Isidor Mautner
auch Izidor Mautner
geb. Nachod, Böhmen (heute Náchod,
Tschechische Republik), am 7. Oktober 1852
gest. Wien, am 13. April 1930
Großindustrieller, Eigentümer der
Textilfabrik Marienthal
Isidor Mautner trat 1867 in die von seinem
Vater Isaac Mautner (1824–1901) 1848 gegründete »I. Baumwoll- und
Leinweberei in Nachod« ein; 1874 erfolgte die Umbenennung in »Isaac
Mautner & Sohn«, 1878 eine Erweiterung des Unternehmens um eine Wiener
Konfektionsanstalt zur Versorgung der Landwehr mit Baumwollstoffen mit
Niederlassungen in Prag (Böhmen; Praha, Tschechische Republik), Budapest
und Triest (Küstenland; Trieste, Italien). 1881 bis 1895 betrieb Isidor
Mautner gemeinsam mit seinen Schwägern die »Baumwollspinnerei Waerndorfer–Benedikt–Mautner
in Nachod«, und 1893 gründete er im ungarischen Rózsahegy / Rosenberg (Ružomberok,
Slowakei) die »Magyar Textilipar r(észvény) t(ársaság)« (Ungarische
Textilindustrie Aktiengesellschaft), die er zum größten
Textilunternehmen der österreichisch-ungarischen Monarchie ausbaute. Das
laufend erweiterte Unternehmen wurde 1905 in die »Österreichische
Textil-Werke Aktiengesellschaft« umgewandelt, welche vorwiegend nach
Südamerika und Ostasien exportierte. 1912 gründete Mautner schließlich
die »Vereinigte Österreichische Textil-Industrie Mautner Aktiengesellschaft«,
eine Art Holding, die Handelsniederlassungen in Wien, Prag, Budapest,
Triest und in der Slowakei unterhielt. Beim Zerfall der Monarchie 1918
gehörten zum Mautnerschen Imperium, dem größten Industrieunternehmen
Österreich-Ungarns, 42 Textilfabriken mit etwa 23.000 Mitarbeitern und
Mitarbeiterinnen, unter anderem in Böhmen: Brodetz (Brodec), Friedland (Frýdlant
v Čechách), Schumburg an der Desse (Šumburk nad Desnou, heute zu Tanvald), Tetschen
(Český Těšín) und Tiefenbach (Potočná, heute zu Desná, alle Tschechische Republik); in Krain: Littai (Litija) und
Laibach (Lubljana, beide Slowenien); im Küstenland: Monfalcone (heute in
Italien); in Ungarn: Rózsahegy / Rosenberg (Ružomberok, Slowakei); in
Niederösterreich: Felixdorf, Günselsdorf, Nadelburg (zu Lichtenwörth), Neunkirchen,
Pottenstein, Sollenau und Trattenbach; in der Steiermark: Pragwald (Prebold,
Slowenien). Mit etwa dreiundzwanzigtausend Beschäftigten in über vierzig
Fabriken war die »Vereinigte Österreichische Textil-Industrie Mautner AG« eines
der größten Industrieunternehmen Österreich-Ungarns und eines der
größten Textilunternehmen Europas. Isidor Mautner fungierte als
Generaldirektor, seine Söhne
Stephan Mautner (1877–1944) und
Konrad Mautner (1880–1924) als Generaldirektor-Stellvertreter. 1925
wurde der Aktiengesellschaft auch die
Textilfabrik Marienthal
(sowie jene in Trumau) einverleibt. Mit dem Zerfall der österreichisch-ungarischen
Monarchie entstanden in den Nachfolgestaaten Teilbetriebe des
Mautnerschen Großunternehmens, die dann teilweise in anderen Firmen
aufgingen. Die Weltwirtschaftskrise und der 1926 erfolgte Zusammenbruch der
»Neuen
Wiener Bankgesellschaft Aktiengesellschaft«, deren Präsident
Stephan Mautner war, führten
seit 1928 zu einem raschen Zerfall des einstigen Industrieimperiums.
1930 – in diesem Jahr wurde Isidor Mautner zum Kommerzialrat ernannt –
verstarb er während des Zusammenbruchs. 1932 übernahm die Wiener »Credit-Anstalt
Aktiengesellschaft« die Mautnerschen Firmen in Österreich und die Prager
»Živnostenská Banka akciová společnost« die in der Tschechoslowakei.
Isidor Mautner verlegte
seiner 1875 geheirateten Frau zu Liebe den Wohnsitz von Nachod nach
Wien, wo sie zunächst in Wien 1., Rudolfsplatz 11, wohnten.
Jenny Mautner, geborene Neumann
(1856–1938), war eine künstlerisch interessierte Person, in deren Haus
in Pötzleinsdorf (Niederösterreich), dem Geymüller-Schlössel (heute Wien
18., Khevenhüllerstraße 2; 1888 bis 1938 von der Familie Mautner
bewohnt, daher auch Mautner-Villa genannt), und der im 1. Bezirk
gelegenen Stadtwohnung in der Löwelstraße 12 beziehungsweise seit 1908
in Löwelstraße 8 zahlreiche Künstler verkehrten (siehe
Jenny Mautner). Isidor Mautner,
langjähriger Präsident der
»Wiener Schauspielhaus Aktiengesellschaft«,
pflegte eine besonders enge Freundschaft mit dem Theatermanager
Edmund Reinhardt (1875–1929) und
dessen Bruder, dem
Schauspieler, Theater- und
Filmregisseur sowie Theaterdirektor
Max Reinhardt (1873–1943),
denen er als erster Finanzier 1923 die Pacht und die 1924 abgeschlossene
Neugestaltung des Theaters in der Josefstadt, Wien, ermöglichte, wo dann
auch Mautners Schwiegersohn
Paul Kalbeck (1884–1949) arbeitete.
Mit ein Grund für den
Ruin des Mautnerschen Unternehmens dürften auch grundsätzlich andere
Interessen der Kinder Isidor und Jenny Mautners gewesen sein.
»Käthy«
Katharina Mautner (1883–1979) heiratete 1906 den Rechtsanwalt
Hans Breuer (1876–1926), Sohn des langjährigen Weggefährten von
Sigmund Freud (1856–1939), dem Internisten und Physiologen
Josef Breuer (1842–1925). Katharina Breuer-Mautner, die 1939
nach England flüchtete und nicht mehr nach Österreich zurückkehrte, war
ebenso wenig in das Unternehmen involviert, wie ihre jüngere Schwester
Marie Mautner
(1886–1972), später
Malerin und Schriftstellerin;
sie heiratete 1919 den Schauspieler, Regisseur, Schauspiellehrer und
Schriftsteller
Paul Kalbeck (1884–1949), Sohn
des
Musik-
und Theaterkritikers sowie Schriftstellers
Max Kalbeck (1850–1921).
Auch Marie Kalbeck-Mautner flüchtete 1939 nach England, kehrte aber 1947
nach Wien zurück. Die beiden Söhne, Stephan und Konrad, fungierten im
väterlichen Unternehmen als Generaldirektor-Stellvertreter, hatten
jedoch grundsätzlich andere Vorlieben.
Konrad
Mautner (1880–1924) war wie sein Vater volkskundlich
interessiert und wurde ein vor allem für das österreichische
Salzkammergut wichtiger Volkskundler und Volksliedsammler, betätigte
sich aber auch als Grafiker. Nach seinem frühen Tod verblieb nur mehr
Stephan Mautner (1877–1944) als
Generaldirektor-Stellvertreter des väterlichen Konzerns, der sich aber
vor allem als Schriftsteller, Maler und Grafiker betätigte.

