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Ludwig
Wagner
das ist Ludwig Anton Wagner; Deckname: Wielander
geb. Wien, am 23. Februar 1900
gest. Pittsburgh, Pennsylvania, im Januar 1963
sozialdemokratischer Parteifunktionär,
Journalist und Nationalökonom
Ludwig Wagner war der
Sohn eines wegen seiner Spielschulden aus der Armee entlassenen
Offiziers und einer Hausfrau. Er hatte zwei Geschwister: Alois und Maria
Wagner. Ludwig Wagner besuchte das Gymnasium in Wien 16. Bereits früh
politisch aktiv,
schloss er sich wie sein Freund
Paul Felix Lazarsfeld (1901–1976) der illegalen
sozialistischen Mittelschülerbewegung an, welche sich 1917 in einen
sozialdemokratischen und einen kommunistischen Flügel spaltete. Zunächst
war er im kommunistischen »Revolutionären Mittelschülerzirkel« aktiv.
Als er anlässlich der Streiks im Januar 1918 Flugblätter verteilte,
wurde Wagner wegen Verdachts des Verbrechens des Hochverrats angezeigt,
doch wurde das gerichtlich Verfahren eingestellt. Mit Lazarsfeld war
Wagner Mitbegründer der im Dezember 1918 in Wien konstituierten »Freien
Vereinigung sozialistischer Mittelschüler«. Wagner wurde im März 1919 zu
deren Obmann gewählt, doch zerfiel die Organisation gegen Jahresende.
1919 und 1920 nahm er auch an den von der Schul- und
Erziehungsreformerin Eugenie Schwarzwald (1872–1940) initiierten
Sommerkolonien (Ferienlager) teil und war leitender Funktionär der
ebenfalls von Schwarzwald angeregten Greisenhilfe. Wagner, der
mittlerweile ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität
Wien begonnen hatte, organisierte für die zur Jahreswende 1923/24
wiederbegründete »Vereinigung sozialistischer Mittelschüler«
Sommerkolonien und war Eigentümer, Verleger und verantwortlicher
Schriftleiter der 1925 bis 1933 erschienenden Zeitschrift »Der
Schulkampf. Organ des Bundes Sozialistischer Mittelschüler Österreichs«
(Wien), in welcher übrigens
Marie Jahoda (1907–2001) 1925 ihren ersten gedruckten Artikel
veröffentlichte. Außerdem initiierte Wagner das im Dezember 1926
eröffnete sozialdemokratische »Politische Kabarett«, zu dem auch zwei
spätere Mitarbeiter der
Marienthal-Studie enge Beziehungen unterhielten:
Paul F. Lazarsfeld und der Arzt
Kurt
Zinram
(1904–1939); Wagner distanzierte sich jedoch bald von diesem
Unternehmen. Für seine leitende Teilnahme an der
Demonstration anlässlich des Streiks
der Beschäftigten des Café Prückel (Wien 1., Stubenring 24 / Dr.-Karl-Lueger-Platz 6) 1929, bei der übrigens
Marie Jahoda
erstmals polizeilich aktenkundig wurde, erhielt Wagner eine Strafe von
15 Schilling, eventuell vierundzwanzig Stunden Arrest.
Ludwig Wagner heiratete
die spätere Soziologin
Gertrud Höltei (1907–1992), welche seit 1931 als Angestellte
der »Österreichischen
Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle« an der
Marienthal-Studie mitarbeitete, doch lebte das Paar seit etwa
1934 getrennt; die Ehe wurde von den Nationalsozialisten 1938 amtlich
geschieden.
Ludwig Wagner, Mitglied
der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei« (SDAP), war seit
1921 gelegentlicher Korrespondent der »Arbeiterzeitung.
Organ der österreichischen Sozialdemokratie« (Wien) und wurde 1927 Sonderberichterstatter (Korrespondent) sowie
von Oktober 1932 bis April 1933 Redakteur des zweiten wichtigen
Massenorgans der österreichischen Sozialdemokratie, »Das
Kleine Blatt« (Wien), in welchem er 1930 eine
Sozialreportage über Marienthal
veröffentlichte, die zweifellos auf die spätere Marienthal-Studie
einwirkte.
1931 schloss sich
Ludwig Wagner der linken
»Jungfrontopposition«
an, nach der Niederschlagung zur Verteidigung der Demokratie in
Österreich im Februar 1934 der politisch zwischen Kommunisten und
»Revolutionären Sozialisten Österreichs« (RSÖ) positionierten illegalen
»Roten Front«, deren Zentralkomitee damals auch
Walter Wodak (1908–1974) angehörte. Später wechselte
Wagner das politische Lager, nahm eine Stellung bei einem Verlag der
Einheitspartei »Vaterländische Front« an und schloss sich dem
katholischen und legitimistischen (monarchistischen) Kreis um den
Journalisten und Soziologen Ernst Karl Winter (1895–1959) an.
Vermutlich noch im März
1938 flüchtete Ludwig Wagner nach Schweden, wo die Übersetzung seines
letzten, in Österreich veröffentlichten Buches erschien, dann in die
Vereinigten Staaten von Amerika, deren Staatsbürgerschaft er später
annahm. In New York (New York) galt Wagner gemeinsam mit dem ehemaligen
sozialdemokratischen Wiener Partei- und Verbandsfunktionär Fritz Rager
(1890–1966) als führender Kopf der im April 1942 gegründeten »Assembly
for a Democratic Austrian Republic«, welche sich im Juli 1943 mit dem »Austrian
Social Club« zur »Austro American Association« zusammenschloss. Wagner
soll betont als Demokrat und Republikaner, nicht jedoch als Sozialist
aufgetreten sein.
Nach dem Zweiten
Weltkrieg studierte Ludwig Wagner Ökonomie an der Columbia University in
New York City (New York), wo damals auch
Paul F. Lazarsfeld wirkte, und nach einem halbjährigen
Aufenthalt in Schweden, den 1954 die »American-Scandinavian Foundation«
finanzierte, wurde er 1955 zum Doktor der
Philosophie (Ph. D.) promoviert. Er nahm dann eine Stelle als Professor
of Economics an der privaten katholischen
Duquesne University in Pittsburgh (Pennsylvania)
an.

