FABRIK & ARBEITERKOLONIE MARIENTHAL

DIE MARIENTHAL-STUDIE

QUELLEN

CHRONIK

BILDER

HÄUSERBUCH

PLÄNE

DIE STUDIE

DAS PROJEKTTEAM

BIBLIOTHEK

ARCHIV

KÜNSTLER-SICHTEN

     

EINFÜHRUNG
 
HOME
IMPRESSUM
FEEDBACK

 
ENGLISH

Alfred Adler

auch: Aron Adler; Pseudonym: Alladin

geb. Penzing (heute zu Wien), am 7. Februar 1870

gest. Aberdeen (Schottland), am 28. Mai 1937

Arzt und Psychologe, Begründer der Individualpsychologie

Alfred Adler (jüdisch: Aron Adler) wurde als zweites von sieben Kindern des Getreidehändlers Leopold Adler (1835–1922) und dessen Ehefrau, Pauline Adler, geborene Beer (1845–1906), geboren. Das kränkliche Kind litt unter anderem an Rachitis und Stimmritzenkrampf; dazu kam noch, dass Alfred Adler als Kind zwei Mal auf der Straße überfahren wurde. Eine Lungenentzündung im Jahre 1875 bewog ihn schon als Kind, Arzt zu werden. 1876/77 bis 1879/80 besucht er die Volksschule in Wien, 1880/81 bis 1887/88 das Hernalser Humanistische Gymnasium in Wien, wo er 1888 die Matura ablegte. 1888 bis 1895 studierte Adler Medizin an der Universität in Wien, wo er 1895 zum Doktor der Medizin (Dr. med.) promoviert wurde. 1889 bis 1890 war er unter anderem Mitglied des »Österreichischen Studentenverbandes« und nach dessen Auflösung des Studentenverbandes »Veritas«. Außerdem leistete er 1892 und 1896 seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger ab. In den Jahren 1895 bis 1898 erfolgte Adlers Ausbildung zum Augenarzt, später auch zum Internisten und Neurologen, am Allgemeinen Krankenhaus und an der Poliklinik in Wien.

1897 – in diesem Jahr publizierte er seinen ersten Artikel in der »Arbeiterzeitung« (Wien) unter dem Pseudonym Alladin – heiratete Alfred Adler in Moskau (Москва) die Kaufmannstochter und politische Aktivistin Raisa Timofeevna Epstejn / Раиса Тимофеевна Эпштейн (18731960), mit der er vier Kinder hatte: Valentine Dina Adler (1898–um 1940), Dr. oec., sozialistische Aktivistin in der Sowjetunion, wo sie um 1940 umkam; Alexandra Adler, seit 1959 verheiratete Gregersen (19012001), Dr. med., Psychiaterin und Neurologin, die 1935 in die USA emigrierte; Kurt Adler (19051997), Dr. phil. (Physik) und Dr. med., Psychiater, seit 1963 Präsident der »Internationalen Vereinigung für Psychoanalyse«; »Nelly« Cornelia Adler, seit 1932 verheiratete Sternberg, (geb. 1909), zeitweilig Schauspielerin, die 1938 in die Schweiz emigrierte. 1904 trat Alfred ASdler aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus und der Evangelischen Kirche (Augsburger Bekenntnis) bei, bleibt aber ausdrücklich Agnostiker.

1899 bis 1927 betriebt Alfred Adler eine Privatpraxis als Neurologe in Wien. 1902 wurde er über Einladung von Sigmund Freud (1856–1939) eines der ersten vier Mitglieder der »Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft bei Prof. Freud«. 1904 begannen jene Spannungen zu Freud, die ihren Höhepunkt 1910/11 erreichten. 1911 wurde Adler zwar noch Obmann der neu gegründeten »Wiener Psychoanalytischen Vereinigung«, doch noch im selben Jahr kam es zum endgültigen Bruch mit Sigmund Freud, als Alfred Adler im Diskussionskreis seine Vortragsreihe »Zur Kritik der Freudschen Sexualtheorie des Seelenlebens« hielt. Am 24. Mai 1911 nahm er zum letzten Mal an der Sitzung des »Wiener Psychoanalytischen Vereins« teil und legte im August auch seine 1910 übernommene Mitherausgeberschaft beim »Zentralblatt für Psychoanalyse« (Wiesbaden) zurück.

