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Marie Jahoda Brief an Max Horkheimer in Paris. Wien, am 4. August 1937 4. August 1937 Sehr verehrter Herr Professor,ich hab mit großer Rührung gehört, wieviel Sie für mich in der schwierigen Zeit, die jetzt hinter mir liegt, getan haben. Ich habe in dieser Zeit viel Seltsames und Bedrückendes erlebt, aber doch auch manches Schöne; dazu gehört vor allem das Bewußtsein, daß man nicht verlassen in der Welt ist, wenn es einem schlecht geht, sondern Hilfsbereitschaft und Freundschaft in so hohem Maße findet, wie Sie sie mir erwiesen haben. Ich danke Ihnen innig für alles, was Sie getan haben. Ich bin nicht so eingebildet zu glauben, daß Ihre menschliche Großzügigkeit mir als Person gilt; ich weiß, daß Sie überall helfen, wo Sie helfen können. Aber ich möchte mir gern einbilden dürfen, daß Sie bei allem, was Sie gemacht haben, auch mit Wohlwollen an den Menschen gedacht haben, dem es zu gute kam. Zumindest werd ich mich sehr anstrengen, für die Zukunft dieses Wohlwollen zu verdienen, an dem mir auch ohne meine große persönliche Dankbarkeit für Sie, Herr Professor, soviel gelegen wäre. Ich freu mich schon riesig auf die neue Arbeit; ich hoffe, Sie erlauben mir, Ihnen von England aus darüber ausführlich zu berichten. (Mir fällt beim überlesen ein, daß ich nicht weiß, wie weit Sie über meine neue Arbeit informiert sind. Das Institute of Sociology hat mir durch seinen Sekretär Mr. [Alexander] Farquharson eine Stelle angeboten. Ich kann nicht übersehen, ob und wie weit auch das mit Ihrem Institut zusammenhängt.) Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, daß das Genfer Büro in der Zeit meiner Haft an meine Angehörigen [d.s. Betty Jahoda, geborene Propst, Eduard Jahoda und Rosi Kuerti, geborene Jahoda] weiter monatlich 176,– ö[sterreichische] S[chilling] überwiesen hat; diese haben in Unkenntnis der Sachlage das Geld für Anwaltsspesen verwendet. Ich schäme mich, Ihnen gestehen zu müssen, daß ich es daher im Augenblick nicht als ganze Summe zurückgeben kann. Bitte erlauben Sie mir, es in Monatsraten zu erlegen. Ich bin mit vielen dankbaren und herzlichen Grüßen an Sie und Ihre Frau Ihre
ergebene Quelle: Max Horkheimer: Gesammelte Schriften. Band 16: Briefwechsel 1937–1940. Herausgegeben von Gunzelin Schmid Noerr. Frankfurt am Main: S. Fischer 1995, S. 217. © Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006 |
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