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Fritz Ries
das ist Fritz Karl Ries
geb. Saarbrücken, Preußen (Saarland), am 4. Februar 1907
gest.
Frankenthal, Rheinland-Pfalz, am 20. Juli 1977
Unternehmer, Eigentümer der Marienthaler
Textilfabrik
Fritz Ries, Sohn des
Möbelhändlers Karl Ries, studierte Rechtswissenschaften zunächst an der
Universität Köln (Nordrhein-Westfalen), dann an der Universität
Heidelberg (Baden-Württemberg), wo er 1930 zum Doktor der Rechte (Dr. jur.) promoviert wurde. Ries war Mitglied der schlagenden Burschenschaft
»Corps
Suevia Heidelberg« und hatte
den späteren Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer (1915–1977)
zum Leibfuchsen. Ries, der angeblich das letzte Pistolen-Duell
Deutschlands ausgetragen hatte, wurde 1933 Mitglied der
»Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei« (N.S.D.A.P.). Er heiratete
die Zahnarzttochter Rita Heinemann aus Rheydt (Nordrhein-Westfalen), mit der
er unter anderem die Tochter Ingrid Ries hatte, Handelskauffrau im
väterlichen Unternehmen, geschiedene Kuhbier; sie heiratete 1979 den
späteren sächsischen Ministerpräsidenten Ministerpräsidenten Kurt Hans
Biedenkopf (geb. 1930), 1963 bis 1977 Generalsekretär der »Christlich
Demokratischen Union Deutschlands«
(CDU).
Mit dem Geld des Schwiegervaters erwarb Fritz Ries die Gummiwarenfabrik
»Flügel & Polter Kommandit Gesellschaft« in Leipzig und war deren
persönlich haftender Gesellschafter. Den Betrieb mit ursprünglich etwa
120 Beschäftigten baute er bis 1945 zu einem Konzern mit über
zehntausend Arbeitern und Arbeiterinnen aus. Die Firma »Flügel & Polter«,
im Widerstand als »Firma Prügel & Folter« verspottet, war unter anderem
deutscher Marktführer bei der Erzeugung von Präservativen, weshalb Ries
den Namen »Kondom-König« erhielt. Der Ausbau des Unternehmens erfolgte
durch so genannte Arisierungen, also durch Raub an jüdischem oder
so genannt jüdischem Eigentum.
Eines der von Fritz
Ries »arisierten« Unternehmen war die
Textilfabrik Marienthal von
Kurt
Sonnenschein (1906–195?), der mit seiner Familie nach England flüchten musste und
konnte. Das 1939 geraubte Eigentum, welches nunmehr als »Mechanische Weberei
und Appretur Marienthal Dr. Fritz Ries«,
Wien und Gramatneusiedl,
betrieben wurde, ging im September 1940 in das Eigentum der Firma von Adolf
Ahlers (1899–1968) aus Herford (Nordrhein-Westfalen) über.
Gleich nach
Beginn des zweiten Weltkriegs 1939 stellte der gesamte Konzern von Fritz
Ries auf die Produktion von Kriegsbedarf für die Deutsche Wehrmacht um.
1941 begann der systematische Ausbau des Unternehmens im eroberten und
besetzten Polen,
»Generalgouvernement
Polen«
genannt, wo Ries unter anderem die von ihm geleiteten
»Oberschlesischen Gummiwerke
Gesellschaft mit beschränkter Haftung« in
Trzebinia mit Nebenwerken in Wadowitz
(Wadowice, Polen) und Krenau (Chrzanów, Polen) übernahm, wo Tausende
polnische Zwangs-, richtiger Sklavenarbeiter arbeiten mussten; nicht
mehr Arbeitsfähige wurden in die Vernichtungslager eingeliefert.
1942 ließ Ries für die auf ihre Ermordung Wartenden im
Konzentrationslager Auschwitz (Oświęcim,
Polen) eine »Großnebenstelle« des Ries-Konzerns einrichten. Ries, der in
einer beschlagnahmten Villa in
Trzebinia wohnte (die bis dahin dort wohnende jüdische Familie Seligmann
wurde ermordet), wurde 1942 für seine Verdienste in der Kriegswirtschaft
mit dem Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse ausgezeichnet. Er eignete sich
weitere Unternehmen an, unter anderem
die
»Gentleman-Gummiwaren-Aktiengesellschaft Lodz« in
Litzmannstadt (Łódź, Polen),
welche von ihm unter
dem neuen Namen »Gummiwerke
Wartheland Aktiengesellschaft« geleitet wurden, und die »Wäsche-
und Bekleidungswerke L. Hoffmann«
in Sambor (Sambir / Самбір, Ukraine). Aber auch in Deutschland eignete sich Fritz Ries
zahlreiche Unternehmen an, etwa die
»Herea-Gummiwerke
Gesellschaft mit beschränkter Haftung« in
Finsterwalde (Brandenburg) mit Sitz in Leipzig (Sachsen), die
»Konfektionsfabrik
Lewinstein«
in Berlin und die »Mitteldeutsche
Gummi- und Guttapercha-Gesellschaft MIGUIN Edelmuth & Co.«
in Frankfurt an der Oder (Brandenburg).
1943 flüchtete die
Familie Ries vor den Bombenangriffen auf Leipzig, und Fritz Ries erwarb
einen Landsitz am Westerbuchberg in Übersee am Chiemgau (Bayern), heute
