Marie Jahoda über ihre Entlassung als Volksschullehrerin

Wien, November 1934

Ja, ich bin aus der Schule entlassen worden. Ich war Lehrerin und bin entlassen worden, weil ich »gottlos« war. Das war die Entschuldigung. Es war schrecklich: Ich war, glaube ich, eine gute Lehrerin, aber das weiß ich nicht – jedenfalls war ich es mit ganzer Überzeugung. Das erste, was sie damals gesagt haben, weil sie immer noch nicht aus offensichtlich politischen Gründen entlassen wollten und immer noch Entschuldigungen suchten, war: ich sei eine zu schlechte Lehrerin. Und deshalb wurde ich verwendet, um Botschaften von einem Raum in den anderen zu tragen, die Kreide vor die Tafeln zu legen usw. Es war schrecklich, wie sie mich behandelt haben. Und dann ist ihnen zu Ohren gekommen, daß ich die jüdische Religion verlassen habe, und sie haben gesagt: Gottlose Menschen haben keinen Platz in der österreichischen vaterländischen Schule. Und daraufhin bin ich hinausgeworfen worden.

Mathias Greffrath: »Ich habe die Welt nicht verändert.« Gespräch mit Marie Jahoda, in: Die Zerstörung einer Zukunft. Gespräche mit emigrierten Sozialwissenschaftlern. Aufgezeichnet von Mathias Greffrath. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1979 (= das neue buch. 123.), S. 103–144, hier S. 125.

© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

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