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Chronik des Barackenlagers Mitterndorf
1916
In Arbeit!
Februar 1916
Mit 12. Februar 1916 wird die Zahl der im Barackenlager
Mitterndorf lebenden Personen offiziell mit etwa 12.000 angegeben.

Februar 1916
Im Februar 1916 werden für
den Milchbedarf des Barackenlagers Mitterndorf 150 Kühe veranschlagt.

Februar 1916
Der Winter 1915/1916 ist
ungewöhnlich kalt mit Temperaturen von bis zu minus 26 Grad Celsius.
Zwischen Dezember 1915 und Februar sterben im Barackenlager Mitterndorf
499 Menschen. Besonders hoch ist die Kindersterblichkeit. Von den 404
verstorbenen Kindern waren 369 unter sechs Jahre alt, weitere 35 unter
elf. Die Lagerverwaltung macht dafür den Ausbruch einer Masernepidemie
verantwortlich. Tatsächlich sterben 110 Kinder an Masern beziehungsweise
Scharlach, während 156 Kinder an Bronchitis, Lungenentzündung und
ähnlichen Erkältungskrankheiten verstarben. (
November 1915 und
Dezember 1915)

Februar 1916
Mitte Februar 1916 wird auf der
sogenannten Kastnerwiese ein eigener Flüchtlingsfriedhof für das
Barackenlager Mitterndorf errichtet. (
31. Oktober 1915)

Februar 1916
Gemäß »Post- und Telegraphen-Verordnung«
vom 18. Februar 1916, gezeichnet »Wien, den 15. Februar 1916«, wird das Postamt
»Barackenlager Mitterndorf a. d. Fischa« offiziell eröffnet. Tatsächlich
wurde es bereits am 7. Februar 1916
in Betrieb genommen. Es verfügt über ein Telefon- und Telegrafenamt und ist mit fünf
Beamten besetzt. Es wird auch nach Auflösung des Barackenlagers
Mitterndorf weiterbetrieben, ist allerdings dann nur mehr mit einem
Beamten besetzt. (
Quelle)

März 1916
Im März 1915 bricht im Barackenlager
Mitterndorf eine Bauchtyphusepidemie aus, die erst im Juni 1916
eingedämmt werden kann.

März 1916
Das Barackenlager, das für 8.000 Personen
ausgelegt ist und in dem nunmehr rund 12.000 Menschen leben, ist beinahe fertiggestellt. Kurz darauf wird mit dem Bau
des Lagers II begonnen, um Menschen bei einer eventuellen Evakuierung
von Lemberg (heute Lviv ‹Львів›, Ukraine) aufnehmen zu können. Der Bau der zuletzt
190 Flüchtlingswohnbaracken dieses Lagers zieht sich bis 1917 hin.

April 1916
Mit 1. April 1916 übernehmen
Ordensschwestern aus dem Trentino die Krankenpflege im Barackenlager
Mitterndorf.

April 1916
Am 6. April 1916 besichtigt Oktavian
Regner (1911–1919: Freiherr von Bleyleben; seit 1919: Oktavian
Regner-Bleyleben; 1866–1945), niederösterreichischer Statthalter, das
Barackenlager Mitterndorf. Anwesend ist auch die Gemeindevertretung von
Mitterndorf: Bürgermeister Johann Zwerger, Pfarrprovisor Oskar Herget
und der Schulleiter Leopold Mozelt.

Mai 1916
Seit 6. Mai 1916 gibt es im Barackenlager
Mitterndorf mir Dr. Rosmarin einen eigenen Chefarzt.

Mai 1916
Nach einem Bericht der
Niederösterreichischen Statthalterei vom 15. Mai 1916 leben nun im
Barackenlager Mitterndorf 11.760 sogenannte Italiener aus dem Trentino
und 123 Polen.

Mai 1916
Am 22. Mai 1916 löst Vizewachtmeister
Johann Zeilinger den bisherigen Kommandanten der
Gendarmerieexpositur im Barackenlager Mitterndorf ab.
(
23. November 1914) Der Posten ist mittlerweile mit drei Mann
besetzt; dazu kommen 64 Personen vom Landsturm als Wachdienst. Zur
Verstärkung wird eine 80 Personen umfassende Lagerpolizei eingeführt,
die sich aus Bewohnern des Barackenlagers Mitterndorf rekrutiert und
unter dem Kommando von Johann Zeilinger steht. Zeilinger wird im Juni
1919 Postenkommandant des Gendarmeriepostens Mitterndorf a. d. Fischa. (
1. Juni 1919)

Juni 1916
Am 22. Juni 1916 findet im Barackenlager
Mitterndorf eine Fronleichnamsprozession statt, an der alle
Funktionsträger des Lagers teilnehmen, sowie eine Musikgruppe aus dem
Waisenhaus im nahegelegenen Mödling (Niederösterreich).

