Urteil im Prozess gegen Marie Jahoda und Marie Schneider, geborene Loibl, vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien I

Wien, am 2. Juli 1937

Geschäftszahl 6aVr 10981/36

Im Namen des Bundesstaates Österreich!


Das Landesgericht f[ür] St[raf] S[achen] Wien I hat über die von der Staatsanwaltschaft Wien I. gegen Dr. Maria [!] Lazarsfeld und Maria [!] Schneider wegen §§ 5 St[aats] Sch[utz] Ges[etz] erhobene Anklage nach der am 2.7.1937 unter dem Vorsitze des O[ber] L[andes] G[erichts] R[ates Alois] Osio1 in Anwesenheit des O[ber] L[andes] G[erichts] R[ates] Dr. Ominger als Richter, der Schöffen Josef Götzl und Johann Schmidt und des Dr. Friedl als Schriftführers, und in Gegenwart des Staatsanwaltes Dr. Milsky des Privatanklägers des Privatbeteiligten des Angeklagten Dr. Maria [!] Lazarsfeld, 26.1.1907 Wien geb[oren], k[on]f[essions]l[os], getrennt, Psychologin d[er]z[ei]t in Polizeistrafhaft Marie Schneider, 10.5.1896 Wien geb[oren], r[ömisch-]k[atholisch], v[er]h[eiratet], Bedienerin und des Verteidigers Dr. Egon Bergel für Dr. Lazarsfeld Dr. Walter Fröhlich für Marie Schneider durchgeführten Hauptverhandlung zu Recht erkannt:
Dr. Marie Lazarsfeld-Jahoda und Marie Schneider sind schuldig, im Jahre 1936 und zwar nach dem 14. Juli 1936 die Organisation der revolutionären Sozialisten, somit eine Verbindung, deren Zweck es ist, auf ungesetzliche Weise die Selbständigkeit, die verfassungsmäßig festgestellte Staats- oder Regierungsform und verfassungsmäßige Einrichtung Österreichs zu erschüttern, unterstützt zu haben und zwar
a) Dr. Maria [!] Lazarsfeld dadurch, daß sie eine Poststelle für die revolutionären Sozialisten errichtete und bei der Zentraleuropäischen Länderbank ein Safe für die Aufbewahrung von Schriftenmaterial mietete,
b) Marie Schneider dadurch, daß sie Briefe für Parteifunktionäre an ihre Anschrift senden ließ, und sie weiterleitete und daß sie Spendenmarken der Unterstützungsaktion der revolutionären Sozialisten »Weihnachten im Kerker« zur Aufbewahrung und Verteilung übernahm.
Die Angeklagten haben hiedurch das Verbrechen nach § 5 des Gesetzes vom 11.7.1936, B[undes] G[esetz] Bl[att] N[umme]r 223 (St[aats] Sch[utz] Ges[etz]) begangen und werden hiefür nach § 5 des bezogenen Gesetzes unter Anwendung des § 54 St[raf] G[esetzes] und zwar Dr. Maria [!] Lazarsfeld zur Strafe des Kerkers in der Dauer von

drei (3) Monaten,

Marie Schneider zur Strafe des Kerkers in der Dauer von

zwei (2) Monaten,

sowie beide Angeklagte nach § 389 St[raf] P[rozeß] O[rdnung] zum Ersatze der Kosten des Strafverfahrens und Strafvollzuges verurteilt.
Gemäß § 55a St[raf] G[esetzes] wird auf die verhängten Strafen die Untersuchungshaft vom 10. März 1937, 11 Uhr, bis 10. Juni 1937, 16 Uhr, eingerechnet.

