Soziologie in Österreich

 

 

 

 

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Hans Riehl

Das Leben Othmar Spanns. Lichtbilderteil des Vortrags, gehalten beim 4. Herbsttreffen der Spann-Freunde in Filzmoos am 2. September 1954[1]

Herausgegeben und kommentiert von Reinhard Müller

© Die Veröffentlichung des Vortrags erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Hanna Riehl, Graz.

[Bild 1*]:

Wenn Sie mir jetzt gestatten, dass ich noch anhand der Lichtbilder einige Szenen aus dieser ganzen Geschichte etwas lebendiger mache, so darf ich beginnen mit dem Bilde seiner Mutter.[2] Sie ist ihm sein ganzes Leben lang ein wirkliches Idealbild gewesen. Wenn dieses Bild auch ganz in dem Sinne der damaligen Zeit gestellt ist, so wird derjenige, der stärker ins Physiognomische hineingeht, doch die außerordentliche Güte aus diesen Zügen sprechen sehen und auch etwas von den bezwingenden Zügen, die auf Othmar sein Leben lang nachgewirkt haben.

[Bild 2*]:

Hier ist ein Bild seines Vaters,[3] allerdings ebenfalls wieder ein Bild, das ganz in der fotografischen Tradition jener Zeit gemacht ist. Es bringt uns diese im tiefsten Grund doch wohl recht unglückliche Natur näher. Es ist übrigens eine interessante Tatsache, dass fast alle Eltern, fast alle Väter großer Männer, gehemmt, wenn auch sehr begabt waren, aber in ihrer Begabung nicht durchgedrungen sind. Und das hat gerade den Söhnen  denken Sie einmal an Johann Wolfgang Goethe  einen gewissen Auftrieb gegeben. Diese Spannungen sind ja leider scheinbar wirklich notwendig.

[Bild 3]:

Nun darf ich vielleicht mit einigen Bildern aus Frankfurt[4] anschließen. Ich zeige hier eine Aufnahme vom Turm des Domes: Sie sehen hier gleich zwei interessante und für das Deutsche Reich entscheidende Bauwerke, nämlich hier den Römer, in dem die Kaiserwahl stattgefunden hat, und hier die Paulskirche, die im Jahr 1848 der Sitz des Frankfurter Parlamentes war, dem der Erzherzog Johann[5] als Reichsverweser vorgestanden ist. Ich habe jetzt wieder in Aussee,[6] als die Anna Plochl-Feier war, zu der ich die Ausstellung vorbereitete, erlebt, wie auch heute diese Leute  teils Aristokraten, also sehr monarchistisch und österreichisch ausgerichtete Menschen, teils sozialistische Arbeiter  alle an der Idee des Reichsverwesers und dieser Einheitsidee gehangen sind. Das ist heute noch ein ganz lebendiger Begriff. Sie sehen übrigens auch da noch einen Erzherzog Johann hängen, obwohl wir nicht einmal in der Steiermark sind. Also auch diese Idee des Reichsverwesers ist bis in die letzten Täler hinein lebendig.

[Bild 4]:

Da haben Sie nun wiederum den Römer und dahinter die Paulskirche, dann natürlich noch den Turm des Domes, in welchem immer die Krönung des deutschen Kaisers stattfand.

[Bild 5]:

Nur mit einem Bild möchte ich an diese entzückenden alten Gässchen erinnern, die in Frankfurt einen Zauber ohnegleichen gebildet haben, einen Zauber, der jetzt leider vollkommen zerstört ist. Wie gesagt: In dieser Stadt steht nicht mehr ein Stein auf dem andern. Auch diese ganzen Gassen um das Goethe-Haus herum sind ja zerstört. Das Goethe-Haus hat man wieder aufgerichtet.

[Bild 6]:

Ich zeig auch hier ein altes Bild des Goethe-Hauses. Das waren natürlich lauter Dinge, die Othmar während seines Frankfurter Aufenthaltes sehr ans Herz gewachsen waren. Es waren eben doch noch die wirklichen, die realen Reliquien: das Goethe-Zimmer, in dem er gesessen ist und in dem er so Vieles gedichtet hat.

[Bilder 7, 8 und 9]:

Von Frankfurt kam er dann nach Brünn,[7] wo ja auch noch viel schönes und altes Kunstgut war: die Jakobskirche, der allerdings ziemlich verbaute Dom, dann hier das Portal zum Rathaus, von dem jetzt Oettinger[8] herausbekommen hat, dass es Meister Pilgram zuzuschreiben ist, wie die Jakobskirche.

[Bild 10]:

Und dann hier der Hof des Rathauses. Sie sehen, lauter alte deutsche Stadtbilder, und endlich die…

[Bild 11]:

Mehr als der Dom hat Othmar die Elisabethinenkirche interessiert, die ich Ihnen hier zeige  übrigens ein sehr interessantes spätgotisches Bauwerk.[9] In dieser Kirche war Gregor Mendel[10] als Geistlicher tätig. Hinter der Kirche stand  oder steht, das weiß ich jetzt nicht, ob es noch steht  jedenfalls zu meiner Zeit ein Denkmal des Gregor Mendel. Und diese örtliche Nähe hat Othmar auch dazu gebracht, sich enger mit Gregor Mendel und seinen Theorien, die natürlich sehr eng mit seinen Gedanken zusammengingen, zu befassen. Im Übrigen erinnere ich mich, dass damals die Zeit war, wo Othmar jeden Tag mit seiner Frau eine Upanischad[11] gelesen hat und sich über diese Dinge in einem erregten Gedankenkampf befunden hat.

[Bild 12*]:

Hier haben Sie nun ein Bild von Othmar, wie er als Oberleutnant in Wien weilte. Es ist nicht zu verheimlichen, dass er ein Herzensbezwinger war. Das war also aus der Zeit während des Weltkrieges. 1916 vielleicht ist dieses Bild gewesen.

