St.u.B. [d.s. Leopold Stöckl und Josef Böhm]

Festschrift anläßlich des 50jährigen Bestehens der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl.

[Gramatneusiedl: Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl 1951], 41 S. Umschlagtitel: 50 Jahre Landwirtschaftliche Genossenschaft in Gramatneusiedl.

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[Umschlagseite 1]

50

Jahre

Landwirtschaftliche Genossenschaft

in

Gramatneusiedl

[Umschlagseite 2]

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Festschrift

anläßlich des

50jährigen Bestehens

der

Landwirtschaftlichen Genossenschaft

Gramatneusiedl

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Zum Geleit!

Anläßlich des 50jährigen Bestandes der landwirtschaftlichen Genossenschaft in Gramatneusiedl wurde diese Gedenkschrift verfaßt, worin die Entwicklung der Genossenschaft seit deren Gründung dargestellt ist.

Wie in der eigenen Wirtschaft nur durch Arbeit, Einigkeit und stetes Zusammenstehen wirtschaftliche Erfolge erreicht werden können, hat auch in der Genossenschaft gegenseitiges Vertrauen und treues Zusammenhalten Erfolg in 50jährigem Schaffen aus kleinen Anfängen zu der Höhe der Entwicklung emporgeführt, auf der wir sie heute sehen.

Pflicht jedes standesbewußten Genossenschafters ist es nun, sich der für ihn geschaffenen Einrichtungen dieser Selbsthilfeorganisation zu seinem eigenen Vorteil ständig zu bedienen und jederzeit für die Genossenschaft einzutreten.

Besonders die bäuerliche Jugend möge sich die Bedeutung des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens stets vor Augen halten, da sie doch selbst einmal das Erbe in Wirtschaft und Genossenschaft antritt und es daher ihre besondere Aufgabe sein muß, diese zu noch höherer Entfaltung zu bringen.

Der in freier Wahl bestellte Vorstand und Aufsichtsrat sah und sieht seinen obersten Auftrag darin, die Interessen der Mitglieder der Genossenschaft zu wahren und im wirtschaftlichen Existenzkampf den Bauernstand mit Hilfe der Genossenschaft wirksamst zu unterstützen.

In jahrzehntelanger, mühevoller Arbeit ist in Gramatneusiedl durch Bauernkraft ein Bollwerk der Landwirtschaft erstanden, welches nach Überwindung der erlittenen schwersten Kriegsschäden im Jahre 1945 heute stärker denn je ein Stützpunkt der Bauernschaft des Gebietes von Gramatneusiedl und Umgebung ist.

Vorstand und Aufsichtsrat

der landwirtschaftlichen Genossenschaft

in Gramatneusiedl

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Der

landwirtschaftlichen Lagerhausgenossenschaft

Gramatneusiedl zum Gruß

Von Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Josef Kraus

Obmann der n[ieder]-ö[sterreichischen] landwirtschaftlichen Genossenschafts-Zentralkasse

Im Laufe der letzten Jahre hat schon eine Anzahl von Lagerhausgenossenschaften ihr 40– und 50jähriges Bestandsjubiläum gefeiert. Nun feiert in diesem Jahre neben anderen Genossenschaften auch die Lagerhausgenossenschaft Gramatneusiedl ihr 50jähriges Jubiläum. Es ist überflüssig, über Sinn und Zweck dieser Genossenschaften bei diesem Anlaß zu sprechen, weil es schon oft genug getan wurde und allgemein bekannt ist. Es geziemt sich aber einen Rückblick auf die Vergangenheit der jubilierenden Genossenschaft zu werfen.

Vor 50 Jahren, in einer Zeit, in der die Landwirtschaft wie auch heute Sorgen um den Bestand ihrer Existenz hatte, haben sich auch in Gramatneusiedl und Umgebung führende Männer der Landwirtschaft zusammengschlossen, um den Ertrag ihrer Arbeit der möglichst besten Verwertung zuzuführen. Jede Gründung von gemeinnützigen Unternehmungen stößt auf Widerstände. Und nichts hat auf mehr Widerstände gestoßen als die Gründung von Lagerhaus- und Verwertungsgenossenschaften landwirtschaftlicher Produkte, da sich die Händler, die bisher in diesem Gebiete das ausschließliche Monopol besaßen, geschädigt und konkurrenziert fühlten. Und wer könnte alle die Schauermärchen, die einer solchen Gründung vorausgingen in Bezug auf Haftung, wirtschaftlichen Ruin der Bauern usw. aufzählen? Die Not der Zeit drängte und so kam auch die Genossenschaft Gramatneusiedl nach schwerem Kampf zustande.

Die fünf Jahrzehnte, die seit der Jahrhundertwende, hinter uns liegen, haben uns ungeheuere politische und wirtschaftliche Umwälzungen gebracht. Das große Wirtschaftsgebiet der österreichisch-ungarischen Monarchie ist zerfallen, wirtschaftliche und politische Ereignisse haben den Bestand des neu geschaffenen kleinen Österreich erschüttert, Inflationen unserer Wirtschaft schweren Schaden zugefügt und politische Ereignisse den Staat mehrmals an den Abgrund gebracht. Österreich hörte im Jahre 1938 auf zu bestehen. Neue Wirtschaftsformen wurden vom Deutschen Reich übernommen. Auch an dem Bestand unserer vorbildlichen genossenschaftlichen Einrichtungen wurde gerüttelt. Aber all dies konnte unser Genossenschaftswesen nicht erschüttern oder auslöschen. Alle Schwierigkeiten wurden überwunden. Und als besonders im Jahre 1945 infolge des Krieges einzelne Lagerhäuser durch Brand oder Beschuß dem Erdboden gleichgemacht wurden, haben die Genossenschaften auch diese schweren Schäden wieder beseitigt. Wir können daher mit Stolz darauf hinweisen, daß keine Organisation alle Erschütterungen mit solcher Stärke und Willenskraft überstanden hat, wie unser landwirtschaftliches Genossenschaftswesen.

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Auf diese schwere Zeit kann auch die jubilierende Genossenschaft mit Stolz zurückblicken. Und wenn sie bei diesem Anlaß die Protokolle, die im Laufe der Jahre ihres Bestandes abgefaßt wurden, durchsieht, dann wird sie auf viele entscheidende Meilensteine ihres zurückgelegten Weges stoßen, die aber gleichzeitig Denkmäler einer schweren Zeit und der Entschlossenheit der verantwortlichen Männer dieser Zeit sind. Ich kann daher als Obmann der N.-ö. landwirtschaftlichen Genossenschafts-Zentralkasse der jubilierenden Genossenschaft zu diesem ihrem großen Festtag herzlich gratulieren und wünschen, daß es ihr auch gegönnt sei, in den weiteren Jahren ihres Wirkens die großen Aufgaben, die ihr im Interesse der Mitglieder gestellt sind, zu erfüllen.

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Dank und Wunsch

Von Landeshauptmann Ökonomierat Johann Steinböck

Obmann des Verbandes ländlicher Genossenschaften in Niederösterreich

Jubiläen, welcher Art immer, sind Gedenktage und bieten Anlaß zur Rückschau auf einen zurückgelegten Zeitraum.

Vor einem halben Jahrhundert – noch vor Gründung des Niederösterreichischen Bauernbundes – haben sich in die Gramatneusiedl einige wackere, aufgeschlossene Bauern zusammengefunden und gründeten eine Lagerhausgenossenschaft.

Was hat sich in diesen 50 Jahren nicht alles ereignet!

Weltgeschichtliche Ereignisse rollten mit einer unheimlichen Geschwindigkeit ab. Vieles brach zusammen, Neues wurde aufgebaut, politische Ideologien und wirtschaftliche Beglückungsmethoden haben versucht Wurzeln zu fassen, aber die Versuche schlugen fehl und ihre Auswirkungen brachten Kummer, Sorge, Not, kurzum Unglück.

In all diesem Kommen und Verschwinden von Erscheinungen des politischen und wirtschaftlichen Lebens hat der Bauer seine Krisenfestigkeit bewiesen. Abgesehen von der weltanschaulichen Seite des Problems – der Bauer betrachtet sich stets als Handlanger Gottes – was allein schon eine inner Festigkeit und gläubige Zuversicht verleiht, ist der Bauernstand auch von der sozialen Seite her nicht allzugroßen Schwankungen ausgesetzt. Der Bauer selbst ist fleißig und verlangt von seinen Angehörigen und Dienstleuten, namentlich zur Zeit der Ernte Höchstleistungen, ohne aber ein Ausbeuter in gewissem liberalen Sinne zu sein.

So ist der Bauer, obwohl aufgeschlossen allen technischen Neuerungen und fruchtbaren Wirtschaftssystemen nicht abhold, ein konservatives Element im schönsten Sinne des Wortes. Bäuerliche Arbeit trägt stets den Charakter gesunder Beständigkeit. Dies ist auch bei den wirtschaftlichen Organisationen unserer Bauernschaft, die vor allem auf Selbsthilfe aufgebaut sind, zu verzeichnen.

Wenn irgendwo der Genossenschaftsgedanke einen vernünftigen, klaren Niederschlag gefunden hat, so in der Bauernschaft. Das Bauerndorf selbst, die Dorfgemeinschaft sozusagen, trägt schon von Natur aus genossenschaftlichen Charakter. Bei Unglücksfällen helfen alle zusammen, um in dem Betroffenen vor allem einmal nicht das Gefühl trostloser Verlassenheit aufkommen zu lassen. Das ist seit Jahrhunderten Bauernbrauch. Ohne Statuten oder Geschäftsordnung!

Diese Einstellung der Selbsthilfe in der Dorfgemeinschaft griff dann schon vor der Jahrhundertwende auf das Gebiet der bäuerlichen Wirtschaftspolitik über.

Im Industriesektor war es leider so, daß der Arbeiter und seine Arbeitskraft ein Objekt von Angebot und Nachfrage wurden. Beim Bauern wirkte sich dieser Liberalismus nicht im direkten Arbeitsverhältnis aus, wohl aber hinsichtlich des Absatzes seiner Produkte. Da war

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der Bauer dem Händlertum ausgeliefert, welches die Preise diktierte und den Bauern mit ehernen Klammern umfing.

Dir Gründung der Lagerhausgenossenschaften war ein gesunder Gegenangriff gegen die wirtschaftliche Ausbeutung der bodenständigen Produzenten. Der Bauer war nicht mehr dem Händler untertan, er lieferte seine frucht dem Lagerhaus ab, welches für den Absatz zu sorgen hatte.

Seither gehören Ausbeutung und ähnliche Erscheinungen gottlob nur mehr der Erinnerung an. Diese Zeit ist mit Hilfe der politischen Organisation der Bauernschaft und ihrer wackeren Vertreter endgültig überwunden.

Der freie Bauer auf freiem Boden ist nunmehr ein gleichberechtigter Faktor mit allen anderen Berufsständen und er kann bei Behandlung wirtschaftlicher Fragen, namentlich wenn sie direkt den Bauernstand betreffen, nicht mehr übergangen werden.

Wir sehen auf der einen Seite, die im Lichte der Öffentlichkeit sich vollziehende Tätigkeit unserer Bauernvertreter in den parlamentarischen Körperschaften, auf der andren Seite kann mit Freude und mit Stolz verzeichnet werden, die stille, unentwegte, zähe Arbeit unserer Genossenschafter.

So greift wie bei einer gut funktionierenden und klug erdachten Maschine ein Rad in das andere. Bauernorganisation und bäuerliche Genossenschaft – beide sind aufeinander angewiesen, jede ist das Rückgrat der anderen.