Gründe:

Durch die gepflogenen Erhebungen und das Zugeständnis der Angeklagten Dr. Maria [!] Lazarsfeld-Jahoda ist nachstehender Sachverhalt festgestellt:
Am 27. November 1936 schritten Kriminalbeamte in der wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle, Wien I. Wächtergasse 1 ein, weil der Verdacht bestand, daß in diesem Institute staatsfeindliche Umtriebe von Seite der revolutionären Sozialisten stattfinden. Die Angeklagte Dr. Maria [!] Lazarsfeld war bis zum genannten Zeitpunkte wissenschaftliche Leiterin dieses Institutes. Bei Ansichtigwerden der Kriminalbeamten suchte die Angeklagte verschiedene radikalsozialistische Druckschriften durch Verbrennen derselben zu beseitigen. Sie wurde daran von den Kriminalbeamten behindert. Die damals von der Angeklagten Dr. Marie Lazarsfeld besessenen Druckschriften bestanden in mehreren Exemplaren der Arbeiterzeitung<05> vom November 1936, sowie in mehreren maschingeschriebenen Flugschriften der revolutionären Sozialisten. Nach erfolgter Inhaftnahme dieser Angeklagten wurde weiters in den Räumen des Institutes ein an Dr. Julius Klanfer gerichteter aus Brünn2 abgesandter Brief vorgefunden, der die Anschrift der genannten Forschungsstelle aufwies. Die weiters gepflogenen Erhebungen ergaben, daß Dr. Marie Lazarsfeld-Jahoda [a]m 16.11.1936 auf ihren Namen in den Räumen der Zentralauropäischen [!] Länderbank ein Safe gemietet hatte. Da die dazu gehörigen Schlüsseln nicht vorgefunden werden konnten, mußte das Safe aufgesprengt werden. In demselben fanden sich 7 Kuverts vor, von denen eines nat[ional]soz[ialistisches] Druckschriftenmaterial enthielt, während die übrigen 6 Kuverts Druckschriftenmaterial radikalsozialistischer und kommunistischer Art beinhalteten.
Durch das umfassende Geständnis der Angeklagten Dr. Maria [!] Lazarsfeld-Jahoda ist des weitern nachstehender Sachverhalt festgestellt:
Über Ersuchen eines ihr bekannten, von ihr nicht genannten Mannes, der seinerzeit eine Funktion in der soz[ial]dem[okratischen] Partei inne hatte, gestattete sie diesem, daß an ihn einlangende Korrespondenzen unter ihren Namen an die Adresse der wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle gerichtet werden. Damit keine Verwechslung mit an sie selbst einlangende Korrespondenz geschähe, wurde vereinbart, daß die für ihren Bekannten bestimmten Briefe auf den Namen Mizzi adressiert werden, während sie selbst ihren Vornamen mit Mitzi zu schreiben pflegt. Auf diese Weise langten ab Juli 1936 mehrere Briefe für den genannten Funktionär unter dem Namen Dr. Mizzi Jahoda-Lazersfeld [!] ein. Da jedoch der Gebrauch ihres Namens ihr auf die Dauer zu gefährlich erschien, wurde etwa im August 1936 der Vorgang vereinbarungsgemäß dahin abgeändert, daß derartige für den Funktionär bestimmte Briefe unter dem Namen Dr. Julius Klanfer an das Institut adressiert würden, welch Letzterer seinerzeit auch für das Forschungsinstitut tätig gewesen ist, zur kritischen Zeit jedoch bereits im Ausland verzogen war.
Die Angeklagte behauptet von dem Inhalte dieser für den nicht genannten Funktionär bestimmten Briefe keine Kenntnis gehabt zu haben. Sie gibt aber zu, gewußt zu haben, daß sie durch ihre Handlungsweise der Idee des Sozialismus einen Dienst erwiesen habe und sich gedacht zu haben, daß dieser Weg deshalb gewählt worden sei, weil allenfalls direkt an den Funktionär gerichtete Briefe diesen gefährden könnten. Sie gibt auch zu, gewußt zu haben, daß der Inhalt dieser Briefe die verbotene Organisation betraf.
Tatsächlich geht aus dem Inhalte des vorangeführten, an Dr. Julius Klanfer gerichteten, bei der Hausdurchsuchung vorgefundenen Briefes hervor, daß derselbe sich mit Fragen der revolutionär-sozialistischen Organisation befasst.
Nach dem weitern Zugeständnisse der Angeklagten Dr. Maria [!] Jahoda-Lazarsfeld hat der genannte Funktionär anfänglich die für ihn bestimmten Briefe selbst bei der Angeklagten abgeholt; später besorgte dies ein von ihm abgesandter Bote. Gelegentlich der Briefabholungen ist der Angeklagte seitens des Funktionärs bez[iehungs]w[eise] des von ihm abgesandten Boten sozialistisches Druckschriftenmaterial zum Lesen behändigt worden. Sie hat jeweils nach Kenntnisnahme des Inhaltes das ihr übergebene Material verbrannt. Lediglich das zuletzt ihr überlassene Material, das, wie eingangs angeführt, bei ihr vorgefunden worden ist, hatte sie noch nicht der Vernichtung zugeführt.
