Ablehnung des Gnadengesuchs von Betty Jahoda durch das Bundesministerium für Justiz

Wien, am 8. Juli 1937

Bundesministerium für Justiz Geschäftszahl 37.711-4/37 Vorzahl 37.238/37 Nachzahlen 38.326/37 Gegenstand BKA. GdfdöS. Stellungnahme zum Gnadengesuch der Betty Jahoda für ihre Tochter Dr. Maria Lazarsfeld um Einstellung des Strafverfahrens. Zur Einsicht vor Genehmigung, Abfertigung, Hinterlegung Präsidium (Interesse des H[e]r[rn] Ministers1) und Schreiben des Prof. Dr. Johannes Messner.2 Kein Brief!
Zu lesen die VZ. 37.238/37 sowie die vorliegende Zuschrift des BKAGDföS.,3 wonach den Anträgen der sta[aatlichen] Behörden auf Abweisung des Gnadengesuches der Betty Jahoda für ihre Tochter Maria [!] Lazarsfeld um Einstellung des Strafverfahrens beigetreten wird.
Das Gnadengesuch ist gegenstandslos geworden, weil, wie aus Zeitungsnachrichten bekannt und wie fernmündl[ich] bei der St[aats]A[nwaltschaft] Wien I erhoben wurde, Maria [!] Lazarsfeld inzwischen mit Urteil des L[andes]G[erichts] f[ür] Strafs[achen] Wien I vom 2.7.1937 wegen Verbrechens nach § 5 St[aats]Sch[utz]G[esetzes] zu einer 3–monatigen Kerkerstrafe verurteilt worden ist und dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen ist. Strafe durch die Untersuchungshaft verbüßt.
Daher Erlass:
O[ber]st[aats]A[nwaltschaft] Wien.
Zu Z. 5477/37.
Die Berichtsbeilagen werden mit dem Beifügen zurückgestellt, dass das Gnadengesuch der Betty Jahoda um Einstellung des gegen ihre Tochter Dr. Maria [!] Lazarsfeld anhängigen Strafverfahrens gegenstandslos geworden ist, da die fernmündlichen Erhebungen bei der St[aats]A[nwaltschaft] Wien I ergeben haben, dass das gegenständliche Strafverfahren inzwischen rechtskräftig beendigt worden ist.
8. Juli 1937 [Unterschrift unleserlich]
./. Ber[ichts-]Beilagen aus der VZ. 37.238/37. Tabelle und Entwurf der Anklageschrift bleibt auch hier!

Quelle: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Nachlass Marie Jahoda, Signatur 41/7.1.1, pag. 123–124. © Copyright Anfragen an das Archiv

1 D.i. Adolf Pilz (Wien 1877 – Wien 1947): österreichischer Jurist und christlichsozialer Politiker; November 1936 bis Februar 1938 Justizminister. Anmerkung Reinhard Müller.
2 Johannes Messner, d.i. Johannes Meßner (Schwaz in Tirol, Tirol 1891 – Wien 1984): Sozialwissenschaftler und katholischer Theologe; 1936 bis 1938 außerordentlicher Universitätsprofessor der Ethik und christlichen Sozialwissenschaft an der Universität Wien; 1938 bis 1949 in Großbritannien im Exil. Anmerkung Reinhard Müller.
3 BKAGDfdöS: Bundeskanzleramt, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit. Anmerkung Reinhard Müller.

© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

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