Mögen uns diese Gedanken beseelen beim Jubiläum der Lagerhausgenossenschaft Gramatneusiedl. Sie sind eine Bestätigung für erfolgreiche Arbeit durch ein halbes Jahrhundert, aber auch ein Garant für eine solche in der Zukunft.

Ich möchte diese Zeilen nicht schließen, ohne als Obmann des Verbandes ländlicher Genossenschaften in Niederösterreich den Mitgliedern und Funktionären der jubilierenden Genossenschaft den wärmsten Dank für ihre in schwerster Zeit geleistete Arbeit auszusprechen.

In diesem Sinne beglückwünsche ich die Lagerhausgenossenschaft Gramatneusiedl. Mögen ihr auch in der Zukunft viele schöne Erfolge beschieden sein!

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Zum 50jährigen Bestandjubiläum der landwirtschaftlichen Lagerhausgenossenschaft in Gramatneusiedl

Von Nationalrat Josef Strommer

Präsident der Landwirtschaftskammer für Niederösterreich und Wien

Die landwirtschaftliche Lagerhausgenossenschaft in Gramatneusiedl wurde am 17. April 1901 in das Genossenschaftsregister eingetragen. In dieser Zeit standen in Niederösterreich bereits 19 Lagerhäuser in Betrieb. Den Vorsprung, den diese hatten, konnte die Genossenschaft in Gramatneusiedl aber rasch einholen, denn die bereits bestehenden Lagerhäuser mußten nach ihrer Registrierung erst in zeitraubender Weise ihre Lagerhäuser bauen und einrichten und selbst jene, die schon eingerichtete Mühlen erworben hatten, mußten erst Lagerräume schaffen, ehe sie in Vertrieb gehen konnten.

Die Gründer der Lagerhausgenossenschaft in Gramatneusiedl waren aller dieser Bau- und Einrichtungssorgen enthoben, denn am Bahnhof in Gramatneusiedl stand bereits ein Lagerhaus fix und fertig, ein mächtiger Bau, der durch seine imposante Höhe weit hinaus in die Ebene sichtbar war. Dieses Lagerhaus, das auch mit einem Industriegeleise und einer Gerstenputzerei versehen war, gehörte allerdings noch einem Fruchthändler der dasselbe in Gramatneusiedl als dem Zentrum intensivster Gerstenkultur zwecks Einlagerung hochwertiger Braugerste im Jahre 1896 hatte erbauen lassen.

Nun waren aber in dem benachbarten Schwadorf auf der einen Seite und in dem benachbarten Ebreichsdorf auf der anderen Seite bereits landwirtschaftliche Lagerhausgenossenschaften tätig, die sich gleichfalls in lebhafter und erfolgreicher Weise mit der Verwertung der von ihren Mitgliedern erzeugten Braugerste befaßten. Da der Händler in Gramatneusiedl seine bisher riesenhaften Gewinne, die er auf dem Buckel der Bauern erzielte, offenbar schwinden sah, beschloß er, sein Lagerhaus an die eben erst registrierte Lagerhausgenossenschaft zu verkaufen.

Die Gründer der Genossenschaft griffen rasch zu, so daß der genossenschaftliche Lagerhausbetrieb schon im Juli 1901, also noch vor der Ernte dieses Jahres eröffnet und mit der Übernahme derselben zur gemeinsamen genossenschaftlichen Verwertung begonnen werden konnte.

Die Kosten des Lagerhauses beliefen sich auf 140.165 Kronen. Der Ankauf und die Betriebsaufnahme wurde dadurch ermöglicht, daß die Genossenschafts-Zentralkasse einen entsprechenden Investitions- und Betriebskredit zur Verfügung stellte, der mit Ende 1901 eine Höhe von 279.121 Kronen erreicht hatte.

Nur 150 Landwirte beteiligten sich anfangs als Mitglieder mit 450 Geschäftsanteilen zu 10 Kronen. Die Geschäftsumsätze waren daher naturgemäß noch gering und den Erträgnissen

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des Betriebes standen die jährlichen Abschreibungen vom Inventar, von den Gebäuden, Maschinen und Geräten, die Zinsen für den in Anspruch genommenen Kredit und beträchtliche sonstige Regien gegenüber. Hiezu kam in den folgenden Jahren noch die ungünstige Auswirkung einer sich lange hinziehenden allgemeinen Lagerhauskrise, von der kein landwirtschaftliches Lagerhaus völlig verschont blieb. Es war dies eine Übergangs- und Bewährungszeit, in der die Gegner der Genossenschaften noch einmal versuchten, den gang der Entwicklung aufzuhalten und die im Entstehen begriffene, auf dem Grundsatze der Selbsthilfe beruhende genossenschaftliche Bezugs- und Absatzorganisation unserer Landwirtschaft zum Scheitern zu bringen.

Aber Funktionäre und Mitglieder haben, wie bei allen anderen damals schon bestandenen Lagerhausgenossenschaften, auch bei der Genossenschaft in Gramatneusiedl den harten Entscheidungskampf aufgenommen und solange mit einzig dastehender Entschlossenheit und Beharrlichkeit durchgeführt, bis schließlich doch die genossenschaftliche Idee die Oberhand gewonnen hatte und damit das angestrebte Ziel: Die wirtschaftliche Freiheit und Unabhängigkeit des ganzen Bauernstandes erreicht werden konnte.

Nach mannigfachen, auch noch späterhin eintretenden Rückschlägen in der Entwicklung, die aber doch immer wieder überwunden werden konnten, begann insbesondere seit dem Jahre 1926 ein stetiger Aufstieg der Genossenschaft durch Entfaltung einer besonders regen Tätigkeit in einer ganzen Reihe neuer Betriebe, die in fortgesetzter Entwicklung dem Lagerhausbetrieb angegliedert wurden und sich bewährten. Die Genossenschaft hat in umfassender Weise immer wieder Lasten auf sich genommen, um ihr vornehmstes Ziel, den mitgliedern zu dienen, erfüllen zu können. An ihrem Jubiläumstage danken ihr mehr als 1.000 Mitglieder, die von echtem genossenschaftlichem Geiste erfüllt sind, für die in der praktischen Arbeit verwirklichte Idee berufständischen Zusammenwirkens und selbstloser Hilfe.

Es ist in hohem Maße bedauerlich, daß die jubilierende Genossenschaft zu jener Gruppe landwirtschaftlicher Genossenschaften gehört, die durch Kriegsverluste und Kriegsschäden auf das schwerste getroffen wurde. Es ist aber besonders anzuerkennen, daß die Genossenschaftsleitung sofort mit allem Eifer unter tatkräftiger Mithilfe der Interessengemeinschaft landwirtschaftlicher Lagerhausgenossenschaften darangegangen ist, die Betriebe wieder aktionsfähig zu gestalten, so daß die Genossenschaft nun wieder in der Lage ist, ihre Aufgaben erfüllen zu können als ein wichtiges Glied der im Verbande ländlicher Genossenschaften vereinigten Lagerhausorganisation, die heute einen der größten Wirtschaftskörper unseres Staates darstellt, berufen nicht allein zum Schutze der produzierenden Landwirtschaft, sondern auch zur Wahrung lebenswichtiger Interessen der konsumierenden Bevölkerungskreise in Stadt und Land.

Als Präsident der Landwirtschaftskammer für Niederösterreich und Wien gereicht es mir nun zur besonderen Ehre, namens der gesamten Landwirtschaft und im eigenen Namen der Genossenschaft zur Feier ihres 50jährigen Jubiläums herzlichst zu gratulieren sowie allen Mitgliedern und Funktionären, Angestellten und Arbeitern in Anerkennung ihres erfolgreichen genossenschaftlichen Wirkens und Schaffens zu danken mit dem aufrichtigem Wunsche, daß der Genossenschaft auch weiterhin bei der Erfüllung ihrer großen Aufgaben im Dienste der Landwirtschaft Glück und Segen beschieden sein möge.

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Ein redlicher Pionier

Von Kammeramtsdirektor

Dr. Leo Müller

Die Lagerhausgenossenschaft Gramatneusiedl gehört zu jenem Drittel der heute bestehenden gleichartigen Unternehmen, welche in der »Gründerzeit« der Lagerhausgenossenschaften von 1898 bis 1903 von weitblickenden Männern geschaffen wurde. Zu den »22 redlichen Pionieren« des genossenschaftlichen Lagerhauswesens in Niederösterreich zählend – denn so kann man diese erste Gruppe von landwirtschaftlichen Lagerhausgenossenschaften mit einem historischen Wort bezeichnen – hat diese Genossenschaft von allem Anfang an Stürme und Kämpfe erlebt. Sie hat mit ihren Schwesterorganisationen die Kinderkrankheiten glücklich überwunden, das geschichtliche zehnjährige Ringen von 1898 bis 1908 um die Behauptung und Anerkennung der genossenschaftlichen Lagerhausorganisation miterlebt und miterlitten, um siegreich daraus hervorzugehen. Das Einzugsgebiet der Lagerhausgenossenschaft Gramatneusiedl ist seit altersher unbestritten, weil die Nachbargenossenschaften in Ebreichsdorf, Schwandorf und Guntramsdorf in der gleichen Gründerepoche errichtet wurden; auch mit der erst 1939 entstandenen Lagerhausgenossenschaft Bruck a[n] d[er] Leitha bestehen leine Gebietsdifferenzen. So konnte die jubilierende Genossenschaft, gestützt auf die landwirtschaftlichen Betriebe von 15 Gemeinden, in einer der fruchtbarsten Getreidegebiete unseres Heimatlandes festen Fuß fassen und es bilden ihre Mitglieder seit Jahrzehnten eine Familie, deren einzelne teile sich kennen und untereinander of den gleichen genossenschaftlichen Geist abgestimmt sind.

Der »Pioniergeist« ist der Lagerhausgenossenschaft Gramatneusiedl seit ihren Gründungstagen verblieben und zu ihrem charakteristischen Merkmal geworden. Sie hat sich nie damit begnügt, lediglich an bestehenden Geschäftszweigen festzuhalten oder erst anderswo Erprobtes zu übernehmen, sondern hat den Wünschen ihrer Mitglieder folgend, sehr häufig genossenschaftliches Neuland beschritten.

Mit ihren Filialen in Himberg und Mannersdorf dient sie ihren entfernt wohnenden Mitgliedern Sie hat damit6 das schwierige Filialproblem kennengelernt aber auch gemeistert.

Ihre Roggen- und Weizenmühle; seit 25 Jahren in Betrieb, ist heute das wirtschaftliche Rückgrat des Unternehmens. Sie verfügt über eigene Wasserkräfte und ein eigenes Elektrizitätswerk.

In der Frage der genossenschaftlichen Reparaturwerkstätten ging sie mutig voran und hat erst vor wenigen Monaten diese wichtige Einrichtung durch eine genossenschaftliche Traktoren-Station erweitert.

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Die erste behelfsmäßige Krautscheune, seit 25 Jahren geplant aber nie errichtet, erstand in Gemeinschaftsarbeit mit der selbständigen Obst- und Gemüseverwertungsgenossenschaft, der eine Sauerkraut-Erzeugung angeschlossen ist.

Seit Jahren arbeiten Raiffeisenkasse und Lagerhausgenossenschaft, im gleichen Gebäude untergebracht, engst zusammen. Ein nachahmenswertes Beispiel für zahlreiche andere Warengenossenschaften.

Der aufgeschlossene, rege Geist des Fortschrittes in der Genossenschaft, gepaart mit Überlegung und geschäftlicher Besonnenheit, ist höchst anerkennenswert und gereicht den Verwaltungsorganen und der agilen Geschäftsführung wirklich zur Ehre. Wenn bei ihr in einer Mitgliederversammlung eine wichtige Maßnahme zur Beratung steht, so gilt immer der Grundsatz: Mitglied und Genossenschaft ist ein und dasselbe. Und so soll es bleiben!

