Eugenie Schwarzwald

geborene Nussbaum; genannt: Genia Schwarzwald
geb. Polupanowka bei Tarnopol, Galizien [Polupanivka / Полупанівка bei Ternopil' / Тернопіль, Ukraine], am 4. Juli 1872
gest. Zürich, am 7. August 1940
Pädagogin und Schulreformerin




Eugenie Nussbaum, Tochter des Gutsverwalters Leo Nussbaum und seiner Frau Esther Nussbaum, besuchte die Volksschule in Wien und in Czernowitz (Bukowina; [Černivici / Чернівці, Ukraine]), wo sie danach auch die Höhere Töchterschule und 1888 bis 1891 die Lehrerinnen-Bildungsanstalt absolvierte. 1895 bis 1900 studierte sie Philosophie, Deutsche und Englische Philologie an der Universität Zürich, wo sie aufgrund der Arbeit »Metapher und Gleichnis bei Berthold von Regensburg« im 1902 zur Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) promoviert wurde.
Im selben Jahr übersiedelte sie nach Wien, wo sie im Dezember ihren Jugendfreund und Juristen Hermann Schwarzwald (Czernowitz (Bukowina; [Černivici / Чернівці, Ukraine], am 13. Februar 1871 – Zürich, am 17. August 1939), später Sektionschef im Finanzministerium, heiratete. 1901 kaufte Eugenie Schwarzwald das Mädchen-Lyzeum I in Wien 1., Franziskanerplatz 5, welches sie als »Mädchen-Lyzeum Dr. Eugenie Schwarzwald (6 Klassen), verbunden mit Mädchen-Gymnasialcursen und Fortbildungscursen in Wien« weiterführte, und eröffnete 1903 eine »Ko-Edukations-Volksschule für Knaben und Mädchen«, die 1905 das Öffentlichkeitsrecht erhielt. Außerdem gründete sie 1904 ein »Speisehaus ohne Trinkzwang« im Wiener Volksheim Ottakring. Nachdem ihr 1907 das Recht auf Abhaltung von Reifeprüfungen zugestanden wurde, gründete sie 1909 ein vierklassiges Realgymnasium und 1911 ein achtklassiges Mädchengymnasium, »Öffentliches Mädchen-Lyzeum« (seit 1913 in Wien 1., Herrengasse 10 / Wallnerstraße 9), das erste Österreichs mit Matura für Mädchen, und 1916 eine »Kleinkinderschule«. An Schwarzwalds Schulunternehmungen unterrichteten bekannte Persönlichkeiten wie Hans Kelsen (Prag [Praha] 1881 – Berkeley, California 1983) Soziologie, Oskar Kokoschka (Pöchlarn, Niederösterreich 1886 – Villeneuve, Waadt 1980) Zeichnen, Adolf Loos (Brünn, Mähren [Brno, Tschechische Republik] 1870 – Kalksburg [zu Wien] 1933) Architektur, Otto Rommel (Mährisch-Schönberg, Mähren [Šumperk, Tschechische Republik] 1880 – Kleinzell, Niederösterreich 1965) Literatur, Arnold Schönberg (Wien 1874 – Los Angeles, California 1951) und Egon Wellesz (Wien 1885 – Oxford, Oxfordshire 1974) Musik.
Bereits im August 1914 rief Eugenie Schwarzwald zur Gründung von Gemeinschaftsküchen auf und startete bald darauf erste Hilfsprogramme für Kinder von Kriegsflüchtlingen. 1915 richtete sie ein Erholungsheim für Kinder und Erwachsene in Sankt Wolfgang (Oberösterreich) ein, und im November 1916 wurde der »Verein zur Errichtung und Erhaltung von Gemeinschaftsküchen in Wien« gegründet (ging 1927 im Verein »Wiener Speisehäuser« auf). 1917 eröffnete sie ihre erste Gemeinschaftsküche in Wien 9., Thurngasse 4, 1918 ein Sommerheim für Kinder und Erwachsene im Bad Topolschitz (Steiermark; Topolšica, Slowenien), am Semmering das Kinderheim »Haus in der Sonne« in Küb (zu Payerbach, Niederösterreich) sowie das Kinderheim »Wolfsbergkogel« (zu Breitenstein am Semmering, Niederösterreich). 1918 übernahm sie das Erziehungsheim Harthof bei Gloggnitz (Niederösterreich) für Knaben und Mädchen zwischen zehn und sechzehn Jahren, organisierte Kinderheime in Bad Ischl (Oberösterreich) und betreute Bedürftige in der Heimstreitmühle in Mödling (Niederösterreich) und Reichenau (Niederösterreich). Im März 1917 starte Schwarzwald die Aktion »Wiener Kinder auf das Land«, und 1919 ließ sie eine Jugendwerkstatt für Knaben in der Invalidenschule in Wien-Favoriten.
Bei der von Marie Jahoda angesprochenen Sommerkolonie wird es sich um eine der folgenden gehandelt haben: 1919 in Küb (vermutlich jene Marie Jahodas), Reichenau, Bad Ischl, Waidhofen an der Ybbs (Niederösterreich) und Bad Fischau (Niederösterreich), 1920 in Kaltenbach bei Bad lschl, 1921 in Gainfarn (zu bei Bad Vöslau, Niederösterreich. 1919 gab es auch Ferienkolonien mit Erwachsenen am Semmering und in Raach am Hochgebirge (Niederösterreich).
1922 wurde das Schwarzwaldsche Wohlfahrtswerk und zur Verwaltung der diversen Schulunternehmungen der Verein »Gesellschaft der Schwarzwaldschen Schulanstalten in Wien« gegründet, 1923 wurden vier Gemeinschaftsküchen eingerichtet und für Deutschland die Hilfsorganisation »Österreichische Freundeshilfe«, welche 1924 das Erholungsheim in Bad Lobenstein (Thüringen) eröffnet.
1933 unterstütze Eugenie Schwarzwald vor dem Nationalsozialismus geflüchtete Deutsche und 1934 verfolgte österreichische Sozialdemokraten. Im Januar 1938 fuhr sie nach Kopenhagen (København), um sich einer Krebsoperation zu unterziehen, und kehrte danach nicht mehr nach Wien zurück. Während ihre »Schwarzwaldschule« und sonstigen Unternehmungen mitsamt Vermögen liquidiert oder von der »Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt« (NSV) übernommen wurden, flüchtete Eugenie Schwarzwald nach Zürich, wohin auch ihr Mann im September 1938 emigrieren konnte.

