Soziologie in Österreich

 

 

 

 

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Spann
 Briefe
 22.3.1915

 

Othmar Spann

Briefe an Erika Spann-Rheinsch

Othmar Spann: Brief (mit Briefumschlag) an [Erika] Spann in Wien, Josefstädterstraße 68, bei [Hermann] Schwarzwald

Gleisdorf (Steiermark), am 22. März 1915

pag. 327/a:

Gleisdorf, 22.III.15

nachmittags.

Liebstes Herzlein! Heute früh erhielt ich Dein Brieflein mit Gehrigs Karte. Sei bedankt, Süßchen. Warum sorgst Du Dich so und gewinnst keine freie Stimmung? Da Du jetzt in Wien bist, ist es in der Tat gut, wenn Du zu Philippovich gehst, ihm sagst daß von Prof. Gehrig die Zuschrift, die Du mir sandtest, kam, daher die Berufung doch wohl zu erwarten sei. Er kann am besten raten, was zu machen wäre, denn er kennt auch im Kriegsministerium genug Leute. Bei Wiesers sage dagegen besser nichts, denn Wieser hat keinen Anteil an der Berufung, Philippovich könnte gekränkt sein. Hüte Dich überhaupt vor den leichtesten Andeutungen von der ganzen Sache, wo auch immer.

In Wien machst Du s[einer]z[ei]t die Schritte am besten selbst. In Berlin könnte allerdings ich auch ganz gut eingreifen. Da aber Berlin zuerst daran kommt (so glaube ich, Philippovich wird es ja auch so sagen), wo Du mit der selbstverständlichen Voraussetzung auftreten mußt, daß ich freikäme, nur eben den nötigen militärischen Urlaub aus der so entlegenen Garnison nicht bekommen könne, so folgt die Losmachungsaktion in Wien erst hinterher, und dafür bist Du entschieden geeigneter.

Wir haben doch alles so ausgemacht, ich verstehe nicht, warum Du mir jetzt gegenteilige Vorschläge machst. Ich bin unbedingt dafür, daß Du zuerst nach Berlin fährst und dann erst in Wien auftrittst, denn nur mit der angenommenen Berufung in der Hand kann in Wien ein Eindruck erzielt werden. Außerdem: es ist ja wirkl.[ich] unsere Absicht, nach Hannover zu gehen und uns in Brünn nicht halten zu lassen. Auch daraus folgt als erstes Ziel: die Berufung in Berlin zustande zu bringen. Damit ist für uns dann ein gewisses Recht der Ausscheidung aus Österreich (herkömmlich mit der Annahme der Berufung verbunden) gegeben.

Diese Gesichtspunkte trage Philippovich vor. Auch Gottl hat es s[einer]z[ei]t so gemacht. Er fuhr nach Empfang der Berufung schleunigst nach München, unterschrieb dort die Bedingungen und ging nun erst nach Wien, um sich abzumelden.

Was mich betrifft, so bin ich ganz bestimmt noch 5 Wochen im Hinterland. Denn: 1.) erhielt ich das ärztliche Kalkül »5–6 Wochen zu schonen«; 2.) steht unsere Marschkompanie noch ganz ungerüstet und waffenlos da; 3.) ist es auch bei andern Landsturmformationen so ähnlich, die man jetzt, nach Freiwerden der Armee in Südtyrol, nicht braucht.

Sollte ein plötzlicher Urlaub aus irgend einem Grunde dennoch notwendig sein, so glaube ich wohl, daß ich ihn von dem hiesigen Kommandanten erreiche. Ob aber nach Berlin? Das ist zweifelhaft! Auch kann ich dorthin in Zivilkleidern ohne Paß nicht kommen, die Uniform indessen ist zu wenig repräsentativ, da Waffenrock etc. wohl unentbehrlich ist, überhaupt in Uniform die Unterhandlung ungünstig wäre. (Prinzipiell allerdings kein Hindernis.).

Philippov.[ich] kannst Du auch offen die Bedingungen sagen. In Berlin kannst Du geltendmachen, daß auch Gottl in München 8000.– Mark erhielt, daneben aber noch sehr hohe Kollegiengelder, die 4–6000 Mark ausmachen, bezieht.

pag. 328/a:

Mir geht es hier recht gut. Mein Diener ist von der Art, daß ich schon seinetwegen in den Krieg sollte. Mit vier Schüssen im Leib gab man ihm »No 2«, d[as]h.[eißt] nur zu Wachdiensten geeignet, er aber meldete sich freiwillig zur Marschkompanie. Seine 2 Buben, die jetzt irgendwo in einem Konzentrationslager sind, liefen vor den russischen Schwarmlinien her. Kurz, echtes Blut! –.

Nun denke, in den nächsten Tagen kann ich mit der Marschkompanie auf Schloß Freiberg – erinnerst Du Dich an das Schloß mit 2 Türmen, auf das man von meinem Fenster sieht, wenn man auf den Schöckl sieht? Das ist es! Es steht links vor Rupprecht auf dem Waldrücken und sieht aus dunklem dichten Tannengrün recht schön heraus. Die Schloßfrau ist – Frau Häckel-Habig, die bekannte Hutfabrikantenfamilie. Der Mann als O[ber]l[eutnan]t. beim Automobilkurs im Felde. Also durchaus kein Adel aber nicht von der schlechtesten Sorte, nach meinem ersten Besuche zu schließen. Ich hoffe, es wird mir dort sehr gut gehen, bei vollster Stille und Ruhe! – Postadresse bleibt dieselbe.

Es hat mich sehr gefreut, daß Du die Kinder so glänzend abgelenkt und entschädigt hast. Laß doch auch Du, Liebste, es Dir heiter und gut sein! Ich bin ganz zuversichtlich, und unternehmungslustig wie am Anfang!

Grüße mir Scheus und die Schwarzwälder.

Innig Dein Othmar.

An Gehrig ließ ich durch Mreka die »Gesellschaftslehre« senden. – Vom Pelz kann keine Rede sein, der Mantel genügt! Pilz ist noch hier, spielt aber eine klägliche Rolle und wird von mir erfolgreich geschnitten.

Quelle

Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Nachlass Spann, Signatur 32/1.1, pag. 326–328.

Kommentar

Transliteration und Kommentar: Reinhard Müller.

Beschreibung: 3 Bl.; Handschrift (kurrent).

Kommentar: Betrifft unter anderem das Schloss Freiberg in Ludersdorf–Wilfersdorf und »Rupprecht« (d. i. Sankt Ruprecht an der Raab) sowie Hans Gehrig, Eugen Philippovich Freiherr von Philippsberg (d. i. bis 1860: Eugen Philippovich), »Wiesers« (d. s. Friedrich [bis 1919: Freiherr von] Wieser und Marianne [bis 1919: Freiin von] Wieser, geborene Wolf), Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld (d. i. Friedrich Gottl, 19091919: Friedrich Gottl von Ottlilienfeld; seit 1919: Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld), Frau ? Häckel-Habig (geborene Häckel, verheiratete Habig), »die Kinder« (d. s. Adalbert Spann und Raphael Spann), »Scheus« (d. s. Gustav Scheu und Helene Scheu-Riesz, geborene Riesz, verheiratete Scheu), »die Schwarzwälder« (d. s. Eugenie Schwarzwald, geborene Nußbaum, und Hermann Schwarzwald, Mreka und Herr ? Pilz sowie das Buch von Othmar Spann: Kurzgefaßtes System der Gesellschaftslehre. Berlin: J. Guttentag 1914.

Diesem Briefumschlag war auch der Brief pag. 329–330 beigelegt.

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© Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich
Stand: Dezember 2011