[Bild 13]:

Dann  nur als eine Erinnerung an dieses Gebäude  ein Bild der Universität Wien, das leider sehr schlecht ist.

[Bild 14]:

Hier eine Luftaufnahme der Universität Wien, auf der ich Ihnen zeigen kann, wo Othmar das Institut eingerichtet hat. Er hat an der Universität sofort begonnen, ein Seminar einzurichten. Da hat er von der Universität nichts anderes verlangt als die Räume. Das Geld für diese Bibliothek hat er sich ganz von der Industrie zusammengeschnorrt. Er hat diese bis dahin unerhörte Sache gemacht, denn er hätte das Geld von der Universität bekommen; aber dann hätte er das Institut so machen müssen, wie alle anderen Institute der Universität waren. Die Studenten hätten nämlich einreichen müssen, damit sie ein Buch bekommen, und dann hätten sie das Buch bekommen können, und danach hätten sie es wieder abgeben müssen. Das wollte Othmar nicht, sondern er sagte: »Die Studenten müssen mit der Bücherei in engsten Kontakt kommen. Sie müssen vor den Büchern schmökern können«, wie er sich ausdrückte, »sie müssen sich die Bücher herausnehmen und wieder hineinstellen können.« Diese Vorgabe ist an der Universität sofort auf ein Nein gestoßen, weil man sagte: »Da werden alle Bücher gestohlen. Das kann man nicht machen, das ist ganz unmöglich.« Folglich hat sich Othmar sofort auf den Standpunkt gestellt: »Also werde ich die Bücher selber kaufen, und dann könnt's mir gar nix mehr dreinreden.« Er hat sich von der Industrie das Geld zusammengeschnorrt, hat es auch tatsächlich bekommen und hat also die Bücherei aufgebaut. Ich meine, einige von Ihnen werden sie ja sogar gekannt haben oder kennen. Da stehen eben die Bücher, und die Studenten gehen auf die Stufen hinauf und holen sich die Bücher heraus. In Wahrheit war es doch so: Wenn man gekommen oder weggegangen ist, musste man die Tasche vor dem diensthabenden Studenten aufmachen und zeigen, dass nicht ein Buch von der Bibliothek drinnen war. Tatsächlich sind natürlich hin und wieder einmal Bücher gestohlen worden. Ich glaub, im ganzen Jahr sind durchschnittlich zehn oder zwanzig Bücher gestohlen worden, was natürlich gar keine Rolle gespielt hat. Othmar hat gesagt: »Ich bin ganz froh, wenn sie hin und wieder Bücher mit nach Haus nehmen. Dann lesen sie sie wenigstens.« Das war also eine vollständige Neuigkeit. Da oben im zweiten Stock war das Institut. Sie haben da die Universität. Ich weiß nicht, ob man es da sehen kann – ich habe leider keine Aufnahme, die das wirklich deutlich zeigt –, ganz hinten, da oben im zweiten Stock. Das ist der Eingang zur Universität, das ist die Philosophische Fakultät, das ist die Juridische Fakultät, das ist das Treppenhaus, und da, hier oben im zweiten Stock, hier rückwärts, da sind die Räumlichkeiten, im hinteren Trakt, der da vorgreift in die Räumlichkeiten des Dekanats. Rückwärts geht es bei diesen Treppen hinauf ins Juchhe, und da war das Seminar vom Spann. Sein eigenes Zimmer war immer blau angestrichen. Blau war seine Lieblingsfarbe. Er saß im Raum rückwärts, und davor war der Raum, wo der diensthabende Student saß. Rechts ging man in das Seminar hinein. Berühmt in der ganzen Universität war das Seminar deshalb, weil sich eben jeder seine Bücher heraussuchen konnte. Außerdem war dort die beste philosophische Bibliothek an der ganzen Universität, viel besser als die auf der Philosophischen Fakultät, denn dort war der Jodl,[12] und der Jodl war die Hochburg des Materialismus und Positivismus. Ich war natürlich als Jodl-Schüler von meinem Lehrer doch bis zu einem gewissen Grad selbst begeistert. Da hat mir einmal Othmar auf einer offenen Karte geschrieben: »Geh doch endlich von diesem Trottel weg, der rechts und links nicht unterscheiden kann.«

[Bild 15*]:

Da sehen sie den »Herrn Hofrat«, der Othmar übrigens nie geworden ist, was ihm auch gar nichts gemacht hat. Dagegen hat er sich wirklich gekränkt, dass man nicht mit einem Wort daran gedacht hat, ihn in die Akademie der Wissenschaften aufzunehmen. Man muss auch sagen, die Wiener Akademie der Wissenschaften ist ein eigenartiges Institut. Aus den gewissen Gruppen kommen Menschen hinein, die also wirklich wenig Ewigkeitsabsichten haben. Und in anderen Gruppen… Bitte? [Zwischenruf: Korrespondierendes Mitglied!] Ist er dann doch geworden, aber es hat ihn ein bisschen gekränkt.[13] [Zwischenrufer: In den Geisteswissenschaften kommt nichts heraus.] In den Geisteswissenschaften kommt nichts heraus.

[Bild 16]:

Da sehen wir ein anderes Bild, das ebenfalls die Universität dieser Jahre zeigt.

