Julius Jung

Fünf Jahre Gemeindearbeit 1955–60. [Gezeichnet] J[ulius] Jung. (Für den Inhalt verantwortlich: Bürgermeister Julius Jung, Gramatneusiedl).

[Gramatneusiedl]: Gemeinde Gramatneusiedl [1961], unpaginiert (20 S.).

Die Veröffentlichung auf dieser Website erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Marktgemeinde Gramatneusiedl. Beachten Sie das Copyright!

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Fünf Jahre

Gemeindearbeit

1955–60

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Fünf Jahre

Gemeindearbeit 1955–60

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Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Gemeinde Gramatneusiedl

Für den Inhalt verantwortlich:

Bürgermeister Julius Jung, Gramatneusiedl

Druck: Mercuria, Wien V, Schloßgasse 23, Telefon 43 65 63

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An die Bevölkerung von Gramatneusiedl!

Die Gemeindevertretung der Gemeinde Gramatneusiedl legt der Bevölkerung nach Ablauf der ersten Funktionsperiode einen Tätigkeitsbericht über die geleisteten Arbeiten der Gemeinde für die Jahre 1955 bis 1960 vor.

Mit Nachstehendem kann nur das Wichtigste wiedergegeben werden. Wir hoffen aber sehr, daß unser Bericht Verständnis und Anerkennung findet, denn die Arbeit war nicht leicht, aber lesen Sie bitte weiter!

Als wir am 1. September 1954 von der Gemeinde Wien abgetrennt wurden, zogen wir in die Gemeinde als provisorische Gemeindevertreter ein. Wir standen vor dem Nichts und fanden nur leere Kassen vor. Von der n[ieder]-ö[sterreichischen] Landesregierung bekamen wir einen Vorschuß von S[chilling] 70.000.–, um Löhne und Gehälter an die Gemeindebediensteten auszahlen zu können. Dieser Betrag mußte jedoch wieder zurückgezahlt werden. Nach einem halben Jahr wurden Gemeinderatswahlen ausgeschrieben. Bei der Wahl entschied die Bevölkerung von Gramatneusiedl die Zusammensetzung des künftigen Gemeinderates. Auf Grund der abgegebenen Stimmen setzte sich der Gemeinderat von Gramatneusiedl wie folgt zusammen:

12 Vertreter der S[ozialistischen] P[artei] Ö[sterreichs], 5 der Ö[sterreichischen] V[olks] P[artei] und 2 der V[olks] O[pposition].[1] 

Jetzt begann die schwere, aber verantwortungsbewußte Arbeit. Gramatneusiedl ist seit 1929 ein wirtschaftliches Notstandsgebiet. Einst eine blühende Gemeinde mit einer Industrie von 1200 bis 1400

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Arbeitern und Angestellten, wurde sie durch den Bankenkrach zu furchtbarer Arbeitslosigkeit verdammt. In der Zeit von 1934 bis 1955 wurde für die Bevölkerung nur weniges, fast gar nichts gemacht. 1955 waren in der Fabrik 80 bis 100 Arbeiter, im Lagerhaus zirka 80 Arbeiter und Angestellte und die beiden Firmen Löri beschäftigten zirka 40 Arbeiter. Um die Flucht der Jugend auf Grund der Wohnungsnot zu verhindern, war es unsere erste und wichtigste Aufgabe, ein Wohnhaus mit 27 Wohnungen zu bauen. Durch den obgenannten Umstand und den sozialen Mißständen im Wohnungswesen von Gramatneusiedl bekamen wir von seiten des Sozialministeriums S[chilling] 1,662.000.– und von der n[ieder]-ö[sterreichischen] Landesregierung S 540.000.– als Wohnbauzuschuß. Aus Gemeindemitteln wurden zirka S 800.000.– bereitgestellt.

Der Bau wurde 1956 begonnen und am 1. Juni 1958 zogen 27 glückliche Familien in ein modernes und gesundes Wohnhaus ein.

Sämtliche eigenen Gemeindehäuser wurden renoviert. Den Bewohnern des Hauses N[umme]r 67 mußten zur Unterbringung des Brennmaterials neue Schuppen erbaut werden. Die Schule, eine Herzensangelegenheit der Gemeinde, wurde dabei nicht vernachlässigt. Im Gegenteil, die budgetären Mittel, die für die Schule bereitgestellt wurden, überstiegen bei weitem den prozentuellen Anteil, bezogen auf die gesamten Ausgaben der Gemeinde. Das Schulgebäude wurde vollkommen renoviert, Fenster und Türen sind nun repariert und gestrichen. Dies war schon sehr notwendig, wurde doch jahrelang an und im Gebäude nichts Wesentliches instandgesetzt. Durch die Anschaffung von modernen Möbeln und Tafeln für sechs Klassen, werden die Schüler angespornt, freudiger und offener im Unterricht mitzuarbeiten. Jedes Kind bekommt die für den Schulunterricht benötigten Lehrmittel zur Gänze kostenlos von der Gemeinde beigestellt. Alle Mädchen der jeweiligen 4. Hauptschulklassen können die Grundbegriffe, die sie im späteren Leben als Hausfrau brauchen, durch die von der Gemeinde errichtete und finanzierte Kochschule

