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Soziologie in Österreich |
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Geschichte |
Othmar Spann Briefe an Erika Spann-Rheinsch Othmar Spann: Brief (mit Briefumschlag) an [Erika] Spann in Brünn (Mähren, heute Brno, Tschechien), Steinmühlgasse 10 Wien, [Valeriestraße 80], am 16. April 1917 pag. 388/a: Wien, 16.4.17. Liebste! Dein Brief macht mich traurig und sehr betroffen. Wir haben es doch bisher bei allen Urlauben so gehalten, daß sich jeder nach Herzenslust ausschweigen konnte. Wir haben es überdies mündlich ausgemacht, daß es wieder so sein könne – wie kannst Du da nur eine solche Meinung über den Grund meines Schweigens fassen! Überdies solltest und mußt Du wissen, daß der einzige Grundton alles meines Verhaltens, wem und was immer gegenüber, einzig und allein das Streben nach Ruhe ist. Ruhe, oder sage Lethargie, dann triffst Du's vielleicht noch besser. Seit dem Kriegsausbruch opfere ich meine Zeit fast ununterbrochen dem Strudel des Geschehens dahin und will doch nichts, gar nichts damit zu tun haben, und Sammlung, innerste Ruhe allein zum Ziele nehmen. Was mir statt dessen geschieht, weißt Du ja. Wenn Du aber wüßtest, wie schwer es mir fällt, auch nur eine Minute meiner Zeit von mir loszulösen, würdest Du von mir gewiß keine Briefe verlangen. Ja noch mehr, ich bin ganz außerstande welche zu schreiben. Deine gänzlich grundlosen Vorwürfe über Mangel an Liebe und was d[er]gl.[eichen] mehr, muß ich unter solchen Umständen über mich ergehen lassen. Das Reden verlerne ich langsam – aber fällt es Dir denn so schwer aus meinem Schweigen klug zu werden? Laß doch den Briefträger mit seinen dummen Briefen ruhig laufen. Du mußt jetzt, nach 13 Jahren Ehe und Liebe, alle notwendige Gewißheit im Herzen tragen, Worte würden Dir wenig helfen. Das schlimmste scheint mir, daß Du in Deinem Schaffen wieder gestört sein könntest. Da schlage ich Dir doch vor, wieder hierher zu kommen. Die unseligen Fäden der Geschäftigkeit sind zerrissen, Du kannst täglich von 8h früh bis 1h mittags ungestört im Salon oder im Prater arbeiten, nachmittags genössen wir das holde Glück Deines Daseins, der Zauberkreis wäre geschlossen, der Bann unversehrt – überleg' Dir's und sage mir am Samstag Bescheid. pag. 389/a: Hier, Liebste, hast Du einen ganzen Haufen Briefe »aus der Welt«. Zum Teil hast Du sie selbst hervorgerufen. An Grötz schreibe ich mit ablehnendem Danke – willst Du viell.[eicht] zu den Ferien davon Gebrauch machen? An Riki schreibe ich, daß ich kein Rabenvater sei, – denn eine solche barbarische Vorstellung, ich könnte meine Sonne- Mond- und Sternenkinder von mir lassen, kann wirklich nur eine Rabenmutter, ein höchst jugendliches, mit sich selbst beschäftigtes Gemüt (= ohne Objektivität) fassen. Unser Leben spielt sich so idyllisch und äußerlich ruhig ab, daß es einen wahren Glanz hat. Sogar der expoldirende Ehl und Krawallierer fügt sich schon weit besser und liebenswürdiger drein. Bert und El sagen mir eben höchst obenhin: »überhaupt können wir keine Briefe schreiben, denn in dem bischen Zeit, das wir haben, müssen wir bauen, und »hinunter« müssen wir auch gehen und früh schlafen gehen« – Triumpf, sie stoßen in mein Horn! Was sagst Du nun? Du mußt Dir gestehen, daß das reinste Kinderherz nicht trügen kann! Von Karl habe ich einen herrlichen, erschütternden Brief bekommen, den ich Dir mitbringen werde. Nun werde ich unaufhörlich unterbrochen. Da schließe ich mit der Bitte jede Art von Kriegs- und Kränkungsbeil zu begraben. Auf Wiedersehen! Ganz Dein! Othmar. Quelle Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Nachlass Spann, Signatur 32/1.1, pag. 387–389. Kommentar Transliteration und Kommentar: Reinhard Müller. Beschreibung: 3 Bl.; Handschrift (kurrent). Kommentar: Betrifft unter anderem Josef Grötz, »Riki« (d. i. Friederike Killian, geborene Drescher), »Ehl« beziehungsweise »El« (d. i. Raphael Spann), »Bert« (d. i. Adalbert Spann) und Karl Faigl. Die beigelegten Briefe fehlen. Personenregister Ξ Ortsregister Ξ Gedichteregister
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