[Bild 17*]:

Und nun die Hube, die Lahnhube, die ja durch viele Jahre das Zentrum seiner Tätigkeit war.[14] Sie haben hier eine Aufnahme zum Talerkogel hinein: Das ist ein Übergang, der von Vordernberg nach Tragöß führt. An diesem Übergang war ein Jägerhaus, und dieses Jägerhaus – das war eine lustige Geschichte – ist auf folgende Weise in den Besitz eines reichen Industriellen – Klinger[15] – gekommen. Die Nationalen haben ein Mandat wollen. Nun konnte aber nach damaligen Gesetzen in Österreich nur der ein Mandat im Reichsrat gewinnen, der Grundbesitz in Österreich hatte. Der Betreffende war ein armer Teufel. Jetzt hat sich dieser Industrielle, der mit ihm befreundet war, erkundigt, wo denn irgendwo ein Grundbesitz zu haben sei. Da war also die Lahn zu haben, und er hat diese Lahn gekauft. Klinger hat die Lahn zunächst auf den Freund überschreiben lassen, der daraufhin Reichsratsabgeordneter geworden ist. Dieser hatte die Lahnhube und diese ganze Gegend dann natürlich wieder dem Betreffenden, dem Klinger, zurückgegeben. Klinger hat nun gesagt: »Naja, jetzt werden wir halt das Jagdhaus ein bisschen ausbauen, dass wir uns dann im Sommer dort aufhalten können.« So ist dann aus diesem Jagdhaus diese schöne Hube geworden, die dann immer eleganter geworden ist. Es ist ein kleines Elektrizitätswerk dazugekommen, natürlich auch schöne Ställe mit schönen Milchkühen usw. Othmar hat sich da zum ersten Mal auch ein bisschen mit der Landwirtschaft befasst. Aber im Übrigen war er besessen vom Arbeitseifer. Wenn die letzte Vorlesung aus war, so musste zu Hause schon sein Koffer gepackt sein. Er hat sich in die Bahn gesetzt und ist nach Vordernberg gefahren. Da ist er gerade über den Sattel hinübergegangen. Das war sein einziger Weg. Wenn er in der Lahn war, ist die Arbeit angegangen. Da war eine herrliche Bibliothek da hinten, da oben im zweiten Stock. Da kam er also herein, hier im Mittelpunkt, im mittleren Trakt war das allgemeine Speisezimmer, wo man immer zusammensaß. Da wurde dann am Abend nach dem Essen ein bisschen vorgelesen oder geplaudert. Dann hieß es wieder hinauf zur Arbeit. Hier war das Gastzimmer, und hier herüben im zweiten Stock, wo dann dieses Fenster herausgebaut wurde – das wurde extra für ihn gebaut –, stand sein Schreibtisch in dieser Nische. Das ganze Zimmer war sonst mit Büchern bestellt. Auf dieser Seite hier war nicht so ein Fenster wie hier, sondern ein offener Gang oder eine offene Laube, sodass er auch im Freien arbeiten konnte, mit dem Blick gegen das Gebirge. Im Herbst sind die Hirsche tief heruntergekommen und haben da vor seinem Balkon geröhrt. Es war außerordentlich schön auf der Hube. Das war wirklich ein idyllisches Dasein. Wenn man hinaufgekommen ist – er hat da herüben gewohnt, die Gäste haben da herüben gewohnt –, ist er dann abends herübergekommen, hat sich auf das Bett gesetzt und erzählt, was er gemacht hat. Und manchmal hat er auch gesagt: »Nicht wahr, das ist doch schön.« Da hat er so darüber gesprochen, als ob er gar nicht daran beteiligt wäre; das ist ihm irgendwie eingegeben gewesen. Plötzlich ist er verschwunden, und man hat dann gar nicht so getan, als ob etwas gewesen wäre. Er war von einem unbändigen Fleiß. Wenn wir gesagt haben: »Geh', heute ist so ein schöner Tag. Wir gehen auf den Trenchtling hinauf«, sagte er: »Ich muss Büchel schreiben, ich muss Büchel schreiben. Das ist ganz ausgeschlossen.« In seiner Jugend muss er doch sehr viel in die Berge gegangen sein. Er hat mir einmal erzählt: Die erste Idee zum Ganzheitlichen sei ihm angesichts der Berge gekommen. Er hat sich gedacht: Wie das alles zusammenschießt und wie jedes Detail, jede einzelne Rippe, jeder Grat dann schließlich doch mit diesem einen Ganzen zusammenhängt, so muss doch auch alles in der Welt irgendwie aus einem Grundblock heraus zu erfinden und auszudenken sein. Das Gebirge, dieses Gebirgstal hat auf ihn einen eigentümlichen Zauber ausgeübt. Er war im Konzipieren unglaublich rasch. Er hat mir erzählt, er hätte an der »Kategorienlehre«[16] lange herumgearbeitet und immer das Gefühl gehabt: Da muss es einheitliche Gesichtspunkte geben, die wir alle kennen. Aber er hat nicht die Zeit gehabt und auch nicht die Möglichkeit, sich zu konzentrieren. Kurz, es blieb eine Art Gefühl, diese ganzheitliche Empfindung wirklich in konkreten Kategorien zu deuten. Da hat er sich schnell entschlossen und hatte das nächste Jahr eine Vorlesung »Ganzheitliche Kategorienlehre« angekündigt. Und jetzt hat er sich sozusagen selber ins Wasser geworfen und musste schwimmen. Was tun? Er nimmt sich eine Fahrkarte, fährt nach Tirol – ich glaube nach Lermoos – und hat sich dort in einen Bauernhof gesetzt. Er hat mir gesagt: »In vierzehn Tagen war die ganze Sache fertig, die ganze ›Kategorienlehre‹.« Und so hat er es dann immer wieder gemacht. Er hat unglaublich rasch das Ganze skizziert und sich im Geist geklärt. Dann hat er sich an die Ausarbeitung gemacht, die allerdings lange gedauert hat. Auf der Hube war dieses Zimmer herüben, entweder für Gäste oder für seine Frau, für die Erika Spann, von der ich Ihnen hier nun auch eine Aufnahme vor der Hube zeige.

[Bild 18*]:

Erika Spann war eine große Blumenfreundin, und daher ist sie meistens unter Blumen aufgenommen worden.

[Bild 19*]:

Hier nun ein Bild auf der Huben, wo er meistens im Steirerrock gegangen ist. Das finde ich außerordentlich schön.

