Benedikt Kautsky

geb. Stuttgart, Württemberg (Baden-Württemberg), am 1. November 1894
gest. Wien, am 1. April 1960

Sozialwissenschaftler und sozialdemokratischer Politiker, wichtiger Theoretiker der Sozialdemokratie




Benedikt Kautsky, Sohn des bekannten sozialdemokratischen Politikers und Parteiideologen Karl Kautsky (Prag [Praha], am 16. Oktober 1854 – Amsterdam, am 17. Oktober 1938) und von Luise Kautsky, geborene Ronsperger (Wien, am 11. August 1864 – KZ Auschwitz [Oświęcim, Polen], am 1. November 1944), hatte zwei Geschwister: Felix Kautsky (Stuttgart, am 14. Februar 1891 – Glendale, California 1953) sowie den Arzt und sozialdemokratischen Politiker Karl Kautsky (Stuttgart, am 13. Januar 1892 – Napa, California, im Juni 1978). Benedikt Kautsky wuchs in Deutschland auf und lebte 1897 bis 1917 mit den Eltern in Berlin, wo er nach der Reifeprüfung ein Studium der Nationalökonomie begann. 1917/18 diente er in der österreichisch-ungarischen Armee, aus der er 1918 desertierte.
1918 flüchtete Kautsky nach Wien, wo er sich der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs« (SDAP) anschloss und seit 1919 als Sekretär von Otto Bauer (1882–1938) arbeitete. 1920 kehrte Kautsky vorübergehend nach Deutschland zurück, wo er 1921 an der Universität Berlin aufgrund der Arbeit »Zur Geschichte der Theorie vom fixen und zirkulierenden Kapital« zum Doktor der Philosophie (Dr. phil.) promoviert wurde. Wieder in Wien, arbeitete er von 1921 bis 1938 als Sekretär der Wiener Arbeiterkammer, war Leiter der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung und Redakteur der Zeitschrift »Arbeit und Wirtschaft« (Wien). Seit etwa Juni 1936 war er auch Mitglied und Mitarbeiter der »Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeiter der Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle«.
Am 27. Mai 1938 von der Geheimen Staatspolizei (GeStaPo) verhaftet, wurde Kautsky vom Mai 1938 bis September 1938 im Konzentrationslager Dachau (Bayern), vom September 1938 bis Oktober 1942 im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar (Thüringen), vom Oktober 1942 bis Dezember 1944 im Konzentrationslager Auschwitz [Oświęcim, Polen] und vom Dezember 1944 bis 11. April 1945 wieder im Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert.
1945 bis 1949 lebte Kautsky als freier Schriftsteller in Zürich. Nach einer Reise in die Niederlande 1949 und einer Studienreise in die USA 1949/50 kehrte er 1950 nach Österreich zurück. 1950 bis 1957 lebte Kautsky in Graz (Steiermark) als Leiter der Wirtschaftsschule der Arbeiterkammer Graz (Otto Möbes-Schule). 1954 habilitierte er sich an der Universität Graz, wo er bis 1958 als Dozent tätig war. Ende 1957 übersiedelte Kautsky nach Wien, wo er als Stellvertretender Generaldirektor der »Creditanstalt-Bankverein« in Wien arbeitete. Außerdem lehrte er seit 1958 als Universitätsdozent an der Universität Wien. Kautsky war der Hauptautor des Grundsatzprogramms der »Sozialistischen Partei Österreichs« (SPÖ) aus dem Jahr 1958.


