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Marienthaler Privathäuser in Gramatneusiedl 1930
In
Gramatneusiedl gab es zwei Gebäude, die ebenfalls zu Marienthal
gehörten, aber nicht im Besitz der
Textilfabrik Marienthal waren:
das Arbeiterheim Marienthal und das Heim der Kinderfreunde (Bild).
Der
»Lageplan«
erleichtert die rasche Verortung des Gebäudes, das »Bild«
ermöglicht einen ersten optischen Eindruck (weitere Bilder gibt es im umfangreichen
Bildarchiv des Virtuellen Archivs »Marienthal«). Zur leichteren Identifizierung auf alten Plänen werden bei den Gebäuden auch die alten Hausnummern
angegeben.
Zum raschen Auffinden von Gebäuden, Gebäudeteilen und Grünanlagen benutzen Sie, bitte, das
Register.
1)
Arbeiterheim Marienthal mit der Arbeiterbibliothek und Wärmestube
Gramatneusiedl,
bei
Marie-Jahoda-Platz 1 (alte Nummer 158;
1962–2010 Lindenallee 1a).
Lageplan
≡
Bild
Erbaut 1926;
Erdgeschoss und Dachboden.
Das Gebäude stand auf der Wiese nördlich vom
Fabrikspital und vom Heim der Kinderfreunde (2), im rechten Winkel zur Hauptstraße. An der
Westseite des Gebäudes befand sich die
Aufschrift: »Erbaut 1926 / Arbeiterheim / Marienthal.«
(Bild). Das weiß gestrichene Gebäude mit roten Fensterstöcken und Türen wurde in Eigenregie von Marienthaler Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen auf einem von der Gemeinde Gramatneusiedl überlassenen Grundstück errichtet. Den Grund
kauften bereits 1923 die Sozialdemokraten Josef Bilkovsky (1871–1940), Rudolf Böhm (1918–1952), Robert Malik und Karl Swoboda und übergaben diesen der 1925
gegründeten Genossenschaft »Arbeiterheim Marienthal, registrierte Genossenschaft
mit beschränkter Haftung«. Das
ziegelgemauerte Arbeiterheim Marienthal diente seither mit
seinem Sitzungszimmer und seinem Aufenthaltsraum als Vereinslokal der
»Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs« (SDAP),
Ortsgruppe Gramatneusiedl-Marienthal; bis dahin erfüllte das
Gasthaus Sam in
Neu-Reisenberg diese Funktion. Bei den Recherchen zur
Marienthal-Studie war das
Arbeiterheim wichtiger Kommunikations- und Beobachtungspunkt. Im Arbeiterheim befand sich auch die
zuletzt etwa 1.300 Bände umfassende Bibliothek der sozialdemokratischen Organisationen, welche 1934 aufgelöst wurde und seither verschollen
ist.
Besitzer:
»Arbeiterheim Marienthal, reg. Gen. m. b. H.«, seit 1938
»Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei« (NSDAP), Ortsgruppe
Gramatneusiedl, seit 1945 »Arbeiterheim Marienthal, reg. Gen. m. b. H.«.
Zustand im
April 2006: Während des autoritären Ständestaat-Regimes wurde das
Arbeiterheim anlässlich des Verbots aller sozialdemokratischen
Organisationen im Februar 1934 als Vereinsheim geschlossen, diente aber
weiterhin den Marienthaler Arbeitern und Arbeiterinnen als Treffpunkt
und vor allem als Stützpunkt für die
Arbeitslosenprojekte des Ortes. Seit 1938
war darin die »Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei« (N.S.D.A.P.),
Ortsgruppe Gramatneusiedl, untergebracht. 1945 wurde das Gebäude
zunächst von den sowjetischen Besatzungstruppen als Pferdestall benutzt,
wobei für diesen Zweck zusätzliche Öffnungen in das Mauerwerk geschlagen
wurden. Nach Beseitigung der ärgsten Schäden wurde es 1948 zum Heim der
»Sozialistischen Partei Österreichs« (SPÖ), Ortsgruppe Gramatneusiedl.