[Bild 20*]:

Dann ein anderes Bild, wo er in seiner Nische ist. Das ist das Fenster, das ich Ihnen eben früher gezeigt habe, das da herausgebaut war im Dach. Da hatte er für sich den Schreibtisch. Auf der Huben war ja viel los. Da war eine altsteirische Bewegung, die auf Geramb[17] zurückging, mit altsteirischen Tänzen und altsteirischer Tracht. Da hat natürlich jeder Hubenbesucher diese altsteirische Tracht bekommen, und dann wurde man noch womöglich in der altsteirischen Tracht fotografiert. Das schaut ganz romantisch aus. Ich glaube, dieses Bild hat sogar eine gewisse Geschichte. Das ist den Nationalsozialisten in die Hände geraten und wurde dann irgendwie im »Schwarzen Korps«[18] veröffentlicht. [Zwischenruf: Als Ordensführer ist er dargestellt im „Schwarzen Korps“.] Als Revolutionär, als berufsmäßiger.

[Bild 21*]:

Hier sehen Sie Othmar so, wie er auf der Hube absolut leibt und lebte: zwischen den Schneerosen.

[Bild 22*]:

Natürlich waren auch die beiden Burschen oft draußen, die beiden Söhne. Ich zeige Ihnen da eine Aufnahme vom Raphael  vor der Huben  als junger Bursche, nicht ahnend, welches Schicksal ihm noch bevorsteht.[19]

[Bild 23]:

Eine kleine Serie von Bildern darf ich Ihnen aus Gaming zeigen.[20]. Da eröffne ich mit einer Gesamtaufnahme von Gaming, die ich dem Herrn Dr. Kadletz[21] verdanke, die wirklich sehr schön die ganze Anlage zeigt. Gaming ist nämlich die größte, schönste und besterhaltene Kartause, die es in Österreich gibt. Es sind hier noch tatsächlich Häuschen aus dem 13. Jahrhundert unversehrt auf uns gekommen. Da hier war dann die Prälatur, und da hatte jeder Geistliche und jeder Kartäuser sein eigenes Häuschen; sie mussten ja schweigen. Da hier waren dann als gemeinsames Haus eine kleine Kapelle und eine Rasierstube. Und hier war dann die Bibliothek, in welcher diese Vorträge stattgefunden haben. Hier herüben waren dann noch außen spätere Teile, in denen der Speisesaal untergebracht war.

[Bild 24]:

Ich bringe hier nun eine Aufnahme aus dem schönen Gang mit einem Blick auf die Kirche. Die Kartäuserkirchen sind alle außerordentlich hoch. Diese Kirche war so hoch, dass man sie in der Barockzeit dann sogar etwas niedriger gemacht hat. Sie sehen, es geht in Wahrheit heute die Kirche nur so hoch, wie das untere Fenster ist. Die Gänge laufen um alle Höfe herum und geben dem Bau ein außerordentlich starkes und anheimelndes Gepräge.

[Bild 25]:

Das ist das Innere der Kirche, die jetzt, wie gesagt, barockisiert wurde.

[Bild 26]:

Das ist vom Ausgang zur Bibliothek, der Blick gegen die Kirche. Sie sehen, dass auch hier wieder der ganze Hof mit Laubengängen umschlossen ist.

[Bild 27]:

Hier dann die Bibliothek, in der unsere Zusammenkünfte stattgefunden haben und wo sich dann beim Glockenschlag immer wieder alle versammelt haben. Walter Heinrich[22] und Othmar haben dann die hungrigen Gemüter mit geistiger Nahrung versehen. Das war also die Bibliothek. Das war wirklich ein einzigartiger Raum für diese Dinge, denn oben standen die Fresken mit den Sinnbildern, mit der weltlichen und der geistlichen Wissenschaft, also des irdischen und des himmlischen Wissens, von denen wir auch heute wieder gesagt haben, dass sie unbedingt ineinandergreifen müssen.

[Bild 28]:

Und das ist dann der Raum für das Refektorium, für die Speisezeiten. Da haben auch wir gegessen. Aufnahmen von den Zusammenkünften zeige ich nicht, weil Sie ja, die Sie dort waren, ohnehin kleine Fotografien oder Ähnliches besitzen.

[Bild 29*]:

Dagegen gehe ich nun über zu Aufnahmen, die von der ägyptischen Reise Othmars gemacht wurden. Es war für ihn ein außerordentliches Erlebnis, diese ägyptische Reise. Er hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es eben doch ungemein notwendig sei, dass ein Mensch einmal in eine Welt komme, die von der unseren vollständig verschieden sei und dadurch gewissermaßen einen archimedischen Punkt bekomme, von dem aus er die eigene Kultur und das eigene Dasein betrachten könnte. Und das war für Othmar eben diese Reise nach Ägypten. [Zwischenfrage: In welchem Jahr?] Das war 1934. Er hat dann auch das Vorwort zu einem seiner Bücher, zu »Erkenne Dich selbst«, »Im Wadi Halfa« datiert.[23]

[Bild 30*]:

Da ist Othmar auf einem Nildampfer.

[Bild 31*]:

Und hier ist Othmar unter Palmen wandelnd.

[Bild 32*]:

War das ein Erlebnis geistiger Art, wo er außerordentlich bereichert wurde – auch diese magischen Dinge, die er da erlebte, mit den Schlangenbeschwörern, diese Sachen haben ihn sehr beeindruckt –, so war die zweite große Reise, die er nach Griechenland machte, vor allem ein Erlebnis der Schönheit.[24] Aber auch da spielte das Magische eine gewisse Rolle, wie Sie bei den Aufnahmen sehen werden. Hier sitzt er auf den angeblichen Trümmern des Theaters von Sparta. Es ist ja heute sehr fraglich, ob es überhaupt eine Stadt Sparta gegeben hat. Man ist eher der Meinung, dass es eine Sammlung von Adelssitzen war. Da rückwärts der noch beschneite Taygetos. Er war in der österlichen Zeit in Griechenland.

