Marie Jahoda

Weil wir im christlichen Ständestaat leben...
Wien 1937

Weil wir im christlichen Ständestaat leben,
weil uns Faschisten die Bruderhand geben,
weil wir den Kampf um die Freiheit nicht lassen,
weil wir uns haben erwischen lassen,
weil wir politisch gearbeitet haben,
weil wir dabei nicht gut Obacht gaben,
sitzen wir hier im Gefangenenhaus,
wissen nicht, wann wir wieder zu Haus.
Das ist das Lied von der Rossauerlände,1
wo uns die Tage zu langsam vergehen,
halten im Schoß jetzt die müßigen Hände,
bis wir wieder bei Euch draußen stehen.

Marie Jahoda: Rekonstruktionen, in Marie Jahoda: »Ich habe die Welt nicht verändert«. Frankfurt/Main–New York: Campus Verlag 1997, S. 9–100, hier S. 61–62.


Because we live in a Fascist state…
Translated by Marie Jahoda
Keymer, Sussex 199?

Because we live in a Fascist state
whose promise is false and borne of hate,
because for freedom and right we fought
because we have let ourselves be caught;
because we worked in the underground
but must have been careless and somewhere unsound,
that’s why we are in this gruesome hole,
knowing not when we’ll be out, if at all.
This is the prisoners’ wearisome song
where every day seems a century long;
nothing to do but to dream day and night
till once again we can join the fight.

Marie Jahoda Albu: Reconstructions. [Keymer, Sussex: Published by the author] 1996, S. 60.


1 Roßauer Lände: Straße in Wien 9., wo sich noch heute Nr. 5–9 das Polizeigebäude befindet, in welchem Marie Jahoda in Haft war. Anmerkung Reinhard Müller.

© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

VERFOLGUNG & VERTREIBUNG
Verhaftung
Pressereaktionen
Beschlagnahmungen
Vernehmungen
unheimliche Heiterkeit
schreckliche Bilder
5. Jänner 1937
Polizeibericht 1
Polizeibericht 2
Haftbedingungen
Gedichte aus der Haft
Erfahrungen aus der Haft
Brief an Horkheimer
internat. Fürsprache
abgelehntes Gnadengesuch
Anklage
Hauptverhandlung
Urteil
politische Intervention
Vertreibung