Durch das weitere Geständnis der Angeklagten ist festgestellt, daß sie über Ersuchen des Funktionärs bei der Zentraleuropäischen Länderbank ein Safe gemietet hatte.
Sie behauptet, daß der Funktionär ihr hiebei mitgeteilt habe, es handle sich um die Aufbewahrung von die Geschichte der Bewegung interessanten Materiales, das er bei sich nicht aufbewahren könne. Damit sie keine Kenntnis vom Inhalte dieses Materiales erlange, sei ausbedungen worden, daß er die auf ihren Namen lautende Legitimation der Bank und einen der Safeschlüssel bei sich behalte, während sie im Besitze des zweiten Schlüssel [!] verblieben sei. Erhobenermaßen wurde dieser zweite Schlüssel trotz verschiedentlicher Nachschau nicht mehr vorgefunden. Auch hier behauptet die Angeklagte von dem Inhalte des Materiales keine Kenntnis gehabt zu haben, wenngleich ihr der Funktionär um ihr zu beweisen, daß es sich nicht um gefährliche Dinge handelt, eines der Kuverts überlassen bez[iehungs]w[eise] dessen Inhalt zum Lesen gegeben habe, woraus sie habe entnehmen können, daß es sich um nationalsozialistisches Druckschriftenmaterial handle. Sie habe zweimal im Auftrage des Funktionärs das Material in das Safe gelegt; obgleich sie selbst diese Verrichtung besorgt habe, habe sie keine Gelegenheit gehabt, das in den offenen Kuverts verwahrte Material zur Kenntnis zu nehmen, weil der Funktionär sie stets zum Bankgebäude begleitet habe. Wie schon angeführt, habe sie lediglich das nat[ional]soz[ialistische] Material zur Kenntnis genommen.
Im Übrigen macht die Angeklagte aus ihr[er] sozialistischen Gesinnung kein Hehl. Dieser Umstand im Zusammenhalte mit der ganzen, von der Angeklagten selbst geschilderten Absonderlichkeit betreffend die Safe-Angelegenheit läßt erkennen, daß die Angeklagte auch in diesem Falle gewußt hat, sie unterstütze durch dieses ihr Verhalten die verbotene Organisation der rev[olutionären] Sozialisten.
Durch die weiters gepflogenen Erhebungen und das Zugeständnis der Angeklagten Marie Schneider ist nachstehender Sachverhalt festgestellt:
Am 28. November 1936 fand im österreichischen Institut für Bildstatistik 14., Ullmannstraße 44, in welchem Marie Schneider als Bedienerin tätig war, eine polizeiliche Hausdurchsuchung statt. Bei derselben wurden u[nter] a[nderem] in einem Papierkorbe zwei leere Briefumschläge angetroffen, von denen einer die Adresse Ludwig Schneider, 13. Siebeneichengasse 16, der andere die Adresse Leopold Schneider mit dem gleichen Wohnworte [!] aufwies.
Anlässlich der Personsdurchsuchung der Marie Schneider wurde in deren Geldbörse ein kleines unverschlossenes Paket vorgefunden, welches 25 Stück sozialistischer Spendenmarken betitelt mit: »Weihnacht im Kerker« enthielt.
Durch das Zugeständnis der Angeklagten Marie Schneider ist nachstehender Sachverhalt festgestellt:
Über Ersuchen eines ihr unter dem Namen Franzl bekannten Mannes gestattete sie diesem, daß an ihre bez[iehungs]w[eise] ihres Gatten Adresse Briefe gerichtet werden. Sie gibt auch zu, von dem genannten Franzl das in ihrer Geldbörse vorgefundene Paket erhalten zu haben.
Im Übrigen geht die Verantwortung dieser Angeklagten dahin, daß der angebliche Franzl an sie mit dem Ersuchen herangetreten sei, diese Briefe für einen andern ihr völlig unbekannten Mann für einige Zeit zu übernehmen, der augenblicklich im Obdachlosenheim wohnen müsse. Da in ihrem Wohnhause 13. Siebeneichengasse 16 noch eine andere Marie Schneider wohne, habe sie mit dem Franzl vereinbart, daß die für den im Obdachlosenheim wohnenden Mann bestimmten Briefe an die Adresse ihres Gatten Leopold Schneider gerichtet werden, von welchem Vorgange allerdings ihr Gatte nichts gewußt habe. In der Folge seien tatsächlich 2 oder 3 solcher Briefe an ihre Wohnadresse unter dem Namen Leopold bez[iehungs]w[eise] Ludwig Schneider eingelangt. Derartige Briefe habe sie dann dem Franzl anlässlich einer gelegentlichen Begegnung auf der Straße übergeben, der nach Öffnung der Briefe sich überzeugt habe, ob dieselben für den im Obdachlosenheime wohnenden Manne bestimmt seien. Dies sei auch immer jeweils der Fall gewesen; nach Öffnung der Briefe, habe der Franzl ihr die Briefumschläge belassen. Daher rühren auch die zwei im Papierkorbe im Institute für Bildstatistik vorgefundenen Briefkuverts her, die der Franzl bei Empfangnahme der Briefe auf die Straße habe wegwerfen wollen, was sie je doch ordnungshalber nicht zugelassen habe. Sie habe diese Umschläge an sich genommen und dann in den Papierkorb im Institute abgelegt. Auch das in ihrer Geldbörse angetroffene Päckchen habe sie von dem Franzl für kurze Zeit zur Aufbewahrung erhalten, der sich dasselbe binnen kurzer Zeit bei einer neuerlichen Begegnung wieder habe abholen wollen.