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erwerben. Sämtliche Hauptschülerinnen, welche die Schule mit dem 14. Lebensjahr verlassen, bekommen kostenlos für Unterwäsche und Kleider das zugehörige Material von der Gemeinde zur Verfügung gestellt.

Alle Mütter bekommen für ihr neugeborenes Kind ein Wäschepaket. Die Wärmestube wird jedes Jahr vom November bis Ende März aufrecht erhalten, wo 70 bis 90 Frauen und Männer bei einer Schale Kaffee täglich und zweimal in der Woche bei Gebäck einige frohe Stunden im warmen Raum verbringen können. Weihnachts- und Abschiedsfeiern werden veranstaltet. Die Ortsbeleuchtung wurde modernisiert und mit viel Geld wurde am Friedhof der alte Schöpfbrunnen mit einer elektrischen Pumpanlage versehen. Feldwege wurden zum größten Teil frisch beschottert, und so für die Fuhrwerke der Bauern wieder befahrbar gemacht. Die Schafbrücke wurde renoviert, die Krautgartenbrücke neu hergestellt.

Mutterberatung, Schutzimpfung gegen Kinderlähmung und der Schularzt werden von der Gemeinde aufrecht erhalten und finanziert. Das Gemeindeamt wurde mit modernen Büromöbeln eingerichtet und die Rufbuchhaltung eingeführt, Schreib- und Rechenmaschinen angekauft und der Sitzungssaal ebenfalls neu eingerichtet, was den Kanzleibetrieb und den Parteienverkehr wesentlich er leichtert.

Fürsorgerentner bekommen Weihnachtsgelder und einen finanziellen Zuschuß für Heizmaterial. Die Gemeinde baute einen Kiosk mit vier Geschäftslokalen und ein Wohnhaus wird fertiggestellt. Subventionen wurden dem Kindergarten, den Kinderfreunden, den Siedlern und dem Gesangs- sowie Sportverein gegeben. Die Freiwillige Feuerwehr wurde fast zur Gänze neu ausgerüstet und ein modernes Feuerwehrauto mit Pumpe steht zur Brandbekämpfung bereit. Zwei Feuerlöschbrunnen wurden nachgebohrt, die sich im Ernstfalle schon als günstig und notwendig erwiesen haben.

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Grund wurde von der Gemeinde angekauft; für Siedler und Gewerbetreibende wurden Grundstücke parzelliert, so daß sich zirka 15 bis 20 Familien ein eigenes Heim bauen konnten.

Diese Arbeiten waren nur der Beginn und die Leistungen der Gemeinde während einer Amtsperiode. Vieles muß aber noch geplant und durchgeführt werden.

Die Arbeiten, die uns in den nächsten Jahren in der Gemeinde erwarten, sind ungeheuer und werden wohl zum Großteil von den finanziellen Mitteln abhängen, die der Gemeinde zur Verfügung. stehen. Ein Projekt der Kanalisierung für das gesamte Ortsgebiet liegt bereits vor und soll, sowie eine Wasserversorgung für das selbe Gebiet, nach Abschluß der Verhandlungen und Zusicherung der finanziellen Mittel, in den wichtigsten Teilabschnitten in Angriff genommen werden. Auf Grund dieser Arbeiten wird zwangsläufig die Instandsetzung der Wege und Straßen notwendig. Der Gemeinderat hat bereits für den Bau einer neuen Volksschule die Zustimmung gegeben. Es bedarf nur mehr der Planung und der Genehmigung durch die Landesregierung.

Da die Wohnungsnot in der Gemeinde noch keine wesentliche Linderung erfuhr, wird der Bau von Wohnungen weiter vorangetrieben. Ein Teil des »Herrengartens« wurde angekauft; er wird zu einem Kinderspielplatz ausgestaltet, damit Erwachsenen und Kindern Erholung und Aufenthalt unter dem Motto »Weg von der Straße« geboten werden kann.