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Die geschichtliche Leistung und die gegenwärtigen Aufgaben der landwirtschaftlichen Genossenschaften

Von Min[ister] a[ußer] D[ienst] Dr. Ing. Ludwig Strobl

Generaldirektor des Verbandes ländlicher Genossenschaften in Niederösterreich

Als die grundherrliche Verfassung im Jahre 1848 ihr Ende fand und damit die letzten Fesseln der politischen und wirtschaftlichen Unfreiheit der Bauern gefallen waren, entstand gleichzeitig die große Aufgabe, die Bauernschaft, die im bisherigen Untertänigkeitsverhältnis zur Grundherrschaft im allgemeinen weitgehend in der Naturalwirtschaft stehen geblieben war, in die in der Umwelt weit vorgeschrittene Markt- und Geldwirtschaft überzuführen.

Dies war nicht nur im Interesse der Agrarwirtschaft gelegen, sondern auch in Ansehung der ständig wachsenden ausländischen Konkurrenz von größter volkswirtschaftlicher Bedeutung. Die zahlreichen Bauernlegungen, die unmittelbar nach der Bauernbefreiung einsetzten, ließen für jedermann erkennen, daß das historische Befreiungswerk des Hans Kudlich in höchstem Maße gefährdet war. Unter anderen Erscheinungen, wie Mangel an hinreichender Bildung, Mangel an der entsprechenden Organisation der Bauern usw., waren es vor allem die Kreditnot und der für die Landwirtschaft unerträglich hohe Zinsfuß der damaligen Zeit, die dem Bauern den Anschluß an die moderne Marktwirtschaft, die noch dazu im Zeichen rücksichtsloser Konkurrenz geführt wurde, so schwer machten.

Verschiedene Mittel, die von staatswegen zur Behebung der Bauernnot versucht und angewendet wurden, wirkten zwar im einzelnen lindernd, insgesamt jedoch stellten sie sich als unzureichend heraus.

Nur der Genossenschaftsgedanke mit seiner starken lebendigen Kraft, mit seiner erzieherischen Wirkung und seinem Appell an die Stärke der Gemeinschaft konnte Abhilfe bringen.

Es ist das unsterbliche Verdienst Friedrich Wilhelm Raiffeisens, daß er der Bauernschaft die Genossenschaftsidee in die Seele pflanzen konnte. Sie schlug alsbald kräftig Wurzel und es entwickelte sich daraus in wenigen Jahrzehnten ein starker Baum mit einer vielästigen, weit ausladenden Krone und mit einem sich stets vermehrenden Früchtesegen.

Auf der Grundlage der zuerst sich verbreitenden Spar- und Darlehenskassen entwickelte sich eine Vielfalt von Genossenschaften, die dem Bauern eine wirksame Hilfe und Stütze für seine eigene Wirtschaft brachten und ihm damit seine Freiheit auf eigener Scholle gewährleisteten. Die gemeinsamen genossenschaftlichen Einrichtungen verschafften auch dem kleinen Bauern Vorteile und Sicherheiten, die sonst bei den Spielregeln der modernen Marktwirtschaft nur dem Großgrundbesitzer erreichbar waren. Nur mit Hilfe der genossenschaftliche Einrichtungen war es der Masse der Bauernschaft möglich, die Intensivierung der Pro-

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duktion durchzuführen und damit mit der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung, die auf Grund der technischen Errungenschaften im vorigen Jahrhundert eine sehr stürmische war, Schritt zu halten. Ein Stehenbleiben auf einer extensiven Produktionsstufe hätte für die Bauernschaft ohne Zweifel die Einbuße der Freiheit auf eigener Scholle bedeutet.

So kann mit Recht behauptet werden, daß die landwirtschaftlichen Genossenschaften die geschichtliche Leistung vollbracht haben, nach der politischen Befreiung das Fundament für die wirtschaftliche Freiheit gelegt zu haben. Die Festigung des Bauernstandes, so daß von einem Untergang des Kleinbetriebes oder seiner Verdrängung durch den Großbetrieb nicht mehr geredet werden kann, ist das höchst bemerkenswerte volkswirtschaftliche Ergebnis der genossenschaftlichen Entfaltung.

Mit der geschichtlichen Leistung haben die landwirtschaftlichen Genossenschaften keineswegs ihre Daseinsberechtigung verloren. Ihre gegenwärtigen Aufgaben sind durchaus nicht geringer als sie in der Vergangenheit waren.

Abgesehen davon, daß der Produktenhandel, Maschinenhandel, Viehhandel usw. wie auch die Industrie und das Gewerbe und nicht zuletzt auch das Bank- und Versicherungswesen, die allesamt erst durch die Genossenschaften direkt und indirekt zu einem soliden Wettbewerb gezwungen wurden, ihr wahres Gesicht den Bauern wieder zeigen würden (rücksichtsloses Gewinnstreben), wenn die Genossenschaft in ihrer Wirksamkeit nachließe, ergeben sich in der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung unserer Zeit immer wieder neue Erfordernisse betriebswirtschaftlicher Art, denen der Bauer – für sich allein gestellt – mehr oder weniger hilflos gegenüberstehen würde.

Dies trifft sowohl auf das Gebiet der Produktenverwertung wie auf das der Beschaffung des landwirtschaftlichen Bedarfes in gleicher Weise zu wie für die Fragen der weiteren Intensivierung der Produktion, Mechanisierung und dergleichen. Die Tätigkeit der Landwirtschaftskammern ist gewiß von größter Bedeutung für die Bauernschaft, ihre Wirksamkeit wird aber sowohl auf dem Gebiet des Landeskulturförderung wie auch der wirtschaftspolitischen Interessenvertretung in nicht zu unterschätzendem Ausmaß durch die landwirtschaftlichen Genossenschaften erhöht, bzw. gesichert.

Daß schließlich in einer Wirtschaftsentwicklung, in der der Staat nicht nur immer mehr lenkend in die Wirtschaft eingreift, sondern im Wege der Verstaatlichung zum Unternehmer von überwiegender Stellung geworden ist, den Genossenschaften besondere Bedeutung zukommt und besondere Aufgaben erwachsen, bedarf keiner eingehenden Erörterung.

Die Genossenschaften können zweifellos als der geeignetste und wirksamste Widerpart gegen die Verstaatlichung, bzw. Sozialisierung angesehen werden, und zwar weil die genossenschaftliche Wirtschaft den Gedanken des Gemeinwohles in sich trägt und weil ihre Wirksamkeit darauf gerichtet ist, die Freiheit des einzelnen nicht nur zu achten, sondern durch das Werk der Gemeinschaft zu stützen und zu stärken. Alle unsere Bauern als freie Wirtschafter auf der eigenen Scholle zu erhalten, ihnen aber auch durch die genossenschaftlichen Einrichtungen die jeweils notwendige Wirtschaftskraft zu verleihen, um die volkswirtschaftliche Aufgabe als Nährstand voll erfüllen zu können, ist heute und wird auch in Zukunft das letzte Ziel der landwirtschaftlichen Genossenschaften sein.

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Fundament der Freiheit

Von Dr. Rudolf Rasser

Direktor der n.-ö. landwirtschaftlichen Genossenschafts-Zentralkasse

Im Jahre 1848 fielen die letzten Schranken und Fesseln, die den Bauern im Untertänigkeitsverhältnis der grundherrschaftlichen Verfassung auferlegt waren. Eigentum an Grund und Boden, politische und wirtschaftliche Selbständigkeit waren das Geschenk der großen Befreiungsstunde.

Aber es war ein Danaergeschenk. Dem Begeisterungssturm über die gewonnene politische Gleichberechtigung und wirtschaftliche Selbständigkeit, der damals das ganze Land durchbrauste, folgte alsbald ein grausames Erwachen zur Wirklichkeit. Denn der Bauer war auf diese große Befreiungsstunde nicht vorbereitet. Es fehlte ihm das hinreichende politische und wirtschaftliche Rüstzeug, um den Anforderungen dieser zeit erfolgreich entsprechen zu können. Herausgerissen aus der Geborgenheit des grundherrschaftlichen Verbandes, der bis dahin manche Risken der Landwirtschaft allein getragen hatte, mußte er sich nunmehr selbst um den Absatz seiner Produkte kümmern und die für seine Wirtschaft notwendigen Betriebsmittel besorgen.

Nicht nur, daß er als kleines Wirtschaftselement allein auf sich selbst angewiesen war, sondern auch das Fehlen der erforderlichen finanziellen Mittel, schwächten seine Wirtschaftskraft und lieferten ihn dem mörderischen Wucher privater Geldverleiher aus. Dabei war der Geldbedarf der Landwirtschaft über Nacht ungeheurer groß geworden, weil die Umstellung der bäuerlichen Betriebe auf eine modernere Wirtschaftsart, die zur Erhaltung der Existenz notwendig war, den Einsatz großer Mittel verlangte. Hohe Zinsen, die den Bauern in ihrer Zwangslage abgepreßt wurden, hatten in kürzester zeit in erschreckender Weise viele junge Bauernwirtschaften in ihrer Substanz ausgelaugt und sie im Wege der Zwangsversteigerung land- und landwirtschaftsfremden Elementen in die Hände gespielt. Über 40.000 Bauernhöfe waren es, die innerhalb weniger Jahrzehnte den Bauern in unsrem Lande wieder entrissen wurden. Es ist eine historische Tragödie, daß die Selbständigkeitsbestrebungen des Bauernstandes zu einer zeit ihre Erfüllung fanden, in der die Auswirkungen der liberalen Wirtschaftsära skrupellos und unerbittlich jeden wirtschaftlich Schwachen niederzwangen.

Viele Rettungsversuche versagten. Erst als sich die Bauernschaft auf ihre eigene Kraft besann und die Genossenschaftsidee in ihren reihen festen Fuß faßte, wurde durch die schnell aufstrebenden Raiffeisenkassen dem Vordringen liberal-kapitalistischer Wirtschaftsmächte auf dem Lande kategorisch haltgeboten.

Es darf niemals vergessen werden, daß die schlichten und einfachen Raiffeisenkassen die unbeschränkte Selbstherrlichkeit des Großkapitals gebrochen haben und dem Wuchertum privater Geldgeber ein Ende setzten.

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Der Opfermut, die Hingabe und die vertrauenschöpfende Arbeit unzähliger Bauern bei den Raiffeisenkassen war, ist und bleibt die Kraftquelle, die es ermöglicht, alle jene gigantischen Einrichtungen der genossenschaftlichen Warenorganisation der Landwirtschaft zu schaffen, über die sie heute verfügt. Sie wurde ausschließlich mit den Geldern der Raiffeisenkassen aufgebaut und nur den Raiffeisenkassen ist es zu danken, daß mit den bei ihnen und bei der Genossenschafts-Zentralkasse gesammelten Geldern die Bauernschaft entscheidenden Einfluß auf die Marktgestaltung erlangen, regulierend in die rücksichtslose Wettbewerbswirtschaft eingreifen und für die Agrarprodukte auf dem Markte wirtschaftliche gerechtfertigte Preise erzielen konnte. Die Stärke und Leistungsfähigkeit der genossenschaftlichen Gesamtorganisation beruht vorab auf der Selbstfinanzierung der genossenschaftlichen Unternehmungen und auf ihrer finanziellen Unabhängigkeit.

