenne
die ganze
Feldarbeit, war bis zum 20. Lebensjahr bei meinen Eltern
zuhause in Böhmen. So ist es für uns eine Leichtigkeit,
sonst möchten wir uns nicht so darübertrauen. Wir haben
schon früher einen Schrebergarten gehabt, mein Mann war
Platzmeister und dort haben wir halt ein bissel Grund gehabt, wir
haben Ferkel und. Hasen, auch Hühner gehabt, das alles werden
wir uns jetzt auch anschaffen. Es ist schwer mit dem Geld, aber
schön langsam wird es schon gehen. Wir haben noch nicht das
ganze Geld (300 S[chilling]) aufgebraucht) [!] und sill [!] ich den
Sohn (Mechaniker) dalassen, er hats dann in die Arbeit nicht so weit
und übernimmt hier die Stelle als Hausmeister. Wir wollen ja
diesen Posten nicht verlieren, es sind doch ein paar Schilling und
so können wir dann leicht alles bezahlen. Das grosse Mädel
bleibt jetzt vorläufig auch noch da, sie geht seit einem halben
Jahr in eine Miederwerkstätte in die Lehre, aber sie will dort
nicht bleiben. Das ist privat und da muss sie alles für die
Gnädige machen, Geschirrwaschen und aufräumen und liefern
gehen und immer heisst es »Minna
das, Minna jenes«
und alles soll immer schon fertig sein, da hat sie so einen Kopf und
wird ganz blöd davon. Sie verdient S[chilling] 4,– in der
Woche, aber sie will lieber zuhause bleiben und freut sich schon
sehr auf draussen. Mir ist auch lieber, sie bleibt zuhause, draussen
werde ich sie auch brauchen. Überhaupt für die Kinder ist
es gut, gesund draussen.
Quelle: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Nachlass Paul F. Lazarsfeld, Signatur 1, Filmrolle 1. © AGSOe
1 Umanandlungern:
wienerisch für Herumlungern. Anmerkung
Reinhard Müller.
2 Draussen:
gemeint ist: in der Leoplodau. Anmerkung
Reinhard Müller.
© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006 |
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