Alfred Adler verließ zusammen mit sieben anderen Anhängern, welche am 11. Oktober 1911 geschlossen austreten, den Freudschen Diskussionskreis und gründete 1911 seine eigene Organisation, den »Verein für Freie Psychoanalytische Forschung«, der 1913 in »Verein für Individualpsychologie« umbenannt wurde. 1914 erfolgt die Gründung der »Zeitschrift für Individualpsychologie« (Göttingen), welche Adler zunächst auch selbst leitete; nach fünf Heften stellte sie allerdings ihr Erscheinen ein, um 1916 nochmals mit vier Heften aufzuleben. 1915 wurde Adlers Ansuchen um die Venia Legendi für Neurologie aufgrund seines Buchs »Über den nervösen Charakter« vom Professorenkollegium der Medizinischen Fakultät der Universität Wien einstimmig abgelehnt.

1916 wurde Alfred Adler zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg einberufen, seit 1917 als Militärarzt im Garnisonsspital Nr. 9 in Krakau (Kraków, Polen), dann im Kriegsspital Grinzing in Wien. 1918 wandte er sich dem europäischen Pazifismus zu und engagierte sich verstärkt für das sozialdemokratische Wien; 1919/20 wurde er vom Bezirksrat in den Wiener Arbeiterrat kooptiert. 1918/19 eröffnete Adler die erste »Beratungsstelle für Erziehung« im Volksheim Wien 15., der 27 weitere in Wien folgten. Von diesen Einrichtungen sei die »Erziehungs- und Eheberatungsstelle«, welche Sofie Lazarsfeld (1881–1976) 1925 in ihrer Wohnung in Wien 1., Seilergasse 16, gründet hatte, besonders hervorgehoben. Die erste Erziehungsberatungsstelle, welche zugleich als Klinik diente, leitete er selbst und machte sie zum individualpsychologischen Ausbildungszentrum für Ärzte, Lehrer, Sozialarbeiter und Studenten. Eine bedeutende Erweiterung stellte die Versuchsschule in der Staudingergasse, Wien 20., dar, in der Oskar Spiel (1892–1961) 1920 bis 1934 eine auf der Individualpsychologie basierende Pädagogik entwickelte, und welche dann auch im September 1931 über Auftrag des Wiener Stadtschulrats zur Eröffnung der gleichartigen Schule für schwer- und schwersterziehbare Kinder in der Schweglerstraße, Wien 15., folgte. Daneben wirkte Alfred Adler 1920 bis 1923 als Lehrer für die Erziehungsschule des Vereins »Kinderfreunde« in Schönbrunn, Wien 13., und 1924 bis 1934 als Lehrer (mit dem Titel eines Dozenten) am Pädagogischen Institut der Stadt Wien.

Vor allem bemühte sich Alfred Adler darum, seine Schule der Psychoanalyse, die Individualpsychologie, auch international zu verbreiten. 1922 fand der Erste Internationale Kongress der Individualpsychologen in München statt, 1925 der zweite in Berlin, 1926 der dritte in Düsseldorf, 1927 der vierte in Wien und 1930 der fünfte in Berlin. 1923 gründete Adler die »Internationale Zeitschrift für Individualpsychologie« (Wien). Außerdem unternahm er zahlreiche Auslandsreisen, darunter besonders hervorzuheben seine Reisen in die Vereinigten Staaten von Amerika 1926/27, 1929 und 1930. Hingewiesen sei auch auf seine Reisen durch Europa, nach Belgien, die Tschechoslowakei, Frankreich, Großbritannien, Jugoslawien, die Niederlande, die Schweiz und in die skandinavischen Staaten, bis 1932 auch nach Deutschland, wo er 1929 bis 1932 regelmäßig Kurse in Berlin abhielt.