[Bild 33*]:

Hier ein Bild von Ägina, ein Blick auf das Meer  noch ohne Othmar.

[Bild 34*]:

Und hier ist Othmar nun zwischen diesen Säulen. Unglaublich, wie jung er da noch ausschaut. Das war, glaube ich, 1935.[25]

[Bild 35*]:

Das ist auch Griechenland, von der griechischen Reise.

[Bild 36*]:

Und hier eine Aufnahme aus Mykäne. In Mykäne geht es unheimlich zu. Da sind doch überall diese Klüfte und Gräber. Da tritt Othmar aus einem dieser heimlichen, unheimlichen Kammern hervor.

[Bild 37]:

Zum Schluss darf ich jetzt noch einige Bilder aus Schlaining zeigen. Das ist die Burg Schlaining. Die Stadt Schlaining ist eine halbe Stunde von seinem Besitz, dem sogenannten Werkschloss,[26] entfernt und verdankt ihr Dasein eigentlich dieser Burg des Andreas Baumkircher,[27] der ein berühmter Adeliger in der Zeit des Kaisers Friedrich war, also Mitte des 15. Jahrhunderts. Im Laufe der Jahrhunderte ist es ungeheuer reich zusammengewachsen.

[Bild 38]:

Othmar hat sich für diese Baudinge in diesem Land sehr interessiert. Er hat sogar eine kleine Aufgabe gehabt, nämlich die Bauart der Bauernhöfe aufzunehmen. Bei dieser Gelegenheit hat er sich für diese Bogengänge in den Bauernhäusern interessiert. Die hat er aufgenommen und er hat dies auch wiederholt mit mir gemacht. Das ist wirklich sehr charakteristisch in der Gegend, dass jedes Bauernhaus vorne einen Wohnraum hat. Und dann gingen solche Gänge in die Tiefe des Hofes hinein.

[Bild 39]:

Hier ist nun das Haus, das Othmar sich gekauft hat.[28] Das ist ein altes Schlösschen, das sich Miller von Aichholz bei seinem Antimonbergwerk vor 60 oder 80 Jahren gebaut hat[29] und das nun von Othmar zu einem unglaublich billigen Preis erkauft wurde. Es wurde dann langsam ausgestattet. Der eigentliche Wohntrakt lag da rückwärts hinüber und hatte ein großes Fenster in die Landschaft hinaus, die nach Norden führte und wo es zur Burg Bernstein hinüber einen herrlichen Blick gegeben hat. Othmar hat immer wieder darauf hingewiesen, das sei also die richtige Eichendorfflandschaft,[30] dieses sanfte Hügelwerk, das so weite Blicke eröffnete, und dann da diese gotische Burg mittendrin. Der Garten wurde im Laufe der Zeit von Frau Spann wunderbar hergerichtet und war ein wirkliches Blütenparadies. Seit Othmars Tod ist das alles vollkommen verfallen. Hier, also in diesem gotischen Bogen, hatte er eine offene Laube, in der oft gegessen wurde. Da hatte er ein Pult. Othmar hat immer gern an Pulten gearbeitet. Er hatte auch in der Blaasgasse[31] ein Stehpult, an dem er eigentlich gearbeitet hat und seine Briefe geordnet hat. Wenn es irgend möglich war, hat er seine Arbeit stehend vollzogen und nicht an einem Schreibtisch sitzend.[32] Er hatte in der Blaasgasse eigentlich keinen richtigen Schreibtisch, sondern hatte alles am Stehpult gemacht. In Schlaining hatte er dann einen Schreibtisch, aber auch das Stehpult daneben. Hier hatte er im Freien auch noch ein Stehpult, an dem er sehr viel gearbeitet hat. Im letzten Jahr hat er sich dann da in eines dieser Gastzimmer zurückgezogen, weil das Heizen von diesen vielen, vielen Räumen so ungeheuer schwer geworden ist. Im Parterre waren dann mehr die Gasträume und die großen Räume mit der Bibliothek. Da hat man ihn nun besucht.

[Bild 40*]:

Also ich bin natürlich von Graz öfters hingekommen, mit Andreae,[33] und da haben wir ihn dann oft mit seinen Angehörigen getroffen.

[Bild 41]:

Ich zeige hier ein Bild mit Adalbert Spann,[34] der im Weltkrieg gefallen ist.

[Bild 42]:

Hier wieder Wilhelm Andreae.[35]

[Bild 43]:

Hier in Schlaining ist Othmar immer in dieser Jacke gegangen.

[Bild 44]:

Ein Bild von den Dreien: Othmar, Erika Spann-Rheinsch und Adalbert Spann.[36]

[Bild 45*]:

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch eine Büste zeigen, die der Bildhauer Ritter,[37] der jetzt Professor an der Kunstschule in Linz ist, von Othmar angefertigt hat und die ich eigentlich doch für die beste Büste von Othmar halte, wenn auch natürlich manches gegen sie einzuwenden ist. Vor allem ist es das, dass Othmar ihm eigentlich nicht gesessen ist, sondern ihm nur erlaubt hat, sich – während er Briefe ordnet – an seinem Stehpult aufzustellen und ihn zu beobachten. Da ist er also so an seinem Stehpult gestanden und hat seine Briefe – hinunterblickend – geordnet und beantwortet, und daher blickt er auf dieser Büste auch etwas zu stark herunter. Aber im Ganzen finde ich schon, dass irgendetwas von seinem Wesen in dieser Büste eingefangen ist. Damit schließe ich nun diese kurze Betrachtung und die kurze Erinnerung und hoffe, dass ich Ihnen doch eine kleine Erinnerung an diese unerhörte Persönlichkeit vermittelt habe, in deren Gedenken wir alle uns zusammenfinden.

