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Lotte Schenk-Danzinger
geborene Charlotte Danziger; seit etwa 1932: Lotte Danzinger;
verheiratete Schenk
geb.
Wien, am 22. Dezember 1905
gest. Wien, am 2. März 1992
Pädagogin und Psychologin, leistete die Hauptarbeit bei der
Feldforschung zur Marienthal-Studie
1931
Charlotte Danziger war das einzige Kind des Pharmazeuten Leo Erwin
Danziger (1878–1937) und seiner Ehefrau Pauline, geborene Köstler
(1880–1968), die nach dem Tod des Ehemanns das Geschäft weiterführte.
Während ihrer Gymnasialzeit war Charlotte Mitglied der zur Jahreswende
1923/24 wiederbegründeten Wiener »Vereinigung sozialistischer
Mittelschüler«, wo sie sicher auch
Marie Jahoda
(1907–2001) kennen gelernt hatte.
Nach der Matura 1925 machte Lotte Danziger zunächst die Staatsprüfung
aus Englisch, absolvierte 1926/27 und 1927/28 – gemeinsam mit Marie
Jahoda – den Hochschulmäßigen Lehrerbildungskurs des Pädagogischen
Instituts der Stadt Wien und erhielt im Juni 1928 das Zeugnis, welches
sie zur provisorischen Lehrerin an Volksschulen, zur weiblichen
Handarbeitslehrerin an Volks- und Bürgerschulen sowie zur
Kindergärtnerin befähigte. Gleichzeitig studierte sie Psychologie an der
Universität Wien, wo sie bald eine engere Beziehung zu
Charlotte Bühler
(1893–1974) und
Karl Bühler
(1879–1963) unterhielt. 1930 wurde sie aufgrund der von Karl Bühler
betreuten Dissertation »Pflegemutter und Pflegekind« (1930 als Aufsatz
unter dem Titel »Die Beziehung der Pflegemutter zu dem Pflegekind«
publiziert) zur Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) promoviert. Im Zuge
ihrer Dissertation arbeitete Lotte Danziger auch bei der
Kinderübernahmsstelle der Stadt Wien.
1927 bis 1935 war Charlotte Danzi(n)ger aus Mitteln der »Rockefeller
Foundation«
bezahlte Assistentin beziehungsweise nach dem Weggang von
Hildegard Hetzer
(1899–1991) im Jahr 1931 erste Assistentin von
Charlotte Bühler.
Sie war vor allem mit der praktischen Ausbildung der Studierenden in
Beobachtungstechnik und diagnostischen Methoden betraut.
In diese Zeit fällt auch ihre Mitarbeit beim
Projektteam
der
Marienthal-Studie.
Zwischen November 1931 und Januar 1932 leistete die damals
Sechsundzwanzigjährige den Großteil der Feldforschung in Marienthal, wo
sie sechs Wochen hindurch verbrachte. Danach stand sie dem Projekt noch
bis zum Spätsommer 1932 als Auskunftsperson zur Verfügung. Außerdem
leitete sie in Zusammenarbeit mit dem Gemeindeamt der freien Gemeinde
Gramatneusiedl
die vom Arzt
Paul
Stein
(1897–1962)
initiierte und organisierte Winterhilfe-Aktion, um mit der Bevölkerung
Marienthals besser in Kontakt zu kommen.
1935 bis 1937 wirkte Charlotte Danzinger in London als Co-Direktorin des
von Charlotte Bühler gegründeten Parents’ Association Institute.
Nach Österreich zurückgekehrt, heiratete sie 1937 den Ingenieur Johann
Schenk (1902–1995). Aus dieser Ehe stammen die Tochter Margarete Schenk,
verheiratete Haupt-Stummer (geb. 1938), Diplomkauffrau, jetzt Hausfrau, und
der Sohn Johannes Schenk (geb. 1943), selbstständiger Ingenieur. Lotte Schenk-Danzinger lebte 1937 bis 1946 als Hausfrau und widmete sich der
Erziehung ihrer Kinder.
Seit 1946 wieder berufstätig, arbeitete Lotte Schenk-Danzinger im
Auftrag des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien bis 1948 an der
Standardisierung der Entwicklungstests für das Schulalter. 1948 übernahm
sie die Leitung der neu gegründeten Schulpsychologischen Beratungsstelle
der Stadt Wien – die erste derartige Einrichtung in Österreich –, führte
deren Aufbau durch und blieb bis 1967 hauptberuflich im
Schulpsychologischen Dienst tätig.
Daneben war sie 1948 bis 1950 als Lehrerin tätig, um 1950 die
Lehramtsprüfung für Volksschulen und 1953 jene für Pädagogik an
Allgemein bildenden höheren Schulen ablegen zu können.
1963 wurde Lotte Schenk-Danzinger aufgrund der Arbeit »Studien zur
Entwicklungspsychologie und zur Praxis der Schul- und
Beratungspsychologie« an der Philosophischen Fakultät der Universität
Innsbruck für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
habilitiert und wirkte hier bis 1970 als Lehrbeauftragte in diesen
Fächern. 1967 bis 1972 arbeitete sie hauptamtlich als Professorin für
Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie und Soziologie an der
Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien, wo sie danach bis 1976 als
Lehrbeauftragte weiterwirkte. 1969 wurde Schenk-Danzinger an die
Universität Graz umhabilitiert, wo sie als Universitätsdozentin – seit
1976 mit dem Titel einer außerordentlichen Universitätsprofessorin – für
Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie am Institut für
Erziehungswissenschaften bis 1981 lehrte.
Lotte Schenk-Danzinger gilt heute als Pionierin der Schülerpsychologie
in Österreich.

