Große Chronik von Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg
1922
1922
Mit 1. Januar 1922 erfolgt die Trennung von Wien und Niederösterreich, welche zu zwei eigenständigen Bundesländern werden.

1922
Für 1922 ist
der erste Zahnarzt in Gramatneusiedl belegt: Dr. Slawkowsky.

1922
In der Sitzung
der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 29. März 1922 wird eine zweite Frau als Mitglied der
Gemeindevertretung angelobt: die Sozialdemokratin Anna Cejna,
geborene
Jezek (1885–1970), welche jedoch bereits im Oktober 1922 ihr Mandat zurücklegt.
Weiters wird der Verkauf des Gemeindestiers erörtert.
Die gesamte Landwirtschaft Gramatneusiedls ist vor allem auf Ackerbau, insbesondere Getreide- und Krautanbau, ausgerichtet.
Viehzucht gibt es nur in kleinem Rahmen. Von Bedeutung ist hierfür, insbesondere für die zahlreichen kleinen Bauernhöfe, der mit dem Kapital der Bauernschaft gekaufte Gemeindestier.
Die sozialdemokratische Mehrheit beschließt
daher, dass der Gemeindestier nunmehr ausschließlich Eigentum der Gemeinde sei. Schließlich wird der Gemeindestier im April 1922 an das neu gegründete Gramatneusiedler Tiererhaltungskomitee zum seinerzeitigen Kaufpreis verkauft, wodurch er gleichsam als Gemeinbesitz der örtlichen Bauernschaft erhalten
bleibt.

1922
Im April 1922 wird der
Sportplatz des
»Sportclubs
Marienthal. Gegründet 1908« mit einem ersten Gebäude versehen: eine Abortanlage. Später wird
für die Sportler eine kleine Holzhütte (5,0 X 9,0 Meter) mit zwei Räumen als Aufenthalts- und Umkleidekabinen aufgestellt. Im Juni 1922 wird per Bescheid festgestellt, dass 3.030 m2
des Sportplatzes auf dem Gemeindegebiet von Gramatneusiedl, 4.120 m2
auf jenem von
Mitterndorf an der Fischa
(Niederösterreich) liegen. Damit findet der seit
1920 andauernde Streit, wohin die Lustbarkeitssteuer für den Sportplatz abzuliefern sei, ein Ende.

1922
Im April
1922 tauscht die Freie Gemeinde Gramatneusiedl mit der
Textilfabrik Marienthal
Grundstücke hinter den fabrikeigenen Siedlungshäusern, damit diese die
auch in der
Marienthal-Studie
wiederholt erwähnten Kleingartenanlagen für ihre Arbeiterschaft
errichten kann. Diese
1931 von
der Freien Gemeinde Gramatneusiedl zurückgekauften Schrebergärten
bestehen noch heute, zwischen
Hauptstraße und
Siedlergasse beziehungsweise
Lindenallee /
Marie-Jahoda-Platz
und
Bilkovskygasse, allerdings werden Teile davon seit
2005
von der Marktgemeinde Gramatneusiedl nicht mehr weiter verpachtet.

1922
Im Juni 1922 beschließt die
Gemeindevertretung von Gramatneusiedl den Bau einer Mauer um den
Friedhof Gramatneusiedl. Wie bisher stellt die Gemeinde das dafür notwendige Material, die
Textilfabrik Marienthal die Arbeiter. Im Oktober sind die Bauarbeiten abgeschlossen.

1922
Die seit dem
Vorjahr herrschende
galoppierende Inflation in Österreich erreicht am 3. August 1922 ihren Höhepunkt.

1922
Da eine Elektrifizierung des Ortes nicht absehbar ist, beschließt die
Gemeindevertretung von Gramatneusiedl in ihrer Sitzung vom 7. Oktober 1922, die bereits vorhandenen 17 Petroleumlampen wieder in Betrieb zu setzen. Sie bleiben bis
1925 als
ausschließliche Ortsbeleuchtung in Verwendung.

1922
Vom Kriegsende bis 1922 tätigt die »Landwirtschaftliche Genossenschaft Gramatneusiedl«
zahlreiche Investitionen im Bereich des
Lagerhauses Gramatneusiedl: Es werden eine
Brückenwaage errichtet, das Verwalterwohnhaus aufgestockt, neue Kanzleiräume gebaut, Grundzukäufe im Bereich des Lagerhauses getätigt, Brückenwaage und Verladerampe überdacht und ein 100 PS-Dieselmotor angeschafft.

1922
1922 wird auf Initiative der »Kinderfreunde«, Ortsgruppe Marienthal, unter Obmann Karl
Swoboda (1885–?),
Angestellter der
Textilfabrik Marienthal, das
Montessoriheim gegründet, zunächst noch »Montessorihort« genannt. Es ist dies nach Wien der erste Montessori-Hort Österreichs und, was die Einwohnerschaft des Standortes betrifft, einer der
kleinsten weltweit. Im Dezember 1922 gewährt die Freie Gemeinde Gramatneusiedl dem Kleinkindergarten, der nach den Methoden der italienischen Pädagogin und Ärztin Maria Montessori
(1870–1953) betrieben wird, 500.000 Kronen zum Ankauf von Lehr- und Spielsachen, und in
der Sitzung der Gemeindevertretung von Gramatneusiedl vom 4. Dezember
1926 wird beschlossen, eine Ergänzung der Kinderspielzeuge und Einrichtungsgegenstände des Montessoriheimes zu finanzieren. Untergebracht ist dieses im ersten Stock einer 1893 erbauten
Waschküche (2005
abgerissen) beim
Arbeiterwohnhaus Altgebäude, welche die
Textilfabrik Marienthal kostenlos zur
Verfügung stellt.

1922
1922 lässt die
Textilfabrik Marienthal das
Reißmaschinenlokal,
die
Staubkammer II, den Schmiedeanbau, den
Materialschuppen, den Gerüstholzschuppen, den
Leiterschuppen und den Aufzuganbau errichten. Außerdem gestattet sie, das
Montessoriheim in einem ihrer Gebäude unterzubringen, und Anfang
Dezember 1922 wird die neue Turbine im Turbinen- und Dynamogebäude der Fabrik kommissioniert.
Danach gibt es einen langen Baustop bis
1926. (
Plan 1922.)

© Reinhard Müller
Stand: September
2010
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