Zum: Vortrag

Anmerkungen von Reinhard Müller

[1] Die Tonbandaufnahme des Spann-Anhängers Ing. Erich Rudroff (Salzburg) wurde von Irmgard Holzschuster (Graz) transkribiert und von Reinhard Müller bearbeitet. Da Hans Riehl den Vortrag, aufbauend auf kurzen, nicht erhalten gebliebenen handschriftlichen Notizen, frei hielt, wurden zur besseren Lesbarkeit des Textes von Reinhard Müller vereinzelt leichte Bearbeitungen vorgenommen. Quelle: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Tondokumente, Signatur T–18. Die mit * bezeichneten Lichtbilder befinden sich teils im Besitz des Archivs für die Geschichte der Soziologie in Österreich (AGSÖ), Graz, teils im Besitz von Reinhard Müller, Graz.

© Die Veröffentlichung des Vortrags erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Hanna Riehl (†), Graz.

[2] Die Mutter von Othmar Spann war die Hausfrau Wilhelmine Trendl (Zwentendorf an der Donau 1853 – Wien 1890), die um 1875 Josef Spann heiratete.

[3] Der Vater von Othmar Spann war der Kleinunternehmer und Erfinder und Josef Spann (Gaudenzdorf [heute zu Wien] 1845 – Zwentendorf an der Donau 1917), der zunächst ein Unternehmen als Papierglänzer und Papierfärber in Wien 12., Rudolfsgasse 44 (heute Aßmayergasse), betrieb, dann eine kleine Fabrik zur Erzeugung von marmoriertem Papier und Buntpapier in Wien 7., Lindengasse 20.

[4] Frankfurt am Main, Land Hessen.

[5] Johann von Habsburg (Florenz ‹Firenze› 1782  Graz 1859), Erzherzog von Österreich; er wurde 1848 von der Frankfurter Nationalversammlung zum Reichsverweser gewählt, legte das Amt aber 1849 zurück. Erzherzog Johann, eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Steiermark, war mit der Postmeistertochter Anna Plochl (Bad Aussee, Steiermark 1804  Bad Aussee 1885) verheiratet, zu deren 150. Geburtstag in Bad Aussee 1954 größere Feierlichkeiten und eine von Hans Riehl vorbereitete Ausstellung stattfanden.

[6] Aussee, seit 1911 Bad Aussee, Steiermark.

[7] Brünn, Hauptstadt des Kronlandes Mähren (heute Brno, Tschechische Republik).

[8] Karl Norbert Julius Oettinger (Wien 1906  Peschiera del Garda 1979), Kunsthistoriker; dieser Freund und Kollege von Hans Riehl stellte als Erster 1950 die bis heute noch nicht restlos bewiesene Zuschreibung des Brünner Rathausportals an den Baumeister und Bildhauer Anton Pilgram (Brünn [heute Brno] um 1460  Wien 1515) auf.

[9] Gemeint ist die Kirche Mariä Himmelfahrt beim ehemaligen Augustinerkloster (jetzt Mendel-Museum / Mendelovo muzeum Masarykovy univerzity). Sie war Teil des 1322 von der Königinnenwitwe Elisabeth Richza von Polen (Poznań 1286/88 – Brno 1335) gestifteten Zisterzienserinnenklosters Marien-Saal. Nach der Aufhebung dieses Klosters wurde es 1782 ein Augustinerkloster.

[10] Gregor Mendel (d. i. Johann Mendel; Heinzendorf [heute Hynčice, zu Vražné] 1822  Brünn [heute Brno] 1884), Botaniker und Prior der Augustiner-Eremiten. Südlich gegenüber der Augustinerkirche steht auch heute noch das vom Bildhauer Theodor Charlemont (Znaim [heute Znojmo] 1859 – Wien 1938) geschaffene, 1912 errichtete Mendel-Denkmal.

[11] Der Sanskrittext der »Upanischaden ‹उपनिषद्›« ist eine zum vedischen Schrifttum gehörende philosophisch-theologische Abhandlung über die Erlösung des Menschen. Vor allem Erika Spann-Rheinsch hat sich zeit ihres Lebens mit dieser Literatur befasst und ließ sich auch  ebenso wie Othmar Spann  davon beeinflussen.

[12] Friedrich Jodl (München 1849 – Wien 1914), Philosoph; seit 1896 o. Univ.-Prof. für Philosophie an der Universität Wien; Vertreter eines naturalistischen Monismus, der jede Metaphysik ablehnte; als Mitbegründer der freireligiösen »Deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur« trat er auch für einen areligiösen Moralunterricht ein.

[13] Othmar Spann wurde 30. Mai 1933 zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt.

[14] 1923 bis 1932 verbrachte Othmar Spann die Sommermonate regelmäßig In der Lahn, auch »In der Huben« oder »Lahnhuben« genannt, einem Jagdhaus zwischen Hafning bei Trofaiach und Vordernberg, Steiermark, wo auch viele seiner Schriften entstanden.

[15] Richard Klinger (Böhmisch Aicha [heute Český Dub] 1860 – Gumpoldskirchen 1928), Industrieller, Maschineningenieur und Erfinder, Vater von »Zimse« Maria Klinger (Wien 1889 – Wien 1976), seit 1941 verheiratete von Hartlieb. Von Maria von Hartlieb stammen auch einige der bei diesem Vortrag Hans Riehls gezeigten Fotos. Ihr Mann war übrigens der Schriftsteller und Journalist Wladimir von Hartlieb (bis 1919: Freiherr von Wallthor; Görz [heute Gorizia] 1887  Werfen, Salzburg 1951), zeitweise Angehöriger des engeren sogenannten Spannkreises. Maria Hartlieb-Klinger trat auch als Malerin (»M. M.«) und Fotografin an die Öffentlichkeit.