Seit dem Winter 1948/49 diente das Arbeiterheim in den Wintermonaten, Mitte November bis Ende März, bis Anfang der 1960er Jahre auch
als
Wärmestube für die Armen. Daneben wurde wurde es wieder als zentraler Treffpunkt der vor allem sozialdemokratischen Bevölkerung Gramatneusiedls und für verschiedene
Feste
genutzt. Hier wurde auch die
Theatergruppe wieder aktiv. Außerdem diente das Arbeiterheim nunmehr
auch als Begegnungsstätte der »Sozialistischen Jugend«, innerhalb der
sich auch eine wichtige Sportsektion bildete, welche auch einen Großteil
der Mannschaft des »ASK
Marienthal«,
und die eine eigene Tischtennissektion und eine Tennissektion hatte,
welche 1950 vor dem Arbeiterheim einen Tennisplatz errichtete. 1960 erfolgte ein gemauerter Zubau zum Arbeiterheim, doch musste dieses 1977 baupolizeilich geschlossen werden. Schließlich wurde das Gebäude 1989
abgerissen und an dieser Stelle durch die Marktgemeinde in den Jahren
1989 und 1990 das
Gemeindezentrum
Gramatneusiedl,
Marie-Jahoda-Platz 1, errichtet. Dabei wurde an der
Ostseite ein Teil der Mauer des Arbeiterheims (vom Zubau) etwa im
Bereich der heutigen Küche in das Gebäude integriert. In der Vorhalle
des Gemeindezentrums befindet sich eine
Gedenktafel: »In den Jahren 1989–90 / wurde das Arbeiterheim
durch die / Gem[einde] Gramatneusiedl als Gemeindezentrum / ausgebaut,
eröffnet durch / Bürgermeister Klaus Soukup / September 1990 / Planung:
Architekt Dipl[om] Ing[enieur]
Josef Hums«.

2) Heim
der Kinderfreunde
Gramatneusiedl, bei
Marie-Jahoda-Platz 1 (alte Nummer 157).
Lageplan
≡
Bild
Aufgestellt
1926; Erdgeschoss und Dachboden.
Das auf der Wiese nördlich vom
Fabrikspital und südlich vom Arbeiterheim
Marienthal (1), parallel zur Hauptstraße gelegene Heim der Kinderfreunde wurde auf dem bereits 1923 von den Sozialdemokraten Josef Bilkovsky (1871–1940), Rudolf
Böhm (1918–1952), Robert Malik und Karl Swoboda von der Gemeinde Gramatneusiedl gekauften Grund, welcher der 1925 gegründeten Genossenschaft
»Arbeiterheim
Marienthal, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung« übergeben wurde, errichtet. Die
Holzbaracke wurde von Marienthaler Sozialdemokraten und
Sozialdemokratinnen bereits 1924 gekauft, 1925 von der Werksiedlung Kienberg (heute Sankt
Wolfgang-Kienberg, Steiermark) nach Marienthal transportiert und hier
1926 noch vor der Errichtung des Arbeiterheims aufgestellt. Das grün gestrichene Gebäude diente der 1921
gegründeten Ortsgruppe Marienthal der
»Kinderfreunde«
(seit 1922 korrekt »Freie
Schule – Kinderfreunde«) als Vereinslokal, war aber ebenso Stützpunkt
der lokalen Organisationen des »Verbands der sozialistischen Arbeiterjugend Österreichs« sowie der »Roten Falken«.
Besitzer:
»Kinderfreunde«, Ortsgruppe Marienthal, seit 1938 »Hitler-Jugend« (HJ.),
Ortsgruppe Gramatneusiedl.
Zustand im
April 2006: Im Februar 1934 wurden die »Kinderfreunde« durch das
autoritäre Ständestaat-Regime als sozialdemokratische Organisation
behördlich aufgelöst. Das Heim war seither Stützpunkt für
Arbeitslosenprojekte.
1938 quartierte sich hier die nationalsozialistische Jugendorganisation
»Hitler-Jugend« (HJ.), Ortsgruppe Gramatneusiedl, ein. Das Gebäude wurde
am 1. April 1945 von Angehörigen der Deutschen Wehrmacht niedergebrannt. An
dieser Stelle befindet sich heute
die Wiese um das
Gemeindezentrum
Gramatneusiedl,
Marie-Jahoda-Platz 1.

© Reinhard Müller
Stand: September 2010
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