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Eduard Freiherr von Todesco
das ist Eduard Todesco, seit 1861: Ritter von Todesco, seit 1869: Freiherr von Todesco
geb. Wien,
am 1. April
1814
gest. Wien, am 17. Januar 1887
Unternehmer, Bankier und Philanthrop,
Eigentümer der Textilfabrik Marienthal
Eduard Todesco, Sohn von
Hermann
Todesco (1791–1844), war seit 1848 Direktor des als
Privatbank geführten Großhandelshauses »Hermann Todesco’s Söhne« in Wien
und führend beteiligter Gesellschafter der 1864 gegründeten
»Marienthaler und Trumauer
Actien-Spinn-Fabriks-Gesellschaft«, außerdem Kommerzienrat
und Direktor der k(aiserlich) k(öniglichen) priv(ilegierten) Kaiser
Ferdinands-Nordbahn, Zensor der Österreichischen Nationalbank,
Verwaltungsrat der k(aiserlich) k(öniglichen) priv(ilegierten)
Österreichischen Credit-Anstalt und der Allgemeinen Creditbank in Pest
(zu Budapest). Der überaus Wohlhabende wurde am 17. März 1861 in den
Ritterstand und am 30. Dezember 1869 in den Freiherrenstand erhoben.
Eduard von Todesco
zählte zu den bekanntesten Persönlichkeiten des österreichischen
Wirtschaftslebens seiner Zeit und wurde eine Berühmtheit der Wiener
Gesellschaft, über die auch so manche Anekdote kursierte, und
die illustrierte satirische Wochenschrift
»Der
Floh«
(Wien) publizierte 1870 so genannte »Todescoiaden«. Wohltätig wie sein Vater, stiftete Eduard von Todesco
beispielsweise 1854 den ansehnlichen Betrag von sechzigtausend Gulden
zur Versorgung unbemittelter Offiziere sowie zur Ausspeisung armer
jüdischer Studenten in Wien, und 1877 setzte er für das von seinem Vater
gestiftete Todesco-Hospiz in Baden (Niederösterreich) fünfzigtausend
Gulden zur Unterstützung der Armen aus.
Bemerkenswert ist auch
Eduard von Todescos Stellung in der Wiener Gesellschaft. Er heiratete
1845 Sophie Gomperz (1825–1895), die Tochter von Philipp Josua Feibelman
Gomperz (1782–1857) und Henriette Gomperz, geborene Auspitz (1792–1881).
Seine Frau war die Schwester des bekannten Altphilologen
Theodor Gomperz (1832–1912) und Tante des nicht minder
berühmten Philosophen
Heinrich Gomperz (1873–1942). Eduard und Sophie von Todesco,
die als Salondame zeitgenössische Berühmtheit erlangte, hatten vier
Kinder:
Anna, verheiratete von Lieben
(1847–1900), »Jella«
Gabriele, verheiratete Freiin von Oppenheimer (1854–1943), Hermann
(1849–1876) und Franziska
»Fanny«
(1846–1922), seit 1864 mit
Baron Henry de Worms (später 1st Baron Pirbright of Pirbright;
1840–1903) verheiratet.
1861 bis 1864 ließ
Eduard von Todesco durch
Ludwig Christian Friedrich Förster (1797–1863) und
Theophil Hansen (1813–1891) an der Kärntner Straße 51 /
Walfischgasse 2 – gegenüber der heutigen Staatsoper – einen im
Renaissancestil gehaltenen Repräsentationsbau errichten, der als
Gesamtkunstwerk auch weitgehend von Hansen eingerichtet wurde,
Deckengemälde von
Carl Rahl (1812–1865) erhielt und einen berühmten Tanzsaal
von
Gustav Gaul (1836–1888). Das als »Palais Todesco« bekannte
Gebäude, übrigens 1947 bis 1995 Sitz der »Österreichischen Volkspartei«
(ÖVP), entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Treffpunkt der Wiener
Gesellschaft. Hier verkehrten unter anderem der Staatsmann und Minister
Alexander Freiherr von Bach (1813–1893), der Dichter
Eduard von Bauernfeld (1802–1890), der Staatsmann und
Ministerpräsident
Friedrich Ferdinand Graf von Beust (1809–1886), der Dichter
und Theaterintendant
Franz Freiherr von Dingelstedt (1814–1881), der Staatsmann
und Minister
Anton Freiherr von Doblhoff-Dier (1800–1872), der Dichter
Friedrich Halm (1806–1871), der Dichter und
Burgtheaterdirektor
Heinrich Laube (1806–1884) sowie der Staatsmann und Minister
Anton Ritter von Schmerling (1805–1893). Seit 1892 war der
Dichter
Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) regelmäßiger Gast im Salon
Sophie von Todescos, dessen »Prolog und Epilog zu den Lebenden Bildern«
im Februar 1893 im Palais uraufgeführt wurde, wodurch das Palais Todesco
auch in die Literaturgeschichte Eingang fand. Hofmannsthal hinterließ
Aufzeichnungen aus dem Jahr 1895 mit dem Titel »Familienroman«, der die
Geschichte der Familie Eduard von Todescos erzählen sollte. Hofmannsthal
verkehrte übrigens auch im Haus von
Isidor Mautner (1852–1930), der seit 1925 Besitzer der
Textilfabrik Marienthal war. Sophie von Todesco war auch Mitinitiatorin
des Franz-Grillparzer-Literaturpreises.
Im Palais Todesco
lebten auch die Familien von Sophies Bruder, dem Großindustriellen,
Bankier und Präsidenten der Österreichischen Creditanstalt für Handel
und Gewerbe
Max Ritter von Gomperz (1822–1913), sowie »Jella«
Gabriele von Todesco – 1872 bis 1883 mit dem Herrenhaus-Mitglied
Ludwig Freiherrn von Oppenheimer (1843–1909) verheiratet –
mit ihrem Sohn, dem späteren Redakteur und Soziologen
Felix Freiherrn von Oppenheimer (1874–1938). Beide Familien,
Gomperz und Oppenheimer, unterhielten im Palais Todesco ihrerseits
angesehene Salons. Hier verkehrten unter anderem der Dichter
Hans von Hopfen (1835–1914), der Maler, Grafiker und Designer
Emil Orlik (1870–1932), der Dirigent und Wiener
Staatsoperndirektor
Franz Schalk (1863–1931) sowie der Erfinder und Techniker
Robert von Lieben (1878–1913), der als Jugendlicher die
Mödlinger Villa der Todescos elektrifizierte. Robert von Liebens Mutter,
die Dichterin
Anna von Lieben (1847–1900), war, wie schon erwähnt, die
älteste Tochter von Eduard und Sophie von Todesco:
Unter
dem Pseudonym
»Cäcilie
M.«
taucht sie auch als Patientin von
Sigmund Freud (1856–1939) in seinen Schriften auf.
1858 übernahmen
Hermann Todescos (1791–1844)
Söhne Eduard und
Moritz Todesco
(1816–1873) von ihrem älteren Bruder
Max
Todesco (1813–1890) die Leitung der
Textilfabrik Marienthal, die sie 1864 mit der nahe Gramatneusiedl gelegenen
Baumwollspinnerei Trumau zur
»Marienthaler und Trumauer
Actien-Spinn-Fabriks-Gesellschaft« fusionierten. Die nunmehr von einem
Generaldirektor vor Ort geleitete Textilfabrik Marienthal entwickelte
sich zu einem der erfolgreichsten Textilunternehmen Österreich-Ungarns.
Bis zur Übernahme durch
Isidor Mautner (1852–1930) und
Stephan Mautner (1877–1944) im Jahr 1925 waren die Familien Todesco und
von Miller zu Aichholz Hauptaktionäre des Unternehmens.