[16] Vgl. Othmar Spann: Kategorienlehre. Jena: Gustav Fischer 1924 (= Ergänzungsbände zur Sammlung Herdflamme1.), XV, 373 S., 2., durchgesehene und ergänzte Auflage ebenda 1939, XX, 426 S., 3., durchgesehene Auflage, eingerichtet von Horst Kitzmantel. Mit einem Nachwort von Erich Heintel. Graz: Akademische Druck- u. Verlagsanstalt 1969 (= Othmar Spann Gesamtausgabe. 9.), XVI, 424 S.

[17] Viktor (bis 1919: Ritter von) Geramb (Deutschlandsberg, Steiermark 1884 – Graz 1958), Volkskundler; 1931–1939 und 1945–1954 a.o. Univ.-Prof. für Volkskunde an der Universität Graz; 1917 Gründer der Volkskundlichen Verkaufsstelle im Steirischen Volkskundemuseum, aus der 1934 das »Steirische Heimatwerk« hervorging; Initiator der sogenannten altsteierischen Bewegung, einer Kulturbewegung zur Erforschung und Wahrung steirischer Traditionen.

[18] Das Schwarze Korps. Zeitung der Schutzstaffel der NSDAP. Organ der Reichsführung-SS (Berlin), 1935–1945 erscheinende Zeitung, konzipiert als Hüterin der wahren nationalsozialistischen Lehre; neben Kritik an sogenannten parteiinternen Missständen enthielt sie auch heftige, pöbelhafte Attacken gegen Judentum und katholische Kirche. Zum hier angesprochenen Artikel vgl. [anonym]: Einer wird herausgegriffen, in: Das Schwarze Korps (Berlin), 4. Jg., Nr. 41 (13. Oktober 1938).

[19] Raphael Spann wurde im Januar 1948 durch die sowjetischen Behörden wegen angeblicher Spionage für Großbritannien in Wien verhaftet, in Baden, Niederösterreich, verhört und gefoltert. Obwohl er nicht geständig war, kam er ins berüchtigte sogenannte Arbeitslager in Vorkuta ‹Воркута›, Sibirien, aus dem er erst im Juni 1955 nach Österreich zurückkehren konnte. – Raphael Genoveva Hyperion Spann (Kempten 10. Juni 1909 – Wien 21. Oktober 1983), bis 1945 meist nur »Rafael« genannt, Dr. jur.; Mitarbeiter diverser Zeitschriften und Übersetzer aus dem Italienischen (darunter Texte von Benito Mussolini); seit März 1938 für neun Monate Gestapo-Haft in Berlin beziehungsweise im Konzentrationslager Sachsenhausen; danach in der Luftfahrtindustrie tätig, 1942 bis 1945 Mitglied der Widerstandsgruppe »W-ASTRA«; 1948 von den sowjetischen Besatzungstruppen aus Wien in die Sowjetunion verschleppt; 1955 Freilassung und Rückkehr nach Wien; seit 1959 kommerzieller und administrativer Geschäftsführer der »Österreichischen Studiengesellschaft für Atomenergie« in Wien, seit 1960 am Aufbau des Österreichischen Reaktorzentrums Seibersdorf (heute Austrian Institute of Technology) in Seibersdorf beteiligt; nach Vorwürfen gegen seine Geschäftsführung 1973 entlassen. Er war stets ein enger Vertrauter und Mitarbeiter seines Vaters und nach dessen Tod zunächst gemeinsam mit seiner Mutter, nach deren Ableben alleiniger Verwalter von Othmar Spanns Erbe. Er starb an den Folgen eines Reitunfalls.

[20] Im niederösterreichischen Kartäuserkloster Gaming veranstaltete Othmar Spann seit 1924 regelmäßig Seminare in Form sogenannter Studententreffen. Diese »Gaminger Tagungen« entwickelten sich zu Hauptversammlungen des später so genannten Spannkreises. Im Juni 1936 hielt Spann hier seine letzten Vorträge. Diese Versammlungen wurden seit 1951 als »Herbsttreffen« zunächst an unterschiedlichen Orten fortgesetzt und nach der 1955 erfolgten Gründung der »Gesellschaft für Ganzheitsforschung« im salzburgischen Filzmoos abgehalten. Dieses Referat Hans Riehls fand im Rahmen eines derartigen Herbsttreffens der Spann-Anhänger statt. Die 1332 gegründete und 1782 aufgehobene Kartause Gaming verfügte über zwanzig Mönchszellen des katholischen Einsiedlerordens der Kartäuser. Im Gebäude der ehemaligen Bibliothek fanden die »Gaminger Tagungen« statt.

[21] Wilhelm Kadletz (Krieglach, Steiermark 1895  Leoben, Steiermark 1966), Maler, Grafiker, Heimatkundler, Kunstkritiker und Kulturfunktionär; enger Freund von Hans Riehl.

[22] Walter Heinrich (Haida [heute Nový Bor] 1902  Graz 1984), Nationalökonom und Soziologe; war neben Hans Riehl und Karl Faigl der engste Vertraute Othmar Spanns und 1926 bis 1933 dessen Assistent; 1929 bis 1938 und wieder seit 1945 Priv.-Doz. der Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien, 1933 bis 1938 und wieder seit 1945 a.o. Prof., 1949 bis 1972 o. Prof. der Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Welthandel (heute Wirtschaftsuniversität) Wien; Heinrich gründete nach Spanns Tod zur Wahrung von dessen Gedankengut 1956 die heute noch bestehende »Gesellschaft für Ganzheitsforschung«.