Zugestandenermaßen war die Angeklagte Marie Schneider Mitglied der soz[ial]dem[okratischen] Partei und innerhalb der Partei auch Fürsorgerätin. Die Angeklagte verantwortet sich des weitern, daß sie von dem Inhalte der durch sie vermittelten Briefe, die sie für Liebesbriefe gehalten habe, keine Kenntnis gehabt habe und daß ihr ebenso der Inhalt des in ihrer Geldbörse verwahrten kleinen Paketes unbekannt geblieben sei.
Die Verantwortung der Angeklagten Marie Schneider erschien dem Gerichtshofe völlig unglaubwürdig. Schon der ganze komplizierte Vorgang dieser Briefvermittlung trägt an sich den Stempel der Unglaubwürdigkeit, weil ein derartiger Vorgang den Erfahrungen des täglichen Lebens widerspricht. Der Umstand, daß in der Geldbörse der Angeklagten die genannten Spendenmarken vorgefunden worden sind, weist im Zusammenhalte mit der politischen Einstellung und der Vergange[n]heit der Angeklagten deutlich darauf hin, daß die Angeklagte diese Spendenmarke, die in einem ganz kleinen Pakete verwahrt waren, zum Vertriebe erhalten hat.
Durch das Geständnis der Angeklagten ist nämlich festgestellt, daß sich die geschilderten Vorgänge im November 1936 abgespielt haben. Da am Tage der Festnahme der Angeklagten (28.11.1937) Weihnachten unmittelbar bevorstand, erscheint es selbstverständlich, daß die Angeklagte diese Spendenmarken nur zu dem angeführten Zwecke in Verwahrung genommen hatte. Hält man diesen Umstand fest, so ergibt sich von selbst, daß die von der Angeklagten Marie Schneider vermittelten Briefe einen illegalen Inhalt gehabt haben und daß Marie Schneider ab November 1936 es zugelassen hatte, daß bei ihr eine Poststelle für staatsfeindliche Korrespondenzen revolutionär sozialistischer Natur errichtet werde.
Die staatsfeindlichen Bestrebungen und Ziele der revolitionären [!] Sozialisten sind nicht nur gerichts-, sondern auch allgemein bekannt. Dieselben sind insbesondere aus dem von den revolutionären Sozialisten ausgehenden Druckschriftenmateriale ersichtlich, wie solches insbesondere auch im Besitze der Angeklagten Dr. Marie Jahoda-Lazersfeld [!], sowie in dem von ihr gemieteten Safe angetroffen worden ist. Die revolutionären Sozialisten propagieren durch das durch sie ausgestreute Druckschriftenmateriale den Sturz der österreichischen Regierung und die Errichtung der Diktatur des Proletariates. Um dieses Endziel zu erreichen ergehen sich die revolutionären Sozialisten in Auslassungen, welche geeignet sind, auf ungesetzliche Weise die Selbständigkeit, die verfassungsmäßig festgestellte Staats- oder Regierungsform und verfassungsmäßige [!] Einrichtungen Österreichs zu erschüttern.
Angesichts der politischen Einstellung der beiden Angeklagten ist auch als erwiesen anzunehmen, daß die beiden Angeklagten die vorangeführten Ziele der revolutionären Sozialisten gekannt haben.
Dr. Maria Lazersfeld-Jahoda [!] gibt eine derartige Kenntnis auch insoferne zu, als sie gewußt hat, daß die von ihr unterstützte Organisation verboten ist und weil sie zugestandenermaßen wiederholt Druckschriftenmaterial revolutionär sozialistischer Herkunft gelesen hat.
Die Unglaubwürdigkeit der Verantwortung der Angeklagten Marie Schneider ist bereits erörtert worden. Auch bei ihr ist zu sagen, daß sie angesichts ihrer politischen Einstellung die Ziele der revolutionären Sozialisten gekannt hat.
Die beiden Angeklagten haben daher durch ihre Tätigkeit die verbotswidrigen Ziele dieser staatsfeindlichen Verbindung der revolutionären Sozialisten unterstützt und waren daher beide wegen Verbrechens nach § 5 St[aats] Sch[utz] Ges[etz] schuldig zu erkennen.
Nach dieser Gesetzesstelle waren auch die Strafen zu bemessen. Hiebei war mildernd bei beiden Angeklagten: deren Unbescholtenheit, bei der Angeklagten Dr. Maria Lazersfeld-Jahoda [!] das umfassende Geständnis, bei der Angeklagten Marie Schneider deren Tatsachengeständnis; als erschwerend lag bei beiden Angeklagten kein Umstand vor.
Da die Milderungsgründe überwiegen, konnte § 54 St[raf] G[esetzes] in Anwendung gebracht werden.
Angesichts des größeren Umfanges, des strafbaren Verhaltens bei Dr. Maria Lazersfeld [!] war bei dieser Angeklagten die Strafe entsprechend strenger zu bemessen.
Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