Feriensitz der Familie von Kurt Biedenkopf. Mit dem vor der
herannahenden Roten Armee nach Deutschland verbrachten Raubgut
(Rohstoffe, Teil- und Fertigprodukte, Maschinen, Kunst- und
Wertgegenstände, Bargeld in Millionenhöhe) gründete Fritz Ries 1944 die
»Gummiwerke Hoya Gesellschaft mit beschränkter Haftung« in Hoya
an der Weser (Niedersachsen). Außerdem kaufte er unmittelbar nach
Kriegsende das größte Hotel auf der Nordseeinsel Borkum (Niedersachsen),
»Köhlers Strandhotel« (heute ein Fachklinik für Dermatologie).
Gleich nach Kriegsende
gründete Fritz Ries die zunächst auf Herstellung von Fußbodenbelage
spezialisierten »Pegulan-Werke Aktiengesellschaft« in Frankenthal
(Rheinland-Pfalz) als sein neues Hauptunternehmen, wurde dessen
Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär; stellvertretender
Vorstandsvorsitzender wurde übrigens Hanns-Martin Schleyer. Ries, der
1949 Dora Apitzsch heiratete, war außerdem Direktor der »Saar-Mosel-Plastic-Werke
Gesellschaft mit beschränkter Haftung«,
Aufsichtsratsvorsitzender der
»Badischen Plastic-Werke Gesellschaft mit beschränkter Haftung«,
Beiratsmitglied der »Deutschen
Commerzbank«,
Vorsitzender des
»Industrieverbands Kunststoff-Bodenbeläge«
und königlich-marokkanischer Konsul für die Länder Hessen und
Rheinland-Pfalz. Die letzte große Firmengründung Ries’ erfolgte
1971: die »Dyna-Plastik« in
Bergisch-Gladbach (Nordrhein-Westfalen), bei der die Ehefrau des
späteren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (1915–1988),
Monika Strauß, geborene
Zwicknagl
(1930–1984), Teilhaberin wurde.
Fritz Ries hatte auch
weiterhin enge Beziehungen zu Österreich. So erwarb er hier das Schloss
Pichlarn in Aigen im Ennstal (Steiermark), mit Jagdrevier und Golfplatz.
Hier verkehrten viele einst wichtige und hochrangige
nationalsozialistische Persönlichkeiten. 1972 teilweise zu einem Hotel
umgebaut, fanden hier seither die
»Pichlarner
Topmanager Gipfeltreffen«
von Fritz Ries statt.
Und in Hartberg (Steiermark) errichtete er 1972/73 eine Teppichbodenfabrik der »Pegulan-Werke A.G.« (seit 1977 »Durmont«).
Fritz Ries zählte nach
1945 weiterhin zu den führenden Wirtschaftspersönlichkeiten der
Bundesrepublik Deutschland, dem besonderer politischer Schutz und
öffentliche Ehrungen zuteil wurden, insbesondere durch die von ihm
geförderte »Christlich
Demokratische Union Deutschlands«
(CDU). Obwohl in Deutschland
geboren und bis Kriegsbeginn dort lebend, wurde Fritz Ries 1953 von den
rheinland-pfälzischen Behörden als »Heimatvertriebener« anerkannt (unter
anderem wegen des von ihm beschlagnahmten Hauses in
Trzebinia). Ries, der millionenschwere
Arisierungs- und Kriegsgewinnler, der als
»absolut
zuverlässiger Nationalsozialist«
zum Vertrauensmann der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) vorgesehen,
wurde nach Kriegsende lediglich als
»Mitläufer«
des Nationalsozialismus eingestuft. Ries, der als politischer Entdecker
des späteren Bundeskanzlers Helmut Kohl (geb. 1930) gilt, erhielt 1967 das
Große Bundesverdienstkreuz und 1972 den Stern zum Großen
Bundesverdienstkreuz. Die
»Pegulan-Werke« kamen
1975 in eine schwere Krise und konnten nur mit Unterstützung des Landes
Rheinland-Pfalz überleben. Fritz Ries erschoss sich nach dem
zwangsweisen Teilverkauf seines Unternehmens; er hinterließ aus drei
Ehen insgesamt sieben Kinder.
Fritz Ries gilt heute
als wenig ruhmreiches Beispiel für die ungebrochene Karriere vom durch
den Nationalsozialismus begünstigten Kriegs- und Arisierungsgewinnler
(»Arisierungs-König«) zum hoch dekorierten Unternehmer der Bundesrepublik
Deutschland. Der deutsche Schriftsteller und Journalist
Bernt
Engelmann
(1921–1994) veröffentlichte über Fritz Ries 1974 einen Aufsehen
erregenden Schlüsselroman; auf Engelmanns Recherchen beruht im Wesentlichen vorstehende Biografie Ries'.

Selbstständige
Publikation von Fritz Ries
● Der
preußische Staatsrat. Inaugural-Dissertation.
Saarbrücken: Hofer [1930], VIII, 53 S.

Über Fritz
Ries auf dieser Website
● Bernt
Engelmann:
Großes
Bundesverdienstkreuz. Tatsachenroman. [Darmstadt]:
Autoren Edition
[1974] (= Autoren Edition.), 236 S.:

● Große Chronik von
Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg:

© Reinhard Müller
Stand:
Juni 2008
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