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Der Name »Gramatneusiedl«
Der Name »Gramatneusiedl« geht auf das in einer Urkunde 1120 genannte »Gezenniusidelen« (neue Siedlung des Gezo) zurück. In Gezo darf man neben dem hier ebenfalls genannten Hadmar einen der beiden Gründer dieses Ortes annehmen, der zugleich namengebend wurde. Die Beziehung zwischen Gezo und dem Ortsnamen geht vor allem aus den frühen Schreibweisen hervor, die allerdings bald auf
die Namen »Grama«, »Graman« und »Grabman« zurückgeführt wurden.
Anlässlich der
ersten Türkenbelagerung Wiens wurde Gramatneusiedl durch türkische Truppen 1529 völlig verwüstet. Im Zuge des Wiederaufbaus
der Siedlung kam es wohl zur Neuinterpretation des ursprünglichen Siedlungsnamens als »Gramatneusiedl«, hergeleitet vom Wort »Grummet« (Grünmahd), welches die zweite Heuernte des Jahres bezeichnet. Tatsächlich
war Heu neben Kraut bis Mitte des 19. Jahrhunderts das wichtigste Exportgut des Dorfes. Der Stiftungsbrief für die Kinderbewahranstalt vom 22. August 1846 enthält den ältesten bekannten Beleg für die heutige Schreibweise des Ortsnamens.
Chronologische Übersicht über Schreibweisen des Ortsnamens (Auswahl)
1120 |
Gezenniusidelen, Hademniusidelen, Niusidelen, Tezenniusidelen (Schreibfehler) |
1203 |
Nevisiddele |
1209 |
nivisidele |
1277 |
Obern Neusidl |
1333 |
Gramas Neusidel |
1356 |
Gramaisnewsidel |
1377 |
Grabmans Neusidel |
1398 |
Gramansnewsydel |
1403 |
Gramansnewsidl |
1405 |
Gramanßnewsidell |
1405 |
Gramasneusidell |
1405 |
Gramasnewsidell |
1451 |
Grabmansnewsidel |
1456 |
Gramans Neusidl |
1458 |
Gramans Newsidel |
1587 |
Graimet Neusidl |
1591 |
Graimadt Neusidl |
1600 |
Gremadt Neusidl |
1663 |
Graimet Neysidl |
1672 |
Grannetneisidel |
1712 |
Graimeth Neusidl |
1750 |
Krametneusidel |
1754 |
Grämätneusidl |
1758 |
Gramätnesidl |
1763 |
Gramathneusidl |
1770 |
Grametneusiedel |
1816 |
Gramat Neusiedl |
1830 |
Gramatneusidel |
1832 |
Gramat-Neusiedl |
1835 |
Grammet-Neusiedl |
1843 |
Grammatneusiedl |
1844 |
Gramatneusiedel |
1846 |
Gramatneusiedl |
Nebensinn des Ortsnamens »Gramatneusiedl«
Es sei hier darauf hingewiesen, dass »Gramatneusiedl« ein weltweit einzigartiger Siedlungsname ist. Der seltsam anmutende Klang desselben ist wohl auch dafür verantwortlich, dass »Gramatneusiedl« in Österreich bei so manchen zum Synonym für Provinzialismus
wurde, für einen Ort am Ende der Welt. Die Glosse »Die
Test-Pest grassiert« von Carl Merz (1906–1979) und Helmut Qualtinger (1928–1986)
in der einst bekannten Rubrik »Blattl vor’m Mund« im »Wiener Kurier« vom 19. März 1955 trug wesentlich zur Verbreitung dieses Nebensinnes bei. Doch gibt es auch liebevolle Spiele mit der Doppeldeutigkeit des Ortsnamens, etwa
»Gramatneusiedl
(eine Laudatio)« von
Hans Weigel (1908–1991) im »Kurier.
Niederösterreich« vom 10. Dezember 1982.
© Reinhard Müller
Stand: Juni 2010

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