Selbstständige Publikationen von
Lotte Schenk-Danzinger
● (Charlotte Danziger)
Pflegemutter und Pflegekind. Philosophische Dissertation,
Universität Wien 1929 (Maschinenschrift). Zur Druckfassung 1930 siehe
nächsten Titel.
● (Lotte Danziger; mit
Hildegard Hetzer & Helene Löw-Beer) Pflegemutter und
Pflegekind. Leipzig: Hirzel 1930
(= Psychologie der Fürsorge. 2.),
VI, 124 S. Darin auch die Dissertation von Lotte Schenk-Danzinger
aus dem Jahr 1929.
● (Lotte Danzinger)
Der Schulreifetest mit einer Untersuchung über die Ursachen des
Versagens im ersten Schuljahr. Bildmaterial. Aus dem Psychologischen
Institut Wien. Wien–Leipzig: Jugend und Volk 1933 (= Wiener Arbeiten
zur pädagogischen Psychologie. 9.), 56 S.
● Entwicklungstests für
das Schulalter. Band 1: Alterstufe 5–11 Jahre. Wien: Jugend und Volk 1953 (= Pädagogisch-psychologische Arbeiten. 2.), 286 S. & Koffer mit
Testmaterialien. Mehr nicht erschienen.
● (Mit
Charlotte Bühler & Faith Smitter) Kindheitsprobleme und
der Lehrer. (Übersetzung der aus dem Original übertragenen Kapitel von
Lotte Schenk-Danzinger.)
Heidelberg: Quelle & Meyer 1956, 333 S. Teilweises Original: Childhood
problems and the teacher. New York, N.Y. 1952.
● (Mitarbeiterin)
Karl Bühler: Abriß der geistigen Entwicklung des
Kleinkindes. 8., erweiterte Auflage in Zusammenarbeit mit Lotte
Schenk-Danzinger. Heidelberg: Quelle & Meyer 1958, 195 S. Zuerst
Leipzig 1919.
● Die seelischen
Grundbedürfnisse des Kindes.
Wien: Jugend und Volk 1959 (= Kleine Reihe für Erzieher.), 32 S.
● Die
entwicklungsbedingten Schwierigkeiten des normalen Kindes im Kleinkind-
und Schulalter. Herausgegeben von der Österreichischen Gesellschaft für
die Fürsorge und Erziehung des Kleinkindes.
Wien: Jugend und Volk 1961 (= Kleine Reihe für Erzieher.), 32 S.
● (Mit Adolf Friedemann)
Lotte Schenk-Danzinger: Psychische Hygiene in der Schule. – Adolf
Friedemann: Psychohygiene im Schul- und Pubertätsalter. Biel:
Institut für Psycho-Hygiene 1962 (= Arbeiten zur Psycho-Hygiene. 9.), 30
S.
● Studien zur
Entwicklungspsychologie und zur Praxis der Schul- und
Beratungspsychologie.
München–Basel: Reinhardt 1963 (= Erziehung und Psychologie. 21.), 270 S.
Zugleich Habilitationsschrift, Universität Innsbruck 1963.
● (Herausgeberin)
Gegenwartsprobleme der Entwicklungspsychologie. Festschrift für
Charlotte Bühler. Herausgegeben von Lotte Schenk-Danzinger und Hans
Thomae. Göttingen: Verlag für Psychologie, Hogrefe 1963, 210 S.
● Die Folgeerscheinungen
fehlender Mutter-Kind-Beziehungen im ersten Lebensjahr. Mit einem
Nachwort von Vinzenz Neubauer.
Innsbruck: SOS-Kinderdorf-Verlag 1964 (= Neue Wege. Band 2. 1.), 16 S.
● Grundlage und Praxis
der Legasthenie-Behandlung.
Dortmund: Beschel 1965 (= Schriften zur Sonderpädagogik. Reihe A:
Autorisierte Nachdrucke. 2.), 21 S. Zuerst in: Erziehung und Unterricht,
114. Jg. (1964), H. 5.
● Handbuch der
Legasthenie im Kindesalter.
Weinheim: Beltz 1968 (= Theorie und Praxis der Schulpsychologie. 1.),
XXI, 551 S.
● Entwicklungspsychologie.
Wien–München: Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft
und Kunst 1969 (= Schriften zur Lehrerbildung und Lehrerfortbildung.
1.), 283 S.
● Schuleintrittsalter,
Schulfähigkeit und Lesereife. Untersuchungen über die Bedeutung von
Schulreifegruppentests und vorschulischer Förderung.
Stuttgart: Klett 1969 (= Gutachten und Studien der Bildungskommission.
7. / Deutscher Bildungsrat.), 66 S.
● Die wissenschaftlichen
Grundlagen der basalen Bildung.
Wien–München: Jugend und Volk 1971 (= Kleine Reihe für den Erzieher.),
30 S.
● Pädagogische
Psychologie.
Wien: Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und
Kunst 1972 (= Schriften zur Lehrerbildung und Lehrerfortbildung. 6.),
296 S.
● Legasthenie und
Linkshändigkeit.
Wien–München/Wien: Jugend und Volk / Österreichischer Bundesverlag 1974
(= Materialien zur Pädagogik.), 22 S.
● (Herausgeberin)
Entwicklungs- und Erziehungspsychologie. Fernkurs des AKAD-Verlags.
Zürich: AKAD-Verlag [1974–1978], 12 Hefte und 50 Kassetten:
Lotte
Schenk-Danzinger: Lektion 1. 4 Kassetten.
Lotte
Schenk-Danzinger: Lektion 2. 4 Kassetten.
Lotte
Schenk-Danzinger: Lektion 3. 5 Kassetten.
Lotte
Schenk-Danzinger: Lektion 4. 5 Kassetten.
Lotte
Schenk-Danzinger: Lektion 5. 4 Kassetten.
Elisabeth Sander &
Lotte Schenk-Danzinger: Lektion 6. 3 Kassetten.
Elisabeth Sander &
Lotte Schenk-Danzinger: Lektion 7. 5 Kassetten.
Lotte
Schenk-Danzinger: Lektion 8. 4 Kassetten.
Lotte
Schenk-Danzinger: Lektion 9. 4 Kassetten.
Lotte
Schenk-Danzinger: Lektion 10. 4 Kassetten.
Lotte
Schenk-Danzinger: Lektion 11. 4 Kassetten.
Reinhard
Schmitz-Scherzer: Lektion 12. 4 Kassetten.
● Mögliche Verursachungen
von Lern- und Verhaltensstörungen. Studientexte zur Lehrerbildung und
Lehrerfortbildung. Herausgegeben von Adolf März. Redaktion: Ludwig Boyer.
Wien–München/Wien: Jugend und Volk / Österreichischer Bundesverlag 1976
(= Materialien zur Pädagogik.), 93 S.
● Psychologie im Dienst
der Schule. Festschrift zum 75. Geburtstag. Herausgegeben von Ludwig
Boyer und Karl Sretenovic.
Wien: Österreichischer Bundesverlag 1980 (= Schriften zur Lehrerbildung
und Lehrerfortbildung. 22.), 264 S.
● Möglichkeiten und
Grenzen kompensatorischer Erziehung.
Wien–München: Jugend und Volk 1980 (= Pädagogik der Gegenwart. 713.),
179 S.
● Entwicklung,
Sozialisation, Erziehung.
Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984–1988, 2 Bände:
[1. Band]: Von der
Geburt bis zur Schulfähigkeit. 1984, 301 S.
2. Band: Schul- und
Jugendalter. 1988, 436 S.
● Legasthenie.
Zerebral-funktionelle Interpretation, Diagnose und Therapie.
München–Basel: Reinhardt 1984 (= Beiträge zur Psychodiagnostik des
Kindes. 7.), 254 S.

Über und Texte von Lotte Schenk-Danzinger auf dieser Website
● (Mit
Christian Fleck) Erinnerungen an Marienthal. Lotte Schenk-Danzinger im Gespräch mit Christian Fleck. Wien, am 14. Juni 1988:

● Große Chronik von
Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg:

● Bilder:
Die Marienthal-Studie:

● Das Projektteam der
Marienthal-Studie:

Bildarchiv:

© Reinhard Müller
Stand:
Mai 2012
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