Diese Unabhängigkeit ist gegenwärtig von zwei Richtungen her bedroht. Zunächst durch ein geradezu teuflisches System eines konzentrischen Angriffes gegen die österreichische Landwirtschaft, das ihr seit Jahren kostendeckende Preise vorenthält. Gegen dieses System, das an den Wurzeln der bäuerlichen Existenz nagt, zu kämpfen, ist und bleibt die erste Aufgabe der Bauernführung. Dann aber auch von den Bauern selbst her, die durch den Krieg und seine Folgen und durch die ständige Verminderung der Kaufkraft der Währung ihren Sparsinn verloren haben. Ein kurzsichtiges und kurzfristiges Denken und Handeln aber ist der größte Feind der Bauern. Dieser Einstellung, diesem fehlenden finanziellen Vorsorgetreffen für Notfälle aller Art, diesem weitgehendem Sichverlassen auf fremde Hilfe und diesem Hinneigen zu einem übersteigerten wirtschaftlichen Egoismus muß mit allen Mitteln entgegengetreten werden. Eine Sammlung der guten Kräfte zur Verstärkung der Grundsätze echter bäuerlicher Wirtschaftstätigkeit und genossenschaftlichen Zusammenhaltens ist dringender geboten denn je.

Die genossenschaftliche Kreditorganisation ist in ihrer Funktion mit einem tiefen Brunnen zu vergleichen, der in den Raiffeisenkassen über mächtige Zuflüsse verfügen muß, um den kreditsuchenden Bauern und den Warengenossenschaften nach Bedarf und Sicherheit jene lebenspendenden Mittel zu gewähren, die sie zur Erfüllung ihrer Dienstleistung an der Bauernschaft benötigen. Aber auch der tiefste und beste Brunnen ist ausschöpfbar, wenn seine Zuflüsse versiegen. Die Raiffeisenkassen als Zuflüsse dieses Brunnens müssen alles ins Werk setzen, um lebenspendend zu bleiben und die Warengenossenschaften als geldnehmende Genossenschaften müssen ihre Pflicht erkennen, die Raiffeisenkassen als geldbringende Genossenschaften in jeder nur möglichen Form zu unterstützen.

Liebe Freunde!

Wenn die landwirtschaftliche Genossenschaft in Gramatneusiedl ihren 60–jährigen Bestand feiert, so kann sie für sich in Anspruch nehmen, daß sie mit ihrer gesamten Mitgliedschaft niemals im alten ausgefahrenen Geleise steckengeblieben ist. Sie ist gerade in den letzten Jahren auf manchen Gebieten Wegbereiter für neue Arten genossenschaftlicher Betätigung geworden. Sie hat dabei nicht versäumt, auch in ihrer finanziellen Struktur sich möglichst stark zu machen. Sie geht zweifellos den richtigen Weg und ist ein treues und aufgeschlossenes Mitglieder größten Wirtschaftsorganisation im ganzen Lande. In ihr arbeiten mehr als tausend Bauern für das eine Ziel: bei voller wirtschaftlicher und persönlicher Freiheit des einzelnen bäuerlichern Mitgliedes ein Höchstmaß an genossenschaftlicher Leistung füreinander zu schaffen, auf daß die Förderung, der Fortschritt und die Existenzsicherung der gesamten Landwirtschaft zum Wohle der Bauern und der ganzen Heimat gewährleistet ist.

In diesem Sinne der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl, ihren Mitgliedern und Mitarbeitern alle guten Wünsche für die Zukunft und Gottes reichen Segen!

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Ein halbes Jahrhundert im Dienste des Bauerntums

Von Oberverwalter Michael Reiner,

Leiter der Organisationsabteilung des Verbandes ländlicher Genossenschaften in Wien

Als im Jahre 1896 beim Bahnhof in Gramatneusiedl ein Fruchthändler den für die damaligen Verhältnisse gewaltigen Lagerhausbau ausführen ließ, um dort seine Geschäfte zum Nachteil der Bauern besser abwickeln zu können, hätte es sich niemand träumen lassen, daß diese Beschaulichkeit bereits fünf Jahre später ins Eigentum einer bäuerlichen Genossenschaft übergehen werde.

Diese im landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen sicherlich ganz vereinzelt dastehende Tat wurde gesetzt von einigen weitblickenden Bauern, die den Geist der Zeit richtig erfaßt hatten, und mit ihrem bewundernswerten Mut und ihrer unerhörten Tatkraft die Grundlage und die Voraussetzung für die weitere Entwicklung dieser Genossenschaft schufen.

Gerade in der heutigen Zeit, wo infolge des langjährigen Bestandes der Lagerhausgenossenschaften – durch die Macht der Gewöhnung – der tiefere Sinn der Genossenschaftsidee in den bäuerlichen Kreisen verloren zu gehen droht, muß auf den unbändigen Leistungswillen und die geistige Aufgeschlossenheit der damaligen Lagerhausgründer für die Idee [Wilhelm] Raiffeisens besonders hingewiesen werden.

Man ist sich vielerorts wohl bewußt, daß die seinerzeitige Gründung einer Genossenschaft eine notwendige Selbsthilfemaßnahme der Bauernschaft darstellte, das fördernde Interesse und die tätige Mitarbeit an der Genossenschaft selbst hat aber – freilich auch infolge der geänderten Verhältnisse und durch die seit langem bestehende Zwangsbewirtschaftung und Lenkungswirtschaft – merklich abgenommen.

Wenige erinnern sich noch an die Vorgeschichte der Lagerhausgründung und an den zähen Kampf tüchtiger Bauernpioniere gegen Preisdruck, Übervorteilung, und Ausbeutung der Landwirtschaft durch bodenfremde Elemente und gewissenlose Spekulanten.

Verblaßt ist auch die Erinnerung an die vielen Hindernisse und Schwierigkeiten, Rückschläge und Krisen, die längst überwunden sind, aber den früheren Genossenschaftsleitern große Sorgen machten und die Genossenschaft selbst manchmal schwer gefährdeten. Aber das ist ja nun alles vorbei, das Genossenschaftsgebäude steht und hat allen Widerwärtigkeiten und Stürmen erfolgreich standgehalten.

Trotz alledem erfordert der ständige schwere Lebenskampf der Bauernschaft auch weiterhin größte Aktivität, Leistung und eine verantwortungsbewußte Initiative. Die fortschreitende Entwicklung der Landwirtschaft wird immer neue Problem aufwerfen und deren Lösung erzwingen.

Die Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl hat während ihres langjährigen Bestandes den Dienst am Bauern und die Mithilfe bei der Produktionssteigerung der Landwirtschaft stets als ihre Hauptaufgabe betrachtet.

Nach Überwindung einer gefährlichen Krise im Geschäftsjahr 1904/05 und unter stärkerer Einflußnahme des Verbandes ländlicher Genossenschaften in Wien auf die Geschäftsführung, war bis zum Jahre 1914 eine für die damalige zeit zufriedenstellende Geschäftstätigkeit der Genossenschaft zu verzeichnen, die ihren Ausdruck in einem etwas erhöhten Umsatz und in der Konsolidierung der finanziellen Lage fand.

Aber erst nach dem ersten Weltkrieg begann eine besonders rege genossenschaftliche Tätigkeit und eine gewaltige Aufwärtsentwicklung das betriebliche Gesicht der Genossenschaft grundlegend zu verändern

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Den sich ständig verändernden Problemen der Landwirtschaft und ihren Erfordernissen Rechnung tragend, wurden Betriebsabteilungen und Nebenbetriebe errichtet, deren Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit für die Bauernschaft heute außer Zweifel steht. Daß dabei auch Neuland beschritten worden ist, soll nur nebenbei Erwähnung finden.

Die Gründung der Raiffeisenkasse, die in engster Zusammenarbeit mit dem Lagerhaus amtiert, sollte die Bauernschaft von der Geldseite her unabhängig machen und die verfügbaren Bauerngelder zur Dienstbarkeit für die Landwirtschaft heranziehen. Die Tätigkeit dieser Raiffeisenkasse, die durch ihre glückliche Verflochtenheit mit der Lagerhausgenossenschaft, besonders zur Zeit, als es noch einen österreichischen »Alpendollar« gab, über einen namhaften Einlagenstand verfügte, hat sich äußerst segensreich für die ganze Umgebung ausgewirkt.

Mit der Errichtung der Mühle trug man einem vielfach geäußerten Wunsche der Mitglieder Rechnung, ihr Brotgetreide in der eigenen Genossenschaftsmühle zu günstigen Bedingungen vermahlen lassen zu können. Die Aufstellung der Schrotmühlen ermöglichte den Mitgliedern die Verschrottung des Futtergetreides zu angemessenen Lohnsätzen. Die leistungsfähigen Saatgutreinigungsanlagen reinigen gegen Entrichtung einer mäßigen Gebühr die Saatfrucht der Mitglieder.

Der später vorgenommenen Mühlenvergrößerung und Mühleneinrichtungsverbesserung lag das Bestreben zugrunde, den kürzesten Weg vom Erzeuger zum Verbraucher zu gehen, um dadurch den Mitgliedern höhere Preise für ihr zum Verkauf bestimmtes Brotgetreide bringen zu können.

Den von Gramatneusiedl weiter entfernt wohnenden Mitgliedern sollte durch die Gründung der Filialen Himberg und Mannersdorf die Teilnahe am Lagerhausgeschäft und die Inanspruchnahme der Lagerhauseinrichtungen möglichst bequem und arbeitszeitsparend gemacht werden.

Durch die Errichtung des Mischfuttererzeugungsbetriebes und die Aufnahme der Mischfuttererzeugung schaltete sich die Genossenschaft in ein Tätigkeitsgebiet ein, das bis zu diesem Zeitpunkt, nicht zum Vorteil der Bauernschaft, ausschließlich eine Domäne bauernfremder Leute gewesen war. Dieser neue Betriebszweig versetzte die Genossenschaft in die Lage, der Bauernschaft gutes, einwandfreies und preiswertes Mischfutter zu liefern.

Als anfangs 1939 die ehemalige Spinnereirealität in Marienthal samt Wasserkraft käuflich zu erwerben war, griff die Genossenschaftsleitung zu und schuf damit die Grundlage für eine Betätigung auf weiteren genossenschaftlichen Aufgabengebieten.

Speziell die Technisierung der Landwirtschaft – durch die Landflucht und den Arbeitskräftemangel gefördert – machte die Errichtung einer modernen Landmaschinen-Reparaturwerkstätte zum Gebot der Stunde. Hierfür schienen die großen und leerstehenden Baulichkeiten der Marienthaler Spinnerei geradezu prädestiniert zu sein. Es wird heute sicherlich nicht sehr viele Bauern in Gramatneusiedl und seiner näheren oder auch weiteren Umgebung geben, die diese genossenschaftliche Werkstätte missen möchten.

Die Tätigkeit der Genossenschaft auf gemüsewirtschaftlichem Gebiet fand ihre Krönung durch die Errichtung eines Sauerkrautschneidebetriebes in Marienthal, so daß sie auch auf diesem Gebiet preisregelnd und preisbildend zum Nutzen des Bauernstandes wirken kann.

Die modernst ausgebaute Turbinenanlage mit ihrer konstanten Wasserkraft in Marienthal versorgt den Lagerhausbetrieb, die Mühle, den Mischfutterbetrieb, die Krautschneiderei und die Reparaturwerkstätte die meiste Zeit zur Gänze mit dem erforderlichen Strom für Licht und Kraft, macht die einzelnen Betriebe unabhängig und wenig störungsanfällig und hilft namhafte Betriebskosten ersparen.

