Eröffnung der Eisenbahnlinie Wien – Gramatneusiedl – Bruck an der Leitha am 12. September 1846
Eintrag von Anton Schallerl (1780–1862) in:
Denkbuch d[er] Pfarre Moosbrunn. Band 1, S. 399–402.
Transliteration:
Reinhard Müller.
399
Eisenbahn
wurde eröffnet feierlich am 12 September, mit 15 Vaggons mit 500 Gästen
u[nd] 2 Locomotiven. Zu der Velmergränze [d.i. Grenze zu Velm;
Anm.
R.M.] ein Triumpfbogen im alterthümlichen Styl in
Grammatneusidl 2 errichtet von der Direction mit Pöllerschüßen. Es
war ein Sonnabend. Am 13 allgemeine Eröffnung.
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Die ganze feierliche
Eröffnung Hin und Zurückfahrt ist beschrieben in der Theaterzeitung nro. 221
Seite 882 vom 15 September.
Die
Station zu Grammatneusidl ist eine der wichtigsten, daher auch in
der Anlage die größte dieser Linie. In dem Flußgebieth der Fischa liegend, wird sie den
Verkehr aller der zahlreichen Fabriken u[nd] Mühlen längs dem Laufe
dieses Gewässers an sich ziehen. Sie bildet die Mittelstation der Linie
von Wien nach Bruck [an der Leitha; Anm.
R.M.].
Hier ist daher auch der Wechsel der sich kreuzenden Trains, u[nd] es ist
hier das
Polizeikommissariat zur Besichtigung der Pässe der Reisenden
stationirt. Unter diesen Verhältnissen ist auch auf dieser
Station die Einrichtung eines Wasserstation-Gebäudes, einer
Locomotiven Remise, eines Heitzhauses, für eine Reserve-Locomotive, eine
Reparaturwerkstätte etc etc nöthig geworden, durch welches alles dieser
Stationsplatz ein sehr statthaftes Aussehen gewann.
Die Länge der Bahn von der
Personenhalle in Wien bis an das Ende des Geleises im Bahnhof zu Bruck
beträgt 21878 Kl[a]fter. Davon 21482 auf oesterreichischem Boden,
393 auf ungarischem. Der Bahnhof zu Bruck steht auf ungarischem Boden
[in
Királyhida (heute Bruckneudorf, Burgenland); Anm.
R.M.],
jedoch gehört der Grund der Stadt Bruck.
Merkwürdig ist, daß von
Fürbach [d.i. ein Bach durch Reisenberg;
Anm.
R.M.] nächst
Grammatneusidl eine Linie von mehr als 2 Meilen (8676 Klafter) bis
Bruck ist.
Am 7ten Oktober Abends
ließen die Ungarn keine Reisenden mehr in den Bahnhof hinein, sondern
nur die Locomotive mit den leeren Vaggons. Die Reisenden müßen in
Wilfleinsdorf [heute zu Bruck an der Leitha, Niederösterreich;
Anm.
R.M.] absteigen. Im Bahnhof war das Zollamt, und die
Zollwache, wo Gepäcke, Waaren für die Reisenden untersucht wurden. Da
wurde auch ein ungarischer Graf Zychy [recte Zichy;
Anm.
R.M.] untersucht, ob er keinen Tabak habe, und
Abends wurde gewaltsam die Einfahrt verwehrt. Am 17 März 1847 wurde
wieder eröffnet.
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Vom 13 September bis
8 Dezember gingen täglich vier Personen und vier gemischte Trains von
Wien nach Bruck u[nd] von Bruck nach Wien. Allein wegen geringer Anzahl
der Personen, hörten vom 18 Dezember die Personen-Trains ganz auf, und
gehen täglich nur zwey gemischte Trains von Wien nach Bruck u[nd] von
Bruck nach Wien. Auch gingen an Sonntagen bei günstiger Witterung
zwey ein Trains nach Bruck Vormittag um halb 10 Uhr und um
halb 7 Uhr Abends zurück. U[nd] am 12 März 1847 wurde auch das
Reservelocomotive beseitiget, und mehrere Arbeitsleute als Schloßer,
auch der Portir versetzt.
An Gründen wurden
abgegeben. Von Velm 68 Parzellen. 11 Joch 30 □ Kl[a]fter
[d.s. Quadratklafter;
Anm.
R.M.]