Bücher von Benedikt Kautsky
  • Zur Geschichte der Theorie vom fixen und zirkulierenden Kapital. Philosophische Dissertation, Universität Berlin 1921, VI, 132 S. (Maschinenschrift). Auszug in: Jahrbuch der Dissertationen der Philosophischen Fakultät Berlin. 1919–20 (Berlin), S. 169–175.
  • Der Kommunismus, eine reaktionäre Bewegung. Karlsbad [Karlovy Vary]: Sattler [1922], 43 S.
  • Was ist Sozialismus? Ein Führer durch die sozialistische Literatur. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1922, 38 S.
  • Wirtschaftsprobleme der Gegenwart. Wien: Verlag »Arbeit und Wirtschaft« 1923, 79 S.
  • (Herausgeber) Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Herausgegeben von Karl Kautsky unter Mitwirkung von Benedikt Kautsky. Volksausgabe. Berlin: Dietz 1926–1929, (zuerst Hamburg 1867–1894), 3:
  • 2. Bd.: Der Zirkulationsprozess des Kapitals. 1926, XLVIII, 484 S.
  • 3. Bd. Teil 1: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. 1929, XXXI, 406 S.
  • 3. Bd. Teil 2: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion. Kapitel XXIX bis LII. 1929, 406 S.
  • Reparationen und Rüstungen. Wien–Leipzig: Hess 1931, 218 S.
  • (Herausgeber) Der deutsche Sozialismus von Ludwig Gall bis Karl Marx. Herausgegeben von Fritz Brügel und Benedikt Kautsky. Wien–Leipzig: Hess 1931 (= Das Lesebuch des Sozialismus.), 302 S.
  • Willst du Marxist werden? Kleiner Wegweiser durch die sozialistische Literatur. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1933, 80 S.
  • Deutschland und England vor dem Weltkrieg. Historische Parallelen. Wien: »Thalia« 1936, 109 S.
  • Luise Kautsky zum Gedenken. Nachrufe von Friedrich Adler und Oda Lerda-Olberg. Berichte aus Amsterdam: Annie van Scheltema, aus Birkenau: Dr. med. Lucie Adelsberger. Briefe aus und über Buchenwald von Benedikt Kautsky. New York, N.Y.: Willard Publishing Co. 1945, 40 S.
  • Die psychologische Situation des Konzentrationslager-Häftlings. [Ohne Ort: ohne Verlag 1945], 6 S.
  • Teufel und Verdammte. Erfahrungen und Erkenntnisse aus sieben Jahren in deutschen Konzentrationslagern. Zürich: Büchergilde Gutenberg 1946, 328 S.
  • (Herausgeber) Rosa Luxemburg: Briefe an Freunde. Nach dem von Luise Kautsky fertig gestellten Manuskript herausgegeben von Benedikt Kautsky. Zürich: Büchergilde Gutenberg 1950, 226 S.
  • Amerikas Arbeiter im Vormarsch. Vom Wesen und Werden der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung. Graz–Wien: Leykam-Verlag 1951, 211 S.
  • [Herausgeber] Ein Leben für den Sozialismus. Erinnerungen an Karl Kautsky. Hannover: Dietz 1954, 110 S.
  • Geistige Strömungen im österreichischen Sozialismus. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung [1953], 31 S.
  • Friedrich Engels' Briefwechsel mit Karl Kautsky. Herausgegeben und bearbeitet von Benedikt Kautsky. 2., durch die Briefe Karl Kautskys vervollständigte Ausgabe von »Aus der Frühzeit des Marxismus«. Wien: Danubia-Verlag / Braumüller [1954] (= Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deutschen und österreichischen Arbeiterbewegung. 1.), XVI, 463 S. Ergänzte Ausgabe von: Aus der Frühzeit des Marxismus. Engels' Briefwechsel mit Kautsky. Prag [Praha] 1935.
  • Der Funktionswandel der Gewerkschaften. Vortrag, gehalten am 3. Gewerkschaftstag der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten am 7. Februar 1955. [Wien]: Gewerkschaft der Gemeindebediensteten 1955, 24 S.
  • (Herausgeber) Karl Marx: Das Kapital. Im Zusammenhang ausgewählt und eingeleitet von Benedikt Kautsky. Stuttgart: Kröner 1957 (= Kröners Taschenausgabe. 64.), L, 755 S. Auswahl aus: Das Kapital. Hamburg 1867–1894, 3 Bände in 4.
  • Vorentwurf für ein neues Programm der SPÖ. Vorgelegt von der Programmkommission dem Parteitag 1957. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1957 (= SPÖ-Vertrauensmann, Herausgeber: Sozialistische Partei Österreichs. Sondernummer.), 40 S.
  • Der Weg zum neuen Programm der SPÖ. Bericht und Erläuterungen. Eine Diskussionsgrundlage. Vorgelegt von der Programmkommission dem Parteitag 1957. Bericht und Erläuterungen von Benedikt Kautsky. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung [1958], 40 S. Umschlagtitel: Das neue Programm der S.P.Ö. mit dem erläuternden Referat von Benedikt Kautsky.
  • Die weltpolitische Rolle des Sowjetsystems. Vortrag, gehalten am 7. Juli 1959 bei den Hochschulwochen für staatswissenschaftliche Fortbildung in Bad Wildungen. Bad Homburg–Berlin: Gehlen 1959, 20 S.
  • (Herausgeber) Karl Kautsky: Erinnerungen und Erörterungen. Herausgegeben von Benedikt Kautsky. 's-Gravenhage: Mouton 1960 (= Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der deutschen und österreichischen Arbeiterbewegung. 3.), 586 S.
  • Wie denken Herr und Frau Jedermann über die Gemeinwirtschaft? Wien: Verlag für Jugend & Volk [1961], 32, 7 S.
  • (Herausgeber) Karl Marx: Ökonomische Schriften. Herausgegeben von Hans-Joachim Lieber und Benedikt Kautsky. Stuttgart: Cotta 1962 (= Karl Marx: Werke, Schriften, Briefe. Herausgegeben von Hans-Joachim Lieber und Peter Furth. 4-6.), 3 Bände:
  • 1. Bd. = Das Kapital. Herausgegeben von Hans-Joachim Lieber und Benedikt Kautsky. 1962 (= [...]. 4.), XXXII, 957 S.
  • 2. Bd. = Das Kapital. Herausgegeben von Hans-Joachim Lieber und Benedikt Kautsky. 1963 (= [...]. 5.), XXXIX, 915 S.
  • 3. Bd. = Das Kapital. Herausgegeben von Hans-Joachim Lieber und Benedikt Kautsky. 1964 (= [...]. 6.), XI, 1114 S.


© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

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