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Aus kleinen Anfängen in mühevoller Arbeit, von schweren Rückschlägen heimgesucht und im Jahre 1945 von einer Katastrophe größten Ausmaßes betroffen, hat sich die landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl trotz alldem zur heutigen Höhe entwickelt.

Obwohl das Genossenschaftsgebiet der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Gramatneusiedl verglichen mit den Gebieten anderer Lagerhausgenossenschaften nur die Mitte hält, steht ihr jährlicher Wertumsatz an der Spitze sämtlicher Lagerhausgenossenschaften in Niederösterreich. Ebenso hat Gramatneusiedl den höchsten Mengenumsatz pro Mitglied aufzuweisen.

Nach dem vorgeschilderten großem Aufbauwerk und der gigantischen Arbeitsleistung noch näher auf den Wert und die Nützlichkeit für die gesamte Bauernschaft des Genossenschaftsgebietes von Gramatneusiedl einzugehen, dürfte sich erübrigen.

Alle Maßnahmen hinsichtlich Ausbau und Verbesserung der genossenschaftlichen Einrichtungen verfolgten doch einzig und alleine nur den Zweck, dem Bauern besser dienen zu können und der Landwirtschaft überhaupt eine vorteilhaftere Wirtschaftsweise zu ermöglichen.

Da die derzeitige finanzielle Lage der Genossenschaft eine überaus zufriedenstellende ist, besitzt sie zweifellos die Fähigkeit und die erforderliche Stärke, um fürderhin allen gestellten Anforderungen entsprechen zu können. Eingedenk ihrer traditionellen Vergangenheit wird die Genossenschaft Gramatneusiedl auch in aller Zukunft den Dienst am Bauern als ihre Hauptaufgabe ansehen müssen.

Als früheren langjährigen Geschäftsführer ist es mir ein Herzensbedürfnis, der Landwirtschaftlichen Genossenschaft in Gramatneusiedl zum 50–jährigen Bestandsjubiläum meinen aufrichtigen Glückwunsch zu übermitteln. Möge der Genossenschaft ein von Erfolg gekröntes Wirken zum Wohle und Segen der Landwirtschaft auch fernerhin beschieden sein.

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Die Geschäftsführer der Genossenschaft ab 1914

Oberverwalter Anton Biedermann, 1914–1929

Oberverwalter Michael Reiner, 1929–1946

Verwalter Leopold Stöckl ab 1946

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Entstehung und Entwicklung der landwirtschaftlichen Genossenschaft in Gramatneusiedl

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die technischen Fortschritte immer weitere Wirtschaftskreise in ihren Bann zogen, war auch für die europäische Landwirtschaft im besonderen die Zeit gekommen, sich der neu angebrochenen Epoche, die mehr denn früher krisenanfällig war, durch geeignete Maßnahmen bestandsfähig zu erhalten.

Daß dies (und dies gilt heute mehr denn je) nur im Wege der Selbsthilfe erreicht werden konnte, war den damals wirkenden Vertretern der Bauernschaft klar geworden.

Den Grundstein zum Gebäude der bäuerlichen Selbsthilfe in Österreich bildeten die ersten Raiffeisenkassen. Die Zahl der auf Selbsthilfe aufgebauten Spar- und Darlehenskassenvereine vermehrte sich in immer rascherem Tempo. Und damit waren die Voraussetzungen zur Errichtung der ersten bäuerlichen landwirtschaftlichen Lagerhausgenossenschaften geschaffen.

Unsere jubilierende Genossenschaft wurde am 6. April 1901 gegründet. Noch im selben Jahre wurde ein bereits bestehendes Objekt an der Bahn in Gramatneusiedl, welches zum Zwecke der Lagerung der Frucht von privater Seite errichtet worden war, käuflich um den Preis von 130.000 Kronen erworben. Damit hatte die Genossenschaft ihr Heim gefunden, das sie bis zum heutigen Tage noch innehat.

Schon in den ersten Jahren des Bestandes rüttelten Sorgen ernster natur an den Fundamenten, so daß sogar der ernstliche Vorsatz auf Auflösung der Genossenschaft bestand. Aber zu nachhaltig hatte sich dem Gedächtnisse der damals für die Genossenschaft verantwortlichen eingeprägt, was die Folgen der Auflösung der kaum gegründeten Genossenschaft wären. Wieder Auslieferung der bäuerlichen Erzeugnisse an Berufsfremde, wieder der willkürlichen Preisfestsetzung hinsichtlich der Frucht durch Spekulanten unterworfen. Die Gefahr der Auflösung der Genossenschaft konnte beseitigt werden. Dazu trugen wesentlich gewährte Subventionen des Niederösterreichischen Landesauschusses bei. Seit dieser Krisenzeit in den jungen Jahren hat der Verband ländlicher Genossenschaften in Wien stärkeren und bald maßgeblichen Einfluß auf die Gebarung der Genossenschaften genommen.

Während des Weltkrieges 1914–1948 hatte die Genossenschaft die Funktion einer offiziellen Übernahmsstelle für die Kriegsgetreide-Verkehrsanstalt inne.

Nach 1918 trat eine lebhafte Steigerung des Geschäftsumfanges ein. Hand in Hand wurden verschiedene Investitionen, wie die Errichtung einer Brückenwaage, Stockwerksaufbau auf das Verwalterwohnhaus, Neuerrichtung von Kanzleiräumen, Grundzukäufe, Aufstellung eines 100 PS Dieselmotors usw. durchgeführt.

Anschließend an die Inflation im Jahre 1922 trat mit der Stabilisierung der Währung eine Geldknappheit auf, die Anlaß zur Gründung der Raiffeisenkasse in Gramatneusiedl im Jahre 1925 gab. Die Lagerhausgenossenschaft stellte der jungen Raiffeisenkasse Kanzleiräume zu Verfügung. Beamte des Lagerhauses übernahmen den Kassen- und Buchhaltungsdienst der Raiffeisenkasse.

Die Gründung der Raiffeisenkasse hat sich segensreich für den Bauernstand des Genossenschaftsgebietes ausgewirkt. Bis zu heutigen Tage noch besteht eine innige Verbundenheit zwischen Raiffeisenkasse und landwirtschaftlicher Genossenschaft.

Die Umsatzsteigerung der Jahre nach 1930 gab Veranlassung zur Durchführung eines 3 Stock hohen Zubaues zum Lagerhaus (30 m lang, 7 m breit) im Jahre 1932. Im Jahre

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Lagerhaus Gramatneusiedl, 1901

 

Lagerhaus Gramatneusiedl,

bahnseitig, 1929

 

Lagerhaus Gramatneusiedl,

Bahnansicht, 1938

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Hauptlagerhaus in Marienthal,

Lagerräume, Kanzlei, 1941

(1945 zerstört)

 

Hauptlagerhaus in Marienthal,

E-Werk und Werkstätte, 1941

(1945 zerstört)

 

Hauptlagerhaus in Marienthal 1941,

Parteienraum der Kanzlei

(1945 zerstört)

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1934 wurde ein 38 m langer und 7 m breiter Kunstdüngerschuppen nach einer Seite offen samt ausgebautem Dachboden für Mehllagerung errichtet.

1937 wurde ein Schuppen (35 X 7 m) nach einer Seite offen, erbaut und ein Wohnhaus mit darunter liegender Garage errichtet.

Weiters wurde ein Kohlenmagazin auf Bahngrund käuflich erworben. Nun kam jener Zeitraum, an dessen Beginn der zweite Weltkrieg stand. Am 29. Juni 1938 wurde der gesamte Vorstand und der gesamte Aufsichtsrat neu gewählt.

Im Februar 1939 wurde mit den Liquidatoren der Trumau Marienthaler Baumwollspinnereifabrik A.G. in Gramatneusiedl (Marienthal) Verhandlungen über den Ankauf einer Reihe von Objekten in dem ausgedehnten Fabriksareal eingeleitet, die auch zum Abschluß führten. Der Kaufvertrag wurde am 18. April 1939 rechtskräftig unterzeichnet. Hierbei hat sich eine vorhandene konstante Wasserkraft von rund 150 PS für die Genossenschaft besonders günstig ausgewirkt.

Mit dem Ankauf der Realität in Marienthal wurde der Plan auf Errichtung eines Getreidesilos in Gramatneusiedl fallen gelassen. Die Errichtung einer Maschinenhalle und einer Reparaturwerkstätte hatte sich erübrigt, da in den Objekten in Marienthal genügend Räumlichkeiten für diese Zwecke zur Verfügung standen. Diese weitläufigen Gebäudekomplexe veranlaßten die Genossenschaft, den Lagerhausbetrieb nach Marienthal zu verlegen und die bestehenden Gebäude einer zweckdienlichen Verwendung zuzuführen. Im August 1939 wurden die erforderlichen, umfangreichen Umbauten und Adaptierungsarbeiten mit dem Ziele, die Fabriksobjekte in landwirtschaftliche Lagerhausbauten umzuwandeln, in Angriff genommen. Schritt für Schritt vollzogen sich im Verlauf eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes die erforderlichen, umfangreichen Umbauten an den riesigen Objekten. Der Oberwerkskanal mußte entschlammt, zwei Hochspannungsstationen und eine Fernleitung (5000 V) in das ursprüngliche Lagerhaus am Bahnhof Gramatneusiedl errichtet werden. Aus volkswirtschaftlichen und finanziellen Erwägungen heraus war die Übertragung der durch Wasserkraft erzeugten Energie für die Zwecke des Mühlen- und Lagerhausbetriebes anzustreben. Insbesondere während des Wirkens von Oberverwalter Michael Reiner wurde die genossenschaftliche Geschäftstätigkeit auf eine breitere Basis umgestellt.

Im Juli 1940 konnte die Verlegung des gesamten Lagerhausbetriebes nach dem Ortsteil Marienthal erfolgen.

In den Baulichkeiten an der Bahn in Gramatneusiedl verblieb der Mühlenbetrieb. Weiters wurde hierher von Himberg der Mischfutterbetrieb verlegt. Der zweite Weltkrieg hatte inzwischen seinen Fortgang genommen. Der genossenschaftliche Geschäftsumfang hatte infolge der straffen Bewirtschaftungsmaßnahmen und dem Mangel an landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln einen sehr merkbaren Rückgang erlitten und erreichte im Geschäftsjahr 1945/46 mit nur 431 Waggons Umsatz seinen Tiefstand. So kam das Ende des Krieges im Jahre 1945 heran, das unserem genossenschaftlichen Besitz schwere Einbußen brachte.

Die Räumlichkeiten in Marienthal dienten in der Kriegszeit zum großen Teil Einlagerungszwecken für fremde Rechung.

Die Ausmaße der im Wege der Kriegshandlungen an den Realitäten in Marienthal verursachten Schäden erwiesen sich tatsächlich als niederschmetternd. Die Gebäudekomplexe boten fast durchwegs den Anblick von Ruinen. Das Wohnhaus 114 hatte anläßlich der Sprengung der Straßenbrücke über die Fischa schwere Beschädigungen erlitten. Das E-Werk wurde total zerstört. Hiezu kamen weiters Warenschäden in bedeutender Höhe. Außerdem gingen Dokumente und anderer wertvoller

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Ruine des Hauptlagerhauses Marienthal 1945

Ruine des Hauptlagerhauses Marienthal 1945

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Schriftbesitz der Genossenschaft verloren. Der verursachte Schaden an Waren und Gebäuden läßt sich kaum abschätzen, er geht in die Millionen Schillinge.