Juni 1916
Der Delegierte des »Hilfskomitees für die
Flüchtlinge aus dem Süden«, der Hofrat am Verwaltungsgerichtshof Guido
de Bonfioli-Cavalcabò, berichtet am 26. Juni 1916 über das Barackenlager
Mitterndorf, dass 96 Flüchtlingswohnbaracken mit je 10 Zimmern (von
denen 19 jedoch für andere Zwecke verwendet werden), fünf Wohnbaracken
für Angestellte, Priester, Ärzte, Lehrer, Verwaltungsorgane und
Verpflegungspersonal, drei Schulgebäude mit insgesamt 22 Klassenzimmern
und entsprechenden Nebenräumen (Konferenz- und Direktionszimmer,
Direktorenwohnung usw.) für den Schuldirektor und 24 im Lager anwesenden
Lehrkräfte, eine Volksschule, ein provisorisches Waisenhaus
für 50 Kinder, mehrere Infektionsbaracken, fünf Notspitäler, ein
Siechenheim, ein Desinfektionsbad, acht Waschküchen, neun Küchen, eine
Kühlanlage, mehrere Lebensmittelmagazine, mehrere Stallungen für Pferde,
Milchkühe Schweine und Hühner samt Futtermagazinen, das
Verwaltungsgebäude, das Gebäude für die Evidenzämter, eine Baracke für
die Wache, die Lagerinspektion, ein Volkssekretariat, das Post- und
Telegrafenamt, die Feuerwehrzentrale, die Kirche, zwei Baracken für
Klosterschwestern, eine Volkshalle mit Kino und Gemeindewirtshaus, eine
Bäckerei, zwei Verkaufshäuser, zwei Werkstätten, eine Nähwerkstätte,
eine Schusterei, eine Tischlerei, eine Schlosserei, eine Korbflechterei
und eine Spitzenkursbaracke fertiggestellt sind. Abgeschlossen ist auch
der Bau der Trinkwasserleitung aus Mödling (Niederösterreich), die Kanalisation, die
Elektrifizierung und die 60 cm-Schmalspurbahn vom Bahnhof Mitterndorf-Moosbrunn in das Lager
(
August 1915).
Außerdem werden deutsche Sprachkurse für Kinder und Erwachsene
abgehalten. Als im Bau befindlich werden ein Waisenhaus für 120 Kinder,
zwei Kindergärten für 400 Kinder, eine Kinderliegehalle, zwei Hallen für
die Kinderausspeisung und zwei Baracken für die Holzsohlenerzeugung
erwähnt. Die lagereigene Gärtnerei dürfte ebenfalls bereits in Betrieb
sein.

Juni 1916
Nach einem Bericht in der
Niederösterreichischen Statthalterei vom 26. Juni 1916 leben nun im
Barackenlager Mitterndorf 10.581 Menschen: 2.228 Männer, 4.351 Frauen
und 4.002 Kinder unter vierzehn Jahren, darunter etwa 120 Waisenkinder.

Juni 1916
Im Juni 1916 wird das leerstehende Gebäude
der ehemaligen Frabrik
»Philipp Haas & Söhne« in Mitterndorf,
Lagerstraße 16, als Schneiderei des Barackenlagers Mitterndorf adaptiert,
in welcher rund 500 Frauen arbeiten.

August 1916
Im Sommer 1916 wird die Holzsohlenfabrik des Barackenlagers Mitterndorf
errichtet,
in welcher im Dezember 1916 rund 425 Personen arbeiten, weiters eine
Schuhfabrik, welche im Dezember 1916 rund 150 Beschäftigte hat. Die
Schuhfabrik wird 1917 erweitert, sodass sie zur größten
Österreich-Ungarns wird, in der rund 2.000 Arbeiterinnen etwa 1.500 Paar
Schuhe pro Tag erzeugen.

Dezember 1916
Im Dezember 1916 arbeiten bereits über
2.000 Personen in den Betrieben des Barackenlagers Mitterndorf:
Schuhfabrik, Schusterei, Holzsohlenfabrik, Nähwerkstätte, Tischlerei, Schlosserei und
Korbflechterei.

Dezember 1916
Im Dezember 1916 wird im Barackenlager Mitterndorf ein
Denkmal zu Ehren des am 21. November 1916 verstorbenen
Kaisers
Franz Joseph I. von
Habsburg-Lothringen (Schönbrunn [zu Wien] 1830 –
Wien 1916) enthüllt.
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Copyright © 2013 Arnold Krizsanits, Mitterndorf a. d. Fischa
Copyright © 2013 Reinhard Müller, Graz
Copyright © 2013 Friederike Scherr, Wien
Stand: Februar 2013

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