Über
Isidor Mautner auf dieser Website
● Kalbeck-Mautner,
Maria [geborene Marie Mautner] / Breuer-Mautner, Katharina
[geborene Mautner]: Erinnerungen an die Mautner-Villa, in:
Unser Währing. Vierteljahrsschrift des Vereins zur Erhaltung und
Förderung des Währinger Heimatmuseums (Wien), 3. Jg., H. 1 (1968),
S. 14–18:

● Stekl,
H[annes]: Mautner, Isidor, in: Österreichisches biographisches
Lexikon 1815–1950. Herausgegeben von der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften, redigiert von Eva Obermayer-Marnach. VI. Band: [Maier]
Stefan – Musger August. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften 1975, S. 164–165:

● Breuer,
Käthy [d.i. Katharina Breuer, geborene Mautner]: G’schichten aus dem
Elternhaus. Memoiren von Käthy Breuer (1883–1979). [Wien 1975], [I], 21 S.; Maschinenschrift mit fotokopierten Fotos:

● Breuer,
Käthy [d.i. Katharina Breuer, geborene Mautner]:
Jugenderinnerungen der Schwester Konrad Mautners. Kommentiert von
Gerlinde Haid, in: Volkskunde. Erforscht – gelehrt – angewandt.
Festschrift für Franz C[arl] Lipp zum 85. Geburtstag. (Herausgeber:
Dr. Gunter Dimt.) Linz: Oberösterreichisches Landesmuseum [1998]
(= Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich. 7.), S. 25–36:

● Zimmerl, Ulrike (geb. 1971): Der Industriekonzern der Creditanstalt in
Niederösterreich. Eine Darstellung an ausgewählten Beispielen der
Textil- und Metallbranche bis 1945, in Peter Melichar, Ernst Langthaler,
Stefan Eminger (Hg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band 2:
Wirtschaft. Wien: Böhlau 2008, S. 345–374, hier S. 356:

● Große Chronik von
Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg:

● Bilder: Die Besitzer
der Marienthaler Textilfabrik:

© Reinhard Müller
Stand:
Februar 2011
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