Der öffentliche Verwalter Franz Schorn (mit Dekret vom 14. Juni 1945 ernannt) und der ihm zur Seite stehenden derzeitige Geschäftsführer Stöckl standen einer Lage gegenüber, die zu meistern vorerst völlig aussichtslos schien. Und nun trat unter Führung des verewigten Ministers [Rudolf] Buchinger und des derzeitigen Ministers [Josef] Kraus eine Organisation in Erscheinung, die dem Wahlspruch »Einer für Alle – Alle für Einen« in großartiger Weise Leben verlieh und sich damit ein eigenes Kapitel der landwirtschaftlichen Genossenschaften in wahrhaft goldenen Lettern schuf. Die Interessengemeinschaft landwirtschaftlicher Lagergenossenschaften konnte als Retter vieler landwirtschaftlicher Lagerhausgenossenschaften in Niederösterreich dank der freiwillig auf sich genommenen Leistungen aller Genossenschaften große Leistungen vollbringen.

Daß anläßlich der Verrechnung der Kriegsschäden auch der Reservefonds der Genossenschaft zu Gänze verloren ging, sei am Rande vermerkt.

Die Genossenschaft stand nun vor einem gigantischen Wiederaufbauprogramm. Die Wiederaufbauarbeiten setzten sofort im Herbst des Jahres 1945 ein und sind derzeit noch nicht zu Gänze abgeschlossen. Im gegenwärtigen Augenblick werden die letzten Ziegel werden die letzten Ziegel an der letzten Ruine in Marienthal zusammengefügt, so daß nach Ablauf einer kurzen Zeit nur mehr das Gedächtnis die Menschen daran erinnern wird, daß sich hier noch vor kurzer Zeit ein schwarzgebranntes Ruinen- und Schuttfeld befand.

Als Folge der eingetretenen Zerstörungen ergab sich für die Genossenschaft die Notwendigkeit, den Lagerhausbetrieb zur Gänze wieder in die Baulichkeiten an der Bahn in Gramatneusiedl zurückzuverlegen.

Wie unter Abschnitt »Mühle« vermerkt, wurden die Realitäten an der Bahn mit 10. Juli 1945 von der Besatzungsmacht wieder in die Verwaltung der Genossenschaft übergeben.

Die nun folgenden Daten und Ziffern sollen Zeugnis ablegen von der Tätigkeit der von unbändigem Lebenswillen erfüllten Geschäftsführung, bzw. Genossenschaftsleitung um die Wiederherstellung, bzw. den weiteren Ausbau der genossenschaftlichen Einrichtungen und zugleich aufzeigen, welches Verständnis die Genossenschaft in ihrem diesbezüglichen Planen bei den vorgesetzten Zentralstellen gefunden hat. Diesen Zentralstellen gegenüber sei der Dank der Genossenschaft auch von dieser Stelle für erwiesene Hilfsbereitschaft aus tiefstem Herzen zum Ausdruck gebracht.

Wie bereits erwähnt, setzten die Wiederaufbauarbeiten mit Kriegsende sofort ein. Im Elektrizitätswerk wurde zunächst ein Provisorium errichtet, um dem Lagerhaus und Mühlenbetrieb an der Bahn den notwendigen Strom zu sichern. Im Jahre 1946 wurde sodann unter größten Schwierigkeiten und Hindernissen (Lieferschwierigkeiten) mutig die zur Beschaffung der modernsten Maschinenanlagen nötigen Schritte eingeleitet. Es nahm Jahre in Anspruch (bis Oktober 1949), bis es gelang, den Betrieb des E-Werkes in vollem Umfange aufzunehmen und erst im Jahre 1950 konnte als letztes die Schalttafel komplettiert werden. Die Kosten der maschinellen Wiederherstellung des E-Werkes in den Jahren 1946/50 sind bedeutend. Die Hand in Hand damit verbundene Wiederherstellung des Turbinenhauses (samt aufgebauter Wohnung) stellte sich auf den Betrag von rund 122.000 S.

Die Wiederherstellungsarbeiten am Werkstättenbau wurden in den Jahren 1946–1949 ausgeführt. Das Wohngebäude Neureisenburg 114 instandgesetzt. Die Werkstättenbaulichkeiten sind unterteilt in: Kanzleiraum, Magazinräume (Ersatzteillager), Traktoren

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Kraut-Lagerhalle 1951

Krautkonservierungshalle Marienthal 1949

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(Reparatur). Schweißerei, Schmiede, Dreherei, Tischlerei, Eisenlager, Bad- und Belegschaftsraum, Keller, Heizhaus (Dampfkesselanlage) und Landmaschinenabstellraum.

An Investitionen für Maschinen, Geschäfts- und Betriebsinventar wurde verausgabt:

rund

28.000 S

1945/46

 

80.000 S

1946/47

 

149.000 S

1947/48

 

203.000 S

1948/49

 

100.000 S

1949/50

sind zusammen

560.000 S

 

 

Im Jahre 1949 wurde mit dem Bau einer modernen Großanlage begonnen, welche im gleichen Jahre in Betrieb gesetzt werden konnte. Die Errichtung war an-

Warenumsätze in Waggons à 10 Tonnen ab 1910/11

Nicht berücksichtigt in vorstehender Tabelle sind die Umsätze der Reparaturwerkstätte. Weit über 2000 jährlich vorgenommene Reparaturen an Großmaschinen, Traktoren und Gerätschaften sind hier aufzuzeigen.

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gesichts der fortschreitenden Technisierung und Rationalisierung in der Landwirtschaft eine Notwendigkeit geworden. Die Kosten der Herstellung beliefen sich auf rund 136.000 S. Es sind vier Tanks mit einer Fassungsmöglichkeit von 70.000 Liter vorhanden. Im laufenden Geschäftsjahr wurde eine Saatgutputzerei mit einem Kostenaufwand von rund 70.000 S in Betrieb genommen, wozu der Genossenschaft von der Landwirtschaftskammer für Niederösterreich und Wien eine Subvention von 29.660 S zufloß.

Infolge der Unbenützbarkeit der genossenschaftlichen Objekte in Marienthal ergab sich die Notwendigkeit, an den Gebäuden an der Bahn in Gramatneusiedl in den Jahren nach dem Kriege größere Adaptierungsarbeiten vorzunehmen. Den Hauptteil daran beanspruchte die Adaptierung des im Jahre 1934 errichteten Kunstdüngerschupfens, der in ein geräumiges Magazin ausgestaltet wurde.

Die entstandenen Kriegsschäden konnten zum Teil durch die Interessengenossenschaft gutgemacht werden. Trotz der großen Wiederaufbauarbeiten und notwendig gewordenen Investitionen kann gesagt werden, daß die Genossenschaft auf eine finanziell gute Basis gestellt ist.

Krautaufbringung, Verwertung und Konservierung

Im Jahre 1939 wurde die Genossenschaft mit der Organisation der Weißkrautübernahme betraut und auch als Frischkrautübernahmestelle eingesetzt. Bis zur im Jahre 1947 erfolgten Gründung der Obst- und Gemüsegenossenschaft bildete die Übernahme und der Absatz von Frischkraut einen Betriebszweig unserer Genossenschaft. Mit der Gründung einer speziellen Genossenschaft wurden von dieser die Geschäfte weitergeführt. Jedoch ist die innige Zusammenarbeit zwischen beiden Genossenschaften bis zum heutigen tage erhalten geblieben, die Lagerhausgenossenschaft steht der jungen Gemüsegenossenschaft jederzeit hilfreich zur Seite.

Dank im Namen der Krautbauernschaft gebührt der Landwirtschaftskammer für Niederösterreich und Wien sowie deren Kammeramtsdirektor Dr. Müller und Direktorstellvertreter Ing. Straßberger sowie Herrn Ministerialrat Ing. Alexander Bauer vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, die mit Rat und Tat der Gemüsegenossenschaft anläßlich der Errichtung einer Frischkrautlagerhalle in Marienthal zur Seite gestanden sind. Aus einer Ruine im Areal Marienthal erstand in kurzer Zeit (Quertrakt) eine Lagerhalle, deren Ausmaße 62 m Länge und 23 m Breite betragen. Ein nicht rückzahlbarer Bankkostenzuschuß von 200.000 S wurde gewährt und ein langfristiger Baukredit in der Höhe von 200.000 Schilling eingeräumt. Die aufgewendeten Gelder kommen wahrlich einem wichtigen Betriebszweig der hiesigen Bauernschaft zustatten. Stellt doch der Genossenschaftsbereich im Wiener Becken das von Natur aus geeignetste Krautanbaugebiet dar. Die Konservierung von Frischkraut über den Winter hinaus ist wohl ein Ziel, wert aller genossenschaftlichen Bemühungen.

Wie bereits erwähnt, ist die Zusammenarbeit zwischen beiden Genossenschaften als mustergültig zu bezeichnen. Der Obmann der landwirtschaftlichen Genossenschaft gehört zugleich dem Vorstande der Gemüsegenossenschaft an. Die Lagerhausgenossenschaft stellt bereitwillig Fahrzeuge und auch notwendiges Personal bei Bedarf der Gemüsegenossenschaft zur Verfügung. Die Übernahme von Frischkraut und anderen Gemüsesorten und die weitere Manipulation erfolgt in der Regel durch Personal beider Genossenschaften. Anschließend an das Wohnhaus 114 befindet sich die Kraut- und Gemüseverarbeitungshalle mit einer Raumgröße von 600 m2. Derzeit sind Gebinde für die Lagerung von mehreren Waggons Sauerkraut vorhanden.

So sind nun alle Voraussetzungen dafür gegeben, daß der Gemüseanbau im Bereiche der Genossenschaft auf sicherer Basis steht.

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Genossenschaftsmühle

Der Gedanke auf Errichtung einer Roggenmühle tauchte 1921 auf und wurde 1926 in die Tat umgesetzt. Geplant war vorläufig nur der Betrieb einer Lohnmüllerei mit einer täglichen Leistung von 3000 kg. Eine Rentabilität der Lohnmüllerei konnte vorerst als Folge der geringen Inanspruchnahme nicht erzielt werden.

Durch die ständig sinkenden Preise der Frucht, insbesondere von Roggen, erlitt die Genossenschaft im Zusammenhange mit der erforderlichen Vorratshaltung in der Mühle im Geschäftsjahr 1928/29 einen bedeutenden Verlust, und zwar dermaßen, daß der gesamte Reservefonds verloren ging. Im Jahre 1929 wurde auch zur Handelsmüllerei übergegangen. Hand in Hand damit wurde ein Mühlenumbau zum Zwecke der Erreichung einer Leistungssteigerung auf 7000 kg Roggen vorgenommen.

Die sich gut entwickelnde Handelsmüllerei war Ursache zu einem weiteren Umbau der Mühle im Jahre 1935, wodurch die Kapazität auf 150 q Roggen (oder 80 q Weizen) in 24 Stunden gesteigert wurde.

Im Mehlgeschäft hatte sich die genossenschaftliche Mühle tätig und beharrlich durchgesetzt, wobei insbesondere auf Roggenmehl das Hauptaugenmerk gelegt wurde. Aber auch der Absatz von Weizenmehl hob sich. Dies und weiters die erlassenen Bestimmungen über die Festsetzung von Mehltypen mit vorgeschriebenem Aschegehalt waren der Anlaß zu einem neuen Umbau der Mühle, der 1939 beendet war. Seither konnten sowohl Qualitätsroggen als auch Weizenmehl erzeugt werden. Die Mühlenkapazität (auch noch heute in Geltung) stieg auf 150 q Roggen (automatisch) oder alternativ 120 q Weizen. Bis zum Kriegsende 1945 war die Mühle in befriedigender Weise beschäftigt.

Mit dem Ende des Krieges ging die Mühle in die Verwaltung der Besatzungsmacht über. Mit Protokoll vom 10. Juli 1945 wurde die Mühle von der Besatzungsmacht wieder freigegeben und dem derzeitigen Geschäftsführer die Ausübung der Rechte des Unternehmens zugesichert.