Bücher von Eugenie Schwarzwald
  • (Eugenie Nussbaum) Metapher und Gleichnis bei Berthold von Regensburg. Inaugural-Dissertation. Wien: Im Selbstverlag (Christoph Reisser's Söhne) 1902, 79 S. Zugleich Philosophische Dissertation, Universität Zürich 1902.
  • Gottfried Keller in der Schule. Wien: Selbstverlag der Verfasserin 1911, 14 S. Separatabdruck aus: Jahrbücher der Schulanstalten der Frau Dr. Eugenie Schwarzwald in Wien (Stadt), Mädchenlyzeum, 9 (1910/11).
  • Die Heimkehr des verlorenen Buches. Mit sechs Aquarellen von Conrad Felixmüller. (Für Gerhard Schulze, den Sechzigjährigen, und die bibliophilen Freunde ließ Gotthard Laske dieses Büchlein auf der Handpresse der Officina Serpentis in 100 Exemplaren drucken.). Berlin: Officina Serpentis 1935, 20 S.
  • Die Ochsen von Topolschitz. Feuilletons. Wien–Mülheim an der Ruhr: Ed. Garamond 1995 (= Fundsachen österreichischer Literatur. 1.), 142 S.
  • Eugenie (Genia) Schwarzwald. Wien: Eckart Früh 2005 (= Spuren und Überbleibsel. 63.) 39 S.

Auf dieser Website:

© Reinhard Müller -- Graz, im Oktober 2006

Friedrich Adler
Bernard Bailyn
Charles D. Bailyn
John F. Bailyn
Lotte Bailyn
Angelica Balabanoff
Otto Bauer
Egon E. Bergel
Charlotte Bühler
Karl Bühler
Joseph Buttinger
Heinrich Faludi
Alexander Farquharson
Karl Frank
Heinz Hartmann
Max Horkheimer
Gustav Ichheiser
Frederick Jahnel
Betty Jahoda
Carl Jahoda
Edward Jahoda
Franz Jahoda
Fritz Jahoda
Georg Jahoda
Susan Jahoda
Benedikt Kautsky
Jules Klanfer
Karl Kraus
Anton Kuerti
Gustav Kuerti
Rosi Kuerti
Ilse Kulcsar
Leopold Kulcsar
Paul F. Lazarsfeld
Sofie Lazarsfeld
Ella Lingens
Ernst Mach
Herta Massing Herzog
Otto Neurath
Elizabeth Paetel Zerner
Karl Popper
Josef Popper Lynkeus
Robert Reininger
Zoltan Ronai
Erna Sailer
Karl H. Sailer
Lotte Schenk Danzinger
Eugenie Schwarzwald
Gertrude Wagner
Walter Wodak
Hans Zeisel
Fritz Zerner