1929 übersiedelte Alfred Adler mit seiner Familie in ein Landhaus in Salmannsdorf, Wien 19., Dreimarkstein 12, welches er erworben hatte, bis 1935 bewohnte und welches 1937 von seinem Schwiegersohn verkauft wurde; seine Wiener Stadtwohnung, Dominikanerbastei 10, behielt er allerdings ebenfalls bis 1935 bei.

1930 war Alfred Adler Visiting Professor am Medical Center der Columbia University in New York (New York), wo er auch an der Klinik arbeitete. 1932 wurde er für fünf Jahre als Visiting Professor of Medical Psychology ans Long Island College of Medicine – dem heutigen State University of New York Downstate Medical Center – in New York berufen, wobei er – bis 1934 – jeweils ein halbes Jahr am Pädagogium der Stadt Wien und ein halbes Jahr in New York lehrte. Zu diesem Zweck nahm Adler 1932 auch eine formale Übersiedlung nach New York vor. Daneben unterrichtet er zeitweise auch an anderen Institutionen wie der Temple Emanu-El, Vanderbilt Clinic of Columbia Presbyterian Medical Centre und New School for Social Research, alle in New York. Zunehmend verlagerte er den Schwerpunkt seiner Tätigkeit in die USA.

1935 ließ sich Alfred Adler endgültig in den Vereinigten Staaten von Amerika nieder, wohin ihm seine Frau und die Kinder Alexandra und Kurt folgten. 1935 gründete Adler das »International Journal of Individual Psychology« (Chicago, Ill.) als Parallelunternehmen zur Wiener Zeitschrift. Im April 1937 reiste er wieder nach Europa, wo er zunächst Vorträge in Frankreich, Belgien und den Niederlanden hält. Dann reiste er über London nach Aberdeen; am 28. Mai 1937 erlag Alfred Adler während einer einwöchigen Vorlesungsreihe an der Universität Aberdeen in Schottland auf einem Spaziergang einem Herzversagen.

Selbstständige Publikationen von Alfred Adler

● Gesundheitsbuch für das Schneidergewerbe. Berlin: Heymanns 1898 (= Wegweiser der Gewerbehygiene. Ratgeber zur Verhütung von Gewerbekrankheiten und Betriebsunfällen. 5.), 31 S.

● Studie über die Minderwertigkeit von Organen und ihre seelische Kompensation. Berlin–Wien: Urban & Schwarzenberg 1907, 92 S.

● (Mitherausgeber) Zentralblatt für Psychoanalyse (Wiesbaden), 1. Jg. (1910/11).

● Über den nervösen Charakter. Grundzüge einer vergleichenden Individualpsychologie und Psychotherapie. Wiesbaden: Bergmann 1912, 195 S.

● (Herausgeber; mit Carl Furtmüller) Heilen und Bilden. Ein Buch der Erziehungskunst für Ärzte und Pädagogen. Herausgegeben von Alfred Adler und Curt Furtmüller. München: Reinhardt 1913, VIII, 398 S.

● (Gründer und Herausgeber) Zeitschrift für Individualpsychologie. Zeitschrift für Individualpsychologie. Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Individualpsychologie und dem Österreichischen Verein für Individualpsychologie, Wien (Wien), 1. Jg. (1914/16).

● Das Problem der Homosexualität. Erotisches Training und erotischer Rückzug. München: Reinhardt 1917 (= Schriften für angewandte Individualpsychologie. 7.), 52 S.

● Die andere Seite. Eine massenpsychologische Studie über die Schuld des Volkes. Wien: Heidrich 1919, 15 S.

