Ella Lingens

geborene Reiner
geb. Wien, am 18. November 1908
gest. Wien, am 31. Dezember 2002
Juristin und Ärztin




Ella Reiner besuchte das Gymnasium in Wien, wo sie 1926 die Matura machte. 1925 nahm sie an einer Sommerkolonie (Ferienlager) der »Vereinigung sozialistischer Mittelschüler« teil, wo sie Paul Felix Lazarsfeld (1901–1976) kennen lernte und mit ihm einige Zeit liiert war. 1926 bis 1927 verbrachte Ella Reiner ein halbes Jahr in England, danach studierte sie Rechtswissenschaften an der Universität Wien, wo sie 1931 zur Doktorin der Rechte (Dr. jur.) promoviert wurde. Sie war danach in Deutschland in verschiedenen Berufen tätig, unter anderem auch als Journalistin. Hier lernte sie Kurt Lingens (Sztejenie, Litauen, am 30. Juni 1911 – Kraków, Polen, am 14. August 2004) kennen, mit dem sie dann gemeinsam seit Medizin studierte, seit 1935 an der Universität München (Bayern). Das Studium hatte auch den Zweck, anschließend bei Eduard (später: Edward) Bibring (Stanislaw, Galizien [Ivano-Frankivs'k / Івано-Франківськ, Ukraine] 1894 – Boston, Massachusetts 1959) eine Ausbildung als Psychoanalytikerin machen zu können. 1937 ließen sich Ella Rainer und Kurt Lingens in Wien nieder, wo sie im März 1938 heirateten. Das Ehepaar hatte einen Sohn: Peter Michael Lingens (Wien, am 8. August 1939 –), Journalist. Nach dem »Anschluss« 1938 blieb das Ehepaar Lingens in Wien und half jüdischen Verfolgten, denen es ein Überleben als »U-Boote« ermöglichte. Als es im Juli 1942 von einem Mitglied der polnischen Untergrundbewegung ersucht wurde, zwei jüdischen Ehepaaren in Wien zur Flucht zu verhelfen, wurde das Ehepaar Lingens von einem an der Aktion beteiligten Schauspieler und Spitzel namens Klinger der Geheimen Staatspolizei (GeStaPo) denunziert und gemeinsam mit ihrem Helfer, dem Psychoanalytiker Karl (bis 1919: Graf von) Motesiczky (Wien, am 25. Mai 1904 – KZ Auschwitz [Oświęcim, Polen], am 25. Juni 1943) am 13. Oktober 1942 in Wien verhaftet. Während Kurt Lingens zu einer Strafkompanie in Russland abkommandiert wurde, blieb Ella Lingens vier Monate im Wiener Gestapo-Gefängnis am Morzinplatz inhaftiert. Am 16. Februar 1943 wurde sie in das Konzentrationslage Auschwitz (Oświęcim, Polen) deportiert, im Dezember 1944 ins Konzentrationslager Dachau (Bayern), wo sie 1945 von den US-amerikanischen Truppen befreit wurde.
Nach dem Krieg setzte Ella Lingens ihr Medizinstudium an der Universität Wien fort, wo sie 1945 zur Doktorin der Medizin (Dr. med.) promoviert wurde. Sie arbeitete danach als Ärztin in mehreren Kliniken Wiens, wurde Ministerialrätin im Bundesministerium für Soziale Verwaltung und trat 1973 in den Ruhestand.

Bücher von Ella Lingens
  • (Ella Lingens-Reiner) Prisoners of fear. With an introduction by Arturo Barea. London: Victor Gollancz 1948, xii, 195 S. Zum deutschen Original siehe: Gefangene der Angst. Wien–Frankfurt am Main 2003.
  • (Mit Leopoldine Schmiedek) Die Tuberkulose-Situation in Österreich im Jahre 1960. Aus der Sektion 5 (Volksgesundheit) des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung. Wien: Bundesministerium für Soziale Verwaltung 1962, 7 S. Separatabdruck aus: Mitteilungen der Österreichischen Sanitätsverwaltung, 63, 4.
  • (Ella Lingens-Reiner; Herausgeberin) Auschwitz. Zeugnisse und Berichte, herausgegeben von H[ans] G[ünther] Adler, Hermann Langbein, Ella Lingens-Reiner. Mannheim: Europäische Verlagsanstalt 1962, 423 S.
  • Eine Frau im Konzentrationslager. Wien–Frankfurt–Zürich: Europa Verlag 1966 (= Monographien zur Zeitgeschichte.), 44 S.
  • (Herausgeberin) Sigmund Freud House Bulletin. (Editors committe: Harald Leupold-Löwenthal, Ella Lingens.). Vol. 1, No 1. Wien: Sigmund Freud-Gesellschaft 1975. 37 S. Mehr nicht erschienen.
  • Gefangene der Angst. Ein Leben im Zeichen des Widerstandes. Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Peter Michael Lingens. Wien–Frankfurt am Main: Deuticke 2003, 335 S. Überarbeitete und erweiterte Ausgabe der englischen Übersetzung: Prisoners of fear. London 1948.


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© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

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