Über
Eduard Freiherrn von Todesco auf dieser Website
● [Floch, Karl]: [Todescoiaden], in:
Der Floh
(Wien), 11. Jg. (1870):

● [Wurzbach, Constant(in) von]: Todesco, Hermann, in ders.:
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, enthaltend die
Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche seit 1750 in den
österreichischen Kronländern geboren wurden oder darin gelebt und
gewirkt haben. Von Dr. Constant von Wurzbach. Fünfundvierzigster Theil:
Thugut – Török. Mit eilf genealogischen Tafeln. Mit Unterstützung des
Autors durch die kaiserliche Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag
der k.k. Hof- und Staatsdruckerei 1882, S. 224–227:

● Kraus,
Karl (1874–1936):
[Eduard von Todesco-Anekdoten],
in: Die
Fackel (Wien), 1.–2. Jg.
(1899–1900):

● Heindl,
Gottfried
(1924–2005):
[Eduard von Todesco-Anekdoten],
in Gottfried
Heindl: Und die Größe ist gefährlich oder Wahrhaftige Geschichten zur
Geschichte eines schwierigen Volkes. (Eine Geschichte Österreichs in
Anekdoten. Bildauswahl: Karl Andreas Edlinger.) Wien–Berlin: Paul Neff
Verlag
1969, S. 138–139:

● Große Chronik von
Gramatneusiedl, Marienthal und Neu-Reisenberg:

● Bilder:
Die Besitzer der Marienthaler Textilfabrik:

© Reinhard Müller
Stand:
April 2011
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