● Praxis und Theorie der Individualpsychologie. Vorträge zur Einführung in die Psychotherapie für Ärzte, Psychologen und Lehrer. München: Bergmann 1920, IV, 244 S

● (Gründer) Internationale Zeitschrift für Individualpsychologie. Arbeiten aus dem Gebiete der Psychotherapie, Psychologie und Pädagogik (Wien–Heidelberg), 2.–15. Jg. (1923/24–1937).

● (Mit Ernst Jahn) Religion und Individualpsychologie. Eine prinzipielle Auseinandersetzung über Menschenführung. Wien: Passer 1923, 98 S.

● (Mitherausgeber) Handbuch der Individualpsychologie. In Gemeinschaft mit Alfred Adler, Max Fürnrohr, Bruno Krause, Fritz Künkel, E. Rieniets, Leonhard Seif, K. Sulzer, I. Verploegh-Chassé, E. Weigl herausgegeben von Erwin Wexberg. München: Bergmann 1926, 2 Bände:

1. Band: A. Allgemeiner Teil. B. Kinderpsychologie und Pädagogik. C. Psychopathologie. 1926, IX, 664 S.

2. Band: Geisteswissenschaften, Soziologie, Kriminalistik, Bibliographie, Register. 1926, 200 S.

● Schwer erziehbare Kinder. Dresden: Am Andern Ufer 1927 (= Schwer erziehbare Kinder. 1.), 40 S.

● Liebesbeziehungen und deren Störungen. Wien–Leipzig: Perles 1926 (= Richtige Lebensführung.), 22 S.

● Menschenkenntnis. Leipzig: Hirzel 1927, VII, 236 S.

● Die Technik der Individualpsychologie. München: Bergmann 1928–1930, 2 Bände:

1. Band: Die Kunst, eine Lebens- und Krankengeschichte zu lesen. 1928, IV, 146 S.

2. Band: Die Seele des schwererziehbaren Schulkindes. 1930, 188 S.

● The case of Miss R. The interpretation of a life story. Translated by Eleanore and Friedrich Jensen, M. D. London: Allen & Unwin 1929, xxii, 306 S.

● Individualpsychologie in der Schule. Vorlesungen für Lehrer und Erzieher. Leipzig: Hirzel 1929, VIII, 114 S.

● Resorption und Exkretion. Bearbeitet von Alfred Adler. Berlin: Springer 1929 (= Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie. Mit Berücksichtigung der Experimentellen Pharmakologie. 4.), 889 S.

● Problems of Neurosis. A book of case-histories. London: Kegan Paul, Trench, Trubner 1929, xxxvii, 178 S.

● The science of living. New York, N.Y.: Greenberg 1929, 264 S.

● The education of children. Translated by Eleanore and Friedrich Jensen, M. D. New York, N.Y.: Greenberg 1930, iv, 309 S.

● The pattern of life, edited by Béran Wolfe, M. D. New York, N.Y.: Cosmopolitan Book Corporation 1930, iv, 273 S.

● The Case of Mrs. A. (the diagnosis of a life-style). London: Daniel company 1931 (= Individual psychology publications: Medical pamphlets. 1.), 48 S.

● Der Sinn des Lebens. Wien–Leipzig: Passer 1933, 205 S.

● (Gründer) International Journal of Individual Psychology (Chicago, Ill.), 1.–3. Jg. (1935–1937).

Festschrift

● Selbsterziehung des Charakters. Alfred Adler zum 60. Geburtstage gewidmet von seinen Schülern und Mitarbeitern der Individualpsychologie. Herausgegeben von Leonhard Seif und Ladislaus Zilahi. Mit 1 Bildnis Alfred Adlers. Leipzig: Hirzel 1930 (= Internationale Zeitschrift für Individualpsychologie. 8, 1.), 200 S.

© Reinhard Müller
Stand:
März 2008

Bibliografie
 
Biografien