An den baulichen und maschinellen Anlagen der Mühle selbst entstanden keine Kriegsschäden.

Seit 1948 ist die Mühle gut beschäftigt.

Mischereibetrieb

Aus kleinen Anfängen in der Mischfuttererzeugung im Lagerhaus Gramatneusiedl, wo der Bedarf der Mitglieder des Genossenschaftsgebietes an Mischfuttermitteln (Milchviehmischfutter, Schweinemastfutter, Hühnerfutter) gedeckt werden konnte, ergab sich im Jahre 1937 durch die Errichtung der Filiale Himberg die Gelegenheit, den Mischereibetrieb auszubauen und auch für den Verband ländlicher Genossenschaften Aufträge auf Lieferung von Mischfutter entgegenzunehmen. Hiemit fand zum ersten Male in der Geschichte des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens in Niederösterreich auch dieser Betriebszweig in rationeller Weise Eingang. Die ersten Jahre des Mischereibetriebes standen im Zeichen schwerer Konkurrenzkämpfe mit den privaten Mischfuttererzeugungsbetrieben, so daß für diesen Zeitraum eine Rentabilität nicht erreicht werden konnte.

Als das Hauptlagerhaus nach Marienthal verlegt worden war (1940), wurden die Mischereieinrichtungen nach Gramatneusiedl zurückgenommen.

Zu bemerken ist noch, daß derzeit, dank dem Entgegenkommen des Verbandes ländlicher Genossenschaften, die Versorgung mit den nötigen Mischstoffen als zufriedenstellend bezeichnet werden kann.

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Mühle 1951

Elektrizitätswerk Marienthal 1951

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Landmaschinen-Reparaturwerkstätte Marienthal: Traktorhalle 1951

Landmaschinenwerkstätte Marienthal: Landmaschinen-Reparatur 1951

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Landmaschinenwerkstätte Marienthal: Tischlerei 1951

Landmaschinen-Reparaturwerkstätte Marienthal: Ersatzteillager 1951

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In den ersten Jahren des Krieges von 1939 bis 1945 konnte der Mischereibetrieb voll aufrechterhalten werden. Hingegen ergab sich zu Ende des Krieges ein Mangel an Ölkuchen und auch an sonstigen Gemengteilen, so daß der Betrieb eingestellt werden mußte. Erst 1949 konnte der Mischereibetrieb seine Tätigkeit wieder aufnehmen.

Wasserkraftanlage (E-Werk)

Das vollständig neu eingerichtete E-Werk liefert den für sämtliche Lagerhausbetriebe in Gramatneusiedl und Marienthal erforderlichen Strom in hinreichendem Ausmaß.

Die Rentabilität des E-Werksbetriebes ist in zufriedenstellender Weise gegeben. Es können sowohl der Zinsendienst, der Amortisationsdienst sowie die Personalausgaben getragen werden.

Dem E-Werk ist eine Pumpenstation angeschlossen, welche die Belieferung der Wohnhäuser in Marienthal mit Wasser durchführt.

Es war wohl ein glücklicher Gedanke, das genossenschaftliche E-Werk in seiner heutigen Form wiedererstehen zu lassen.

Landmaschinen-Reparaturwerkstätte

Mit dem Ankauf des Komplexes in Marienthal im Jahre 1939 stand nach Vornahme zweckdienlicher Umbauten eine hinreichende Anzahl von Räumen für die Aufgaben der Genossenschaft, betreffend den Maschinensektor, zur Verfügung. Durch die damals einsetzende (und auch derzeit noch nicht abgeschlossene) Mechanisierung und Rationalisierung der Arbeitsvorgänge in den landwirtschaftlichen Betrieben sind der Genossenschaft Aufgaben zugefallen, deren Umfang sich heute bereits überblicken läßt. Es steht fest, daß unsere genossenschaftliche Landmaschinen-Reparaturwerkstätte im Genossenschaftsleben festen Fuß gefaßt hat und daß noch manche Aufgaben in naher Zukunft der Lösung harren.

Im Einvernehmen mit dem Verbande ländlicher Genossenschaften wurde die Reparaturwerkstätte im Jahre 1939 größer aufgezogen, als es eigentlich dem Umfange des Genossenschaftsgebietes entsprach. Dies auch aus dem Grunde, als mit den benachbarten landwirtschaftlichen Genossenschaften Übereinkommen dahingehend getroffen wurden, anfallende größere Reparaturen unserer Genossenschaft zuzuweisen, insbesondere Reparaturen von großen Dreschmaschinen, Traktoren, Lokomobilen usw.

Ein Gewerbeschein für die Ausführung der Reparaturen in der Werkstätte an landwirtschaftlichen Maschinen liegt vor.

Der Ausbau der genossenschaftlichen Landmaschinen-Reparaturwerkstätte in dem derzeitigen Ausmaße war u.a. auch aus dem Grunde gerechtfertigt, als es gelang, mit den Steyr-Werken einen Werkstättenvertrag abzuschließen. Dadurch ist es unserer Genossenschaft ermöglicht, jetzt und auch in künftigen Jahren an der Typisierung der Traktore (Verkauf von Steyr-Traktore, Umbauten auf Steyr-Traktore) hinzuwirken. Als nicht zu unterschätzende Tatsache sei auf den Umstand verwiesen, daß der Reparaturwerkstätte eine Anzahl verläßlicher und guteingearbeiteter Fachkräfte zur Verfügung steht.

Mit der Gründung der landwirtschaftlichen Bau- und Maschinenkreditgenossenschaft in Wien war die Versorgung der landwirtschaftlichen Betriebe der Mitglieder mit Krediten für den Ankauf moderner Maschinen und Gerätschaften, Traktoren usw., angebahnt worden. Durch das Verständnis und durch das Entgegenkommen der zuständigen staatlichen und genossenschaftlichen Zentralen wurde die Möglichkeit wahrgenommen, das Wiederaufbaupro-

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gramm weiter vorzutreiben und auch der Vollendung zuzuführen. Im Frühjahr 1951 konnte Dank dem Entgegenkommen der Landwirtschaftskammer für Niederösterreich und Wien und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft mit dem Bau einer Maschinenhalle zur Unterbringung von Leihmaschinen und Leihgeräten begonnen werden. Geplant ist die Anschaffung eines Steyr-Traktors, eines Bindemähers und sonstiger Ackergeräte zu dem Zwecke, nunmehr auch die kleineren bäuerlichen Betriebe gegen eine möglichst niedrig gehaltene Leihgebühr in den Genuß des Maschineneinsatzes zu setzen. Es ist als ein glücklicher Umstand zu bezeichnen, daß diese Einrichtungen räumlich in Werkstättennähe untergebracht werden können, so daß eine sachgemäße Pflege und weiters auch die Beistellung der Bedienung aus dem Personal der Werkstätte ohne Schwierigkeit möglich ist. Es ist zu erwarten, daß hiedurch einem besonders in den letzten Jahren fühlbar aufgetretenen Mangel abgeholfen werden kann.

Fahrpark

Mit der Vergrößerung der Kapazität der Mühle im Laufe der Jahre und der raschen Ausweitung des genossenschaftlichen Geschäftsumfanges (Filialen, Werkstätte) war die Anschaffung einer Anzahl von Kraftfahrzeugen (3 Lastkraftwagen, 1 Traktor, 5 Anhängewagen, 1 Werkstättenlieferwagen, 1 Personenkraftwagen und 2 Motorräder) erforderlich geworden.

Der bestehende große Fahrpark der Genossenschaft muß im Hinblick auf das Mehl- und Frischkrautgeschäft als notwendig erachtet werden.

Der Fahrpark verleiht der Genossenschaft die einem modernen Unternehmen unbedingt notwendige Stetigkeit und Exaktheit in der Ausführung von Aufträgen und versorgt anderseits die Genossenschaft mit Gütern, deren rasche Beschaffung fallweise notwendig ist.

Schädlingsbekämpfungsstation

Es ist besonders in den letzten Jahren gelungen, modernste Gerätschaften im Kampfe gegen pflanzliche und tierische Schädlinge bereitzustellen. Von der Saatgutbeizung angefangen bis zur Bekämpfung mittelst Handgeräten, Pflanzenschutz-Motorspritzen und Buffalo-Turbinenzerstäuber steht alles im Dienste der Schädlingsbekämpfung. Für den Obstbau stehen zusätzlich Karrenspritzen zur Verfügung. Unsere Genossenschaft stellt einen speziell ausgebildeten Angestellten der Schädlingsbekämpfungsstation bei, der zugleich Berater der Mitglieder in vielen Belangen ist. Die genossenschaftliche Schädlingsbekämpfungsstation untersteht dem Verbande ländlicher Genossenschaften, bzw. ist der ständigen Kontrolle der Bundesanstalt für Pflanzenschutz in Wien unterworfen.

An Einrichtungen für die Bekämpfung der Schädlinge sind vorhanden: eine Buffalo-Turbine, motorisiert (Traktorzug), eine Motorfeldspritze (Pferdezug), 5 Feldspritzen Herkules (Pferdezug), 8 Karrenspritzen »Baumfreund«.

Filiale Himberg:

In der Vollversammlung vom 24. Mai 1936 wurde der Beschluß auf Gründung einer Filiale in Himberg gefaßt. Zu diesem Zwecke wurde noch im gleichen Jahre die »Raabmühle« in Himberg gepachtet, wobei erhebliche Adaptierungs-, bzw. Investitionskosten in Kauf genommen werden mußten. Während des Krieges 1939–1945 wickelte sich der Geschäftsverkehr, wie auch in den übrigen Lagerhausbetrieben, auf Grund der Bestimmungen der erlassenen Gesetze ab. Daß gegen Ende des Krieges und im ersten Nachkriegsjahr das

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Geschäftsvolumen sehr einschrumpfte, liegt auf der Hand. Aber allmählich begann sich der Geschäftsumfang zu normalisieren und das Geschäftsjahr 1948/49 kann wieder als normales Friedensjahr in Ansehung der Umsätze bezeichnet werden.

Im Jahre 1950 wurde der Genossenschaft zur Kenntnis gebracht, daß die Raabmühle von deren Besitzer zum Verkaufe angeboten worden sei. Der Vorstand und Aufsichtsrat unserer Genossenschaft faßten hierauf den prinzipiellen Beschluß, das Objekt anzukaufen. Nun erfolgten Besichtigungen durch die übergeordneten Zentralstellen und Verhandlungen mit dem Besitzer. Im Februar 1951 konnte der Kauf, dank dem großzügigen Entgegenkommen des Verbandes ländlicher Genossenschaften und der niederösterreichischen landwirtschaftlichen Genossenschafts-Zentralkasse mit ihrem Direktor, Herrn Dr. Rasser, abgeschlossen werden.

Das Geschäftsvolumen der Filiale Himberg ist in steter Aufwärtsentwicklung begriffen, so daß die Voraussetzungen gegeben sind, daß diese Filiale in Hinkunft, insbesondere auch im Hinblicke auf den erfolgten Ankauf der Realität, den Betrieb rentabel gestalten können wird.

Filiale Mannersdorf am Leithagebirge:

Im Jahre 1936 wurde gleichzeitig mit der Filiale in Himberg auch in Mannersdorf der Betrieb einer Filiale eröffnet. Es wurde zu diesem Zwecke die »Gubiermühle« gepachtet. Das Pachtverhältnis dauerte bis Ende 1950.

