Soziologie in Österreich

 

 

 

 

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Spann
 Briefe
 7.1.1916

 

Othmar Spann

Briefe an Erika Spann-Rheinsch

Othmar [Spann]: Brief an [Erika Spann-Rheinsch in Reifersdorf bei Mauthausen (Oberösterreich)

Wiesbaden (Hessen), Palast Hotel, am 7. Januar 1916

pag. 358/a:

7.1.16

Liebste! Heute nur eine kurze Nachricht auf Deinen langen, lieben Brief vom 2. Januar. Ich bin nun endgültig bei der aufsteig.[enden] Kurve angekommen u.[nd] wiege 59 ½ Kilo – ein tüchtiger Sprung von 55 ½! Daß ich's wirklich am Rückenmark habe, glaube ich nun eigentlich nicht mehr, wenigstens ist kein derartiges Symptom aufgetreten, während doch der Körper im Gegenteil eine energische Umkehr vollzieht. Doch muß es wohl ein tiefsitzender Schaden sein. Immerhin kannst Du, Liebste, in diesem Punkte beruhigt sein. Eine gewisse Gebrechlichkeit werde ich wohl lange herumschleppen aber Siechtum steht mir sicher nicht bevor.

Die Bäder nehme ich jetzt sehr stark, ich werde noch 6–10 absolviren. Ob man mich dann nach Berlin läßt? – Gern ginge ich nicht hin, denn die Besuche bei Schmoller etc werden mir grauenhaft schwer fallen. – Nach Brünn, Liebste, gehe ich auf keinen Fall, Du kannst also bis März bestimmt in Deinem geliebten Mauthausen bleiben, wohin ich in den letzten Februartagen komme (am 1. muß ich mich wieder melden).

Du schilderst Deine Natur ja sehr poetisch. Aber, Liebste, wenn diese Sturmeswut wirklich alles wäre, stünde es schlecht um Dich. Das wäre anarchisch, willkürliches Gebräu der Leidenschaften u.[nd] schließl.[ich] leer. Auf das was, welches sich mit Sturmeskraft durchsetzen will, kommt es an. Kinder, Haus u.[nd] Herd sind keine Fesseln sondern millionenmal mehr als dieses, näml.[ich] Balsam, Nahrung, feste Grundlage und Heimat. Zentralpunkt für das Stürmen in die Lüfte. Auch wärst Du, wenn Du ein Mann wärest, daran, mit andern zu leben, ebenso gebunden, wie jeder menschliche Geist, oder aber unstet, heimatlos! – Solltest Du aber, Liebste, bei Deiner Entladung heimlich an Peppl gedacht haben, so sei nur beruhigt. Du weißt ja, daß ich der Sache gegenüber jetzt anders denke. Das wird sich alles finden und, wie ich glaube, recht einfach.

Liebste, glaubst Du denn, daß sich ein zweiter Walter Köhler so schnell wieder findet? Ich nicht. Mit dem Schöpferischen geht die Natur so sparsam um, und Menschen, die berufen scheinen, den d[eu]tschen Idealismus um zu gestalten, wird es wohl nicht mehr viele geben in D[eu]tschland.

Beil.[iegend] der Brief, den mir Lotte Reimers nach ihrer Rückkehr aus Berlin schrieb. Du siehst, diese Frau ist gebrochen, und ihr Schmerz hat etwas Verkrampftes, dem weder sie selbst noch ein Fremder beikommen kann. »Oh wär' ich zuhause, oh wäre ich weise« – und allein! Nun werde ich auch noch in diesen Strudel gerissen! C'est la vie – um feindliche Worte zu sprechen.

pag. 359/a:

Deine Weihnachtslisten nehmen ja kein Ende. Um das Prinz-Eugenbuch beneide ich die Pitze! Sag' ihnen daß ich sie liebe, daß sie brav sein und Dich in Ruh lassen sollen und sei mit Ihnen allen herzlich gegrüßt und geküßt.

Dein Othmar.

L.[iebste]! Darf ich mir die Finanzen ungef.[ähr] so vorstellen:

Einnahmen:

615 (Gehalt)

 

180 (Ob[er]l[eutnan]tgage)

 

____

 

795

 

Ausgaben:

Haush.[alt]:

200 (hochgegriffen)

 

Vater & Hel.[ene]

120

 

Anschaff[un]gen u.[nd] Sonstiges

  80 (äußerst hoch)

 

 

___

 

 

400 – bleiben 390.– Kronen] zum Einlegen.

Es ist aber besser die 287.50 K[ronen] Miete sofort an Hauth zu schicken (für d.[as] Februar / April-Quartal) u.[nd] nur den Rest von 100. bis 150. K[ronen] einzulegen. Könnte das stimmen?

Ich erhielt von Fischer–Jena M[ar]k 99.– Honorar!! – Wenn ich die Reisen Berlin u.[nd] Kempten nicht zahlen muß brauche ich überh.[aupt] kein Geld mehr.

Quelle

Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Nachlass Spann, Signatur 32/1.1, pag. 358–359.

Kommentar

Transliteration und Kommentar: Reinhard Müller.

Beschreibung: 2 Bl.; Handschrift (kurrent).

Kommentar: Betrifft unter anderem Gustav Schmoller, »Peppl« (d. i. Josef Wenzlitzke), »Walter Köhler« (recte Walther Köhler), Charlotte Engel-Reimers, Prinz Eugen von Savoyen-Carignan (d. i. François-Eugène de Savoie-Carignan), »die Pitze« (d. s. Adalbert Spann und Raphael Spann), »Vater« (d. i. Josef Spann), Helene Roller, ? Hauth (Brno) und Gustav Fischer.

Zur erwähnten Beilage vgl. Signatur 32/1.2, Engel-Reimers, Charlotte, pag. 8–10.

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Stand: Dezember 2011