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Leo Wiltschke & [Matthias Spiegelgraber]
Schreiben an die Landeshauptmannschaft Niederösterreich. Gramatneusiedl, am 4. Juni 1936
in:
Archiv der Marktgemeinde Gramatneusiedl, Gemeinde-Kurrenden 1919–1938, Einladungs-Kurrende zur Gemeindetagssitzung am 4. Juni 1936, Beilagen, S. [1].
Transliteration:
Reinhard Müller.
[1]
Z[ah]l 1936
Gemeinde
Gramatneusiedl.
An die
Landeshauptmannschaft Niederösterreich
Landesamt IV/1
in Woen [recte Wien;
Anm.
R.M.]. I. Herrengasse 13.
In der Anlage beehrt sich die gefertigte Gemeinde Gramatneusiedl den Beschluss des Gemeindetages von Gramatneusiedl vom 1936 betreffend das Ansuchen um Verländerung der hiesigen
Kinderbewahranstalt vorzulegen.
In der Gemeinde Gramatneusiedl besteht seit Jahrzehnten die vom
Baron Todseko [recte Todesco;
Anm.
R.M.]
errichtete Kinderbewahranstalt, die zu dem Zwecke ins Leben gerufen wurde, um die zahlreichen Kinder tagsüber zu betreuen, deren Eltern in der Fabrik im benachbarten Marietal [recte Marienthal;
Anm.
R.M.] ihr Brot verdienen mussten. Durch den Zusammenbruch des grossen Matner [recte
Mautner;
Anm.
R.M.] Konzerns wurde die riesige Fabriksanlage
in Mariental [!] stillgelegt und die Kinderbewahranstalt ihrem
Schicksale überlassen. Es felang [!] aber den [!] hochw[ürdigen] Herrn
Pfarrer [d.i.
Leopold Eder (1899–1963);
Anm.
R.M.] im Vereine mit gutgesinnten Männern und Frauen, die Pforten der Kinderbewahranstalt wieder zu öffnen und durch Spenden gutherziger Bewohner des Ortes den Betrieb wieder aufzunehemen [!]. Aber auf die Dauer scheint es trotz grösster Anstrengung und
Opferwilligkeit unmöglich, die Anstalt aufrecht zu erhalten, Denn [!] nunmehr müssen beide Elternteile unserer Kinder auswärts ihren Erwerb suchen und spät abends erst holen die Mütter ihre Kinder heim, um sie frühmorgens wieder an die Pforte des Kindergartens in Obhut zu übergeben. Beiträge können
trotz rührenden Opfersinnes der arbeitenden Bevölkerung den Weiterbetrieb des Kindergartens nicht sichern, weil die Löhne für Narung [!], Kleidung und Bahnfahrt kaum ausreichen, so dass für Beiträge an den Kindergarten kein Groschen übrig bleibt.
Die Kinderbewahranstalt steht wieder vor der Gefahr der Sperre und der dieselbe verwaltende Ausschuss des
Vereines – Jugendhilfe –
für Gramatneusiedl – Mariental [!] hat sich an die gefertigte Gemeinde mit dem Ersuchen gewendet, die Verländerung der Kinderbewahranstalt in die Wege zu leiten.
Um nun dieses, für die Gemeinde Gramatneusiedl und Mariental [!] so wichtige Werk dauernd zu erhalten und zu sichern, hat der gefertigte Gemeindetag von Gramatneusiedl den beigelegten Beschluss gefasst und bittet die Landeshauptmannschaft
Niederösterreich, durch ehemöglichste Durchführung der Verländerung der hiesigen Kinderbewahranstalt dieses so schöne und der Allgemeinheit dienende Werk für alle Zukunft der Gemeinde zu
erhalten.
1 Beilage (Gemeindetagsbeschluss)
Gramatneusiedl, am 1936.
Siegel
Der Bürgermeister:
Leo Wiltschke
Der Vicebürgermeister [!]:
[Matthias Spiegelgraber]
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