Acker 9 □ Kl[a]fter Weide, zusammen 11 J[och] 389 [recte 39;
Anm.
R.M.]
□ Kl[a]fter u[nd] erhielten dafür 4574 f[lorin]
25 kr[euzer] M.M. [d.i. Konventionsmünze; Anm.
R.M.]
Von
Grammatneusidl 119 Parzellen. 12 Joch 1392 □ Kl[a]fter Acker.
Kraut oder Gemüsegarten
1 Joch 1081 □ K[la]ft[er]
754 □ K[la]ft[er]
Wiese. 1 J[och] 668 □ K[la]ft[er] Weide
zusammen 16.692
erhielten 8383 f 15 kr M.M.
Von Wien bis Bruck
1898 Parzellen. 294 Joch IIII □ Kl[a]fter Grund. 142,509 f 47 M.M. (laut
Cultur-Ausweis sämmtliche Gründe der Wiener-Brucker Trace)
Der Jahresbericht der
Gesellschaft am Ende März 1847 besagt:
Die Gesellschaft hatte mit
äußerst nachtheiligen Hemmnißen zu kämpfen. Ungeachtet diese Bahn schon
am 31 July in ihrer ganzen Länge befahren worden ist, so mußte die
Eröffnung derselben, wegen der erst 14 August erfloßenen hohen
Hofkanzley-Bewilligung, u[nd] die darauf eingetrettenen
außerordentlichen
Uiberschwemmung der Brucker Umgebung durch die Wildwasser der Leytha
[d.i. Leitha;
Anm.
R.M.] bis zum 13 September 1846 verschoben werden.
Das Wieselburger Comitat
[heute Komitat Győr-Moson-Sopron, Ungarn, sowie Teile in Österreich und
der Slowakei; Anm.
R.M.] erhob keinen Anstand gegen die Gesellschaft
bezüglich der Verwendung des in ungarischen Gebiethe liegenden
Brucker-Bahnhofes u[nd] der Fahrten. Allein am 5. Oktober rief ein von
der General-Congregation gefaßter Beschluß Schwierigkeiten hervor,
welcher die Zollbehandlung am Brucker Bahnhof unmöglich machte. Von der
h[ohen] Landesstelle wurde die Gesellschaft in Kenntniß gesetzet, daß
unter solchen Verhältnißen die Fahrten auf der Wiener-Brucker Eisenbahn
eingestellt werden müssten. Die Lage der Gesellschaft war um so
peinlicher, weil von der störenden Austragung dieser Angeleggenheit eine
Abhülfe nicht gehofft werden konnte. Die hohe Regierung erlaubte zwar
die Fahrt jedoch nur bis Bruck, die ungarische Zwischenzoll Linie in
Bruck aber durfte nicht überschritten werden. Wir waren somit von unserm
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Endbahnhof abgeschnitten
und gezwungen, trotz des herannahenden Winters den Aufnahmsplatz nach
dem zunächstgelegenen oest[erreichischen] Wächterhause unter freiem
Himmel zu verlegen.
Die Weiterführung der Bahn
bis Raab [heute Győr, Ungarn;
Anm.
R.M.], Stuhlweißenburg [heute Székesfehérvár,
Ungarn;
Anm.
R.M.] und Essek [d.i. Eszék / Essegg, Ungarn, heute
Osijek, Kroatien;
Anm.
R.M.] ist von Seite der königlichen ungarischen
Staathalterei im Februar 1846 bewilliget allein die allerhöchste
Bewilligung war am Ende März 1847 noch nicht herabgelangt. Die
Gesellschaft soll monatlich 2000 f C[onventions] M[ünze] zusetzen
müssen.
Ferner geht die Sage, daß
die Fortsetzung so lange nicht erlaubt wird, bis nicht die ungarische
Centralbahn am linken Donauufer hergestellt seyn wird, und die Ursache
dieses Verbothes soll seyn: »Es haben viele große ungarische Cavaliere,
insbesonder Graf Sandor [d.i. gróf Moric Sándor von Slavnicza
(1805–1878);
Anm.
R.M.] der Schwiegersohn des Fürsten [Klemens Wenzel
Lothar] Metternich bedeutende Actien bey der Central am linken Donauufer
einliegen, um diese also vor Schaden zu wahren, darf die Bruckerbahn
nicht weiter geführt werden.[«]
Faksimile:
399, 400, 401, 402.
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