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Soziologie in Österreich |
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Geschichte |
Othmar Spann Briefe an Erika Spann-Rheinsch Othmar [Spann]: Brief an Schwesterlein [d. i. Erika Spann-Rheinsch in Reifersdorf bei Mauthausen (Oberösterreich)] [Wien], am 9. September 1916 pag. 377/a: 9.9.16 Mein Schwesterlein! Geradezu rasend freue ich mich über Deine rüstige, frohgemute Stimmung, die alle Hindernisse hinter sich läßt. Aber, Liebchen: vermehre diese Hindernisse nicht durch überflüssiges sparen. Iß doch normalerweise im Gasthause, oder vielleicht bringt Dir jemand von dort das Essen? Von Backpulver, erbettelten Eiern u.[nd] d[er]gl.[eichen] zu leben, ist nicht recht. – Deine K[ronen] 360.– erhielt ich, wenn Du noch Geld brauchst, leih Dir von Lippm. aus. Der »Primus«-Kocher wird Dir heute geschickt. Die Absendung verzögerte sich unglückl.[icher]weise wieder dadurch, daß ich den gewohnten Kopf mit den siebförmigen Brennlöchern nicht fand. Nun rannte ich i.[n] d.[er] Stadt herum, um Dir in d.[es] Teufels Namen einen neuen Kocher zu kaufen u.[nd] zu schicken. Da sah ich denselben Aufsatz, den Du hast – daraufhin schick ich Dir heute noch Deinen Kocher zu. Mit den Wohnungen spießt es sich. Falls ich nur eine im Nov.[ember] zu beziehende erhielte – könntest Du dann mit den Kindern den Okt.[ober] noch in M.[authausen] bleiben? Diese Frage beantworte mir, bitte, sofort auf beil.[iegender] Karte. Unser Büro wird in die »Weißgärberlände« verlegt. Neben dem bot.[anischen] Garten können wir daher nicht wohnen, – wohl aber hätte ich hart am Prater ein schönes Fleckchen in Aussicht. Da Du Dir wohl schon jetzt einen Winterhut kaufen mußt, bitte ich Dich, diesmal dabei nicht zu sparen. Es gibt auch jetzt endlich einmal eine hübsche Modeform: flache, ovale, halbbreite Hüte aus schönem Plüsch, fast ohne jeden Aufputz, z.B. dunkelgrau – so sehe ich sie wenigstens hier überall in den Auslagen. Soll ich Dir einen aussuchen und schicken? Nur wegen der Farbe erbäte ich Deinen Rat, das andere würde ich wohl treffen. Mimi schickte Anschriften von Leuten, die Dein Kindleinbuch beziehen wollen – Du bekommst sie nächstens. Die Wohnung wähle ich nur so, daß wir von Hermine das Mittagessen, (mittelst Straßenbahn) beziehen können. – Einen Diener bekomme ich nicht. Nun genug des Unsinns. – Ich lese jetzt viel in Shakespeare, einen besseren Romanschriftsteller gibt es wohl nicht wie ihn. Sein Geheimnis aber ist die vollkommene Einfachheit der Charaktere. Die Modernen arbeiten dagegen nur mit Schwanken u.[nd] Farbewechseln – u.[nd] das nennen sie dann kompliziert oder problematisch. Es ist aber nicht einmal romantisch, ja himmelweit entfernt davon. Denn auch das Romantische darf und soll vollkommen einfach sein, nur das Schmerzhafte daran ist ganz allein eine Zutat zu dem einfachen Grundcharakter, der sich (allein) zu bewähren hat. Liebste, ich muß lachen über Deinen 2. Roman – aber so ist's recht! Sei geküßt von Deinem Othmar. Quelle Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Nachlass Spann, Signatur 32/1.1, pag. 377–378. Kommentar Transliteration und Kommentar: Reinhard Müller. Beschreibung: 2 Bl.; Handschrift (kurrent). Kommentar: Betrifft unter anderem »Lippm.« (d. s. Cäcilia Lippmann und Richard Lippmann), »die Kinder« (d. s. Adalbert Spann und Raphael Spann), »Mimi« (d. i. Maria Kaulich), Hermine Locchi (geborene Spann), William Shakespeare und das Buch von Erika Rheinsch: Das Kindlein. Erzählung. Herausgegeben von Erika Rheinsch. München–Leipzig: Frauenverlag 1911, sowie den »Roman« von Erika Spann-Rheinsch. Der »Primus-Kocher« ist ein Spirituskocher der Firma Primus. Im Gebäude Untere Weißgerberstraße, Wien 3., befand sich das »Wissenschaftliche Komitee für Kriegswirtschaft«. Personenregister Ξ Ortsregister Ξ Gedichteregister
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