Schon durch Jahre hindurch bestand der Plan, in Mannersdorf einen genossenschaftlichen Filialbetrieb zu errichten. Jedoch blieben alle Versuche der Genossenschaft, auch mit Hilfe von Interventionen seitens hochgestellter Persönlichkeiten, in unmittelbarer Nähe der Bahn ein geeignetes Grundstück zu erwerben, erfolglos. Und so mußte die Gelegenheit anderwärts wahrgenommen werden. Im Herbst des Jahres 1949 wurde mit dem Bau eines eigenen Filialgebäudes auf Bahngrund begonnen. Dieser Bau konnte im Herbst 1950 in Verwendung genommen werden.

Erst nach Fertigstellung des Baues auf Bahngrund bot sich der Genossenschaft die Gelegenheit, in Bahnnähe ein Grundstück anzukaufen. Von dieser Gelegenheit wurde in vorsorglicher Weise Gebrauch gemacht und der Grund angekauft, um ihn im Falle der Notwendigkeit sogleich in Benützung nehmen zu können.

Der Filialbetrieb in Mannersdorf war wieder durch das Entgegenkommen des Verbandes ländlicher Genossenschaften und der niederösterreichischen landwirtschaftlichen Genossenschafts-Zentralkasse ermöglicht worden. Ein langfristiger Investitionskredit wurde für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. Einem längst gehegten Wunsche der Bauernschaft dieses Gebietes konnte endlich entsprochen werden.

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Die ersten Mitglieder des Genossenschaftsvorstandes, die am 17. April 1901 im Genossenschaftsregister beim Kreis- und Handelsgericht in Wiener Neustadt eingetragen wurden, waren:

Molzer Karl, Kaufmann, Gramatneusiedl, Obmann

Kandus Franz, Güterdirektor, Velm, 1. Obmannstellvertreter,

Brauneder Karl, Wirtschaftsbesitzer, Gramatneusiedl 3, 2. Obmannstellvertreter,

Hafenscher Josef, Wirtschaftsbesitzer, Reisenberg 66, Vorstandsmitglied,

Dienstl Stefan, Gutsverwalter, Ebergassing, Vorstandsmitglied,

Zöchmeister Jakob, Bauer, Velm, Vorstandsmitglied,

Baumann Anton, Realitätenbesitzer, Gramatneusiedl, Vorstandsmitglied.

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Filiale Himberg, 1951

Filiale Mannersdorf am Leithagebirge, 1951

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Dem ersten Aufsichtsrate der Genossenschaft gehörten an:

Danzinger Konrad, Wirtschaftsbesitzer in Götzendorf, Vorsitzender,

Biberhofer Leopold, Gramatneusiedl, Vorsitzenderstellvertreter,

Fürst Lorenz, Wirtschaftsbesitzer in Velm, Aufsichtsratsmitglied,

Steindl Matthias, Wirtschaftsbesitzer in Ebergassing, Aufsichtsratsmitglied,

Kienl Rupert, Wirtschaftsbesitzer in Rauchenwarth, Aufsichtsratsmitglied,

Hafenscher Jakob, Wirtschaftsbesitzer in Reisenberg, Aufsichtsratsmitglied.

An dieser Stelle sei auch eines Mannes gedacht, dessen Tätigkeit im Dienste der Bauernschaft als Genossenschaftsfunktionär noch lange weithin leuchten wird. Es ist dies Ökonomierat Matthias Spiegelgraber aus Gramatneusiedl, der dem Genossenschaftsvorstande vom Jahre 1906 an bis zum Jahre 1938 angehörte. Ab 1914 bekleidete Ökonomierat Spiegelgraber die Funktion des Obmannes. Er geleitete die Genossenschaft von deren Kindesjahren an bis herauf zu jener Zeit, als die Genossenschaft schon längst auf fester Basis stand und so dem hiesigen Bauernstande als Bollwerk dienen konnte.

Dem derzeitigen Genossenschaftsvorstande gehören an:

Schorn Franz, Gramatneusiedl 37, Obmann,

Ehrenberger Johann, Velm 54, 1. Obmannstellvertreter,

Hillinger Franz, Ebergassing 53, 2. Obmannstellvertreter,

Papst Johann, Moosbrunn 79, Vorstandsmitglied,

Kopf Josef, Mannersdorf 19, Vorstandsmitglied,

Sam Franz, Reisenberg 67, Vorstandsmitglied und

Böhm Josef, Himberg 54/3, Vorstandsmitglied.

Der derzeitige Aufsichtsrat setzt sich, wie folgt, zusammen:

Höppel Johann, Zwölfaxing 30, Vorsitzender,

Grießmüller Johann, Gramatneusiedl 31, Vorsitzenderstellvertreter.

Weitere Aufsichtsratsmitglieder:

Andre Franz, Pellendorf 1,

Mayer Leopold, Hof 113,

Medwenitsch Franz, Au 25,

Lattus Josef, Moosbrunn 40,

Püff Johann, Reisenberg 28,

Pflug Anton, Rauchenwarth 10,

Hofschneider Franz, Mitterndorf 3,

Schneider Johann, Sommerein 59,

Wailzer Andreas, Velm 11,

Waldrauch Franz, Götzendorf 7,

Suchentrunk Johann, Wr. Herberg 65,

Maranda Johann, Pischelsdorf 51,

Martschitz Franz, Mannersdorf 46/83.

Als Geschäftsführer von der Zeit des ersten Weltkrieges an waren bei der Genossenschaft tätig:

Wiedermann Anton, Oberverwalter, von 1914 bis 1929 und

Reiner Michael, Oberverwalter, von 1929 bis 1946.

Der derzeitige Geschäftsführer, Verwalter Leopold Stöckl, ist seit 1946 bestellt.

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Vorstand und Aufsichtsrat 1951

1. Reihe sitzend von links nach rechts: Josef Böhm, Vorstandsmitglied; Johann Ehrenberger, Obmannstellvertreter; Franz Hillinger, 2. Obmannstellvertreter, Franz Schorn, Obmann; Johann Höppel, Vorsitzender des Aufsichtsrates; Johann Papst, Vorstandsmitglied, Franz Sam, Vorstandsmitglied.

2. Reihe stehend von links nach rechts: Leopold Stöckl, Verwalter; Johann Püff, Mitglied des Aufsichtsrates, Johann Grießmüller, Franz Medwenisch, Vorstandsmitglied Josef Kopf, Franz Martschitz, Mitglied des Aufsichtsrates, Andreas Wailzer, Josef Lattus, Johann Suchentrunk, Leopold Mayer, Johann Asperger, Verwalterstellvertreter.

2. Reihe stehend von links nach rechts: Johann Maranda, Anton Pflug, Johann Schneider, Franz Waldrauch, Franz Hofschneider, Franz Andre.

Arbeiter und Angestellte der Genossenschaft im Jahre 1951 mit Obmann Franz Schorn

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25 Jahre und darüber hinaus stehen ununterbrochen in Diensten der Genossenschaft:

Asperger Johann, Verwalterstellvertreter und Oberbuchhalter, seit 1915,

Biberhofer Georg sen., Magazinsarbeiter, seit 1921,

Biberhofer Josef, Mühlenarbeiter, seit 1922,

Hutterer Anton sen., Obermüller, seit 1926,

Janisch Josef, Müller, seit 1926,

Eder Josef, Magazineur, seit 1924.

Die Genossenschaft beschäftigt derzeit außer dem Geschäftsführer noch 102 Angestellte und Arbeiter; hievon entfallen auf die Werkstätte allein 29 Personen.

Es würde den Rahmen dieser Schrift weit überschreiten, wollte man die Namen aller jener Funktionäre an dieser Stelle anführen, die sich einst bereitwillig zur Mitarbeit an den genossenschaftlichen Aufgaben dem Vorstande und dem Aufsichtsrate zur Verfügung gestellt haben. Ihnen allen sei unser herzlicher Dank gesagt. Insbesondere sei auch jener Männer in Dankbarkeit gedacht, die nicht mehr in unserer Mitte weilen.

Gedankt sei an dieser Stelle auch allen jenen Angestellten und Arbeitern, die am Ausbau der Genossenschaft mitgewirkt haben, die jedoch aus unseren Diensten schieden oder durch den Tod aus unseren Reihen gerissen wurden.

St.u.B.

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Ausklang

Aus diesem kurzgefaßten Rückblick auf das erste halbe Jahrhundert des Lebenszeitalters der jubilierenden Genossenschaft mag ersehen werden, welche hervorragenden Werke ein einiger, zu einer festen Organisation zusammengeschlossenen Bauerstand in der Zusammenarbeit mit den bäuerlichen Spitzenorganisationen zu schaffen befähigt ist.

Darum Bauernstand, bleib einig! Steh geschlossen hinter Deinen Genossenschaften.

Laß Dich nicht durch Augenblickserfolge von Deinem Dir vorgezeichneten Wege ablenken! Denke daran welche zwingenden Gründe Deine Väter und Großväter vor 50 Jahren dazu führten, eine bäuerliche Genossenschaft ins Leben zu rufen und trotz mancher Schwierigkeiten und Mißerfolge immer weiter auszubauen.

Mitglieder haltet den Genossenschaftssinn hoch, auf daß auch einst Eure Kinder und Enkelkinder für Euch Zeugnis ablegen können.

Der Gründungsmitglieder und aller jener, die an der Wiege der Genossenschaft gestanden sind, wollen wir in tiefer Dankbarkeit gedenken. Dank auch jenen Mitgliedern, die der Genossenschaft die Treue gehalten haben. Dank auch den Geschäftsführern, Angestellten und Arbeitern, die am Ausbau und Aufstieg der Genossenschaft ihren redlichen Anteil haben. Unser Dank sei an dieser Stelle nochmals der Landwirtschaftskammer für Niederösterreich und Wien, der N.-ö. landwirtschaftlichen Genossenschafts-Zentralkasse und dem Verbande ländlicher Genossenschaften dargebracht.

Bauer, arbeite weiter mit am Ausbau Deiner Genossenschaft! Je stärker diese ist, desto stärker machst Du Dich selbst! Deine Genossenschaft wird das für Dich sein können, was Du aus ihr machst!

Hier sei auch aufgezeigt, in welchem Ausmaße die Mitglieder unserer Genossenschaft ihr Verständnis für die Erfordernisse des Tages und ihre beispielhafte Aufgeschlossenheit bewiesen haben. Um den Anforderungen der heutigen Zeitverhältnisse Rechnung tragen zu können und weiters auch ein besseres Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital herzustellen, wurde über Anregung der Genossenschafts-Zentralkasse in der Vollversammlung vom 17. Dezember 1950 der Antrag auf eine bedeutende Erhöhung des Geschäftsanteils, und zwar von S 40,– auf S 300,–, gestellt. Der diesbezügliche Antrag wurde einstimmig zum Beschluß erhoben. Mit der Durchführung dieses Beschlusses wird die Geschäftsführung in die Lage versetzt werden, den ihr in Zukunft gestellten Aufgaben noch besser entsprechen zu können.

Möge der Genossenschaft und deren Mitgliedern auch in Zukunft ein gütiges Geschick beschieden sein. Daß jedoch nicht des Menschen Tun und Trachten allein ausschlaggebend ist in der kurzen Frist, die uns zu wandeln auf Erden gegeben ist, weißt Du Bauer am besten. Möge Gottes Segen auf Dir und Deinen Werken ruh’n. Jener Segen, den zu erringen unter freiem Himmel bei Deiner Arbeit Du allen Menschen voraus hast und den täglich zu erwerben Du täglich im Schoße der Erde die fleißigen Hände regest.

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Druck: Genossenschaftsdruckerei Raiffeisen, Wien 18., Theresiengasse 58 1021 51

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