Soziologie in Österreich

 

 

 

 

Home

 

Impressum

 

Feedback

 

English

 

 

Geschichte
Biografien
Institute
Vereine
Zeitschriften
Schriftenreihen
Verlage
Orte
 
Bibliothek
Archiv
 
Spann
 Briefe
 28.3.1915

 

Othmar Spann

Briefe an Erika Spann-Rheinsch

Othmar [Spann]: Brief an [Erika Spann-Rheinsch in Brünn (Mähren, heute Brno, Tschechien)]

Zeltweg (Steiermark), am 28. März 1915

pag. 333/a:

Zeltweg, Sonntag 28.III.15

Liebste! Heute ist Palmsonntag, der Himmel ist zwar trüb, doch könnte ich Dir aus einer schöneren Gegend nicht leicht meine Grüße schicken.

Nun geht's wieder einaml ans Berichten. Als ich s[einer]z[eit]t. in Gleisdorf einrückte, erbat ich mir 3–4 Wochen Schonzeit. Der Major Rziha, ein sehr wohlwollender Herr, der im Feldzuge arg mitgenommen wurde, sagte bereitwilligst zu, ordnete aber eine ärztliche Untersuchung an. Der Arzt verschrieb mir – 5–6 Wochen! Ich war's zufrieden hauptsächlich wegen Hannover. Das betr.[effende] Dienststück ging am 23. nach Graz ab. Am 24ten kam aus Graz ein vom 23. datirter Befehl, wonach ich in die Marschkomp.[anie] 2/35, (die am 30ten bereits sein soll) eingeteilt sei, u.[nd] zw.[ar] noch als Leutnant. Also ein doppelter Irrtum. Nach dem Grundsatz »Befehl ist Befehl« hatte ich aber auf der Stelle zu packen, des andern Morgens früh reiste ich ab. Major Rziha erklärte mir, andern tags nach Graz zu fahren, u.[nd] den Irrtum zur Sprache zu bringen.

Hier angekommen treffe ich einen Majoren an, der mehr einer Gluckhenne für seine Schützlinge gleicht als etwas anderem. Seine erste Frage an mich war: Sind Sie denn auch gesund? Ich erzählte darauf hin meine Geschichte. Nun abermals: ärztliche Untersuchung und derselbe Einwand: 5–6 Wochen seien zu wenig, »Herr Professor brauchen mehr«. Ich erklärte aber, das genüge.

Daraufhin wurde ich hier natürlich nicht in die Marschkomp.[anie] eingeteilt. Mein Dienst besteht darin, von Zeit zu Zeit nachzufragen, ob nicht von Dir ein liebes Brieflein erschien und pünktlich in die Offiziersmesse zu kommen. Jedoch werde ich wohl bald irgendein paar leichtere Verrichtungen zugewiesen erhalten.

Bei dem fortwährendem Wandern geht Zeit und Ruhe dahin. Zudem fand ich hier nur schlechtes Quartier und bin schon einmal ausgezogen. Das schöne Zeltweg ist vom braunen, endlosen Rauche eines riesigen Stahlwerkes leider arg geschändet.

Liebste, war mein erster Brief wirklich »starr«? Ich denke eher flüchtig oder vielleicht etwas übermüdet, wie es eben nach einer Nachtfahrt leicht geschehen kann. Bitte, verzeih mir. Von jenen fürchterlichen Realitäten, die Du hinter solchen »Starrheiten« lauern siehst, trifft glücklicherweise keine zu.

Wie erging es Dir in Wien?, was machen unsere holden Knäblein, was macht Ullys Berliner Plan?

Was Dir Philippovich sagte, werde ich wohl bald hören.

Ich hoffe, daß Grete den törichten Brief an die Gräfin Berchtold nicht geschrieben hat. Überhaupt verzichte ich auf all' derlei Sonderverwendungen.

Die Przemysler Armee hat sich nicht nach Krakau sondern in die Ostbeskiden gewandt. Gefahr für Brünn ist also in der nächsten Zeit nicht. Solltest Du je flüchten müssen, dann nach Kempten, nicht nach Wien. Einen Paß nach D[eu]tschl[an]d für Dich und die Kinder schon jetzt zu besorgen, wäre auch wegen der ev.[entuellen] Berliner Reise klug.

pag. 334/a:

Nun genug des »Geschäftes«. Meine einzige Sehnsucht ist die nach Ruhe. Ich lese auch wenig. Liebste, wie sehr bin ich in Dir verankert. Obwohl mir die Trennung an sich wenig ausmacht, (das weißt Du ja) spür ich es doch gerade jetzt wieder so deutlich, wo ich hingehöre und wo ich allein meine Heimat habe.

Leb wohl, Liebste. Laß es Dir gut gehen und grüß mir meine Knäblein.

Dein Othmar.

Quelle

Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Nachlass Spann, Signatur 32/1.1, pag. 333–334.

Kommentar

Transliteration und Kommentar: Reinhard Müller.

Beschreibung: 2 Bl.; Handschrift (kurrent).

Kommentar: Betrifft unter anderem Major ? Rziha, »die Knäblein« beziehungsweise »die Kinder« (d. s. Adalbert Spann und Raphael Spann), Ully Wilcke, Eugen Philippovich Freiherr von Philippsberg (d. i. bis 1860: Eugen Philippovich), »Grete« (d. i. Margarete Roller) und Ferdinandine Gräfin von Berchtold (geborene Gräfin Károlyi von Nagy-Károlyi).

Aufgedruckter Briefkopf: »K. k. Deutsche technische Hochschule, Brünn. Lehrkanzel für Volkswirtschaftslehre und Statistik. Brünn, am«.

Personenregister Ξ Ortsregister Ξ Gedichteregister

Ξ

© Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich
Stand: Dezember 2011