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Soziologie in Österreich |
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Geschichte |
Othmar Spann Briefe an Erika Spann-Rheinsch Othmar [Spann]: Brief an [Erika Spann-Rheinsch in Brünn (Mähren, heute Brno, Tschechien), Steinmühlgasse 10] Langenwang (Steiermark), am 22. April 1915 pag. 356/a: Langenwang, 22.IV.15 L.[iebstes] S.[üßes]! Hier hast Du den ganzen Kram wieder zurück. Das Stück (unter Kennwort, adressirt: Rektorat) an den Portier der techn.[ischen] Hochschule schleunigst abzuliefern, wird unsern Knäblein eine willkommene Reise über den Helgolandfelsen hinaus nedeuten. Dein Aufsatz über die 4. Dimension ist herrlich, vor allem im Stil. S.[eite] 2 u.[nd] Figur verstehe ich aber schlechterdings nicht, das mußt Du deutlicher machen. Akten etc schicke mir, bitte, nicht mehr nach; sie sollen sich ihre Suppe selbst auskochen. Und nun Deine lebhafte Beschwerde! Du mußt mit mir nachsichtig sein, Liebste! Ich bin zumeist sehr erschöpft, da fällt wohl manches kurz aus. Bedenke folgenden Tageslauf: 7h früh auf, Exerziren bis ½ 10, dann Ausreiten bis ½ 11 o.[der] 11 (jetzt Ausreiten verboten, dümmstes Exerziren bis 11h vorm.[ittags]!!); 11–½ 1 Pause, benützt zum Z[ei]t[un]glesen, Briefe schreiben etc; ½ 1–2 Menage unter allerhöchstem Vorsitz; ¼ 3–¾ 3h Longiren, dann versch.[iedener] dienstl.[icher] Kram, Besichtig.[ung] des Nachm.[ittags]-Exerzirens etc, gegen 4h zuhause, richtig müde. Nach Ausruhen endlich: Schelling bis 6h (daß ich mir diese einzige Oase i.[n] d.[er] Wüste womögl.[ich] reservire mußt Du mir zugestehen); hierauf: Schlendern zur Messe, dort Z[ei]t[un]glesen, »Kameradschaft«, Essen ½ 8h; unerhörter Weise ziehe ich mich um 8h regelm.[äßig] zurück, während d.[ie] Gesellschaft unter Vorsitz des Oberstl[eutnan]t. noch weiter tagt!! Nachhause gekommen: müde ins Bett, dort noch bis ½ 10, 10h Schelling. – Dabei bedenke, daß ich bis z.[ur] Kaserne 12 Minuten, zur Messe fast 25 Min.[uten] gehe. Diese Wege lege ich aber 4 mal des Tages zurück = 5–6 Kilom.[eter] ohne Exerziren u.[nd] Reiten. Diese körperl.[ichen] Anstrengungen alle tun mir sehr gut – aber sie erschöpfen mich zugleich unglaublich. Ich sehe jetzt selbst, daß ich keinesfalls felddienstt[au]gl.[ich] wäre. Warum das? Ich muß annehmen, daß der Schädelbasisbruch, den ich s[einer]z[ei]t. in Zürich erlitt, u.[nd] der ja manchmal Lähmungen etc im Gefolge hat, sich unter dem Einfluß der Feldzugs-Anstrengungen jetzt doch geltend macht, u.[nd] jene Krisis i.[n] Leutschau wie neuerdings – aber diesmal heilend, nach aufwärts – hervorgerufen hat. Übrigens erkläre es Dir wie Du willst, nur sei mir ja nicht böse. Ich kann nicht leugnen, daß mir die Welt etwas mehr im Nebelgrau liegt als früher. Doch wirst Du am allerwenigsten mir darum böse sein. – Daß ich Dich vermisse, Liebste, wie brauche ich das aus zu sprechen? Ich lebe inmitten eines merkwürdigen Maskenspieles u.[nd] tue mit, wie in meiner Jugend. Du hast es schwerer, weil Du mit Mittelstücken gleich d.[er] Sassi u.[nd] a.[nderen] zu tun hast. Ich rate Dir aber, ganz allein zu bleiben, dann hast Du es leichter, denn dann bist Du wieder in der besten Gesellschaft. Leb innig wohl, Liebste, über Thälern und Fernen bin ich Dein! Othmar. Quelle Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Nachlass Spann, Signatur 32/1.1, pag. 356. Kommentar Transliteration und Kommentar: Reinhard Müller. Beschreibung: 1 Bl.; Handschrift (kurrent). Kommentar: Betrifft unter anderem die Technische Hochschule in Brno, »unsere Knäblein« (d. s. Adalbert Spann und Raphael Spann), Friedrich Wilhelm (seit 1812: Ritter von) Schelling und »Sassi« (d. i. Marianne Ertl, geborene Wenzlitzke). Die erwähnten Beilagen fehlen. Personenregister Ξ Ortsregister Ξ Gedichteregister
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