Für die Gemeinde:

J[ulius] Jung

(Bürgermeister)

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EINNAHMEN DER GEMEINDE GRAMATNEUSIEDL 1955 BIS 1959

Gruppe 0: Allgemeine Verwaltung

S 33.956.48

Gruppe 1: Polizei

S 46.903.45

Gruppe 2: Schulwesen

 

Schulgeld von Gemeinden, deren Kinder die hiesige Schule besuchen

S 128.341.16

Gruppe 3: Kulturwesen

Gruppe 4: Fürsorgewesen

S 18.616.79

Gruppe 5: Gesundheitswesen

S 7.527.20

Gruppe 6: Bau-, Wohn- und Siedlungswesen

 

Wohnhausbau: aufgenommen wurden von:

 

Bundes-Wohn- u[nd] Siedlungsfonds

S 1,662.000.–

Landesregierung

S 540.000.–

Volksbank

S 400.00,–

Eigenmittel

S 584.484.41

für Wohnhaus II

S 200.00.–

Sonstiges

S 460.75 3,386.945.16

Gruppe 7: Öffentliche Einrichtungen

 

Feuerwehr, Friedhof

S 218.061.33

Gruppe 8: Wirtschaftliche Unternehmen

Gruppe 9: Finanz- und Vermögensverwaltung

 

Davon die wichtigsten Einnahmen:

 

Grundsteuer

S 512.897.53

Gewerbesteuer

S 1,102.653.60

Lohnsummensteuer

S 563.092.38

Getränkesteuer

S 326.439.94

Hundesteuer

S 24.021.–

Lustbarkeitssteuer

S 19.701.35

Ertragsanteile

S 2,219.526.27

Sonstige Einnahmen

S 2,659.514.75 7,427.846.82

Gesamt-Einnahmen

S 11,268.198.39

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AUSGABEN DER GEMEINDE GRAMATNEUSIEDL 1955 BIS 1959

Gruppe 0: Verwaltung

S 669.422.24

Gruppe 1: Polizei (Nachtwächter)

S 161.761.17

Gruppe 2: Schulwesen

S 718.065.20

Gruppe 3: Kulturwesen

S 17.316.47

Gruppe 4: Fürsorge

S 486.768.34

Wärmestube

S 53.560.99 540.329.33

Gruppe 5: Gesundheitswesen

S 102.020.83

Gruppe 6: Bau-, Wohn- und Siedlungswesen

S 194.311.54

Gemeindebau I

S 3,186.484.41

Gemeindebau II

S 172.000. 3,552.795,95

Gruppe 7: Öffentliche Einrichtung

 

Straßenbeleuchtung

S 203.356.47

Feuerwehr

S 168.326.17

Friedhof

S 65.637.96

Verschiedenes

S 51.958.81 489.279.41

Gruppe 8: Wirtschaftliche Unternehmen

S 32.000.–

Gruppe 9: Finanz- und Vermögensverwaltung

S 4,985.207.79

Gesamt-Ausgaben

S 11,268.168.39

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MITGLIEDER DES GEMEINDERATES GRAMATNEUSIEDL

1955 bis 1960

B[ür]g[er]m[eister]

Jung Julius

SPÖ

Geschaftsführende Gemeinderäte

V[ize]-B[ür]g[er]m[eister]

Schäffner Gottfried

Gesch[äfts]f[ührender] G[emeinde] R[at]

Kopecky Leopold

Pretsch Wilhelm

Wurschitz Johann

Schorn Franz

ÖVP

G[emeinde] R[at]

Bilek Alfred

SPÖ

Hermanek Theresia

Kraft Franz

Malik Wilhelm

Neumann Reinhold

Solar Oskar

Spiola Rudolf

Blümel Josef

ÖVP

Dorner Karl

Röchinger Karl

Sedlacek Josef

Dressler Johann

VO

Jamnitzky Johann

Während der ersten Amtsperiode sind verstorben:

GR

Kamper Karl

ÖVP

Frank Johann

Spiola Stefanie

SPÖ

Seifert Albert

VO

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Der erste Neue Wohnbau der Gemeinde

 

 

Das neue Wohnhaus der Gemeinde mit Weihnachtsbaum, bei Nacht

[13]

Geschäftskiosk der Gemeinde

 

 

Das zweite Wohnhaus im Bau

[14]

Impfaktion gegen Kinderlähmung

 

 

Keine Angst, es tut nicht weh

[15]

Der Herr Doktor findet immer einen Ansatzpunkt

 

 

Teilansicht einer Schulklasse

[16]

An kalten Tagen ist gesorgt für unsere Alten

 

 

Freude und Geborgenheit bei guter Jause

[17]

[Perspektive der Kläranlage der Gemeinde Gramatneusiedl / Bauweise Csépai]

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[1] Volksopposition: 1953 durch die Vereinigung von »Kommunistischer Partei Österreichs« und »Demokratischer Union« entstandene, linkssozialistische Partei. Anm. R.M.