Selbstständige
Publikationen von Ludwig Wagner
● (Mit
Paul Lazarsfeld)
Gemeinschaftserziehung durch Erziehungsgemeinschaften.
Bericht über einen
Beitrag der Jugendbewegung zur Sozialpädagogik.
Wien–Leipzig: Anzengruber
1925 (= Der Aufstieg. Neue Zeit- und Streitschriften.
30/31.),
23 S.
● (Redakteur &
Herausgeber) Der Schulkampf. Organ des Bundes Sozialistischer
Mittelschüler Österreichs (Wien), 1.–?. Jg. (1925–1933).
● (Redakteur)
Das
Kleine Blatt
(Wien), 7.–8. Jg. (1933–1934).
● (Mit Lise
Zellhoff)
Volkswirtschaft für dich. Eine
Nationalökonomie für den Betroffenen. Mit Zeichnungen und graphischen
Darstellungen von Franz Kratzer.
Wien: Saturn-Verlag [1937], 271 S.
I världshushållets labyrinter. En nationalekonomisk orienteering.
(Översättning
av David Belin.)
Stockholm: Tiden 1938 (= Ekonomi och samhälle.), 225 S. Schwedische
Übersetzung.
● [Adolf]
Hitler, man of strife. A biography. Translated by Charlotte La Rue.
New York, N.Y.: Norton 1942, 331 S.
● The wage
policy of the Swedish trade unions under full employment and full
unionisation.
Philosophische Dissertation, Columbia University, New York City (New
York), 1955. (Maschinenschrift).
● (Ludwig
A Wagner; mit Theodore Bakerman) Wage earners' opinions of insurance
fringe benefits. (Reprinted from The journal of insurance, June 1960.)
Pittsburgh: Duquesne University, School of Business Administration
[1960] (= Business research reprint, Duquesne University. 7.), S. 17–28.
● Ludwig
Wagner.
[Wien: Selbstverlag von Eckart Früh] 2000 (= Spuren und Überbleibsel.
Bio-bibliographische Blätter. Herausgeber: Eckart Früh. 37.), 27 S. Das
Heft enthält neben einer von Herbert Exenberger und Eckart Früh
zusammengestellten Biografie und Bibliografie auch neun Zeitungsartikel
von Ludwig Wagner (Seite 10 bis 27).

Über und Texte von Ludwig
Wagner auf dieser Website
● L.-W.
[d.i. Ludwig Wagner]: Ruhende Webstühle – feiernde
Arbeiter. Eine Gemeinde, die von der Arbeitslosenunterstützung lebt, in:
Das Kleine Blatt (Wien), 4. Jg., Nr. 46 (16. Februar 1930), S. 4–5:

● L.-W.
[d.i. Ludwig Wagner]: Alle Räder, alle Spindeln stehen
still. Ein Tag im arbeitslosen Gramatneusiedl. – Die Einkaufstasche des
Arbeitslosen, in: Das Kleine Blatt (Wien), 4. Jg., Nr. 48 (18. Februar
1930), S. 5:

● [Wagner, Ludwig]: 15 Kilometer von Wien. In den Quartieren des Gramatneusiedler Industriegebietes, in: Der Kuckuck (Wien), 2. Jg.,
Nr. 10 (9. März 1930), S. 5. Umschlagtitel: Arbeitslos. Die Krise in der niederösterreichischen
Textilindustrie (Siehe Seite 5):

● [Wagner,
Ludwig]:
Das Leben in Marienthal. Forschungsreise in ein Arbeitslosendorf, in:
Der Kuckuck (Wien), 5. Jg., Nr. 27 (2. Juli 1933), S. 14 und 16:

● Große Chronik von
Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg:

© Reinhard Müller
Stand:
August 2012
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