[23] Vgl. Othmar Spann: Erkenne Dich selbst. Eine Geistesphilosophie als Lehre vom Menschen und seiner Weltstellung. Jena: Gustav Fischer 1935 (= Ergänzungsbände zur Sammlung Herdflamme. 6.), XVI, 448 S., 2., durchgesehene Auflage, eingerichtet von Oskar Müllern†. Mit einem Nachwort von Rolf Amtmann. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1968 (= Othmar Spann Gesamtausgabe. 14.), XV, 454 S. »Wadi Halfa (Englisch-ägyptischer Sudan), zu Weihnachten 1934.« Die Stadt Wadi Halfa ‹وادي حلفا› liegt im Sudan. Abgesehen von wiederholten Vortragsreisen nach Deutschland und sommerlichen Badeaufenthalten bis 1914 in Draga di Moschenizze, Österreichisches Küstenland (heute Mošćenička Draga, Kroatien), unternahm Spann nur wenige längere Reisen ins Ausland: z. B. im Oktober 1925 nach Kopenhagen, vom April bis Juni 1928 nach Griechenland und im Winter 1934/35 nach Ägypten.

[24] Othmar Spann hielt sich gemeinsam mit seiner Frau Erika Spann-Rheinsch vom April bis Juni 1928 in Griechenland auf.

[25] Recte 1928.

[27] Andreas Baumkircher, Freiherr von Schlaining (vermutlich Wippach [heute Vipava, Slowenien] um 1520  Graz 1471), Söldnerführer; verteidigte 1452 Wiener Neustadt gegen das ständische Heer, organisierte aber 1468 mit Unterstützung des ungarischen Königs einen Aufstand des steirischen Adels gegen Kaiser Friedrich III. von Habsburg (Innsbruck 1415  Linz 1493). Unter Brechung der Zusage des freien Geleits wurde er festgenommen und enthauptet. Erika Spann-Rheinsch verfasste das Schauspiel »Andreas Baumkircher oder Die Treue« nach dem Drama »Die Ritterempörung« (1792) des Schriftstellers und Historikers Johann Ritter von Kalchberg (Schloss Pichl im Mürztal, Steiermark 1765  Graz 1827). Das Stück von Erika Spann-Rheinsch wurde am 16. Oktober 1949 auf Burg Schlaining in Stadtschlaining (Burgenland) uraufgeführt.

[28] 1934 kaufte Othmar Spann das sogenannte Werkschloss im burgenländischen Neustift bei Schlaining in der Gemeinde Mariasdorf / Máriafalva, Bergwerk 42. Die Bezeichnung »Werkschloß« – auch »Werkschlößl« oder »Antimonschlößl« – stammt übrigens nicht – wie vereinzelt vermutet – von Spann, sondern ist ein althergebrachter Name für das neo-romantische Schloss, welches 1869 unter Verwendung älterer Bauteile des Verwalterhauses eines Antimonbergwerks erbaut wurde. Bauherr war József Ede Körmendy (Josef Eduard von Körmendy), der hier 1860 einen Antimonerzbergbau eröffnet hatte. Von ihm erwarb es 1878 die Firma Miller zu Aichholz, Wien, von dieser wiederum Othmar Spann. Das heute unter Denkmalschutz stehende Werkschlössl wurde nach dem Tod von Erika Spann-Rheinsch verkauft. Das Ehepaar Spann, das seit 1938 hier seinen Hauptwohnsitz hatte, ist auf dem Friedhof von Neustift bei Schlaining begraben.

[29] Hier irrt Hans Riehl; siehe Fußnote 28.

[30] Joseph von Eichendorff (d. i. Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff; Lubowitz in Rudnik, Preußen [heute Łubowice, zu Rudnik] 1788 – Neiße, Preußen [heute Nysa, Polen] 1857), Schriftsteller.

[31] In Wien 19., Blaasstraße 3, wohnten Othmar Spann seit 1919 und Erika Spann-Rheinsch seit 1920. Auch nach dem Erwerd des Werkschloss im burgenländischen Neustift bei Schlaining 1934 blieb Wien zunächst deren Hauptwohnsitz, bis sie sich 1938 endgültig im Werkschloss niederliesen.

[32] Dieser Schreibtisch Othmar Spanns wurde nach dem Tod von Erika Spann-Rheinsch von Hans Riehl erworben und befindet sich heute im Besitz des Germanisten Erwin Streitfeld (geb. Linz 1940), Graz.

[33] Wilhelm Andreae (Magdeburg 1888  Gießen 1962), Nationalökonom und Finanzwissenschaftler; seit 1927 a.o. Univ.-Prof.), seit 1930 o. Univ.-Prof. der Politischen Ökonomie an der Universität Graz, 1933 amtsenthoben; 1933 bis 1942 o. Univ.-Prof. der Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Universität Gießen; seit 1845 o. HProf., 1957–1958 o. Univ.-Prof. der Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Universität Gießen; Angehöriger des inneren sogenannten Spannkreises.

[34] Adalbert Friedrich Spann (Frankfurt am Main 25. August 1907 – bei Jel'nja ‹Ельня›, Sowjetunion [heute Russland] 3. März 1942), Dr. jur.; Mitarbeiter diverser Zeitschriften und Übersetzer aus dem Englischen; Mitglied des »Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds« (NSDStB) in Wien; Oktober bis November 1934 als SS-Oberscharführer im Anhaltelager Wöllersdorf (heute Wöllersdorf-Steinabrückl) interniert; danach in Deutschland aktiv, 1938 Mitglied der 1. SS-Panzer-Division Leibstandarte-SS Adolf Hitler im Rang eines Untersturmführers, kurz danach (angeblich unehrenhaft) entlassen; arbeitete zuletzt in der juristischen Abteilung des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft; 1941 als Oberleutnant zur Deutschen Wehrmacht an die Ostfront abkommandiert und in Russland gefallen.

[37] Walter Ritter (Graz 1902  Linz 1986), Bildhauer und Bühnenbildner. Von der ursprünglichen Gipsbüste wurde später von Ritter selbst ein Bronzeabguss gemacht, der sich heute im Besitz von Hildegard Klug-Riehl (geb. Graz 1940), Graz, befindet. Eine weitere Spann-Büste stammt von dem Bildhauer Heinz Leinfellner (Steinbrück, Steiermark [heute Zidani Most, Slowenien] 1911  Wien 1974).

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Stand: Mai 2014