Wien, am 2. Juli 1937.

Der Vorsitzende: Der Schriftführer:
Osio Dr. Friedl

Vid[e] Geschäftsabteilung! (Nach Rechtskraft)

An die Bundespolizeidirektion In Wien.
Zur dortigen Anzeige Pr.Z. IV 10.636/10/36 betreffend Dr. Maria Jahoda-Lazersfleld [!] wird das anlässlich der Hausdurchsuchungen vorgefundene Material, soweit es nicht zum Strafverfahren herangezogen worden ist, zur dortigen weiteren Verfügung mit dem Bemerken übersendet, daß der Verteidiger der Dr. Maria Lazersfeld [!] Herr Dr. Egon Bergl [recte Bergel; R.M.], R[echts] A[nwalt] in Wien I., Stubenring 6 dortamts das Ersuchen stellen wird, jene Gegenstände ihm auszufolgen, welche rein wissenschaftlichen Wertes sind und die für das weitere wissenschaftliche Fortkommen der Genannten Marie Jahoda Lazarsfeld von ihr benötigt werden.

Wien, am 2. Juli 1937.

Osio

Quelle: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Wien, Landesgericht für Strafsachen Wien, Vr 10981/36.

1 Alois Osio (Venedig 1877 – ?): Vizepräsident des Landesgerichts Wien; wurde am 1. April 1938 mit dem ersten so genannten Prominententransport ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Anmerkung Reinhard Müller.
2 Brünn: Brno, Tschechoslowakei (heute Tschechische Republik), damals Sitz der österreichischen Sozialdemokratie im Exil. Anmerkung Reinhard Müller.

© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

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